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Titel: ARD-Presseclub perfektioniert eine Methode der Manipulation: Alle in der Runde sind der gleichen Meinung. Dann muss es ja richtig sein.

Datum: 26. Juni 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Wenn Sie die Botschaft unter die Leute bringen wollen, beim gegenwärtigen Konflikt im Nahen Osten sei der Iran der Schurke, dann müssen Sie dafür sorgen, dass alle Teilnehmer einer Gesprächsrunde diese Botschaft vertreten. Wenn Sie unter die Leute bringen wollen, das Renteneintrittsalter liege viel zu niedrig, es müsse auf 67 oder gar 70 Jahre erhöht werden, dann müssen Sie eine Journalistenrunde zusammenholen, die einhellig diese These vertritt. Beides hat der ARD-Presseclub geschafft. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Am vergangenen Sonntag, am 23.6. saßen dort zwei Journalistinnen, zwei Journalisten und der Moderator Schönenborn zusammen. Thema: “Eskalation am Golf – Gefährdet Trump den Weltfrieden?“, die Gäste hier und hier das Video.

Es reicht, wenn Sie sich 15 Minuten anschauen. Bei Minute 7:19 stellt Schönenborn die Frage, wer der Schurke ist, wer die Guten und wer die Bösen sind. Und alle sagen: der Iran ist der Schurke.

Die Informationen der Sendung über das aktuelle Geschehen waren ausgesprochen einseitig: da wurde nur dem Iran zugeschrieben, Terrorismus zu fördern und zu verbreiten. Von den Saudis keine Rede. Auch nicht vom Irakkrieg der USA, der ein mächtiger, destabilisierender Faktor war und vermutlich Tausende von Terroristen produziert hat.

Interessant an dieser Runde ist auch das Milieu: adrett und gut bürgerlich kommen die Journalisten rüber. Dabei ist ausgesprochen kriegstreibend, was sie so verkünden: Die Kriegsschuldfrage wird vorweg zugunsten der USA und zulasten des Iran beantwortet. Das erleichtert den möglichen Militärschlag.

Am 15. August 2010 hatte Moderator Schönenborn ebenfalls vier Journalisten zusammen geholt. Die Ankündigung für diese Sendung findet sich hier. Es ging um die Frage, ob das Renteneintrittsalter auf 67 oder gar auf 70 Jahre erhöht werden soll. Die anwesenden Journalisten begrüßten die Erhöhung. Die NachDenkSeiten hatten damals über die Sendung schon berichtet. Ich zitiere:

Der Diskussionsleiter und Chefredakteur des WDR-Fernsehens bezeugte beim Thema Rente mit 65, 67 oder 70 auf bemerkenswerte Weise die Selbstgleichschaltung der Medien. Er hatte ein Gremium von vier Journalistinnen und Journalisten geladen, die alle einschließlich seiner Person gleicher Meinung waren – für die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Um diese Selektion der Gäste als glaubwürdig erscheinen zu lassen, erklärte er in der Minute 9’29’’ der Sendung, „wir“ hätten bei der Einladung gesucht, aber es sei kaum möglich, unter den Journalistinnen und Journalisten der gängigen Zeitungen jemanden zu finden, der eine deutlich andere Meinung vertrete als die geladenen Gäste, nämlich eindeutig für die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Dann verwies er noch auf die abweichende Mehrheitsmeinung im Volk und insbesondere im Gästebuch des Presseclub. Dort könne man kaum jemanden finden, der die Position vertrete, die „hier am Tisch“ geäußert werde.

Die am Tisch geäußerten Meinungen waren einfältig und undifferenziert. Leider können wir Ihnen das Video und auch das Audio der Hörfunkübertragung nicht mehr präsentieren. Sie sind nicht mehr verfügbar.

Wichtig ist: Im Presseclub wurden damals wie am vergangenen Sonntag Journalisten zusammengeholt, die einheitlicher Meinung sind. Dass sie dies beim Thema Renteneintrittsalter sind und gemeinsam für eine Erhöhung sogar bis 70 Jahre plädieren, folgt unter anderem daraus, dass die Mehrheit der Zunft offensichtlich von der Lebens- und der Arbeitswirklichkeit der Mehrheit der Menschen wenig Ahnung hat und außerdem – soweit die Journalisten in den Presseclub geladen werden – über eine gute Altersversorgung verfügen.

Die beiden erwähnten Sendungen sind Beispiele dafür, wie auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Meinung gemacht wird. Es sind zwei Beispiele aus einer Reihe von unendlich vielen ähnlichen Veranstaltungen.

Im konkreten Fall des vergangenen Sonntag ist die einseitige Auswahl der Journalisten am Tisch besonders obskur. Die Fakten sprechen nicht so eindeutig wie behauptet dafür, dass der Iran der Schurke ist. Schließlich gibt es ein gemeinsam ausgehandeltes Atomabkommen. Dieses wurde einseitig von den USA aufgekündigt. Die europäischen Partner des Abkommens fanden und finden diese Aufkündigung nicht gut. In dieser Situation ist eine eindeutige Zuordnung des Etiketts “Schurke” im deutschen Fernsehen von beachtlicher Bedeutung. Man muss davon ausgehen, dass die atlantischen Hintermänner der ARD dafür gesorgt haben, dass ein solches Stück in das Meinungsführungsmedium am Sonntagmittag gehoben wird. Schönenborn ist offensichtlich – wie der Noch-ARDaktuell-Chef Gniffke – für solche Stücke zu haben.

Oft reicht schon eine weniger komplette Einseitigkeit für die gezielte Manipulation

Bei Talkshows fällt immer wieder auf, dass die Besetzung nicht komplett einseitig, sondern mit einer kritischen Stimme als Alibi und Glaubwürdigkeitskatalysator arrangiert wird. Sahra Wagenknecht kann davon ein Lied singen. Drei zu eins oder vier zu eins sind beliebte Konstellationen. Beides, die Fünf-zu-null-Variante wie auch die Vier-zu-eins-Variante sind wirksame Manipulationsmethoden.

Unsere Leserinnen und Leser wissen, dass die NachDenkSeiten des Öfteren auf Methoden der Manipulation aufmerksam machen. Der Grund dafür ist einfach: wir möchten helfen, früh und unabhängig von unserer täglichen Informationsarbeit selbst zu beobachten, wie versucht wird, auf unser Denken und Fühlen Einfluss zu nehmen.

Viele Kommentare bei Sendungen des Presseclub und der Talkshows zeugen übrigens vom kritischen Verstand vieler Beobachter. Teile des Publikums sind kritisch geworden.


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