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Titel: Interessante Sprachregelungen: „Bürgerliche“ Koalition aus AfD und CDU sowie „Linksschwenk“ der SPD

Datum: 3. September 2019 um 16:50 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache, Wahlen
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Der Wahlabend bei der ARD am Sonntag wie auch der gestrige Brennpunkt waren interessant. Da wurden Sprachregelungsversuche sichtbar, auf die ich Sie hinweisen möchte. Am Sonntag Abend gebrauchte die Moderatorin der ARD das Wort „bürgerliche“ Koalition für die Zusammenarbeit von AfD und CDU. Siehe Minute 39:23. Die Vertreter der AfD sprachen dann im Brennpunkt vom Montag ausdrücklich von der AfD als einer „bürgerlichen“ Partei. Das ist offensichtlich eine Sprachregelung, die eingepflanzt werden soll. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Landeschef der sächsischen AfD hat schon vor der Wahl des Öfteren diesen Versuch der positiven Etikettierung seiner Partei betrieben. Siehe dazu Anlage 1. Wir werden damit rechnen müssen, dass diese Etikettierungsversuche weitergehen. Das wird auch dadurch erleichtert, dass sich große Teile der CDU/CSU in dieser Art von Bürgerlichkeit von der AfD gar nicht unterscheiden.

Dass die AfD versucht, sich als bürgerliche Partei darzustellen, ist in mehrerer Hinsicht interessant:

  • Klar und wenig überraschend ist, dass sie das versucht, um Wähler von der CDU/CSU zu bekommen und zugleich Koalitionen mit ihr vorzubereiten.
  • Überraschend ist, dass die Kennzeichnung als bürgerlich offenbar die Arbeiter und die Abgehängten im Osten nicht negativ beeindruckt. Dazu mache ich auf eine Passage in Jens Bergers Artikel von gestern aufmerksam: „Die Zeiten, in denen die Parteien der politischen Linken die Stimmen des kleinen Mannes waren, sind endgültig vorbei. Laut infratest dimap war die AfD bei den gestrigen Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen bei den Arbeitern mit 44% und 41% mit großem Abstand die stärkste Partei. Die Linke kam bei dieser Gruppe nur noch auf 8% (Brandenburg) und 10% (Sachsen). In Sachsen holte die AfD bei den Arbeitern sogar mehr als doppelt so viele Stimmen wie das sogenannte linke Lager (SPD, Grüne und Linke) zusammen!“

Jetzt zum zweiten Versuch von Meinungsmache am Wahlabend:

„Linksschwenk der SPD“

Den Begriff „Linksschwenk“ gebrauchte der ARD-Moderator Sascha Hingst im Gespräch mit dem SPD-Politiker Platzeck in der Sendung des Wahlabends ab Minute 36:22 gleich dreimal. Er unterstellte in diesem Gespräch einen absolut realitätsfernen Linksruck der SPD, den es weder auf Bundesebene noch in Brandenburg gab und gibt. Auch hier soll offensichtlich Stimmung gemacht werden. Dahinter steckt eine Strategie, die kombiniert mit der anderen falschen Behauptung von der Sozialdemokratisierung der Union der CDU/CSU Wähler beschaffen soll.

Ob das die eigene Überzeugung des Moderators Hingst ist oder ob er sich von einer PR-Agentur oder der CDU-Zentrale dazu hat verleiten lassen, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war sein Versuch so auffallend, dass man ihn festhalten muss.

Wie sehr die öffentlich-rechtlichen Medien inzwischen mit der Union verbandelt sind, sieht man auch hier:

Fazit:

Wenn Sie sich solche Fälle geplanter und gezielter Manipulationen merken, dann werden Sie sensibilisiert. Das hilft dann auch bei anderen Gelegenheiten zu erkennen, wohin oder woher der Hase läuft.

Ich habe übrigens gerade das Manuskript eines kleinen Buches abgeschlossen, in dem 16 Fälle gezielter Manipulationen beschrieben und analysiert sind – aktuelle und weiter zurückliegende. Das soll helfen, Manipulationen zu erkennen und zu durchschauen. Der Titel des Anfang Oktober erscheinenden Buches:

Glaube wenig
Hinterfrage alles
Denke selbst
Wie man Manipulationen durchschaut

Anlage 1:
Äußerungen des Landeschefs der AfD von Sachsen mit dem Versuch, seine Partei als bürgerlich in die Debatte einzuführen:
23. August Zitat:

“Doch bei einem Pressegespräch im Juni formulierte Urban trotzdem schon mal Bedingungen für eine „bürgerliche Koalition“. Die AfD hatte in ein idyllisches Seehotel vor den Toren Berlins eingeladen, um auch auf jeden Fall Hauptstadtjournalisten dabeizuhaben. Hier erhob Urban Anspruch auf das Innenministerium und die „intellektuelle Führung“ der Koalition.“

tagesspiegel.de/politik/sachsens-afd-spitzenkandidat-joerg-urban-der-unscheinbare-scharfmacher/24932802.html

7. August Zitat:

“Der sächsische Landeschef der AfD Jörg Urban gibt sich vor der Landtagswahl siegesgewiss. “Wichtig ist, und da sieht es ganz gut aus, dass die AfD die meisten Stimmen auf sich vereinigt.” Die AfD sei dialogbereit, betonte Urban. “Wir werden sehen, welche Politiker, die dann im sächsischen Landtag sitzen, bereit sind, mit uns eine konservative und bürgerliche Politik zu machen”, sagte der AfD-Politiker. “Wir werden ein Angebot an alle Parteien und alle Abgeordneten im sächsischen Landtag machen.“

daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/joerg_urban_wahlkampf_sachsen-100.html

Anlage 2:
Zwei weitere Medienprodukte zum Thema:

Wahlabend im Ersten
MDR-Chefredakteur entschuldigt sich für Wortwahl der Moderatorin

Nach der Kritik an einer Formulierung der MDR-Moderatorin Wiebke Binder hat sich Chefredakteur Torsten Peuker entschuldigt, nimmt sie aber auch in Schutz. Der MDR werde sie auch weiterhin einsetzen.

Der Kampf um das Bürgerliche ist eröffnet
Von Thomas Vitzthum

Politikredakteur

Die neue Taktik der AfD ist unübersehbar. Sie will sich gerade im Osten, wo sie teils als rechtsradikal beschrieben wird, als stramm bürgerlich darstellen und zudem signalisieren: Wir sind zum Regieren bereit, aber die CDU will uns nicht. Wie ernst gemeint das Kooperationsangebot ist, muss dahingestellt bleiben.

Was die AfD aber erreicht, ist, dass die Union sich jetzt und in Zukunft ständig erklären muss. Viele Bürger dürften entsprechend nachfragen. …


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