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Titel: Trump will Krieg

Datum: 3. Januar 2020 um 11:58 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Militäreinsätze/Kriege
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Wer gehofft hat, dass 2020 ein friedliches Jahr werden würde, muss diese Hoffnung leider bereits kurz nach Jahresbeginn beerdigen. Mit dem von Präsident Trump befohlenen Attentat auf den berühmtesten iranischen General und mehrere ranghohe irakische Militärs nahe dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad haben die USA eine rote Linie überschritten. Beobachter werten den Anschlag als Kriegserklärung gegen Iran. Was muss noch passieren, bis Europa aufwacht und sich von der kriegerischen US-Politik distanziert? Von Jens Berger

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Der Chef des US-Generalstabs Mike Milley trifft zu einem informellen Besuch in Kiew ein und Wladimir Putin befiehlt den russischen Streitkräften, die Wagenkolonne, in der Milley von ranghohen ukrainischen Militärs vom Flughafen der Stadt abgeholt wird, mit einem Luftangriff zu vernichten. Wenige Minuten später postet Putin dann auf Twitter die russische Flagge … ohne weiteren Kommentar. Was würde in einem solchen Fall passieren? Im Morgenmagazin würden sich deutsche Sicherheitspolitiker gegenseitig mit Anschuldigungen an die russische Seite übertreffen und diesen offenen Bruch des Völkerrechts vollkommen zu Recht verurteilen. Wie die USA diese „Kriegserklärung“ aufnehmen würden, ist der Phantasie der Leser überlassen. Zum Glück handelt es sich hierbei ja nur um ein hypothetisches Szenario.

Der Raketenanschlag, mit dem die US-Streitkräfte auf Befehl ihres obersten Befehlshabers heute Nacht den iranischen General Ghassem Soleimani zusammen mit hochrangigen irakischen Befehlshabern in einer Fahrzeugkolonne in Bagdad töteten, ist hingegen leider sehr real. Um die Bedeutung dieses Angriffs zu verstehen, lohnt es, sich zu vergegenwärtigen, wer dieser General Soleimani eigentlich war.

Ein Engel war der General mit Sicherheit nicht. Formell betrachtet war Soleimani der oberste Befehlshaber der „Quds-Brigaden“, einer von den Medien meist als „Elite“ der iranischen Revolutionsgarden bezeichneten Einheit. Präziser sind die „Quds-Brigaden“ eine sehr umstrittene Auslandseinheit des iranischen Militärs, die unter anderem in den Kriegen im Libanon, in Syrien und zuletzt auch im Irak aktiv war – in den beiden letzten Konflikten kämpften sie hauptsächlich gegen die radikalen sunnitischen Streitkräfte des IS.

Ein Portrait der Asia Times beschreibt Soleimani als einen Mann, der von seinen Anhängern dafür gefeiert wurde, den (sunnitischen) Islamisten im Irak und Syrien die Stirn zu bieten und Irans Einfluss als Hegemonialmacht in der Region zu verteidigen. Der ehemalige CIA-Analyst Kenneth Pollak beschrieb ihn in seiner Außenwirkung auf die Schiiten des Mittleren Ostens als eine Mischung aus „James Bond, Erwin Rommel und Lady Gaga in einer Person“ – ein militärischer Popstar, dessen politischer Einfluss in Teheran offenbar gewaltig war. Diese Beschreibung ist mehr als „schmückendes Beiwerk“. Sie soll vielmehr verdeutlichen, wie sehr sich die iranische Regierung nun gemäß der Eskalationslogik gezwungen sehen wird, „Gleiches“ mit „Gleichem“ zu vergelten. Teheran kündigte bereits „schwere Vergeltung“ an. Es ist zu erwarten, dass der Irak einmal mehr zu einem Schlachtfeld für einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Iran wird. Die USA haben ihre Landsleute bereits aufgefordert, das Land „unverzüglich zu verlassen“.

Diese Eskalation ist von den USA Stück für Stück provoziert wurden. Am 29. Dezember hatte die US-Luftwaffe als (Über)Reaktion auf einen Anschlag in Kirkuk, bei dem ein US-Söldner ums Leben kam, eine groß angelegte Bombardierung militärischer und ziviler Ziele gestartet, die man schiitischen irakischen Milizen zuschrieb. Völkerrechtlich mehr als problematisch ist jedoch, dass diese Milizen offiziell in die irakischen Sicherheitskräfte eingebunden sind, die USA also völkerrechtlich Angriffe auf irakische Sicherheitskräfte flogen, bei denen mehr als 25 Menschen ums Leben kamen. Dies war der Auslöser von Angriffen eines irakischen „Mobs“ auf die US-Botschaft und die „Grüne Zone“ in Bagdad – einem schwerstens militärisch abgeriegelten Bezirk in der Größe des Vatikanstaates im Zentrum Bagdads, in dem de facto die USA und die von der US-Regierung bezahlten Söldner das Sagen haben. Die Ausschreitungen am Rande der „Grünen Zone“, die am Silvestertag begannen, flachten am gestrigen Donnerstag endlich spürbar ab und man wagte bereits zu hoffen, dass die gesamte Sicherheitslage sich wieder entspannen könnte … aber das wollte Donald Trump offenbar auf Teufel komm raus verhindern und hat dabei auf maximale Eskalation gesetzt.

Kritische Beobachter finden dafür klare Worte. So bezeichnet die Al-Jazeera-Journalistin Rania Khalek den Anschlag als „Kriegserklärung“. Ihre Kollegin Sana Saeed findet sogar noch deutlichere Worte.

“Die Trump-Regierung hat die Region gerade wahrscheinlich in einen massiven blutigen Konflikt gestürzt – und damit auch dieses Land. Es ist noch schwer, sich die möglichen Folgen auszumalen, aber es ist nicht zu ignorieren, dass der Anschlag auf Soleimani eine explizite Kriegshandlung darstellt.“

Erwartungsgemäß verhalten fällt die Kritik am Attentat in den deutschen Medien und der deutschen Politik aus. Dass ein Attentat auf einen Regierungsvertreter auf dem Boden eines dritten Landes ein kriegerischer Akt ist, der durch das Völkerrecht noch nicht einmal im Ansatz gedeckt ist, findet in der hiesigen Berichterstattung keine Erwähnung. Stattdessen kapriziert man sich auf die Person Soleimanis. Doch diese Diskussion führt zu nichts. Es ist nicht von Interesse, ob Soleimani ein Engel oder ein Teufel war. Wichtig ist die Frage, welche Folgen das von Trump angeordnete Attentat hat und wie die US-Regierung nun auf die zu erwartenden Eskalationen seitens Irans und seiner Unterstützer reagiert.

Wie es scheint, ist Donald Trump dazu bereit, den Mittleren Osten mit einem weiteren Krieg zu überziehen. Wahrscheinlich haben seine Wahlkampfmanager ihm gesagt, dass dies die Chancen auf eine Wiederwahl erhöht. Wer bislang immer noch der Meinung war, Trump sei – auch im Vergleich zu seinen Amtsvorgängern – ein eher „friedliebender“ US-Präsident, sollte spätestens jetzt aufwachen und Trump als einen weiteren militärischen Hasardeur an der Spitze eines kriegerischen Imperiums sehen, das die USA seit vielen Jahren sind.

Titelbild: saeediex/shutterstock.com


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