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Titel: Bei Maybrit Illner konnte man am 9. Januar sehen, wie das Rechtsbewusstsein schwindet und die Manipulationsbereitschaft wächst.

Datum: 10. Januar 2020 um 15:36 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Medienkritik, Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache
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Eigentlich lohnt sich die Sendung nicht, es sei denn, man will studieren, wie und welche Manipulationsmethoden angewandt werden und wie verkommen die Moral von manchen Menschen ist, die zu einer solchen Sendung eingeladen werden. Hier ist der Link zur Mediathek. Es war ein Stelldichein der Transatlantiker und Apologeten des US-Imperiums – mit ganz kleinen Abstrichen. Auf jeden Fall wussten alle eindeutig, wer die Guten und wer die Bösen sind. Albrecht Müller.

  1. Eingeladen waren:
    • Sigmar Gabriel (SPD), Vorsitzender des „Vereins Atlantikbrücke e.V.“
    • Daniel Gerlach, Journalist und Nahost-Experte
    • Düzen Tekkal, Journalistin und Kriegsreporterin, ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Konrad Adenauer Stiftung e.V.
    • Ulrike Becker, Historikerin, leitet den Bereich „Forschung“ des „Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB)“
    • Elmar Theveßen, Journalist. Er leitet das ZDF-Studio Washington.
  2. Einseitige Auswahl.

    Gabriel und Thevesen waren, unterstützt von Daniel Gerlach, die Linksaußen dieser Versammlung. Die beiden Frauen plus Moderatorin rechts davon. Der Maßstab für diese Einschätzung ist die Haltung zur Tötung eines Menschen, zur Ermordung eines Menschen, ja mehrerer Menschen, durch ein Land in einem anderen Land und ohne gerichtliche Verurteilung. Sigmar Gabriel wandte immerhin ein, dass die Ermordung des iranischen Generals einen Rechtsbruch darstelle. Das Völkerrecht erlaubt das nicht.

    Aber dieser Hinweis hat die Diskussion nicht geprägt. Hierzulande hat man sich offenbar so an die Drohnenmorde, die über Ramstein koordiniert werden, gewöhnt, dass man auch den Mord vom 2. Januar für angemessen hält. Der Blick in die Medien und einige Telefongespräche mit Beobachtern in Berlin haben mir den Eindruck vermittelt, dass Usus geworden ist, was bei dieser Sendung offen debattiert und begrüßt worden ist: Wir, die Guten, angeführt von den USA, haben das Recht und sogar die Pflicht, solche Gewalttaten zu begehen. Das internationale Recht spielt eine immer geringer werdende Rolle.

    Zur Einseitigkeit beigetragen haben vor allem die beiden Frauen Tekkal und Becker. Ulrike Becker ist die Vertreterin einer NGO. Dazu gab es auf den NachDenkSeiten in dieser Woche eine Information. Siehe hier ein interessanter Hinweis zu Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB). Frau Becker hat den Mord ausdrücklich begrüßt, ohne zu zögern.

    Nebenbemerkung: Wenn man der Meinung ist, dass es der Politik und unserem Zusammenleben gut täte, wenn Frauen mehr zu sagen hätten, dann erfährt man an diesem Abend einen herben Rückschlag.

    Noch ein Hinweis auf eine wichtige Publikation:

    Mit allen Mitteln für das große Inferno

    In Deutschland, Österreich und der Schweiz kämpft eine äußerst aggressive und mit ultrarechten US-Denkfabriken vernetzte Lobby für eine Eskalationspolitik gegen Iran – mit Geldern von der Bundesregierung und Schützenhilfe aus der Linken.

    Die Einseitigkeit der Auswahl wurde auch daran sichtbar, dass das Atomabkommen mit dem Iran nur mühsam verteidigt wurde und von Ulrike Becker sogar als nachteilig erachtet und bekämpft wurde.

  3. Mehrere Methoden der Manipulation wurden genutzt

    Die Analyse und Wertung einer solchen Sendung fällt einem leichter, wenn man die Methoden der Manipulation gelernt und präsent hat. Wenn man zum Beispiel gelernt hat, dass NGOs, Nichtregierungsorganisationen, zum Zwecke der Manipulation eigens gegründet werden (12.), dann weiß man so jemanden wie Frau Becker leichter einzuschätzen. – Wenn man gelernt hat, dass bei Talkshows ganz bewusst vier oder fünf oder gar sechs Leute versammelt werden, die einer Meinung sind (8.), dann durchschaut man dieses Spiel auch bei dieser Sendung. Und wenn man gelernt hat, dass Verschweigen eine der häufig angewandten Methoden ist (4.) und wenn man obendrein schon öfter beobachtet hat, dass Geschichten verkürzt zu erzählen (3.) eine in neuerer Zeit ständig angewendete Methode ist, dann wird man beim Blick auf die Sendung vom 9. Januar schon ganz schön immun.

    Die Ziffern hinter den hier formulierten Methoden beziehen sich auf das Inhaltsverzeichnis meines Buches „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst“. Dieses Inhaltsverzeichnis ist im Anhang zu diesem Text eingefügt. Schauen Sie sich die dort aufgelisteten Methoden und auch die Fälle und Strategien der Meinungsmache an. Sie werden sich dann vermutlich besser zurechtfinden und einen solchen Fernsehabend weniger bedrückt überstehen, weil nicht ohnmächtig den Machenschaften ausgesetzt.

    Die einzelnen Methoden und ihre Anwendung:

    Es wurde auch in Illners Sendung verschwiegen, was Gegenstand des heutigen Beitrags von Jens Berger zum Thema ist: dass der iranische General auf dem Weg zum irakischen Ministerpräsidenten war und die Version von Trump nicht stimmt, wurde auch in dieser Sendung nicht erwähnt.

    In den zentralen Fragen waren alle versammelten Personen einer Meinung: wir sind die Guten, der Westen tut das Richtige, prinzipiell ist es auch erlaubt, Personen zu Terroristen zu erklären und sie zu ermorden. Die Bösen sind die Iraner, die Syrer, die Russen.

    Geschichten wurden verkürzt erzählt. Immerhin hat sogar Sigmar Gabriel darauf hingewiesen, dass die Ayatollahs des Iran eine Vorgeschichte haben: den Putsch gegen den demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh. – Es wurde auch nicht erzählt, dass der Krieg der USA gegen den Irak, der 2003 begonnen hat, einer der Hauptursachen für die verheerende Lage in der Region und für die Entstehung des islamischen Staates (IS) war.

  4. Der Westen muss bleiben. Wenn nicht die USA, dann Europa bzw. die drei Mächte Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

    Es war geradezu gespenstisch, wie einig sich die versammelten Personen darin waren, dass erstens die USA bleiben sollten und zweitens ersatzweise die Europäer ihre Präsenz in der Region verstärken sollten. Warum? Vermutlich weitgehend angelerntes oder eingeübtes Zeug. Deutlich war, dass Israel gleich mehrfach mit am Tisch saß – angeführt von Frau Ulrike Becker.

    Die Vorstellung, dass vielleicht auch in dieser Region, wie bei uns in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, an einem Konzept der gemeinsamen Sicherheit gearbeitet werden sollte, war den versammelten Diskutanten ganz ganz fremd.

Anhang: Inhaltsverzeichnis von Albrecht Müller: „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.“
Inhalt

I. Einführung 7
II. Das Umfeld, in dem wir versuchen, die Freiheit unserer Gedanken zu erkämpfen und zu erhalten 12
III. Methoden der Manipulation 21
1. Sprachregelung 22
2. Manipulation mithilfe von ständig gebrauchten und mit einer Bewertung versehenen Begriffen 24
3. Geschichten verkürzt erzählen 25
4. Verschweigen 29
5. Wiederholen – Steter Tropfen höhlt den Stein 34
6. Übertreiben – Es wird schon etwas hängen bleiben 36
7. Die gleiche Botschaft aus verschiedenen Ecken aussenden 38
8. Alle in der Runde sind der gleichen Meinung. Dann muss es ja richtig sein. 40
9. Der Wippschaukeleffekt 42
10. Umfragen nutzen, um Meinung zu machen 46
11. B sagen und A meinen 48
12. NGOs gründen oder benutzen 50
13. Ein Sammelsurium von Andeutungen macht in der Summe die Halbwahrheiten zur Wahrheit 51
14. Experten helfen – zu manipulieren 53
15. Namen verknüpfen und damit Einzelne bewerten 55
16. Gezielter Einsatz von Emotionen 59
17. Konflikte nutzen und inszenieren, um Meinung zu machen 61
IV. Fälle von Meinungsmache und die dahintersteckenden Strategien 63
1. Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk. 64
2. Der demographische Wandel und der angebliche Zwang zur staatlich geförderten privaten Vorsorge 69
3. Von der Finanzkrise zur Staatsschuldenkrise – ein Meisterstück der Umdeutung und Umbenennung 75
4. Wir sind Exportweltmeister 78
5. Von »Nie wieder Krieg« zum Kalten Krieg 81
6. Von der Friedenspolitik zur neuen Konfrontation in Europa 83
7. Von Reformen zu »Reformen« 93
8. Solidarität und Mitfühlen oder »Jeder ist seines Glückes Schmied« 97
9. Keynes is out. Konjunkturprogramme bringen nichts außer Schulden 100
10. Vorbereitung und Begleitung der Agenda 2010 105
11. Die Auflösung der Deutschland AG und die verschwiegene Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne der großen Vermögen 118
12. Die Sozialdemokratisierung der Union – ein Meisterstück an Irreführung 120
13. Der gemeinsame Nenner von etablierten Medien und Politik: Gedankenlosigkeit 123
14. Die Mär von der New Economy und die Blase am Neuen Markt 125
15. Von der Diffamierung der Pleite-Griechen zu den offenen Armen der deutschen Bundeskanzlerin 128
16. Wie Spitzenkandidaten rauf- und runtergeschrieben werden 129
V. Zum Augen öffnen gehören mindestens zwei – das ist produktiv und macht mehr Spaß 133
Anmerkungen 138


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