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Titel: Julian Assanges Partnerin tritt an die Öffentlichkeit

Datum: 13. April 2020 um 11:04 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
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Am Samstag Abend veröffentlichte Wikileaks ein Video-Interview mit Julian Assanges langjähriger Partnerin, Verlobten und Mutter zweier gemeinsamer Söhne, Stella Morris. Im englischen Daily Mail erschien gleichzeitig dieser Artikel eines Gesprächs mit vielen Bildern, und der Schweizer Landbote schreibt dies. Am Samstag jährte sich auch die Verschleppung von Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London. Von Moritz Müller.

Im Interview erklärt Stella Morris, dass sie Assange seit 2011, als sie Mitglied seines Rechtsbeistandes wurde, kennt. Im Jahr 2015, nachdem sie sich nahezu täglich gesehen hatten, wurde aus Assange – nach Morris’ Worten aus einer Person, die man zu treffen genießt – der von ihr meist gewollte Mann auf der Welt. („Over the years he went from a person I enjoyed seeing to the man I wanted to see most in the world“)

Frau Morris wurde in Südafrika geboren und spricht fließend schwedisch und spanisch, was für die rechtliche Vertretung von Julian Assange sehr hilfreich war – einerseits, um schwedische Gerichtsakten zu lesen, und andererseits, um mit Assanges ecuadorianischen Asylgebern zu kommunizieren.

Die beiden kleinen Söhne Max und Gabriel sind nach ihrer Schilderung explizit geplant gewesen, um ihrer Beziehung etwas von einer gewöhnlichen Beziehung zu geben, wie auch Menschen in Kriegsgebieten Kinder bekämen.

Sie beschreibt Julian Assange als eine generöse und liebende Person, deren Ansehen über die Jahre gezielt zerstört wurde, so wie es vielen Menschen ergeht, die unerwünschte Wahrheiten ans Licht brächten.

Stella Morris schildert, dass sie, nachdem sie jahrelang ihre Familie aus dem öffentlichen Fokus gehalten hat, sich nun entschlossen hat, an die Öffentlichkeit zu treten, weil sie fürchtet, dass Julian Assanges Leben aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit und dem sich in Englands Gefängnissen ausbreitenden Coronavirus in akuter Gefahr ist.

Die beiden Söhne sind beide britische Staatsbürger, was sicherlich auch in die Auslieferungsentscheidung mit einbezogen werden müsste.

Wir werden in den nächsten Tagen sehen, wie die betreffenden Stellen auf diese Neuigkeiten reagieren.

Stella Morris’ Auftreten, zusammen mit ihren Söhnen, ist von der britischen Öffentlichkeit und den Personen, die offiziell und inoffiziell über das Schicksal von Julian entscheiden, sicherlich nicht so leicht zu ignorieren wie ein bärtiger Sonderling, der von einer Truppe linksgerichteter Aktivisten unterstützt wird. Am Ende des ansonsten eher nüchternen Interviews, durchzogen von etwas Witz und Verliebtheit, wird Stella Morris sichtlich von Emotionen erfasst, als sie über die Gefahr, in der ihr Verlobter schwebt, spricht. Falls keine Freilassung von Julian Assange zustande kommt, ist nach ihren Worten eine Hochzeit im Gefängnis geplant. Im Moment bekommt Julian Assange, wie auch die anderen Gefangenen, keinen Besuch, er ist über 23 Stunden am Tag in seiner Zelle, und auch die wöchentliche Sitzung mit seinem Psychiater und der sonntägliche Gottesdienstbesuch fallen wegen Covid-19 aus.

Ich persönlich hoffe, dass dieser persönliche Einsatz von Stella Morris, die ich bisher nur als ruhige und sympathische Randfigur wahrgenommen hatte, einen Umschwung in Assanges kafkaeske Situation bringt und es doch bald zu einem Einsehen vonseiten der britischen Justiz kommt.

Außerdem erklärt die Existenz dieser jungen Familie sicher auch das beinahe unglaubliche Durchhaltevermögen von Julian Assange. Ich selbst hatte mich schon des Öfteren gefragt, wie er es schafft, die scheinbar ausweglose Lage, in der er sich befindet, überhaupt zu ertragen.

Die Britische Gefängnisdirektorenvereinigung hatte vor kurzem wegen Covid-19 die Freilassung von 19000 Häftlingen aus den überfüllten Gefängnissen empfohlen.

Natürlich besteht auch hier wieder die Gefahr, dass Stella Morris’ Aufruf in der alles überwiegenden Corona-Berichterstattung untergeht.
Leider fällt auch sofort der Guardian mit falschen Fakten auf, in dem heute geschrieben steht, Julian Assange würde eine 50-wöchige Haftstrafe wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen verbüßen. Erstens war die Strafe seit Ende September abgesessen, weil in England Strafen von unter einem Jahr nur zur Hälfte vollstreckt werden, und zweitens sind seit Assanges Festnahme vor einem Jahr mehr als 52 Wochen vergangen.

Dafür gibt es dann auch in Zeiten der Ausgangssperre informative Online-Veranstaltungen wie diese, die am Samstag kurz vor der Veröffentlichung von dem Stella Morris’ Video stattfand.

Soweit fürs Erste, und Frohe Ostern!


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