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Titel: Schwankend wie ein Rohr im Wind

Datum: 5. Juli 2010 um 8:48 Uhr
Rubrik: Bundespräsident, Demoskopie/Umfragen, Kampagnen / Tarnworte / Neusprech
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Bis kurz vor der Wahl zum Bundespräsidenten galt nach den Umfragen Joachim Gauck als „Liebling“ des Volkes. Einen Tag nach der Wahl gilt Wulff als beliebt beim Volk. Dieser Stimmungsumschwung lässt einen erschrecken. Er belegt die Macht der Medien und er beweist zugleich, dass der Mainstream der Medien die SPD und die Grünen nur dann unterstützt, wenn diese Parteien – wie bei der Nominierung von Joachim Gauck – liberal-konservative Vorschläge machen. Wenn diese konservative Medienbarriere nicht durchbrochen wird, hat in Deutschland auf absehbare Zeit nur eine Große Koalition oder Jamaika bzw. Schwarz-Gelb eine Chance. Die gezielt vorangetriebene Spaltung des „linken“ Lagers drängt die Vermutung auf, dass das auch das wirkliche Ziel der Parteiführungen von SPD und Grünen ist. Wolfgang Lieb

„Gauck beliebter als Wulff“
So war die Stimmung am 11. Juni 2010
„Bei einer Direktwahl des Bundespräsidenten könnte laut der Umfrage “Deutschland-Trend” im ARD-Morgenmagazin der rot-grüne Kandidat Joachim Gauck mit deutlich mehr Stimmen rechnen als Christian Wulff (CDU). Keiner der beiden bekäme aber eine Mehrheit. Befragt wurden Anfang der Woche 1.000 Bundesbürger.
40 Prozent der Befragten würden sich für Gauck entscheiden (davon 39 Prozent der Westdeutschen und 47 Prozent der Ostdeutschen), 31 Prozent hätten Wulff (West: 33 Prozent, Ost: 25 Prozent) gerne als Präsidenten. Linken-Kandidatin Luc Jochimsen bekäme nur drei Prozent Zustimmung“ .

Sogar noch drei Tage vor der Wahl zum Bundespräsidenten, am 27. Juni 2010, war
„Gauck vor Wulff bei Umfragen“.
„Bei einer Umfrage des Emnid-Institutes wenige Tage vor der Bundespräsidentenwahl liegt der Kandidat der Grünen und der SPD, Joachim Gauck, vor seinem Konkurrenten, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff.
Demnach liegt Joachim Gauck laut einer Emnid-Umfrage bei 42 Prozent, während Christian Wulff nur auf 36 Prozent käme. Seit seiner Nominierung vor rund drei Wochen konnte Gauck somit um ganze zehn Prozent in den Umfragen zulegen, sein Kontrahent hingegen verlor ein Prozent. Vor allem bei den Geschlechtern gibt es aber große Unterschiede, so halten beispielsweise die Frauen Christian Wulff für den besseren Kandidaten, während Gauck bei dem Männern klar dominiert“.

Einen Tag nach der Wahl zum Bundespräsidenten gab es offenbar einen totalen Stimmungsumschwung:

Bewertung für Wulff: sympathisch, glaubwürdig, volksnah
Zur Einschätzung Wulffs befragte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap laut ARD 799 Wahlberechtigte bundesweit telefonisch, zu den anderen Punkten 1000. 58 Prozent der Deutschen denken demnach, dass am Ende mit Wulff der richtige Kandidat gewählt worden ist. Nur 35 Prozent finden, dass Joachim Gauck der bessere Präsident gewesen wäre. 79 Prozent der Befragten finden es gut, “dass diesmal ein jüngerer Kandidat in das Amt gewählt wurde”.
Christian Wulff wird von den Bürgern sehr positiv bewertet. 82 Prozent halten ihn für sympathisch, 74 Prozent für glaubwürdig und 66 Prozent für volksnah. 80 Prozent sind der Meinung, dass Wulff Deutschland in der Welt gut vertreten kann. 64 Prozent denken, dass Wulff mit den Problemen der Bürger vertraut ist. 54 Prozent finden, dass Wulff die richtigen Themen anspricht. Dass Wulff über den Parteien stehen wird, glaubt allerdings nur weniger als die Hälfte der Deutschen (47 Prozent).
Quelle: ARD-DeutschlandTREND

Wochenlang war also Joachim Gauck der „Liebling“ des Volkes und Christian Wulff hatte erheblich geringere Sympathien. Ein Tag nach Wahl ist alles anders.

Daraus kann man folgern: Entweder sind Umfragen nichts wert oder aber die Meinungen der Befragten.

Bilden aber die Umfragen die Meinungen jeweils wirklich ab, so kann man nur erschrecken.

Denn damit wird belegt, wie ausschließlich die Medien Meinungen machen. Vier Wochen lang gab es, initiiert von der Springer-Presse, eine Medien-Kampagne für Gauck – bis hin zu den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten machten die meisten Medien mit. Ergebnis: Gauck war der Kandidat des Volkes.

Kaum war die Wahl gelaufen, da gab es einen Medien-Hype für Wulff. Und über Nacht halten Wulff 82 % für sympathisch, 74 % für glaubwürdig und 66 % für volksnah und 47% halten ihn gegenüber Gauck für den besseren Bundespräsidenten. Was hat sich über Nacht an der Einschätzung der Personen anderes verändert als die Medienlage?

An dieser Meinungsmache mag man auch ablesen, wie wenig es dauerhaft politisch hilft, wenn man mit Personen machtaktische Spiele zu treiben versuchte. Die SPD und die Grünen haben mit ihrem Überraschungscoup, Gauck zu Kandidaten vorzuschlagen, in der Sache nichts gewonnen. Sie haben vielleicht Merkel vorübergehend ein wenig geschwächt und sie haben das „linke“ Lager einmal mehr gespalten. Für ihre politischen Inhalte – wenn sie denn mit Gauck solche vermitteln wollten – haben sie rein gar nichts gewonnen.

Es sollte SPD und Grünen zu denken geben, wie sehr sie Spielball der Medien sind. Sie können aus dem ganzen Spiel eigentlich nur den beängstigenden Schluss ziehen, dass sie nur dann die Medien auf ihrer Seite haben, wenn diese Parteien Positionen vertreten, die den (weit überwiegend konservativen) Medien gefällig sind. Und wenn SPD und Grüne noch im geringsten Maße selbstkritisch wären, dann müssten sie ernüchtert erkennen, dass sie die Unterstützung durch die Medien nur dann erwarten dürfen, wenn sie – wie bei Gauck – auf liberal-konservative Werte und antikommunistische Syndrome setzen.

Solange SPD und Grüne diese Medienbarriere aber nicht erkennen, wird die SPD in den Medien nur dann freundlich behandelt werden, wenn sie sich als (Ersatz-)Juniorpartner der CDU andient. Und die Grünen werden von den Medien nur so lange unterstützt, so lange sie sich als Koalitionspartner für Schwarz-Gelb oder für Jamaika anbiedern.

Das ist die eigentliche Lehre aus der Medienkampagne um die Wahl des Bundespräsidenten. Der Vorschlag Gauck lässt vermuten, dass die Führungsriegen von SPD und Grünen diesen Mechanismus erkannt haben und deshalb eben auch nur noch auf solche Koalitionsoptionen setzen. Sonst wäre es auch kaum nachvollziehbar, dass diese Wahl zum Bundespräsidenten einerseits nutzten, um einerseits die schwarz-gelbe Koalition zu schwächen und gleichzeitig das „linke“ Lager durch ihre Attacken auf die Linke weiter auseinander zu treiben.
Für alle diejenigen, die auf eine andere Politik für Deutschland hoffen, ist das ein ziemlich deprimierender Befund.


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