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Titel: Argumente gegen Studiengebühren

Datum: 22. Juni 2005 um 8:30 Uhr
Rubrik: CDU/CSU, Chancengerechtigkeit, Hochschulen und Wissenschaft, Soziale Gerechtigkeit
Verantwortlich:

Die SPD-Landtagsfraktion in NRW stellt 13 Argumente gegen die Einführung von Studiengebühren durch die neue CDU/FDP-Landesregierung.
Ein Leser der NachDenkSeiten setzt sich kritisch mit den Argumenten des RCDS für die Einführung von Studiengebühren auseinander.

13 Argumente zu den CDU-Positionen

1. CDU: Angebliche soziale Abfederung durch Studienkredite (KfW-Modell/BDA-Modell)

Wenn die Union darüber spricht, wie sie Studiengebühren sozial abfedern will, führt sie

  • Studienkredite
  • Stipendien

als mögliche Optionen an. Doch für beide liegt bislang kein durchdachtes und funktionierendes Finanzierungsmodell vor.

Bei den Überlegungen zur Finanzierung von Studiengebühren liegt auf der Hand, dass die Kreditwirtschaft – auch staatliche Banken wie die KfW – kein Interesse daran haben, nur für Studiengebühren Darlehensmodelle anzubieten. Der Aufwand für dieses aus Sicht der Bank kleine Kreditvolumen würde sich für das Kreditinstitut nicht lohnen, ganz abgesehen von den Ausfallquoten (beim BAföG liegt diese bei 30 Prozent und muss auch bei Studiengebühren angenommen werden) und dem Zinsrisiko. Insofern sind die Banken ausschließlich daran interessiert, eine umfassende Studienfinanzierung anzubieten, die neben den Studiengebühren auch die Lebenshaltungskosten für das gesamte Studium umfasst.

Basierend auf den KfW-Plänen (Kreditanstalt für den Wiederaufbau) umfassen die Darlehen in folgenden Beispielrechnungen des BMBF sowohl Lebensunterhalt als auch Gebühren:

  • Bei einer monatlichen Auszahlung von 350 Euro für 5 Jahre entsteht bei einer Darlehenssumme von 21.000 Euro eine Gesamtbelastung von 31.693 Euro (bei einer monatlichen Rückzahlungsrate von 200 Euro, einem Zins von 5,1 Prozent und 11,5 Jahren Laufzeit). Damit ergibt sich allein eine Zinsbelastung von 10.693 Euro!
  • Bei einer monatlichen Auszahlung von 650 Euro für 5 Jahre entsteht bei einer Darlehenssumme von 39.000 Euro eine Gesamtbelastung von 90.562 Euro (bei einer monatlichen Rückzahlungsrate von 200 Euro, einem Zins von 5,1 Prozent und 35 Jahren Laufzeit). Damit ergibt sich allein eine Zinsbelastung von 51.562 Euro!

Bei diesem und allen weiteren bisher vorgelegten Modellen wird deutlich, dass künftige Studierendengenerationen am Ende ihrer Ausbildung mit einem riesigen Schuldenberg von zwischen 30.000 und 85.000 Euro dastehen werden. Im Extremfall können es sogar 126.000 Euro sein. Dies hält die CDU/CSU in einer Phase für zumutbar, in der die jungen Menschen die Gründung einer Familie planen, ein eigenes Haus finanzieren oder den Schritt in die Selbständigkeit wagen sollen. Wo die CDU hier die Sozialverträglichkeit ihrer Gebührenpläne sieht, ist nicht nachzuvollziehen, denn Schulden belasten den Start ins Berufsleben massiv.

Auch das von Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt vorgestellte Modell zur sozialen Absicherung von Studiengebühren bedeutet, dass Studierende in Zukunft nach ihrer Hochschulausbildung mit mindestens 50.000 Euro Schulden ins Berufsleben starten würden. Der BDA schlägt ein vom Staat finanziertes Ausbildungsbudget von 15.000 Euro für jeden Studierenden vor. Es soll Kindergeld, Bafög und Ausbildungsfreibetrag ersetzen und so kostenneutral sein. Dieses Budget soll allen Studierenden zur Verfügung stehen und nicht zurückgezahlt werden. Es soll ergänzt werden durch Darlehen bis zu 35.600 Euro

Der BDA-Vorschlag ist nicht akzeptabel. Wer allen Kindern aus einkommensschwachen Schichten das dringend benötigte Kindergeld und BAföG wegnehmen will, um es auch Studierenden aus reichem Elternhaus zu geben, handelt sozial nicht gerecht. Daneben kommt auch dieses Modell der Arbeitgeber nicht ohne staatliche Bürgschaften für Kreditausfälle und Zinsrisiken aus, die durch staatliche Bürgschaften zu niedrigen Zinsen angeboten werden sollten, etwa von der staatlichen Bank KfW und Geschäftsbanken.

2. CDU: Studiengebühren sind finanziell zu verkraften, 500 Euro sind zumutbar

Wie die nachfolgenden Einkommens-Beispiele zeigen, sind 500 Euro im Semester bereits für viele Haushalte – einkommensschwache, aber auch Mittelstandsfamilien – eine Hürde:

Beispiele für monatliche Brutto-Durchschnittseinkommen:

  • Mittlerer Bankangestellter 4003 Euro
  • Bürofachkräfte 3457 Euro
  • Datenverarbeitungsfachleute 4479 Euro
  • Elektroinstallateur 2540 Euro

Gerade für Studierende, die BAföG beziehen, bedeuten Studiengebühren von 500 Euro pro Semester oder 85 Euro im Monat einen kaum zu verkraftenden Einschnitt:
Die GESIS (Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V.) hat für 2002 den Einkommensdurchschnitt verschiedener Berufsgruppen in Deutschland ermittelt: Danach hat im Durchschnitt eine

  • Arbeiterfamilie, ein Verdiener, zwei Kinder, netto 2.200 Euro im Monat. In diesem Fall beträgt der BAföG-Satz (Höchstsatz wäre 585 Euro), wenn ein Kind studiert und eins noch auf dem Gymnasium ist, 439 Euro. Die Studiengebühren würden also im Monat knapp 20 Prozent des BAföG auffressen!
  • Angestelltenfamilie, ein Verdiener, zwei Kinder, netto 2.700 Euro im Monat. Hier läge der BAföG-Satz für das studierende Kind bei 214 Euro. Die Studiengebühren würden also im Monat knapp 40 Prozent des BAföG verschlingen!

Abgesehen davon, wird es – das wird bereits jetzt deutlich – nicht bei den im ersten Anlauf angekündigten Gebührenhöhen bleiben, diese Einschätzung teilen etliche Fachleute:

Ich rechne damit, dass ein Studiengang an einer durchschnittlichen deutschen Uni in fünf Jahren etwa 2.500 Euro pro Semester kosten wird.


Klaus F. Zimmermann, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Handelsblatt, 27.1.2005

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter Gaethgens, hat eine Obergrenze von 1.000 Euro pro Semester vorgeschlagen:

Das entspricht einer Höhe von rund 20 Prozent der Kosten in der Lehre. (…) Bei völliger Freigabe könnten es auch bald 5.000 oder 10.000 Euro sein – wie in anderen Ländern.


HRK-Präsident Peter Gaethgens in der Handelsblatt-Ausgabe vom 28.01.2005.

3. CDU: Studiengebühren sind nicht ungerecht und führen nicht zur sozialen Ausgrenzung

  • In Österreich zahlen Studierende seit 2001 363,36 Euro pro Semester. Dies führte zu einer sozialen Ausgrenzung.

    In jeder Hinsicht sozial gerecht sei das System nicht, räumt Kolland ein. Acht der zwanzig Prozent, die nach der Gebühreneinführung ihr Studium abgebrochen haben, kamen aus bildungsfernen Schichten. …. Obwohl die Studienhilfe sozialer geworden sei, inzwischen 15-20 Prozent der Studierenden von der Gebührenpflicht befreit, werden diejenigen ohne Anspruch belastet: Zehn Prozent aller Studierenden arbeiten inzwischen mehr, um ihr Studium selbst finanzieren zu können, zehn Prozent haben seit der Gebühreneinführung damit angefangen, zu jobben.


    Franz Kolland, Professor für Soziologie an der Universität Wien in einem Artikel von Ulrike Winter „Wer für die Uni zahlt, verdient mehr” in der Rheinischen Post vom 31.01.2005

  • In den USA haben jahrzehntelange Untersuchungen ergeben,

    dass sich rund um die Ivy League eine Klassengesellschaft gebildet hat, in der, wer im Einkommen den unteren 20 Prozent angehört, so gut wie keine Chance hat, in das obere Einkommens-Fünftel aufzusteigen. Der Wohlstand ist in den USA fast komplett von der Ausbildung abhängig geworden. Die Gehälter der High-School-Absolventen stiegen von 1975 bis 1999 im Schnitt überhaupt nicht. Die Durchschnittseinkommen derer, die von der Ivy League oder auch von Stanford in Palo Alto kommen, haben sich dagegen vervielfacht.


    Aus: Winfried Münster „Goldener Mittelweg”, in: Rheinische Post vom 25.01.2005

4. CDU: Studiengebühren führen zu besser Ausstattung und besseren Studienbedingungen an den Hochschulen; Studiengebühren gehen an Hochschulen

Bisher hat kein Unionsland gesetzesfest geregelt, dass die Studiengebühren ausschließlich an die Hochschulen fließen – auch nicht die CSU, die dazu die Mehrheit hätte.

In Bayern haben Ministerpräsident Edmund Stoiber und Wissenschaftsminister Goppel eine Zusage, wonach die Hochschulen die eingenommenen Studiengebühren behalten dürfen, lediglich bis zum Jahr 2008 gegeben. Hier ist keine dauerhafte Mehrausstattung zu erwarten, sondern ein kurzfristiges Strohfeuer.

Laut Berechnungen von Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Frankenberg würden von den Einnahmen durch die Studiengebühren nach Abzug der Kosten (Bürgschaftsrisiko, Verwaltung usw.) lediglich bundesweit noch 1,4 Milliarden Euro bei zwei Millionen Studierender erwartet.

Was bedeutet das bundesweit gesehen an Finanzmitteln für alle deutschen Hochschulen? Mit dieser Summe (1,4 Mrd. €) wäre nicht einmal zehn Prozent der staatlichen Finanzierung für die etwa 350 deutschen Hochschulen gedeckt. Im Jahr 2002 bekamen diese von Bund und Ländern insgesamt 18,6 Milliarden Euro.

Und was würden bundesweit flächendeckende Studiengebühren finanziell für die NRW-Hochschulen bedeuten? Für das Land NRW, in dem jeder vierte deutsche Student eingeschrieben ist, wären das theoretisch Einnahmen in Höhe von 350 Millionen Euro. Auch hier würden nicht einmal zehn Prozent der staatlichen Finanzierung der Hochschulen gedeckt. Allein die Hochschuletats einer einzelnen Universität wie Aachen, Bonn oder Bochum liegen jeweils bei rund 300 Millionen Euro im Jahr.

Der Betrag aus dem Vorschlag Frankenbergs entspricht exakt der Summe, die im Jahr 2006 (1,488 Milliarden Euro) aus der Abschaffung der Eigenheimzulage zu erwarten wäre.

Die Abschaffung der Eigenheimzulage wäre bildungspolitisch gerechter und sozial verantwortlicher. Doch das haben CDU/CSU erst am 28.01.2005 erneut im Bundestag abgelehnt!

Allein durch die Blockade des Exzellenzwettbewerbs durch die Union werden den Hochschulen 1,9 Milliarden pro Jahr vorenthalten.

Wenn es der Union also um eine Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland geht, ist nicht zu verstehen, warum sie die Eigenheimzulage und die 1,9 Milliarden aus dem Exzellenzwettbewerb blockiert.

Das zeigt: Gebühren für das Erststudium sind ein geringer finanzieller Gewinn, erkauft um den hohen Preis der sozialen Gerechtigkeit und der Zukunftschancen vieler junger Menschen.

5. CDU: Studiengebühren sind international üblich

  • Die PISA-Sieger Finnland und Schweden erheben keine Studiengebühren.
  • In den Ländern, in denen es bereits Studiengebühren gibt, werden diese zurzeit – beispielsweise in GB – drastisch erhöht. In GB werden von 2006 an die jährlichen Studiengebühren von jetzt einheitlich 1100 Pfund (1600 Euro) auf bis zu 3000 Pfund (4300 Euro) angehoben. In den USA sparen die Familien entweder von Geburt an beträchtliche Beträge für die spätere Universitätsausbildung der Kinder oder müssen sich enorm verschulden (Hypothek auf das Haus). Insgesamt haben die stark gestiegenen Studiengebühren die Verschuldung der amerikanischen Mittelschichtfamilien in den vergangenen Jahren dramatisch nach oben getrieben.

6. CDU: Studiengebühren führen zu mehr Studienerfolg

  • Der Studienerfolg in Deutschland liegt nach der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick” mit 70 % im OECD-Mittel. In den Hochgebühren-Ländern USA und Australien liegt der Erfolg mit 66 bzw. 69 % nicht besser.
  • Behauptet wird: Weil dann ernsthafter und zielstrebiger studiert wird, senken Studiengebühren die Abbrecherquoten und heben den Studienerfolg. Tatsache ist: Mit Studienkonten erreichen wir dasselbe Ziel, nur intelligenter – ohne Schulabgänger vom Studium abzuschrecken.

7. CDU: nachgelagerte Studiengebühren führen nicht zu finanziellen Mehrbelastungen des Staates:

Gegenbeispiel Australien: Für den Fall, dass die Studierende die Gebühr nicht sofort aufbringen können (was ihnen einen Nachlass von 25 Prozent ermöglicht) werden in Australien die Gebühren durch ein Kreditsystem aufgefangen. Dieses HECS-Modell (Higher Education Contribution Scheme) koppelt die Rückzahlungsmodalitäten an die Höhe des späteren Einkommens. Dieses Modell ist in den vergangenen Jahren in erhebliche Schieflage geraten. Zurzeit übersteigen die HECS-Kredite die Rückzahlungen um 9 Mrd. Dollar (ca. 5,5 Milliarden Euro). Bis 2007 erwarten Experten sogar eine Lücke von 15 Mrd. Dollar (ca. 9,1 Milliarden Euro), die letztlich von der öffentlichen Hand gedeckt werden muss.

8. CDU: Studiengebühren verbessern die Chancen des Wirtschaftsstandorts Deutschland

  • Ein viel größerer Wirtschaftsschaden entstünde, wenn weniger junge Menschen ausgebildet würden, weil sie sich durch Gebühren von der Aufnahme eines Studiums abschrecken ließen – wir brauchen jedoch nicht weniger, sondern im Gegenteil dringend mehr gut ausgebildete junge Menschen.
  • CD- Studie „Bildung auf einen Blick” zeigt: Deutschland hat die niedrigste Akademikerquote aller Industrieländer.
  • Der Universitätspräsident der TU Darmstadt, Johann Dietrich Wörner, befürchtet, dass durch die Einführung von Studiengebühren vor allem Studierende aus ärmeren Ländern davon abgehalten werden könnten, sich in Deutschland um einen Studienplatz zu bemühen. „Ich bin sicher, dass wir an dieser Stelle einen Einbruch bei unseren Bemühungen um Internationalisierung bekommen werden. Die Zahl der Studierenden insbesondere aus den finanzschwächeren Auslandsbereichen wird zurückgehen.” Damit führen Studiengebühren zu einer Auslese auch ausländischer Studierender. [Aus: Deutschlandfunk ‚Campus & Karriere’ vom 02.02.2005 „Hochschulautonomie auch bei Studiengebühren”, von Ludger Fittkau]

9. CDU: Die Bevölkerung hat Verständnis für die Einführung von Studiengebühren

  • Nein – laut Umfrage von „Politbarometer” vom 28.01.2005 sprechen sich nur 16 Prozent für generelle Studiengebühren aus, für Studiengebühren nach Überschreiten der Regelstudienzeit 65 Prozent. 15 Prozent sind gegen jegliche Gebühren.
  • Nach einer Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der WELT, veröffentlicht in der Welt am 01.02.2005, glaubt die Mehrheit der Deutschen (54 Prozent) nicht, dass Studiengebühren zu einer Verbesserung der Qualität des Studiums führen. In der Altersgruppe der unter 29jährigen, also potentiellen Studierende, ist die Mehrheit (59 Prozent) der Ansicht, dass Studiengebühren nichts zur Qualitätssteigerung beitragen.

10. CDU: Angebliche soziale Abfederung durch Stipendien

Hinsichtlich eines funktionierenden Stipendiensystems, das soziale Härten abfedern könnte, liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern extrem zurück. Hier beginnt die Wirtschaft jetzt gerade erst einmal mit grundsätzlichen Überlegungen dazu, wie ein solches Stipendiensystem aussehen könnte. Ein solches System aufzubauen wird Jahre dauern, und bis 2007/2008 ist es nicht etabliert. Ein solches System wäre jedoch eine der Grundvoraussetzungen für ein sozial ausgewogenes und vertretbares Studiengebührenmodell, das niemanden aufgrund seiner sozialen Herkunft von der Teilhabe an der Hochschulausbildung ausschließt.

  • Nach der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks erhalten gerade einmal zwei Prozent der rund zwei Millionen Studierende Stipendien. Dabei decken sie auch nicht die gesamten Lebenshaltungskosten, sondern ergänzen lediglich andere Einnahmen der Studierende.
  • Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, räumt ein: „Bislang ist die Zahl der Stipendien für Studenten in Deutschland verschwindend gering.” [In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 30.01.2005 „Wer finanziert das Studium für die Kinder armer Leute?” von Carsten Germis und Winand von Petersdorff]

11. Im Ruhrgebiet würden sich Studiengebühren besonders negativ auswirken

Professor Klaus Tenfelde, Leiter des Instituts für soziale Bewegungen an der Ruhr-Universität Bochum, warnt:

Besonders im Ruhrgebiet mit seiner durchschnittlich schwächeren Einkommensstruktur sei es nötig, Gebühren sozial zu flankieren, um negative Auswirkungen zu vermeiden.


Prof. Klaus Tenfelde, Leiter des Instituts für soziale Bewegungen an der Ruhr-Universität Bochum, in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 28.01.2005 „Wirtschaft will mehr Rechte für Studenten” von Christopher Onkelbach.

12. Gebührenbefürworter: Der Kindergarten in NRW kostet doch auch

Auch bei der vorschulischen Betreuung übernimmt letztendlich das Land den Bärenanteil. Das gilt insbesondere auch bei den Gebühren für Kindergarten, Mittagsbetreuung, unter 3 Betreuung und Hort, wo das Land einspringt, wenn die Eltern gar keinen oder nur einen verminderten Beitrag leisten können. Im Jahr 2001 betrugen die Gesamtbetriebskosten der Kindergärten, Horte etc. 2,4 Milliarden Euro. Daran beträgt der Anteil der Elternbeiträge, die völlig zu recht einkommensabhängig gestaffelt sind, gerade einmal 15,97 % (390 Millionen Euro).

Schon heute ist für 15 % der Kindergarten gebührenfrei, weitere 18,5 % zahlen lediglich 26 Euro im Monat und rund 33 % 45 Euro. Also zahlen insgesamt 66 % aller Eltern (bis zur Einkommensgruppe von 36.813 €) Kindergartengebühren von maximal 44 €. Nur 9,48% der Eltern sind in der obersten Beitragsklasse (über 61.355 € Einkommen) und zahlen den Höchstbetrag von 151 € (Alle Zahlen auf Datenbasis 2001).

Wenn die Gebührenbefürworter die Kindergartengebühren angesichts dieser Zahlen als soziale Hürde brandmarken, wären es Studiengebühren für jeden – auch für Kinder aus einkommensschwachen Schichten – von mindestens 500 Euro pro Semester erst recht.

Und das vor der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, dass Deutschland für seine Zukunftsfähigkeit drei statt zwei Millionen Studierende braucht.

13. CDU: SPD ist in der Studiengebühren-Frage nicht geschlossen

  • Der SPD-Parteirat hat sich in seinem Beschluss am 31.01.2005 einstimmig „für ein gebührenfreies Studium und Bildung für alle!” ausgesprochen. Demnach gilt für sozialdemokratische Bildungspolitik, dass das Erststudium in Deutschland gebührenfrei bleibt, jedem, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ein Studium in Deutschland ermöglicht wird und die Ausbildungsförderung in den Grundsätzen Bestand hat, eine stärkere soziale Ausgrenzung zu verhindern. Das ist zudem die Beschlusslage sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene.
  • Bundeskanzler Gerhard Schröder hat bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Husum am 02.02.05 die Länder ermahnt, „mehr an die Chancengleichheit der Jugendlichen” zu denken. In Deutschland dürfe nicht zugelassen werden, dass „das Kind eines Chefarztes immer noch mehr Chancen auf Bildung hat als das einer Putzfrau.” Deutschland brauche nicht weniger, sondern mehr Studenten. „Und dies nicht nur aus einer Schicht.”

(Vorlage der SPD-Landtagsfraktion, Stand Februar 2005)

Auseinandersetzung mit der Argumentation des RCDS zur Einführung von Studiengebühren

Da momentan viele Behauptungen über die Vorteile von Studiengebühren in den Medien herumgeistern, habe ich mal unter www.studiengebuehren.de nachgeschaut. Dahinter steht der RCDS, der sein Engagement für Studiengebühren an verschiedene Bedingungen koppelt, die auf der benannten Homepage nachzulesen sind. Was jedoch nicht dazu führt, dass der RCDS gegen Studiengebühren protestiert, die ohne eingeführt werden sollen, ohne dass die Bedingungen des RCDS erfüllt sind.

“1. Das Studium ist –gerade für die Studierenden – Studiengebühren wert.”
Kein Argument, deshalb muss man sich nicht weiter damit befassen. Stimmt nicht ganz, weil sich hier eine typische Denke zeigt. Der Weg in den Gebührenzahlerstaat wird vorgezeichnet. Jeder zahlt für das, was er in Anspruch nimmt, Solidarität das war einmal.

“2. Studiengebühren sind internationaler Standard.”
Ein wirklich beeindruckender Grund auch bei uns Studiengebühren einzuführen. Am 28. Januar 2005 schrieb dazu die FAZ: “Keine Studiengebühren werden in den skandinavischen Ländern, Frankreich, Irland, Polen, der Tschechischen und der Slowakischen Republik, Luxemburg, Malta und bisher Deutschland erhoben. In Malta, Schweden und der Slowakischen Republik müssen die ausländischen Studenten bezahlen. Frankreich erhebt für die Grandes Ecoles und Polen für die privaten Universitäten Gebühren.” Kurzum, es gibt also eine Reihe europäischer Länder, die ohne Studiengebühren auskommen. Auch solche, wie Dänemark, die anerkannt gute Universitäten besitzen.

“3. Studiengebühren erhöhen den hochschulinternen Marktwert und die Qualität der Lehre und damit auch den Stellenwert der Studierenden.”
Diese These ist mehr als fraglich. Mehr Einfluss könnte zum Beispiel durch eine echte Mitbestimmung des ASTA erreicht werden. Eine Möglichkeit wäre es auch, wenn man den Studenten einen Teil des Geldes, der bisher an die Universitäten geflossen zahlen würde, so dass sie mehr Einfluss ausüben können.

“4. Studiengebühren stärken die Autonomie und Profilschärfung der Hochschulen.”
Siehe dazu auch meine Antwort auf These 3.

” 5. Studiengebühren stellen nur eine anteilige Mitfinanzierung des Studiums dar.”
Es hat sich bisher immer gezeigt, dass die öffentlichen Mittel zurückgefahren werden, wenn private Mittel zur Finanzierung hinzukommen. Der Anteil der Gebühren steigt immer mehr. Siehe hier.

” 6. Studiengebühren schließen keine Begabten vom Studium aus, wenn sie erst nach dem Studium und einkommensabhängig bezahlt werden können.”
Eine sehr verlockende Vorstellung nach dem Studium erstmal mit 6000 Euro Schulden ins Berufsleben zu starten. Studenten mit wohlhabenderen Eltern müssen dies nicht. Fraglich ist auch wie die Zeit überbrückt werden soll, bis die ersten Studenten ihre Schulden zurückzahlen. Wenn es wirklich mehr Geld für die Universitäten geben soll, dann muss die öffentliche Hand vorfinanzieren, also mehr Kredite aufnehmen. Übrigens kann es auch mit Stipendien für Begabte keine sozial gerechten Studiengebühren geben. Wer das Geld hat könnte auch studieren ohne ein besondere Leistungen zu erbringen, wer kein Geld hat muss erst besondere Leistungen erbringen, um in den Genuss eines Studiums zu kommen.

“7. Studiengebühren erhöhen die soziale Gerechtigkeit in der Bildungsfinanzierung.”
Dieser Satz ist nur grammatikalisch richtig, inhaltlich jedoch grundfalsch. Es wundert mich sehr, dass nicht das herzzerreißende Beispiel der Putzfrau gebracht wurde, die das Studium eines Arztsohnes finanziert. Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, dass man dem gut verdienenden Akademiker das Geld auch abnehmen kann, indem man den Spitzensteuersatz erhöht. Es ist heute schon so, dass der Bildungsabschluss, gegenüber der Erbschaft, an Bedeutung für die finanzielle Situation abnimmt. Diesem Trend sollte eine angebliche Leistungsgesellschaft entgegenstellen, statt ihn zu verschärfen.

” 8. Studiengebühren müssen den Hochschulen zur Verbesserung der Studienbedingungen zusätzlich zur Verfügung stehen.”
Ist der RCDS selbst naiv oder versucht die studentische Hilfstruppe der Union die Diskussion zu verwässern. Fakt ist, dass die jetzigen Modelle sehr wohl dazu führen werden, dass die Hochschulen weniger Geld von den Ländern erhalten werden, schließlich wird es durch die Studiengebühren weniger Studenten geben. Die Bundesländer bezahlen pro Kopf die gleiche Summe und sparen trotzdem bei der Bildung. Siehe hier.


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