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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 31. August 2020 um 8:46 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Marija Kolesnikowa, Belarus: Millionen und Sanktionen der EU schaden dem Dialog
  2. PM: Aktive aus der Friedensbewegung bekräftigen die Notwendigkeit ihres Aufrufes an die Partei die LINKE
  3. Proteste in Berlin
  4. Corona-Verordnung: Maskenpflicht verfassungsgemäß – Kontaktnachverfolgung muss neu geregelt werden
  5. Angela Merkel warnt vor Corona-Situation: „Wird schwieriger als im Sommer“
  6. Columbia Journalism Review Publishes Detailed Expose on Gates Foundation Buys Influence With Journalists
  7. Droht die Hyperinflation? – Punkt.PRERADOVIC mit Prof. Heiner Flassbeck
  8. Auf dem Weg zum Staatskapitalismus?
  9. Vermögensverteilung in Deutschland: neue Daten zu MillionärInnen
  10. Vollzeitbeschäftigte mit Niedriglohn in den Kreisen und kreisfreien Städten
  11. Keine Angst, Google will doch nur deine Gesundheit
  12. Krieg und Rüstung – Die vergessenen Klimasünder
  13. Warum die Reform des Geldwäscheparagraphen ihr Ziel verfehlt
  14. Gutachter werfen Behörden schwere Fehler vor
  15. E-Mails belasten Verkehrsminister Scheuer
  16. Experten-Interview zur Wahlrechtsrefom

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Marija Kolesnikowa, Belarus: Millionen und Sanktionen der EU schaden dem Dialog
    Ein bemerkenswertes Gespräch konnte man in der Samstagsausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 29.08.2020 lesen. Die von dem oppositionellen Frauentrio nach den Zusammenstößen mit der belorussischen Staatsmacht im Lande verbliebene Marija Kolesnikowa, faktische Sprecherin des Koordinationsrates der Opposition in Belarus gab Interventionen von Seiten der EU eine deutliche Absage.
    Für die, die dieses Interview nicht selbst lesen konnten, hier das Wichtigste in Kürze:
    Nach einer kurzen Skizze ihrerseits, dass die Protestbewegung sich nun von der Straße mehr in die Breite bewege, antwortet Frau Kolesnikowa auf die Frage, ob sie befürchte, dass der Machtkampf in Belarus nach den ersten Zusammenstößen zwischen Staatsmacht und Opposition „nun geopolitisch aufgeladen“ werde:
    Quelle: Kai Ehlers

    dazu: Das “armenische Modell”
    Eine führende Vertreterin der Minsker Opposition protestiert gegen die Einmischung der EU in Belarus. Die Sanktionen, auf die sich die Außenminister der Union am vergangenen Freitag geeinigt haben, lehne sie ab, erklärt Marija Kolesnikowa, eine der bekanntesten Aktivistinnen des Minsker “Koordinationsrats für den Machtübergang”. Dass die EU darüber hinaus den “Koordinationsrat” einspannen wolle, um Millionenbeträge zur Unterstützung der Opposition in Belarus zu verteilen, habe dem Rat “sehr geschadet”. Ohnehin wünsche die klare Mehrheit der Demonstranten keine einseitige Annäherung an EU und NATO, sondern wolle vielmehr die Beziehungen ihres Landes zu Russland “entwickeln” und “freundschaftlicher … gestalten”. Kolesnikowa weist darauf hin, dass die “traditionelle Opposition”, die in Kooperation mit dem Westen eine weitreichende Abkehr von Russland anstrebt, sich – noch – in der Minderheit befindet. Westliche Strategen raten mit Blick auf die schwache Abneigung gegen Russland in der belarussischen Opposition zu größerer Umsicht und plädieren für ein “armenisches Modell”.
    Quelle: German Foreign Policy

  2. PM: Aktive aus der Friedensbewegung bekräftigen die Notwendigkeit ihres Aufrufes an die Partei die LINKE
    Nach dem kürzlichen Interview des Fraktionsvorsitzenden der Partei Die Linke, Dietmar Bartsch, im Deutschlandfunk zu außen- und verteidigungspolitischen Fragen haben Aktive aus der deutschen Friedensbewegung einen Aufruf an die Partei initiiert, den innerhalb kurzer Zeit bereits zahlreiche Menschen unterzeichnet haben.
    Auch Gregor Gysi fordert nun in seinem Interview mit der FR vom 28.8.20 einen außenpolitischen Kurswechsel der Partei die LINKE. Die LINKE fordert im Erfurter Programm, dass die Bundeswehr “aus allen Auslandseinsätzen zurückgeholt” wird. Wenn Gregor Gysi in diesem Zusammenhang von Kompromissfähigkeit spricht, dann verabschiedet er sich nach Dietmar Bartsch von der konsequenten Friedensprogrammatik seiner Partei.
    Die Interventionspolitik der Nato, an der sich die Bundeswehr beteiligt, hat eine ganze Weltregion destabilisiert und ungezähltes Leid für die Menschen mit sich gebracht.
    Die Nato ist für die häufigsten und massivsten Völkerrechtsverstöße seit dem Ende des Kalten Krieges verantwortlich. Gregor Gysi formuliert die Hoffnung, Deutschland könne als Nato-Mitglied “zum Hauptvermittler” werden. Konsequente Friedenspolitik benennt die Gefährlichkeit der Nato, deren Kriege einer internationalen Friedensordnung unter Beachtung des Völkerrechts und der Bedeutung der UNO für eine Konfliktregelung durch Verhandlungen statt durch Abschreckung entgegensteht.
    Wenn Gregor Gysi dies nicht anspricht, dann wird die ‘Aufbruchstimmung’, die er einfordert, ein friedenspolitischer Offenbarungseid, der die Kräfte des Friedens in und außerhalb seiner Partei in größte Sorgen versetzt.
    Wir sehen uns durch die Aussagen von Gregor Gysi darin bestätigt, verstärkt um weitere Unterstützung für unseren Appell an die Partei Die LINKE. zu werben, da nur durch Beibehaltung der bisherigen programmatischen Positionen der Partei in der Außenpolitik ein notwendiger, friedenspolitischer Politikwechsel erzwungen werden kann.
    Der Appell kann weiterhin auf der Webseite frieden-links.de unterzeichnet werden.
    Quelle: frieden-links.de

    dazu: Hurra, wir kapitulieren
    Da wird von Gregor Gysi nichts weniger verlangt, als den außenpolitischen Gründungskonsens der Linkspartei von 2007 in Frage zu stellen, wenn nicht aufzukündigen. Er bestand darin, sich außenpolitisch keiner Sanktions- und Interventionspolitik zu unterwerfen, die missliebige Staaten und Systeme zur Räson bringt.
    Man hielt die NATO für einen Anachronismus, der durch andere Sicherheitsstrukturen ersetzt werden sollte, und lehnte die europäische Integration nicht a priori ab, versagte sich aber einer EU, die als neoliberales Projekt einen Offenbarungseid nach dem anderen leistete. Während der Eurokrise war das unbestritten deren Kernkompetenz. (…)
    Will Gysi nun die große außenpolitische Inventur, läuft das auf einen – aus seiner Sicht womöglich längst fälligen – Götzensturz hinaus. Freilich würden damit zugleich Wurzeln einer eher kurzen Parteigeschichte wie der bisher reklamierten politischen Identität gekappt. Nicht zuletzt lange zurückliegende (1914-1918) wie jüngste Geschichte der SPD (1999) zeugt davon, was es bedeuten kann, sich in der Frage von Krieg und Frieden – und darum geht es, wenn man sich mit der NATO arrangieren will – untreu zu werden.
    Für die Linkspartei geschähe das im Übrigen ohne Not. Warum jetzt dazu anregen, dass eines ihrer letzten Alleinstellungsmerkmale geopfert wird? Die Aussichten ab 2021 von Grünen und Sozialdemokraten an einer Regierung beteiligt zu werden, sind äußerst vage. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würde ein Wahlergebnis zwischen sieben und acht Prozent in einem grün-rot-roten Kabinett alles andere als Diskurshegemonie bescheren. Ein Minderheitsdasein mit zwei oder drei Ressorts wäre das höchste der Gefühle.
    Quelle: Lutz Herden in der Freitag

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen und sehen Sie passend zum Thema auch Link zum Livestream „75 Jahre Potsdamer Konferenz“.

  3. Proteste in Berlin
    1. Protestforscher: „Es gibt einen unglaublichen Zorn“
      Ein Gespräch mit Peter Ullrich von der Technischen Universität Berlin über Entfremdung, willkürliche Verbote und extreme Gewaltaufrufe. […]
      Was ist der gemeinsame Nenner, der dieses breite Spektrum auf die Straße bringt?
      Man muss zwei Ebenen unterscheiden. Es gibt eine Oberflächen-Ebene, die explizit artikuliert wird: Man will sich gegen Beschränkungen wehren, die aus der Bekämpfung der Pandemie rühren, weil man sie als Drangsalierung empfindet oder weil man ihre Grundlage komplett anzweifelt. Auf einer tieferen, strukturellen Ebene muss man sich fragen: Wieso glauben so viele Menschen, dass dubiose Mächte das Virus benutzen, um ihnen zu schaden? Auf dieser Ebene muss man diese Bewegung auch als Symptom für eine extreme Entfremdung großer Teile der Bevölkerung von sämtlichen gesellschaftlichen Institutionen verstehen. Es gibt – ähnlich wie bei Pegida oder den Montagsmahnwachen für den Frieden – fast keinerlei gesellschaftliche Institutionen, die dort Zutrauen genießen. Das ist ein zentrales Moment, das sehe ich als Ausdruck der Postdemokratie.
      Was bedeutet das?
      Unter dem Schlagwort wird in den Politikwissenschaften die Entleerung des demokratischen Prozesses diskutiert. Die demokratischen Institutionen bestehen weiter, aber der politische Streit wird langweiliger, man kann die inhaltlichen Positionen der Parteien nicht mehr auseinanderhalten, Politik orientiert sich marktförmig an scheinbaren Sachzwängen. Diese Entwicklung reflektiert sich auch in Protestbewegungen.
      Wie zeigt sie sich hier?
      Ich bezeichne solche Bewegungen als postdemokratische Empörungsbewegungen, im doppelten Sinne: Sie sind einerseits Reaktion und Kritik auf die Entleerung von Demokratie. Andererseits sind sie auch Ausdruck dessen – weil auch ihr eigenes Demokratieverständnis postdemokratisch ist. Faktisch haben sie ein autoritäres und identitäres Verständnis von Gesellschaft.
      Quelle: Berliner Zeitung
    2. “Haltung zeigen und nicht wegducken”
      Nach den Demos gegen die Corona-Politik hat Berlins Innensenator Geisel in den tagesthemen für eine klare Haltung gegenüber radikalisierten Demonstranten geworben. Es diene nicht der Demokratie, wenn man sich wegducke.
      Laut Polizei protestierten in Berlin am Samstag etwa 38.000 Menschen gegen die Corona-Politik. 3000 Beamte sorgten für die Einhaltung der Auflagen. Geglückt ist das nicht überall. Das überrascht den Berliner Innensenator Andreas Geisel nicht. Durch ein Verbot hatte er die Kundgebungen verhindern wollen, war jedoch juristisch gescheitert. Die Verstöße gegen die Corona-Auflagen nannte Geisel in den tagesthemen “erwartbar”. Er warb für eine klare Haltung und dafür, eine wehrhafte Demokratie zu bleiben.
      Quelle: Tagesschau

      Anmerkung J.K.: Der Gipfel der Skrupellosigkeit. Geisel hat sich mit seinem politisch intendierten Demonstrationsverbot am Rande des Verfassungsbruchs bewegt und verkauft dies nun als „Haltung zeigen“. Dazu kommt der offensichtlich inszenierte Demonstrationsabbruch. Erst lässt man die Teilnehmer trotz der gerichtlichen Aufhebung des Demonstrationsverbotes nicht losmarschieren, blockiert alle Wege und drängt diese zusammen und löst die Demonstration dann wegen Nichteinhaltung der Abstandsregel auf.

      Anmerkung Christian Reimann: Es könnte sich der Eindruck aufdrängen, dass u.a. Bilder wie bei der Demonstration am 1. August 2020 unbedingt verhindert werden sollten. Bilder, die auch zeigten, wie viele Bürgerinnen und Bürger offen bekennend mit den „Corona-Maßnahnen“ nicht einverstanden sind. Bilder und Videos, die zeigen, dass die offiziellen Zahlen über die Teilnehmerzahl nicht der Wahrheit entsprochen haben. Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut “Corona-Demo: Polizei beharrt auf Teilnehmer-Zahl. Viele Medien verzerren weiterhin.“. Interessant dürfte auch die Position von Herrn Geisel zu früheren Demonstrationen in Berlin sein:

    3. Nach Gerichtsentscheid zum Demoverbot: Herbe Niederlage für Berliner Innensenator
      Der jetzige Gerichtsbeschluss stellt nunmehr eine herbe Niederlage für Geisel persönlich dar – und darüber hinaus für die Personen und politischen Formationen, die ihn unterstützten. Eines ist jedenfalls klar: Die ursprüngliche Argumentation des Senators wurde geradezu hinweggewischt. Die Gefahrenprognose, auf die sich Geisel bezog, ist nach Auffassung des Gerichts schlicht nicht konkret genug. Insbesondere die Maskenpflicht – vermutlich der größte Zankapfel – sei im öffentlichen Raum “nicht zwingend”.
      Geisel legte dagegen mehr Wert auf pathetische Worte – “für das Leben entschieden” – und zeigte sich in der Sache ausgesprochen kenntnisfrei. Er hätte sich stattdessen mit Zahlen und vor allem mit Zusammenhängen befassen können. Zum Beispiel mit dem zwischen der Anzahl der positiv Getesteten und der Anzahl der Testungen. Auch hätte er durch die Analyse und Auswertung der Zahlen des RKI wissen können, dass die Demonstration am 1. August keinerlei negative Auswirkungen – nicht einmal geringfügige – auf das Infektionsgeschehen hatte.
      Besonders beschämend: der Versuch, die Demonstrationsteilnehmer mehr oder weniger pauschal als Rechtsextremisten zu diffamieren und die Abgrenzung aller “Demokratinnen und Demokraten” von der Demonstration zu fordern. Das war und bleibt manipulativ und vor allem in der Sache falsch, auch wenn man sicherlich den einen oder anderen Rechten finden können wird.
      Selbst der Bundesverfassungsschutz hatte vorab der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zur Kenntnis gebracht, dass an der Demo am 1. August nur “einzelne Angehörige” aus dem rechtsextremen Spektrum teilgenommen hätten und “keine nennenswerte Anschlussfähigkeit an demokratische Kundgebungsteilnehmer” bestanden habe. Wie kann es sein, dass ein Innensenator dann nicht über diese Erkenntnisse verfügt?
      Quelle: RT Deutsch

      Anmerkung unseres Lesers H.M.: Vier Bemerkungen und eine Frage:

      1. Andreas Geisel hat mit der Begründung des Demonstrationsverbotes (u. a., um bestimmten Gruppen keine Plattform bieten) einen schweren, fast unverzeihlichen, Fehler gemacht. Dieser erlaubt unfreiwillig einen freien Blick auf das Denken des höchsten politischen Verfassungsschützers der Hauptstadt. Man muss sich fragen: Ist Andreas Geisel wirklich der richtige Mann auf diesem Posten?
      2. Durch ein Verbot – vom Gericht bestätigt – hätte sich die Situation in Berlin mit Sicherheit zugespitzt. Dann “dank” Geisel.
      3. Am 1. August 2020 wurde das Abstandsgebot auf der Straße des 17. Juni teilweise missachtet, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes war verpönt. Nun ist die Infektionsgefahr unter freiem Himmel eher gering, nicht aber auf der oft stundenlangen Anreise im Bus ohne Schutz und Abstand. Aber mir sind keine Berichte über dadurch ausgelöste Covid-19 Infektionen bekannt. Habe ich was übersehen? Vielleicht ist das aber auch schwer feststellbar.
      4. Meine Empfehlung: Auf Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hören. Sie wurde von der Berliner Abendschau nach dem beabsichtigen Verbot gefragt und erteilte dem Publikum Nachhilfeunterricht: Demonstrations– und Versammlungsfreiheit seien ganz hohe Verfassungsgüter, ein Verbot sei nur bei einer massiven Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zulässig. Die sei nicht gegeben. Meinungen auf Demonstrationen, selbst wenn diese noch so abstrus seien, müsse die Demokratie aushalten.
      5. Ich frage mich auch: Gibt es außer in Deutschland und den USA noch Länder, in denen gegen die Corona-Einschränkungen demonstriert wird? Wenn nein: Warum nicht?
    4. Vom Vermummungsverbot zum Vermummungsgebot
      2013 wurde in Frankfurt/Main eine Blockupy-Demonstration, die sich gegen den Bau der Europäischen Zentralbank in der Mainmetropole wandte, eingekesselt, weil viele der Teilnehmer Schirme trug. Es dauerte bis in die Nachtstunden, bis die Demonstranten einzeln aus den Kessel treten durften und ihre Namen angeben mussten.
      Am Samstag bei den Corona-Protesten wurde die gleiche Taktik angewandt – nur mit einem Unterschied. Dieses Mal wurde die Großdemonstration aufgelöst, weil der Großteil der Teilnehmer keine Maske trug, also das Vermummungsgebot missachtete. Die Auflage, eine Maske zu tragen, erfolgte durch die Berliner Polizei erst, nachdem die zuvor verbotene Demonstration durch zwei Instanzen gekippt wurde.
      Nun gibt es allerdings in Deutschland keine Verpflichtung, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen. Es gibt auch keine medizinischen Beweise, dass die Ansteckungsgefahr auf einer Großdemonstration ohne Maske wächst. Zumindest gab es nach den Demonstrationen der letzten Wochen, dazu gehörten die Black-Lives-Matter-Proteste, aber auch die Corona-Proteste vom 1. August, bei der auch ein Großteil der Telilnehmer keine Masken getragen hat, keine Indizien dafür, dass sich dadurch das Infektionsrisiko vergrößert hatte.
      Der Grund für die Auflösung bestand darin, dass die Demoteilnehmer die Mindestabstände nicht eingehalten haben. Die Polizei hatte das Areal weiträumig abgesperrt, es gab nur einen Zugang von der Behrenstraße in Berlin-Mitte. Durch die Absperrung wurde es der Masse der Demonstranten gar nicht möglich, die geforderten Mindestabstände einzuhalten. Ein Beobachter sprach vom größten Polizeikessel der letzten Jahrzehnte in Deutschland.
      Quelle: Telepolis
  4. Corona-Verordnung: Maskenpflicht verfassungsgemäß – Kontaktnachverfolgung muss neu geregelt werden
    Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat mit Beschluss vom heutigen Tage auf eine Verfassungsbeschwerde eines im Saarland lebenden Bürgers entschieden, dass die Vorschrift zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Art. 2 § 2 der Corona-Verordnung) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Vorschrift zur Kontaktnachverfolgung (§ 3 der Corona-Verordnung) hat der Verfassungsgerichtshof dagegen für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschrift gilt jedoch bis zu einer Neuregelung durch den Landtag unter strengen Auflagen – längstens bis zum 30. November 2020 – fort. […]
    Der Verfassungsgerichtshof hat weiter entschieden, dass Art. 2 § 3 der saarländischen Corona-Verordnung mit der Verfassung des Saarlandes unvereinbar ist. Durch die Vorschrift wird die Erhebung persönlicher Informationen nicht nur im Rahmen von Gaststättenbesuchen, sondern auch beispielsweise von Gottesdiensten, politischen und gesellschaftlichen Zusammenkünften, bewirkt. Damit ist die Pflicht zur Gewährleistung einer Kontaktnachverfolgung durchaus geeignet, Bürgerinnen und Bürger von der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten entscheidend abzuhalten und Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile zu erstellen.
    Über einen solchen Eingriff dürfe nicht die Exekutive alleine entscheiden. Vielmehr sei das Parlament berufen, in öffentlicher, transparenter Debatte Für und Wider abzuwägen, vor allem aber die Verwendung der Informationen rechtssicher zu regeln.
    Der durch die Vorschrift ermöglichte Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten dauert bereits länger an und wird angesichts der Infektionslage voraussichtlich weitere Monate andauern. Damit ist der Grundrechtseingriff von einer derartigen Intensität, dass nur ein Parlamentsgesetz – nicht aber eine Rechtsverordnung der Landesregierung – ihn rechtfertigen kann. Da Art. 2 § 3 der Corona-Verordnung dem legitimen Ziel der Pandemie-Eindämmung dient, hat der Verfassungsgerichtshof von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Vorschrift bis zu einer Neuregelung durch den Landtag des Saarlandes vorübergehend – längstens bis zum 30. November 2020 – in Kraft zu lassen. Personenbezogene Daten, die nach der Vorschrift erhoben werden, dürfen jedoch nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung an die Gesundheitsbehörden übermittelt werden.
    Quelle: Verfassungsgerichtshof des Saarlandes
  5. Angela Merkel warnt vor Corona-Situation: „Wird schwieriger als im Sommer“
    Angela Merkel hat die Bürger in Deutschland auf schwierige Corona-Zeiten eingestimmt. „Man muss damit rechnen, dass manches in den nächsten Monaten noch schwieriger wird als im Sommer“, sagte die CDU-Politikerin bei der Sommerpressekonferenz in Berlin. Merkel erneuerte ihre Warnung vom März: „Es bleibt dabei: Es ist ernst, unverändert ernst – und nehmen Sie es auch weiterhin ernst.“ Die Kanzlerin nannte das Coronavrius eine „demokratische Zumutung“. (…)
    „Wir werden noch länger mit diesem Virus leben müssen, und deshalb ist meine Grundhaltung eine der Wachsamkeit, der Aufmerksamkeit“, sagte die Bundeskanzlerin. In den kommenden Monaten gebe es drei Schwerpunkte: Zum einen müsse alles dafür getan werden, damit die Kinder nicht die Opfer der Corona-Pandemie werden.
    Zum anderen müsse die Wirtschaft am Laufen gehalten oder wieder zum Laufen gebracht werden. Und schließlich gehe es darum, „den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gesellschaft so weit wie möglich zu bewahren“.
    Quelle: FR Online

    dazu: Merkel warnt vor Spaltung der Gesellschaft
    Bundeskanzlerin Angela Merkel bewertet die Corona-Lage als “unverändert ernst”. Sie warnt davor, dass Ältere aus Angst vor Ansteckung Jüngeren aus dem Weg gehen. (…)
    In ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz stimmt Merkel auf einen schwierigen Herbst und Winter ein und warnt vor Leichtsinn: “Es bleibt dabei: Es ist ernst. Unverändert ernst. Nehmen Sie es auch weiterhin ernst.” Und weiter: “Wir werden noch länger mit dem Virus leben müssen.” Normalität könne es erst wieder geben, wenn es einen Impfstoff gebe. Dafür drücke sie die Daumen.
    Quelle: ZDF

    Anmerkung Christian Reimann: Trotz neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse (so aktuell z.B. auch die Epidemiologin Frau Spelsberg ab ca. Minute 10:15 und ca. 18:00) über Coronaviren und erfreulich undramatischer Daten wird von der Bundeskanzlerin angekündigt, “dass manches in den nächsten Monaten noch schwieriger wird als im Sommer“. Wenn dann auch noch davon die Rede ist, „den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gesellschaft so weit wie möglich bewahren“ zu wollen, dann ist Heuchelei offenbar nicht weit weg, sondern ziemlich offensichtlich.

    Und erneut der Verweis auf Normalität durch einen Impfstoff. Bitte lesen Sie dazu auch “Corona-Impfung: Wer zahlt für mögliche Schäden?“. Übrigens: In den USA ist die Privatisierung der Profite und Sozialisierung von Impf-Schäden bereits reale Praxis, was u.a. diesem Video erläutert wird.

  6. Columbia Journalism Review Publishes Detailed Expose on Gates Foundation Buys Influence With Journalists
    Kudos to the Columbia Journalism Review for putting the muscle behind having Tim Schwab perform an in-depth investigation into how the Gates Foundation has lavished money on various not-for-profit news organizations, like NPR, as well as other media outlets in the US and abroad, to secure favorable, even at times one-sided coverage of its pet initiatives. Another successful leg of the Gates Foundations’ efforts is donating to fact-checkers, which in turn incorrectly brand articles that question Gates Foundation influence-buying or specific programs as inaccurate or conspiracy theories.
    Needless to say, this piece is particularly welcome given that Bill Gates is getting undue attention in the press for his views on Covid programs, particularly vaccines, as if medical policy patronage has rendered a software squillionaire particularly qualified to discuss public health. In fact, as Schwab points out:
    Quelle: naked capitalism

    dazu: REVEALED: How Bill Gates Buys Mainstream Outlets, Journalists and ‘Fact-Checkers’
    Over the last decade, a small group of billionaire philanthropists have quietly moved into to seize control of key nodes of media, government policy, and education. They claim that they are merely trying to ‘fill in the funding gaps at struggling news organizations’ – especially in the wake of the coronavirus ‘pandemic.’ By far, the biggest player in this network is the Gates Foundation.
    Quelle: 21st Century Wire

    Anmerkung Christian Reimann: Interessant auch bezüglich der Verflechtung von Konzernen, Medien und Politik – insbesondere in den USA – ist das Video „Es gibt keine echten Wissenschaftler mehr, nur noch Akademiker, die kuschen“ – Shiva Ayyadurai. In Deutschland hat die Gates-Stiftung offenbar “Spiegel” und “Die Zeit” gefördert. Money talks …

  7. Droht die Hyperinflation? – Punkt.PRERADOVIC mit Prof. Heiner Flassbeck
    Die Corona-Krise hat die Welt in eine beispiellose Rezession gestürzt. Europas EZB pumpt Milliarden in die angeschlagene Wirtschaft und nicht wenige Ökonomen beschwören den Geist der Hyperinflation. Was sagt Prof. Heiner Flassbeck dazu? Der frühere Chefökonom bei der UNO und ehm. Finanzstaatssekretär im Bundesfinanzministerium erklärt, warum er richtig viel Geld dagegen wetten würde. Und er erläutert, warum Schulden nicht gleich Schulden sind….
    Quelle: Punkt.PRERADOVIC via You Tube
  8. Auf dem Weg zum Staatskapitalismus?
    Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds wird sich das Staatsdefizit der reichen Länder am Ende dieses Jahres auf 17 Prozent ihres gemeinsamen Bruttoinlandsprodukts belaufen. Während des Corona-Lockdown im Frühjahr hat die amerikanische Zentralbank die Geldmenge durch den Kauf von Unternehmens- und Staatsanleihen um 2,9 Billionen Dollar ausgedehnt. Die EZB hat im selben Zeitraum ‚nur‘ 750 Milliarden Euro in den Geldkreislauf gepumpt, plant aber bis Juni 2021 Wertpapiere für insgesamt 1,35 Billionen Euro zu kaufen. Das sind rund 10 Prozent des Vorkrisen-BIP. (…)
    Um Missverständnissen vorzubeugen. Unternehmer haben sich – marktpopulistischer Propaganda zum Trotz – zu Beginn der 1980er Jahre nicht aus der Umklammerung durch Gewerkschaften, Sozialstaatsbürokraten und sozialen Bewegungen befreit, um ungestört ihrem Investitions- und Innovationsdrang nachgehen zu können. Vielmehr eroberten sie bzw. ihre politischen Stellvertreter die Schaltstellen des Staates, um eine Umverteilung mit umgekehrten Vorzeichen durchzusetzen. Sozialversicherungen, Gesundheits-, Erziehungs- und Bauministerien, die in den vorangegangenen Jahrzehnten breiten Bevölkerungskreisen Zugang zu öffentlichen Diensten und halbwegs gesicherten Einkommen im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter eröffnet hatten, wurden von Finanzministerien und Zentralbanken in permanente Geldnot getrieben und so zu Kürzungen an allen Ecken und Enden gezwungen.
    Quelle: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik e.V.
  9. Vermögensverteilung in Deutschland: neue Daten zu MillionärInnen
    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat jüngst neue Daten zu den MillionärInnen in Deutschland veröffentlicht. Der Anteil des Top-1 Prozent am gesamten Vermögen ist mit 29 Prozent höher als bisher angenommen (21,6 Prozent) und für die Top-0,1 Prozent sind es nun 12,8 Prozent (7,3 Prozent).
    Die DIW-AutorInnen argumentieren gegen eine Vermögenssteuer. Dies mag überraschen: Die Reichen sind reicher als bislang ausgewiesen, aber doch zu arm für eine Vermögenssteuer?
    „Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen“, verkündete das DIW stolz. Wer von einer Lücke spricht, muss das Ganze kennen. Doch genau dies ist bei der Vermögensverteilung weiterhin nicht der Fall. Fast nichts wissen wir zu MilliardärInnen, und ob wir zu MultimillionärInnen nun mehr als bislang wissen, ist fraglich. Um wie viel haben die Reichen nun tatsächlich mehr? Nimmt das DIW die Reichenliste des „Manager Magazins“ zur Berechnung hinzu, würde der Anteil des Top-1 Prozent bei 35 Prozent liegen.
    Das DIW ging statistisch so vor: Es wurden zusätzlich Personen mit Unternehmensbeteiligungen aus dem obersten Perzentil der Verteilung der Unternehmensbeteiligungen befragt. Bei einem solchen Oversampling kommen mehr Vermögende in die Stichprobe. Dies verbessert die Stichprobenziehung und bringt eine höhere Präzision bei den Schätzern. Menschen mit Beteiligungen an Unternehmen sind im Durchschnitt vermögender als der Rest. Die Kontrolle über Non-response-Probleme (Antwortverweigerungen) wird erleichtert. In der Folge sind dann auch die erhobenen Nettovermögenswerte im Durchschnitt höher.
    Die MillionärInnen in der DIW-Befragung geben ein Nettovermögen von durchschnittlich etwa 3 Mio. Euro an. Dies spricht dafür, dass die Überreichen mit einem Nettovermögen über 100 Mio. Euro auch in dieser Stichprobe deutlich unterrepräsentiert sind.
    Keinesfalls erreichen ForscherInnen mit der Spezialstichprobe alle Vermögenden. Es sind nicht „die MillionärInnen“, sondern nur bestimmte MillionärInnen, nämlich UnternehmerInnen, die über die neue Oversampling-Methode identifiziert wurden, danach für die InterviewerInnen erreichbar waren, an der Befragung teilnahmen, ihre Vermögensverhältnisse kannten und schlussendlich wahrheitsgetreue Auskünfte gaben. Reichlich viele Voraussetzungen für das Schließen einer Lücke.
    Der Armutsforscher Christoph Butterweg findet kritische Worte zur DIW-Studie, und auch der Soziologe Michael Hartmann ist skeptisch.
    Quelle: A&W blog
  10. Vollzeitbeschäftigte mit Niedriglohn in den Kreisen und kreisfreien Städten
    Von knapp 21,6 Millionen Vollzeitbeschäftigten Ende 2019 mussten sich knapp 4,1 Millionen Personen oder 18,8 Prozent mit einem Niedriglohn begnügen – im Westen waren es rd. 2,87 Millionen Personen (16,3%), im Osten einschließlich Berlin rd. 1,18 Millionen Personen (30,4%). Auf Basis der regionalen Niedriglohnschwellen waren im Westen gut 3,2 Millionen Personen (18,2%) und im Osten knapp 0,6 Millionen Personen (15,3%) betroffen.
    Datengrundlage bildet die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Das im Rahmen der Beschäftigungsstatistik abgebildete sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelt umfasst alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus der Hauptbeschäftigung bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung. Die Auswertungen sind auf solche sozialversicherungspflichtig (Vollzeit-) Beschäftigte eingeschränkt, die nicht in einem Ausbildungsverhältnis stehen und für die keine gesetzlichen Sonderregelungen gelten (»sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte der Kerngruppe«).
    Als Niedriglohnbeschäftigte gelten Personen, die weniger als zwei Drittel des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erzielen (Niedriglohnschwelle). Im Folgenden werden Auswertungen unter Bezugnahme auf die bundeseinheitliche Niedriglohnschwelle (Grafik 1) sowie unter Bezugnahme auf die west- bzw. auf die ostdeutsche (einschl. Berlin) Niedriglohnschwelle (Grafik 2) dargestellt.
    Auf Basis der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle (Deutschland 2019: 2.267 EUR/M) konzentrieren sich die hohen Niedriglohnquoten in den Kreisen und Städten der ostdeutschen Bundesländer. Bei Rückgriff auf die regionalen Niedriglohnschwellen – West 2019: 2.350 EUR/M, Ost mit Berlin 2019: 1.885 EUR/M) – finden sich die Niedriglohn-Hotspots hingegen in westdeutschen Städten und Kreisen.
    Quelle: Portal Sozialpolitik
  11. Keine Angst, Google will doch nur deine Gesundheit
    Die Konzerne aus dem Silicon Valley investieren Milliarden, um den globalen Gesundheitsmarkt mittels Technologie umzukrempeln. Die Digitalisierung dieses Bereichs ist nicht nur datenrechtlich problematisch.
    Die WettbewerbshüterInnen scheuten die grossen historischen Vergleiche nicht: «Unsere Gründerväter wollten sich nicht einem König unterwerfen, genauso wenig sollten wir uns den Herrschern der Internetwirtschaft unterwerfen», sagte David Cicilline, demokratischer Politiker und Vorsitzender des Antitrust-Ausschusses des US-Kongresses, dem Ende Juli vier der wichtigsten Köpfe aus dem Silicon Valley Rede und Antwort stehen mussten. Das Gremium hatte für seine Ermittlungen über potenzielle Kartellrechtsverstösse Mark Zuckerberg (Facebook), Tim Cook (Apple), Jeff Bezos (Amazon) und Sundar Pichai (Alphabet/Google) vorgeladen und mit teils scharfer Kritik konfrontiert, etwa was ihren Umgang mit Drittanbietern oder aufkeimender Konkurrenz angeht (siehe WOZ Nr. 32/2020).
    Möglich, dass das aufsehenerregende Hearing eine Zeitenwende für jene Branche markiert, die die globale Ökonomie in den vergangenen beiden Jahrzehnten wie keine andere bestimmt hat, und dass die Techbranche bald schon neuen Regulierungen unterworfen wird. Selbst eine Zerschlagung der Internetmonopolisten wird mittlerweile diskutiert – immerhin stellt die Macht der Konzerne nicht erst seit kurzem ein Problem dar. Die Ökonomin Shoshana Zuboff etwa, eine der international renommiertesten KritikerInnen von Big Tech, spricht von einem immer weiter um sich greifenden «Überwachungskapitalismus», der eine «zutiefst antidemokratische soziale Kraft» darstelle, der Menschen zu «dressieren» und die modernen Gesellschaften unter eine neue Form der «Tyrannei» zu zwingen versuche. Allzu falsch läge der Antitrust-Beauftragte Cicilline mit seiner historischen Analogie demnach nicht.
    Quelle: WOZ

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte sehen Sie sich dazu auch Narrative #12: Goldgräberstimmung – Globale Konzerne freuen sich über mehr Daten an.

  12. Krieg und Rüstung – Die vergessenen Klimasünder
    Die Welt ist auf der Suche nach CO2-Einsparmöglichkeiten. Keine Kosten werden gescheut. Doch zwei große Verursacher von Treibhausgasen werden in den Debatten bisher scheinbar bewusst ausgeklammert.
    Würde ein Kleinwagen auf 100 Kilometern 414 Liter Treibstoff verbrauchen, dann müsste er alle zehn Kilometer tanken. Dann würde sich außerdem wohl kaum jemand finden, der dieses Auto kaufen wollte. Nicht in Zeiten, in denen der Klimaschutz eine immer wichtigere Rolle spielt.
    Und doch gibt es Fahrzeuge mit solch einem Durchschnittsverbrauch – einen Leopard-2-Panzer zum Beispiel. Das Kettenfahrzeug steht hier sinnbildlich für zwei der weltgrößten Schadstoff-Emittenten, die nicht im Pariser Klimaabkommen auftauchen und vom Weltklimarat nicht zu Berichten verpflichtet werden: Krieg und Rüstungsindustrie.
    Quelle: Welt Online
  13. Warum die Reform des Geldwäscheparagraphen ihr Ziel verfehlt
    Das Strafrecht tut sich bisher außerordentlich schwer damit, Geldwäsche effektiv zu ahnden. Das Bundesjustizministerium hat deshalb am 11. August einen Gesetzentwurf vorgestellt, der den Geldwäscheparagraphen 261 StGB umfassend neugestalten soll. Es geht dabei primär darum, die Richtlinie (EU) 2018/1673 umzusetzen. Aber der Entwurf geht bewusst über diese hinaus: Insbesondere soll der bisherige Vortatenkatalog gestrichen werden. Geldwäsche soll sich demnach auf grundsätzlich jedwede strafbare Vortat beziehen können. Dies weitet den Tatbestand erheblich aus, weshalb der Entwurf im Gegenzug auf die bisherige Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche verzichtet. Das Ministerium erwartet, dass die Geldwäschestrafbarkeit damit „deutlich häufiger als bisher greifen“ wird. Es bleibt allerdings unklar, auf welche Fälle von Geldwäsche sich diese Erwartung bezieht.
    Wenn die Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche ermittelt, dann zumeist gegen die eher kleinen Fische bei der Verschleierung von kriminell erworbenem Vermögen, etwa gegen Finanzagenten, die ihre Bankkonten für den Transfer illegaler Gelder zur Verfügung stellen. In komplexeren Fällen, insbesondere wenn die Organisierte Kriminalität Unternehmen betreibt oder Immobilien erwirbt, kommt es nur selten zu Verurteilungen. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die vorgeschlagene Reform in kriminalpolitisch besonders relevanten Bereichen tatsächlich die angekündigte „Intensivierung der strafrechtlichen Geldwäschebekämpfung“ erwarten lässt. Insofern ist dem Entwurf noch kein überzeugendes Konzept zu entnehmen, was er genau erreichen will.
    Quelle: Verfassungsblog
  14. Gutachter werfen Behörden schwere Fehler vor
    2005 verbrannte der Asylbewerber Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau. Rechtsgutachter kommen nun zu dem Schluss, dass seine Festnahme rechtswidrig war. Auch der Landesregierung machen sie bei der Aufklärung Vorwürfe.
    Mehr als 15 Jahre nach dem ungeklärten Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle haben zwei juristische Experten in einem Bericht erneut Vorwürfe gegen Polizei, Justiz und Regierung von Sachsen-Anhalt erhoben. Sie waren vom Landtag eingesetzt worden, um die parlamentarische Aufarbeitung des Falles zu unterstützen.
    Von der Festnahme bis zum Tod Jallohs sei so gut wie jede polizeiliche Maßnahme fehlerhaft oder rechtswidrig gewesen, sagte einer der beiden Sonderberater des Landtags, Jerzy Montag, in Magdeburg. “Wären diese Fehler unterblieben, dann wäre Oury Jalloh mit aller größter Wahrscheinlichkeit noch am Leben”, betonte er.
    Neben Montag ist auch der früheren Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel am Gutachten. Die externen Berater legten heute nach rund acht Monaten Prüfung und Bewertung des umfangreichen Aktenmaterials ihren mehr als 300 Seiten starken Abschlussbericht in Magdeburg vor. Ansätze für neue Ermittlungen sehen die beiden Berater zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Wenn der Staat Mörder in Uniform deckt und Der Fall Oury Jalloh: Ermittlungen sollen ausbleiben.

  15. E-Mails belasten Verkehrsminister Scheuer
    Neue Ungereimtheiten in der Mautaffäre: Bei einem Treffen von Verkehrsminister Scheuer mit den Betreibern soll es nach SPIEGEL-Informationen sehr wohl um Geld gegangen sein – anders als behauptet. (…)
    Der E-Mail-Verkehr erschüttert nun die Version des Verkehrsministeriums zu dem nicht protokollierten Gespräch. “Nach den besprochenen Themen in den Spitzengesprächen werden wir bis Montag die Vergütung überdenken und einen neuen Vorschlag entwickeln”, schrieb der Manager einen Tag nach dem Treffen mit dem Minister in einer E-Mail, die als Verschlusssache eingestuft wurde und in der Geheimschutzstelle des Bundestags lagert. Der Ministeriale antwortete: “Gern erwarten wir die neuen Kalkulationen und kommen bei eventuellen Rückfragen auf Sie zurück.”
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Christian Reimann: Der Rücktritt von Herrn Scheuer ist längst überfällig. Es handelt sich schließlich nicht lediglich um „Pannen“, sondern offenbar sagt dieser Bundesminister nicht die Wahrheit. Die NachDenkSeiten haben mehrfach auf die Fehlleistungen dieses Ministers hingewiesen. Bitte lesen Sie dazu z.B. Der nächste Crash von Andreas Scheuer mit einer Anmerkung.

  16. Experten-Interview zur Wahlrechtsrefom
    Redaktion: Wie schätzen Sie die gestern im Bundestag beschlossene Wahlrechtsreform ein?
    Hentschel: Das Absurdeste vorweg: Der Beschluss kann sogar dazu führen, dass der neue Bundestag trotz der Reform noch größer wird.
    Redaktion: Wie kommen Sie auf diese Aussage?
    Hetschel: Das ist ein ganz einfaches Rechenspiel: Holt die CSU alle Direktmandate in Bayern und fällt auf 40 Prozent der Zweitstimmen zurück – was nicht unrealistisch ist – bleibt rein rechnerisch die Zahl der jetzigen 709 Bundestagsageordneten im Parlament gleich oder erhöht sich sogar um ein paar Abgeordnete. Es gibt natürlich auch Szenarien, in denen sich der Bundestag ein wenig verkleinert. Was aber sicher ist: Die Reform wird nicht dazu führen, dass die von der Verfassung vorgesehene Größe des Bundestags eingehalten wird.
    Redaktion: Wer sind die größten Gewinner der Wahlrechtsreform, Herr Hentschel?
    Hentschel: Durchgesetzt hat sich in erster Linie die CSU. Denn die künftige Verrechnung von Überhangmandaten eines Bundeslandes mit Listenmandaten der gleichen Partei eines anderen Bundeslandes, trifft die CSU nicht. Der Nichtausgleich von drei Überhangmandaten ist ein Geschenk an die Union, die künftig damit drei Mandate mehr hat – die ihr nicht zustehen. Ein absurder Deal!
    Redaktion: Und was ist mit der SPD?
    Hentschel: Die SPD hat gar nichts durchgesetzt! Ihr Vorschlag war, nicht alle Direktmandate zuzuteilen, wenn die Abstände im Wahlkreis sehr gering sind, also zum Beispiel der Wahlkreisgewinner unter 30% liegt. Das wurde überhaupt nicht berücksichtigt.
    Im Gegenteil, die SPD brüstet sich jetzt sogar, die Reduzierung der Wahlkreise verhindert zu haben – an dieser Stelle wäre sogar die CDU bereit gewesen, auf die Vorschläge der Opposition (rot-grün-gelb) einzugehen.
    Redaktion: Wer sind die eindeutigen Verlierer der Reform?
    Hentschel: Hauptverlierer sind eindeutig diejenigen, die auf der Landesliste auf den hinteren Plätzen gewählt werden. Verlierer sind auch die Bundesländer, in denen keine Partei besonders stark ist. Sie bekommen künftig weniger Abgeordnete.
    Redaktion: Die Koalition will noch in dieser Legislatur festschreiben, dass es von der Bundestagswahl 2025 an nur noch 280 Wahlkreise geben soll. Was halten Sie davon?
    Hentschel: Das Versprechen, 2025 dann etwas mehr zu ändern, ist wertlos. Zumal der Vorschlag, die Zahl der Wahlkreise um 19 zu reduzieren, auch nicht gerade revolutionär ist. Die Opposition fordert dagegen eine Reduzierung um 49 Mandate – aber selbst das würde Überhangmandate nicht gänzlich verhindern!
    Quelle: Mehr Demokratie


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