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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Europarat nimmt Corona-Bericht von Andrej Hunko mit großer Mehrheit an
  2. Wie Corona die deutsche Leistungsbilanz wieder ins Lot bringt
  3. Eurozone geht auf negative Inflation zu
  4. Krisengewinner stärker besteuern
  5. So bleibt die Rente sicher
  6. Umgang mit coronabedingten Mietschulden
  7. Das falsche Versprechen von der »Grundrente«
  8. Corona in Deutschland: „Nicht in falscher Sicherheit wiegen“ – Spahn warnt vor Überbewertung von Tests
  9. Nobelpreisträger warnen vor Gefahren für die Demokratie
  10. Was bringt ein Immunitätsausweis?
  11. So funktioniert die Schlachtbank Europas
  12. Der nächste Crash von Andreas Scheuer
  13. Stars and stripes rise over Vistula River
  14. Das grosse Wegwerfen bei Aldi
  15. Schwarz-grüner Schmusekurs: Die Grünen entdecken ihre Bewunderung für die CDU, Merz sieht neue Koalitionsmöglichkeiten
  16. Wahlrechtsreform – Brinkhaus für 750 Abgeordnete
  17. Boltons Buch über Trump: Eine erschreckende Selbstenthüllung
  18. Bestätigte aktive Covid-19-Fälle in Deutschland

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Europarat nimmt Corona-Bericht von Andrej Hunko mit großer Mehrheit an
    Mit 90 Prozent Zustimmung hat der Ständige Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Euro-parates einen Berichtsentwurf des Aachener Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko angenommen. Der in kurzer Zeit erstellte Bericht befasst sich mit ersten Lehren aus dem Umgang mit der Covid-19-Pandemie. Im Vordergrund stehen Herangehensweisen, die gesundheitlich effektiv sind und zugleich die Grundrechte so wenig wie möglich einschränken. Da die Parlamentarische Versammlung derzeit wegen der Pandemie nicht tagt, hat der Ständige Ausschuss vorübergehend diese Funktion eingenommen. Hierzu erklärt Andrej Hunko:
    „Ich freue mich über die breite Zustimmung zu meinem Bericht. Es hat sich gezeigt, dass beim Umgang mit Pandemien schnelle und effektive Reaktionen entscheidend sind, um gravierende Maßnahmen zu vermeiden. Dafür ist zentral, dass sich Staaten gut auf derartige Gesundheitskrisen vorbereiten. Es ist bedauerlich, dass die Empfehlungen des Europarates zur Pandemievorbeugung aus dem Jahr 2016 nicht voll umgesetzt wurden.
    Ich begrüße, dass die Versammlung sich für eine Reform der WHO stark macht, um sie unabhängig von freiwilligen und zweckgebundenen Beiträgen zu machen sowie sie demokratisch zu kontrollieren. Ebenso teile ich die Aufforderung an die Mitgliedsstaaten, ihre Gesundheitssysteme am Bedarf statt am Profit auszurichten und allen Menschen den freien Zugang zu garantieren.
    Quelle 1: Andrej Hunko
    Quelle 2: Lessons for the future from an effective and rights-based response to the COVID-19 pandemic Committee on Social Affairs, Health and Sustainable Development

    Anmerkung Jens Berger: Diese Meldung sucht man in den unzähligen Tickern auf SPON, Tagesschau.de und Co. natürlich vergebens.

  2. Wie Corona die deutsche Leistungsbilanz wieder ins Lot bringt
    Was Donald Trump und EU-Kommission mit ihren mehr oder minder freundlichen Appellen nicht geschafft haben, gelingt Corona im Handumdrehen: Der im Ausland seit Jahren angeprangerte enorme deutsche Exportüberschuss wird nach Prognose von Bundesbank und führenden Instituten wegen der weltweiten Rezession in diesem Jahr kräftig sinken.
    Zum ersten Mal seit 2011 dürfte daher der Überschuss in der Leistungsbilanz unter sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes fallen – eine Marke, deren Überschreiten die EU-Kommission langfristig für stabilitätsgefährdend hält. Es mehren sich sogar Hinweise, dass dies dauerhaft so bleiben könnte. “Die Zeiten hoher deutscher Leistungsbilanzüberschüsse sind wohl vorüber”, sagt der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr.
    Die deutsche Exportstärke und das lange Zögern der Bundesregierung, die Binnennachfrage mit hohen Ausgaben für die Infrastruktur zu stimulieren, ärgert internationale Organisationen seit langem. US-Präsident Trump sieht sein Land sogar von Deutschland ausgebeutet und droht wiederholt mit Strafzöllen auf den deutschen Exportschlager schlechthin – Autos. Die EU-Kommission sorgt sich vor allem um das Gleichgewicht in Europa: Ländern mit hohen Überschüssen stehen solche mit großen Defiziten gegenüber, die diese mit Schulden finanzieren müssen. Seit 2014 prangert sie dieses “makro-ökonomische Ungleichgewicht” regelmäßig an.
    Quelle: Euractiv
  3. Eurozone geht auf negative Inflation zu
    Die fallenden Energiepreise freuen Verbraucher. Doch sie senken auch die Inflation in der Eurozone – schon im Juni könnte sie negativ werden. Wird das ein Problem für die Geldpolitik?
    Während die Inflationsrate für die Eurozone im Mai noch ganz knapp im Positiven lag, bei 0,1 Prozent, ist sie in vielen Mitgliedsländern der Währungsunion längst negativ. Das geht aus Zahlen der Statistikbehörde Eurostat hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurden. In 12 von 19 Eurostaaten hat die Inflationsrate demnach im Mai unter null gelegen. Besonders stark fielen die Preise in Estland (minus 1,8 Prozent), Luxemburg (minus 1,6 Prozent) und Zypern (minus 1,4 Prozent). Deutschland liegt, gemessen am sogenannten Harmonisierten Verbraucherpreisindex, mit 0,5 Prozent eher im oberen Bereich.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung J.K.: Ach, ist das schön. Negative Inflation, nur um das böse Wort Deflation zu vermeiden. Rezession und Deflation, d.h. jetzt geht es richtig in den Keller. Da gibt es aber doch Schlaumeier, die angesichts der Rettungspakete von der Gefahr einer Hyperinflation schwafeln.

  4. Krisengewinner stärker besteuern
    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat die Unternehmen weltweit aufgefordert, sich finanziell stärker am Kampf gegen die Corona-Pandemie zu beteiligen. Dem Bayerischen Rundfunk sagte Müller, die Weltgemeinschaft müsse umdenken: “Denn es gibt Krisengewinner unglaublichen Ausmaßes.” (…)
    Als Beispiel nennt Müller den Internet-Händler Amazon. Die Corona-Krise habe ein “Amazon-Fieber” ausgelöst. “Der Besitzer von Amazon ist seit Januar bis heute 35 Milliarden reicher geworden.” Problematisch sei dabei, dass Amazon nahezu keine Steuern zahle, so Müller.
    Von der Europäischen Ratspräsidentschaft, die Deutschland am 1. Juli übernimmt, erwartet Müller, dass solche Krisengewinner besteuert werden. “Es ist nicht so, dass die Hilfen dem einfachen Bürger aus der Tasche gezogen werden müssen.”
    Quelle: tagesschau.de

    Anmerkung Christian Reimann: Hat der Bundesentwicklungsminister „die Unternehmen weltweit aufgefordert, sich finanziell stärker am Kampf gegen die Corona-Pandemie zu beteiligen“ oder fordert er eine Steuer für „Krisengewinnler“? Weshalb fordert Herr Müller nicht eine generelle Steuer für reiche und vermögende Personen hierzulande – z.B. eine höhere Erbschafts- und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer?

  5. So bleibt die Rente sicher
    ie wichtigsten Fragen und Antworten zur Altersvorsorge. Und die perfekte Strategie für den Weg in einen frühen Ruhestand.
    Die staatliche Rente ist niedrig. Wer auch im Alter gut leben will, muss privat vorsorgen. […]
    Wie hart trifft die Rezession die private Altersvorsorge?
    Sehr unterschiedlich. Die Kunden der Lebensversicherungen spüren die Corona-Folgen (noch) nicht. Die Unternehmen schreiben ihnen weiterhin die garantierten Zinsen gut (bis zu vier Prozent). Wegen der Börsenkrise könnten allerdings die Gewinnüberschüsse sinken, da die Lebensversicherungen einen Teil der Kundengelder in Aktien anlegen.
    Härter hat der März-Crash die Besitzer von Aktien und Aktienfonds erwischt. Einige Börsenindizes brachen um bis zu 40 Prozent ein. Allerdings haben viele zuletzt wieder kräftig zugelegt und das Minus ausgeglichen. Wer also keine Panikverkäufe tätigte, hat auch kein Geld verloren.
    Sind die Aussichten für Lebensversicherungen immer noch top?
    Nein, die Prognosen sind schlecht. Die Unternehmen müssen ihren Kunden zwar weiterhin die hohen Garantiezinsen der Vergangenheit finanzieren. Wegen der schrumpfenden Gewinnüberschüsse senken sie aber massiv ihre Prognosen und zahlen den Versicherten viel weniger aus als ursprünglich vorgerechnet. In manchen Fällen sogar nur noch die Hälfte.
    Kann mein Lebensversicherer pleitegehen?
    Eher nicht. Die Unternehmen stützen sich gegenseitig und haben schon vor Jahren den Sicherungsfonds „Protektor“ gegründet. Außerdem überwacht die Finanzaufsicht BaFin die deutschen Lebensversicherer und hält die Lage für „derzeit beherrschbar“.
    Was wäre das Schlimmste?
    Dass die Unternehmen am Ende nicht einmal den garantierten Mindestbetrag auszahlen. Das ist zwar extrem unwahrscheinlich, aber möglich. […]
    Quelle: FOCUS

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein Magazin, das seine Leser so dermaßen für dumm verkauft, ist vermutlich bei der BILD in die Lehre gegangen. Ehrlicherweise wird sogar die sehr schlechte Lage der Lebensversicherungen offen zugegeben (unter der verdummenden Überschrift “Sind […] Lebensversicherungen immer noch top?”, obwohl die Lebensversicherungsbranche und ihre angeblichen Renditen seit 20 Jahren vor die Hunde gehen), um dann – was sonst – zur Privatvorsorge zu raten. “[D]as Schlimmste [wäre], [d]ass die Unternehmen am Ende nicht einmal den garantierten Mindestbetrag auszahlen. Das ist zwar extrem unwahrscheinlich, aber möglich.” – Das ist nicht “extrem unwahrscheinlich”, sondern sehr wahrscheinlich und schon passiert, wobei auch die Auszahlung nur des Mindestbeitrags einen realen Wertverlust (nach Inflation) bedeutet. Und die Behauptung, Lebensversicherer könnten “eher nicht” pleite gehen, ist nach den Pleiten von Lebensversicherern und den vielen Rettungsaktionen durch den Staat ein böser Scherz. “Der Staat kann sich nicht um alles kümmern” – um das Wohl der Finanzbranche anscheinend schon. Und das einzige funktionierende System – dass die betriebliche Altersvorsorge genauso wenig funktioniert, sieht sogar der Focus ein -, die gesetzliche Rentenversicherung, ist laut Focus “nicht wirklich zukunftsfest”. Belege und Argumente für die haltlose Behauptung: natürlich keine. Stattdessen empfiehlt der Focus Aktien-ETF, wobei die enorme Volatilität oder das hohe Verlustrisiko unter den Tisch geredet werden. Solche Artikel sind verbrecherisch.

  6. Umgang mit coronabedingten Mietschulden
    Die bisherige getroffene Maßnahme zum erweiterten Kündigungsschutz ist zu begrüßen, reicht jedoch bei weitem nicht aus. Deshalb tritt der Paritätische für Folgendes ein:
    Ausweitung des Kündigungsschutzes

    1. Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid 19-Pandemie Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht wurde u.a. das Recht des Vermieters zur Kündigung von Mietverhältnissen über Wohn- und Gewerbeflächen befristet eingeschränkt. Demnach dürfen Vermieter wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Ausgeschlossen sind sowohl die außerordentliche fristlose als auch die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen. Gleiches gilt für Gewerberäume. Die coronabedingten Mietschulden müssen bis zum 30.06.2022 zurückgezahlt sein, da die Kündigungsbeschränkung mit Ablauf dieses Datums endet. Können Mieter die coronabedingten Einnahmeausfälle bis dahin nicht kompensieren und zurückzahlen, droht ihnen schlimmenstenfalls die Kündigung. Die Bundesregierung kann per Rechtsverordnung und ohne Zustimmung des Bundesrates die Kündigungsbeschränkung auf Zahlungsrückstände ausweiten, die im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 30. September 2020 entstehen.
      Forderung: Es ist nicht abzusehen, wie lange die Corona-Pandemie und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen noch andauern werden. Aufgrund von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit werden die Mieter auch nach Juni 2020 vielerorts in finanziellen Schwierigkeiten sein und ihre Miete teilweise oder vollständig nicht zahlen können. Deshalb ist der Zeitraum, in welchem coronabedingte Mietschulden entstehen können und das Kündigungsrecht des Vermieters eingeschränkt ist, mindestens bis zum September 2020 auszudehnen. Je nach Lage der Pandemie und anhaltenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Mieter und Gewerbemieter*innen, ist dieser Zeitraum weiter auszudehnen. Verzugszinsen sind abzulehnen.
    2. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann jedoch gekündigt werden, wenn sich der Mieter bereits vor dem 1.4.2020 in Zahlungsverzug befand, die Höhe dieses Zahlungsverzugs jedoch noch keine Kündigung rechtfertigte. Wird dieser – die Kündigung auslösende – Mietrückstand nun durch nach dem 1.4. coronabedingte (Teil-)Verzüge erreicht, ist eine Kündigung möglich. Gleiches gilt für die Fälle, in denen Mieter nach dem 30.06.2020 zusätzliche Mietrückstände anhäufen und sich dadurch Rückstände summieren, die eine Kündigung insgesamt rechtfertigen.
      Forderung: Der Schutz vor Kündigungen wegen pandemiebedingter Mietzahlungsschwierigkeiten im Zeitraum von April bis Juni 2020 muss auch auf solche Mieter bzw. Rückstände ausgedehnt werden, die bereits vor dem 1.4. bestanden bzw. nach dem 30.6. entstehen. Es kann nicht sein, dass durch die Corona-Krise bedingte Mietrückstände mit anderen (Teil-)Rückständen summiert werden und dem Mieter infolge der Krise letztlich doch gekündigt werden kann.
    3. Darüber hinaus ist die derzeitige Rechtslage zum Kündigungsschutz grundsätzlich nicht ausreichend. Dies gilt zwar unabhängig von der Corona-Krise, wird jetzt aber umso deutlicher. Spricht der Vermieter wegen Zahlungsverzugs eine ordentliche und außerordentliche Kündigung aus, heilt eine Zahlung der Mietschulden innerhalb der Schonfrist (§ 569 III Nr. 2 S. 1 BGB) nur die außerordentliche Kündigung. Die ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt dennoch bestehen.
      Forderung: Dauerhaft muss es möglich sein, dass bei bestehenden Zahlungsrückständen die Heilungsmöglichkeiten der außerordentlichen Kündigung auch für die ordentliche Kündigung gelten.

    Quelle: Der Paritätische

  7. Das falsche Versprechen von der »Grundrente«
    Im Mai beriet der Bundestag erstmalig, nach fast einem Jahr Streit, über die sogenannte Grundrente. Was dabei herauskommt, verdient den Namen nicht.
    Noch vor der ersten Debatte ließ die Union verkünden, sie werde die weiteren Beratungen so lange blockieren, bis die Finanzierung auf solider Grundlage stehe. Dies war nur der letzte Akt in einer Hängepartie, die mit dem Koalitionsvertrag vom März 2018 begann. Dort war das Ziel verabredet worden, dass lebenslanges Arbeiten zu einer Rente führen müsse, die 10 Prozent über der »Grundsicherung im Alter« liege. Das entspräche heute einer Nettorente von 895,40 Euro.
    Es dauerte bis zum Mai 2019, bis das Sozialministerium einen ersten Referentenentwurf vorlegte, der noch dem Anspruch gerecht wurde, dass jahrzehntelange Schufterei im Niedriglohnsektor im Alter nicht mehr zwangsläufig in der Sozialhilfe endet. Dann folgte aber ein knapp einjähriges Sperrfeuer der Union. Am Ende legte Arbeitsminister Hubertus Heil im Februar 2020 ein komplett neues Gesetz vor – mit einem bürokratischen Hürdenlauf und einer dreisten Kürzung der eh schon mickrigen Leistungen um 12,5 Prozent.
    Von einer echten Grundrente, wie es sie zum Beispiel in den Niederlanden gibt, waren Union und SPD von Beginn an meilenweit entfernt. Dort erhalten alle alleinstehenden Rentnerinnen und Rentner, die 50 Jahre in den Niederlanden wohnen, eine Grundrente von 1.255 Euro netto.
    Deshalb war »Grundrente« schon von Anfang an ein falscher Begriff – schlimmer noch: ein falsches Versprechen von Union und SPD. Im Ergebnis haben CDU und CSU die Anforderungen für die sogenannte Grundrente so hoch geschraubt, dass nicht mehr 3 Millionen Menschen, sondern nur noch etwa 1,3 Millionen Menschen überhaupt etwas bekommen werden. Bei einer Leistung von durchschnittlich nicht einmal 80 Euro ist eine Einkommensprüfung völlig überflüssig. Für Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, ist diese gar entwürdigend. (…)
    Wer mehr als 5.000 Euro Erspartes oder ein kleines Häuschen hat, erhält gar nichts. Die Fraktion DIE LINKE hat den Gesetzentwurf mit Änderungsanträgen überschüttet. Sozialverbände, Rentenexperten und die Gewerkschaften haben einen Rentenzuschlag für Niedrigverdienende zwar grundsätzlich begrüßt, seine jetzt vorgesehene Ausgestaltung aber scharf kritisiert.
    Aus einer schlechten sogenannten Grundrente muss eine gute Mindestrente werden, die ihren Namen verdient! Denn zu einem solidarischen Rentensystem gehört, dass jahrelange Arbeit zu miesen Löhnen später nicht in Altersarmut führen darf. Das gilt in Krisenzeiten mit massenhafter Kurzarbeit und explodierender Arbeitslosigkeit umso mehr.
    Daran ändert auch der zusätzliche Freibetrag im Rentner-Hartz-IV nichts. Eines wird durch den CDU-Murks deutlich: Die beste aller Lösungen wäre eine echte solidarische Mindestrente, die allen Menschen im Alter ein armutsfestes Einkommen von aktuell mindestens 1.050 Euro netto und zusätzlich Wohngeld im Einzelfall sichert! Die darf und muss dann auch einkommens- und vermögensgeprüft sein!
    Quelle: Matthias W. Birkwald in Clara

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte sehen Sie dazu auch dieses Video: “Matthias W. Birkwald, DIE LINKE: Die sogenannte Grundrente – nicht Fisch, nicht Fleisch!“.

  8. Corona in Deutschland: „Nicht in falscher Sicherheit wiegen“ – Spahn warnt vor Überbewertung von Tests
    Bayern startet mit einer „Corona-Testoffensive“. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warnt derweil vor einer Überbewertung der Ergebnisse von Covid-19-Tests.
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist für eine Ausweitung von Coronavirus-Tests in Deutschland, warnt aber vor einer Überbewertung der Ergebnisse.
    „Umfangreiches Testen ist sinnvoll, insbesondere um regionale Ausbrüche schnell einzudämmen. Dazu haben wir das Testkonzept des Bundes bereits vor Wochen angepasst“, sagte Spahn am Sonntag (28.06.2020) der Deutschen Presse-Agentur. Zusätzliche Testangebote durch die Länder könnten das ergänzen. „Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufnahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen.“
    Spahn reagiert mit seinen Äußerungen auf die Ankündigung Bayerns, dass sich künftig jeder in dem Bundesland auf das Coronavirus testen lassen kann – unabhängig davon, ob man Symptome hat oder einem besonderen Risiko ausgesetzt ist.
    Quelle: AZ

    Anmerkung unserer Leserin M.G.: Zitat Spahn “Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufnahme. “

    Aha und warum fordert Spahn dann einen “Immunitätsausweis”, wenn er selbst weiß , dass so ein Test nur eine “Momentaufnahme” ist, und wissenschaftlich noch nicht feststeht, wenn man einmal Covid hatte, dies nicht auch noch einmal bekommen kann.

  9. Nobelpreisträger warnen vor Gefahren für die Demokratie
    Initiiert wurde das Schreiben vom in Stockholm ansässigen zwischenstaatlichen Demokratie-Institut IDEA und der 1983 gegründeten US-Organisation National Endowment for Democracy. Zu den mehr als 500 Unterzeichnern zählen neben rund 70 Organisationen außerdem 13 Nobelpreisträger wie die Friedensnobelpreisträger Frederik Willem de Klerk, Juan Manuel Santos und Lech Walesa sowie knapp 60 frühere Staats- und Regierungschefs. Auch der Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong, der Schauspieler und Tibet-Aktivist Richard Gere und der ehemalige EU-Parlamentsabgeordnete Elmar Brok finden sich auf der Liste.
    Zustimmung für das Anliegen kommt aus den verschiedensten Bereichen. Dabei sind auch die polnische Filmregisseurin Agnieszka Holland, der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama und der Brite Timothy Garton Ash sowie die Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa und Wole Soyinka.
    In dem Schreiben heißt es unter anderem: „Die Covid-19-Krise ist ein alarmierender Weckruf und eine dringende Warnung, dass die von uns wertgeschätzten Freiheiten in Gefahr sind und wir sie nicht als selbstverständlich hinnehmen dürfen.“ Wenig überraschend sei, dass autoritäre Regime die Lage nutzten, um Kritiker zum Schweigen zu bringen und ihre Macht zu festigen, hieß es in dem Schreiben.
    Aber auch einige demokratisch gewählte Regierungen würden die Pandemie mithilfe von Notstandsbefugnissen bekämpfen, die die Menschenrechte einschränkten und die staatliche Überwachung ausweiteten. Parlamente würden übergangen, Journalisten festgenommen und Minderheiten zu Sündenböcken gemacht. Dabei werde Unterdrückung nicht helfen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Die Demokratie sei weiterhin das effektivste System, um globalen Krisen zu begegnen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Das trifft leider auch auf Deutschland und sämtliche Staaten der EU zu – zumindest sind einige Schritte in diese Richtung unternommen worden: „auch einige demokratisch gewählte Regierungen würden die Pandemie mithilfe von Notstandsbefugnissen bekämpfen, die die Menschenrechte einschränkten und die staatliche Überwachung ausweiteten. Parlamente würden übergangen, Journalisten festgenommen und Minderheiten zu Sündenböcken gemacht.“

    Auch vor diesen Hintergründen erscheint eine Untersuchung des Ausnahmezustandes, der merkwürdigen Corona-Zeit durch eine unabhängige Expertenkommission mehr als geboten und durchaus sinnvoll zu sein – ähnlich wie bereits in Dänemark geplant.

  10. Was bringt ein Immunitätsausweis?
    Ein Immunitätsausweis soll bescheinigen, dass jemand eine COVID-19-Erkrankung überstanden hat und nun – wahrscheinlich – immun ist. Ein solcher Pass brächte Vorteile, etwa beim Reisen, der Jobsuche oder beim Altenheimbesuch. Doch das Konzept steckt voller Fallstricke. (…)
    Durch die Einführung solcher Ausweise darf es nicht zu Diskriminierungen, Stimatisierung und einer Zweiklassengesellschaft kommen. Zudem gibt es derzeit nicht genug Antikörpertests, um in Ländern wie Deutschland oder den USA einen Großteil der Bevölkerung zu untersuchen. Datenschützer gehen sogar noch weiter und fürchten, dass das der Einstieg in eine umfassende Registrierung des Gesundheitszustands der Menschen sein könnte. Mit diesen Themen beschäftigt sich der Ethikrat, von dessen Votum viel abhängt.
    Zudem warnt unter anderem der Soziologe Armin Nassehi im Dlf vor einem Missbrauch. „Es könnte einen Anreiz geben, sich zu infizieren als junger gesunder Mensch, um diesen Ausweis zu bekommen und Vorteile zu haben“, sagte er im Deutschlandfunk. Zudem könnte es verfassungsrechtlich bedenklich sein, „wenn man Menschen je nachdem, ob sie Antikörper haben oder nicht, bestimmte Rechte zuweist, bestimmte Veranstaltungen zu besuchen, einen Arbeitsplatz zu haben oder ähnliches.“ (…)
    Gibt es Erfahrungen aus dem Ausland?
    Ja, zum Beispiel Chile hat Immunitätspässe eingeführt. Dort nennt man das „Ausgangs-Karten“, erklärt Molekularbiologin Natalie Kofler von der Harvard Medical School im Dlf [AUDIO]. „Sie stellen es praktisch Menschen aus, die die Krankheit überstanden haben. Die können sich dann frei bewegen. Estland will Menschen mit Immunitätspässen bei der Rückkehr zum Arbeitsmarkt helfen.“ Auch die britische Regierung prüft die Idee.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung J.K.: “Durch die Einführung solcher Ausweise darf es nicht zu Diskriminierungen, Stigmatisierung und einer Zweiklassengesellschaft kommen.”

    Das ist alles Geschwätz. Ist der Immunitätsausweis erst einmal eingeführt, wird er der Ausgangspunkt für Diskriminierung sein. Wer das nicht will, muss diesen ablehnen, klipp und klar.

    Aber niemand hat ja die Absicht einen Immunitätsausweis einzuführen.

  11. So funktioniert die Schlachtbank Europas
    Durch die Corona-Infektionen in deutschen Schlachthöfen gerät eine Branche in den Blick, die sonst lieber im Verborgenen arbeitet.
    Immer wieder die Fleischindustrie: Die Corona-Ausbrüche bei Tönnies in Nordrhein-Westfalen und einer Wiesenhof-Schlachterei in Niedersachsen beschäftigen ganz Deutschland – und schüren die Angst vor einer zweiten Welle der Pandemie. Und je stärker sich die Ausbrüche auf eine Branche konzentrieren, um so größer wird der Wunsch nach Wissen über diese sonst eher diskrete Branche. […]
    Wo also liegen die größten Probleme der Fleischindustrie in Deutschland – und was wird getan?
    Konzentration der Betriebe
    Vom nördlichen Nordrhein-Westfalen über das westliche Niedersachsen erstreckt sich eine Region, die manche den Schweinegürtel nennen. Die Nähe zu den Seehäfen galt als wichtig, um billig Futter importieren zu können. Es entstand die wohl deutscheste aller denkbaren Kopien des amerikanischen Belt-Konzepts: Allein in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg leben rund sechsmal so viele Schweine wie Menschen, jeder dritte Job hängt an der Tierhaltung. Doch während die Zahl der geschlachteten Tiere in der Fleischbranche hoch bleibt, sinkt die Zahl der Betriebe, unter Mästern wie unter Schlachtern.
    Das führt zu verwobenen Konzernen, die ihre Macht ausbauen. […]
    Die kleinen Schlachthöfe wiederum klagen über hohe Kosten – aber auch über strenge Auflagen der EU. Kleine Schlachter, so Forscher Hamm, hätten zudem “bewusst nicht die Möglichkeit genutzt, sich von ausländischen Schlachtbrigaden abhängig zu machen”.
    Arbeitsbedingungen
    Seit den Corona-Ausbrüchen wird besonders über die Lage der Arbeiter in Schlachthöfen diskutiert. Unter ihnen sind seit der EU-Erweiterung viele aus Osteuropa. Die großen Betriebe verlassen sich zunehmend auf die fleißigen, aber schlecht bezahlten Arbeitskräfte, angeblich auch weil Menschen aus Deutschland diese Arbeit nicht mehr machen würden. Daran könnten aber auch die Löhne und Arbeitsbedingungen schuld sein. In der Coronakrise wird entsprechend viel über enge Unterbringung in Massenunterkünften sowie Lohndumping durch Werkverträge und Subunternehmertum diskutiert.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Am “Fachkräftemangel” in den Schlachtbetrieben “könnten aber auch die Löhne und Arbeitsbedingungen schuld sein”? Das böse Wort “Lohndumping”? Diese zaghafte Anmerkung zu den unsäglichen Lohn- und Arbeitsbedingungen in dieser schlimmen Branche ist für den neoliberalen SPIEGEL geradezu revolutionär. Nachdem er viele Jahre die Augen geschlossen hat, könnte er sich vielleicht anschießend in vielen anderen Bereichen in Deutschland umschauen, deren Arbeitsbedingungen auch dank der jahrelangen SPIEGEL-Propaganda von der angeblichen “mangelnden Wettbewerbsfähigkeit” ähnlich katastrophalen sind. “Und es werden nicht nur Tiere aus Deutschland geschlachtet. “Wir haben in den letzten Jahren einen Schlachttiertourismus aufgebaut”, sagt Agrarökonom Hamm. “Lebende Schweine aus den Niederlanden und zum Teil auch aus Dänemark werden zum Schlachten über die Grenze gebracht, weil die Schlachthöfe hierzulande billiger arbeiten, unter Bedingungen, die, wie die Werkverträge, im Ausland teils bereits verboten sind.” – Deutschland ist das Billiglohnland und deshalb die “Schlachtbank Europas” (ein wohlverdienter Titel!), so klar und simpel könnte der SPIEGEL schreiben. Tragisch, dass am Ende wieder der Verbraucher in die Pflicht genommen wird für etwas weniger schlimme Tierhaltungsbedingungen, die der Staat zu regulieren hätte.

  12. Der nächste Crash von Andreas Scheuer
    Neuer Ärger für den CSU-Minister: Der Bundesrechnungshof sieht Rechtsverstöße bei der geplanten Autobahnreform – und die Prüfer formulieren eine eindringliche Warnung. (…)
    Der Minister bekommt Aufmerksamkeit, denn er treibt die größte Verwaltungsreform der vergangenen Jahre in Deutschland voran. Es geht um viel Geld und hochsensible Projekte. Der Bund will Planung, Bau und Betrieb des knapp 13 000 Kilometer großen Bundesautobahnnetzes in eine eigene Gesellschaft auslagern – und so auch von den Bundesländern übernehmen. Um Bauprojekte zu beschleunigen, wie Scheuer betont, werden Behörden zusammengelegt und Niederlassungen neu über das Land verteilt.
    Doch nun macht ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs klar, dass auch dieses Prestigeprojekt zum Streitfall wird. Wie schon in einem Bericht zur hastigen Mauteinführung äußern die Kontrolleure der Regierung auch an zentralen Teilen der Bundes-Autobahngesellschaft massive Kritik.
    In dem 16-seitigen Papier vom 25. Juni, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, werfen sie Scheuer ungeschminkt Rechtsverstöße vor – und fordern vom Bundestag und von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), dass Haushaltsmittel gesperrt bleiben.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Wie viele Hinweise benötigt die Bundeskanzlerin noch, um diesen offenbar unfähigen, Maut-Ideologie-getriebenen und Privatisierungen fördernden Minister zu entlassen? Die Pannen-Liste ist sehr lang.
    Die NachDenkSeiten haben mehrfach auf die Fehlleistungen dieses Bundesministers hingewiesen – u.a. hier (jeweils mit Anmerkungen):

    1. Neue schwere Vorwürfe gegen Scheuer
    2. Teures Gutachten soll Scheuer entlasten
    3. Tempolimit: Scheuer kritisiert neue Haltung des ADAC

    Noch besser wäre, dass Herr Scheuer selber Konsequenzen zieht und zurücktritt. Aber das ist wohl zu bezweifeln …

  13. Stars and stripes rise over Vistula River
    Duda’s visit coincided with the Victory Parade on Moscow’s Red Square commemorating the 75th anniversary of the Soviet Union’s defeat of Nazi Germany. Echoes of a controversial past could be audible in the attic of history — the Ribbentrop-Molotov Pact of 1939, an extremely sensitive topic in Russia and Poland alike.
    Russia often feels that the West is trying to underplay and marginalise the memory of the Soviet contribution to Allied victory in World War 2, accounting for well over half of Germany’s military losses at a cost of almost 30 million Soviet lives. (…)
    The “Old Europe” will no doubt suspect that the US is imposing its agenda. They regard Duda as an aberration on Europe’s liberal-democratic landscape — anti-democratic, authoritarian, and a populist ‘strongman’.
    But these are qualities that endear Duda to Trump, who has voiced support for his candidacy for re-election as president in the upcoming poll on 28th June. Poland under Duda is Trump’s secret weapon to demolish European integration and reassert US hegemony, to put Germany down and to keep Russia out.
    How far the US will succeed in this direction remains to be seen. Trump’s foreign policy record is dismal. In the final analysis, it is a self-centred policy with no strategic coherence. It is improbable that Trump’s leadership will be acceptable to Germany or France. Russia too will militate against such hegemonic ambitions.
    Above all, US’ capacity to impose its will on other countries is fast diminishing, and its priorities in immediate terms will be on its own economic recovery. Trump may only succeed in further straining the transatlantic partnership by such blatant attempts to dictate to the major European powers in a strategy of “divide and rule”, which they would deeply resent.
    Then, there is a dark horse – China, which is positioning itself quietly with a long-term perspective to be a meaningful partner on the long and winding road to recovery and reconstruction for the European economies ravaged by the pandemic in the post-Covid era. Europe will certainly negotiate the optimal terms of engagement with China, but is unlikely to spurn the Chinese overtures at Trump’s bidding.
    Quelle: Indian Punchline
  14. Das grosse Wegwerfen bei Aldi
    Aldi betont sein Engagement gegen Food Waste. Ein Augenschein in seine Mülltonnen zeigt, dass es sich dabei primär um PR handelt.
    Red. Grossverteiler verkünden gerne, wie sorgsam sie mit den vielen Lebensmitteln umgehen, deren Verkaufsdatum abgelaufen ist. Janosch Fischer, der über foodsharing.de das Abholen und Verteilen von überschüssigen Lebensmitteln organisiert, hat bei Aldi-Filialen die Probe aufs Exempel gemacht.
    Pfingstsonntag in der Früh. Es dämmert bereits, die Vögel sind mitten in ihrem Morgenkonzert. Tatort: Aldi-Filiale Gals, Kanton Bern. Ich stelle mein Velo samt Anhänger am Rande des verlassenen Parkplatzes ab und ziehe die Handschuhe an. Es muss schnell gehen. Mit Rucksack und den blauen Ikea-Taschen gehe ich zu den drei Containern, die an die Wand gestellt sind und öffne sie.
    Was ich vermute, aber nicht hoffe: Bis zum Rand sind sie gefüllt mit frischem Obst und Gemüse, das unachtsam reingeworfen wurde. Ich bin nicht wählerisch und packe ein, was meine Hände greifen. Die Tonnen sind zur Hälfte mit Mangos aus Brasilien, peruanischen Bio-Avocados, Aprikosen, Pfirsichen und Peperoni aus Spanien gefüllt. Hinzu kommen frische Karoten, Fenchel, Kohlrabi, Birnen usw.
    Bei jedem vorbeifahrenden Auto steigt die Anspannung, handelt es sich bei dieser Aktion doch um eine unerlaubte Handlung. Es dauert, bis alle Taschen gefüllt sind. Etwa 10 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel konnte ich retten. Nach zehn Tagen Kellerlagerung ist die Mehrheit der geretteten Produkte noch immer in einwandfreiem Zustand. Die Filiale hätte also genügend Zeit gehabt, die Produkte weiterzugeben.
    Quelle: Infosperber
  15. Schwarz-grüner Schmusekurs: Die Grünen entdecken ihre Bewunderung für die CDU, Merz sieht neue Koalitionsmöglichkeiten
    Viele mochten der CDU am Freitag ihre Reverenz erwiesen haben. Kaum ein Konkurrent allerdings tat dies mit so viel politischer Zuneigung wie die Grünen. Sie sandten den deutschen Christlichdemokraten, die den 75. Jahrestag des Gründungsaufrufs ihrer Partei feierten, Glückwünsche und hintersinnige Geschenke zu: Einem feinen Präsentekorb mit Ingwer- und Rhabarberschorle legten sie den neuen Entwurf des grünen Grundsatzprogramms bei – zur gefälligen inhaltlichen Diskussion, wie sie wissen liessen. (…)
    Die neue Innigkeit kommt einigermassen unerwartet. Vor der Corona-Krise waren Union und Grüne alles andere als auf Schmusekurs. Noch im Februar machte etwa Friedrich Merz die Ökopartei als «Hauptgegner» bei den kommenden Bundestagswahlen aus. Nun kann ausgerechnet er sich in einem Interview mit dem «Spiegel» eine Verbindung mit den Grünen durchaus vorstellen: «Schwarz-Grün sitzt doch in vielen bürgerlichen Familien längst am Frühstückstisch.» Er selbst traue sich zu, das Unionsprofil in einer Konstellation mit den Grünen klar erkennbar zu machen. Mit ihm würde es nicht nur wirtschafts- und finanzpolitisch vernünftige Beschlüsse geben, sondern auch gesellschaftspolitisch.
    Das tönt, gerade weil es aus Merz’ Mund kommt, nach mehr als einem flüchtigen politischen Sommerflirt. Zumal die Grünen mit ihrem Grundsatzprogramm neuerdings den Anspruch erheben, Deutschland zu führen. Auch sie wollen, wie die «liebe CDU», weg von der Prinzipienreiterei und hin zu mehr regierungstauglichem Pragmatismus. Statt aus der Oppositionsrolle bloss zu kritisieren, wollen sie nicht nur anschlussfähig sein, sondern mehrheitsfähig werden. Wenn ergrünte Konservative inzwischen sogar Rhabarberlimonade trinken, warum sollten sie dann noch Berührungsängste mit Unternehmen und Wirtschaft haben?
    Quelle: Neue Zürcher Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Die SPD – einschließlich ihres ach so geschätzten Bundesfinanzministers – scheint dem vor allem programmatisch nichts entgegenhalten zu können/wollen. Dabei liegen die Themen, mit denen die SPD bei der nächsten Bundestagswahl besser abschneiden könnte, buchstäblich auf der Straße. Albrecht Müller hat mehrfach darauf aufmerksam gemacht – bitte lesen Sie dazu u.a. diese Beiträge:Wahlanalyse für die SPD – viel zu kurz gesprungen, rausgeworfenes Geld und Über was verhandeln Union und SPD? Über was sollten sie verhandeln? Was wären sinnvolle und notwendige programmatische Entscheidungen? Das soll das Thema dieses Beitrags sein.

  16. Wahlrechtsreform – Brinkhaus für 750 Abgeordnete
    Gleichwohl reagierte die CSU ablehnend: «Der Vorschlag ist mit uns nicht abgesprochen», sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Müller. Eine Wahlrechtsreform entspreche zwar den Ideen seiner Partei. «Einen Vorschlag allerdings, der Gewinnern von Wahlkreisen den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, halten wir für verfassungswidrig.» Ähnlich argumentierte der CDU-Abgeordnete Fischer: «Der Vorschlag mit einer Kappung von Wahlkreisen ist verfassungswidrig und damit inakzeptabel.»
    Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, begrüßte zwar die vorgesehen Deckelung der Mandate als «geeignete Grundlage für einen Kompromiss». «Allerdings sollte die Obergrenze, ab der Mandate nicht mehr zugeteilt werden, nicht über der derzeitigen Bundestagsgröße liegen.» Die SPD hatte selbst eine Begrenzung bei 690 Mandaten vorgeschlagen. Ein solcher «Notfallmechanismus» für die nächste Bundestagswahl komme mit kleinen rechtlichen Änderungen aus und könne nach einer politischen Einigung in der kommenden Woche auch noch Anfang September gesetzlich verankert werden, sagte Schneider.
    Dagegen hält Bundestags-Vizepräsident Kubicki eine Einigung noch vor der Sommerpause für erforderlich: «Gelingt dies nicht in dieser Sitzungswoche, wird das nichts mehr zur kommenden Bundestagswahl», sagte er. «Schon jetzt ist der Zeitplan für alles, was daran hängt, also der Zuschnitt der Wahlkreise, die Kandidatenaufstellung und so weiter eine riesige Zumutung.»
    Kubicki, der auch stellvertretender FDP-Vorsitzender ist, wies darauf hin, dass es für die von den Fraktionen der FDP, Linken und Grünen vorgeschlagene Lösung sogar eine rechnerische Mehrheit im Parlament geben würde. Allerdings seien die Sozialdemokraten in dieser Frage an ihren Koalitionspartner CDU/CSU gekettet. «Dies ist alles in allem enttäuschend. Denn hier geht es schlicht nicht um eine politische Richtungsfrage, sondern um die Arbeitsfähigkeit des höchsten deutschen Parlaments.»
    Kubicki antwortete auf die Frage, ob für die Abstimmung über den FDP/Grünen/Linke-Gesetzentwurf der Fraktionszwang aufgehoben werden sollte: «Definitiv ja. Dann kann sich die beste Lösung am Ende durchsetzen.»
    Quelle: Stimme.de

    Anmerkung Jens Berger: Deutschland hat bereits jetzt hinter China das zweitgrößte Parlament der Welt.

  17. Boltons Buch über Trump: Eine erschreckende Selbstenthüllung
    Wer sich vornimmt, dieses Buch (John Bolton: «The Room Where it Happened») von A bis Z zu lesen, muss wissen: Mir stehen viele Stunden voller Pein bevor. Ja, die Lektüre artet bald in Masochismus aus – weil der Leser, die Leserin, weiss: So, wie bis jetzt, sagen wir bis zur eben bewältigten Seite 150 oder 200, wird es weitergehen bis zur letzten Zeile auf Seite 588.
    Was genau? Akribische Wiedergabe von Gesprächen und Begegnungen (Bolton notierte sich alles, wirklich alles, bei jedem Treffen); summarische Abqualifizierungen von fast jedem/jeder, dem/der er begegnete; prägnante Rechtfertigung seiner eigenen Haltung und Handlungsweise – und, klar, jederzeit, süffig erfasst, eine «träfe» Bemerkung über Donald Trumps Sprunghaftigkeit, dessen Launen, mangelnde Sachkenntnis und Tendenz, persönliche Dinge mit der hohen Politik zu einem Pesto zu vermischen.
    Klar, dass dieser Polit-Buchhalter, gut dokumentiert, enthüllen konnte, dass Donald Trump sich nicht scheute, den chinesischen Staatspräsidenten in sein persönliches Boot zu holen, um sich Vorteile für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf zu sichern, ist interessant und schockierend. Was, wenn Xi Jinping darauf eingegangen wäre? Die Antwort: reine Spekulation. Gut, interessant, dass Bolton auch (besser als andere Quellen) nun klar stellt, wie Trump versuchte, den unerfahrenen ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskyi, einzuwickeln, um sich Informationen über die Familie von John Biden zu verschaffen. Aber viel interessanter ist etwas anderes – nämlich die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie es kommen konnte, dass ein John Bolton, nach all dem von ihm zuvor angerichteten Unheil, von Donald Trump ins Amt des einflussreichen Chefs des Nationalen Sicherheitsrats der USA berufen werden konnte. Stichworte: Bolton, der die so genannte Nordkorea-Frage durch Bombenangriffe «lösen» wollte. Bolton, der empfahl, Iran zu bombardieren. Bolton, der forderte, den gordischen Knoten des Konflikts Israel/Palästinenser mit einer Politik zugunsten der radikalsten Kräfte in Israel zu lösen. Bolton, der sehr gerne Bomben auch auf Venezuela geworfen hätte und der nichts von Verhandlungen mit einzelnen Nato-Mitgliedern hielt – ebenso wenig wie mit der russischen Führung.
    Als ich mich rund gut zwei Drittel lang durch das Buch gequält hatte, blitzte mir ein Gedanke auf, der mich selbst schockierte: Wie gut, dass es Donald Trump gibt. Gut, weil Trump in einem entscheidenden Moment, haarscharf, noch rechtzeitig, erkannte: Diesen Mann muss ich (wieder) los werden. Tue ich das nicht, reisst er die USA, ja die Welt, in einen breitflächigen Krieg um Iran. Und Donald Trump will ja nirgendwo einen Krieg mit Waffen – er liebt Handelskriege, Wirtschaftskriege (egal, ob bei diesen Millionen Menschen verelenden wie etwa in Syrien oder Iran). Und er liebt es, Europäer, Chinesen oder Russen einzuschüchtern. Das alles mag schlimm enden – aber wohl (?) nie in einen veritablen Krieg münden. Hätte er John Bolton nicht entlassen (oder ihm eine halbwegs ehrenvolle Kündigung erlaubt), stände heute der ganze Mittlere Osten in Flammen. Und die USA hätten sich aus noch mehr internationalen Verträgen verabschiedet.
    Ich hole, nach der ganzen Lektüre, kurz Atem – und meine, dass dies das Irritierendste ist: Da erlaubt es das «System» in den USA, einem total a-historisch denkenden Rabauken, bis ganz nach oben in der Hierarchie zu kommen – Fehlentscheidungen in früheren Jahren (Provokation des Irak-Kriegs 2003) hin oder her.
    Dass Bolton nicht willig oder nicht fähig ist, in irgendwelcher Weise geschichtliche Prozesse in sein Denken mit einzubeziehen, enthüllt sich bei der Lektüre beständig: Kein Wort, dass Iran grenzüberschreitend (relativ) mächtig wurde, aufgrund des fehlgeleiteten Irak-Kriegs der US-Regierung von George W. Bush im Jahr 2003 (den Bolton als damaligen Unterstaatssekretär angestachelt hatte); kein Wort über die Entstehung des IS (Terrororganisation Islamischer Staat) als Folge dieses Kriegs. Keine Reflexion über den Grund des Konflikts zwischen den USA/der Nato und Russland – da sieht Bolton nur von Moskau provozierte Verletzungen von Verträgen mit dem Westen und die «Notwendigkeit», die entsprechenden Verträge zu vernichten.
    Das ist’s, was bleibt: ein Plädoyer zum Vernichten.
    Quelle: Infosperber
  18. Bestätigte aktive Covid-19-Fälle in Deutschland

    Die Zahl der aktiv am Coronavirus erkrankten und positiv getesteten Bürger in Deutschland steig in der letzten Woche um 660 auf 6.700, wie Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) für Infektionskrankheiten zeigen. Die NachDenkSeiten werden diese Grafik wöchentlich in den Hinweisen des Tages aktualisieren.

    Hintergrund: Corona-Zahlen – warum reden wir nicht von den „aktiv Erkrankten“?

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