NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Facebook und Google entscheiden, was Sie lesen sollen – und die NachDenkSeiten gehören offenbar nicht dazu

Datum: 5. März 2021 um 13:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Medien und Medienanalyse, Strategien der Meinungsmache
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Einzelne Beiträge der NachDenkSeiten verschwinden auf mysteriöse Art und Weise auf Facebook in der Versenkung. Ein klares Muster ist dabei nicht zu erkennen. Fest steht jedoch, dass die Algorithmen von Facebook dafür sorgen, dass Nutzer dieser Plattform bestimmte Artikel von uns nicht zu Gesicht bekommen. Noch radikaler geht der Algorithmus von Google zu Werk. Seit dem letzten Update des Algorithmus hat sich die „Sichtbarkeit“ der NachDenkSeiten in der Suchmaschine mehr als halbiert. Warum? Das wissen auch wir nicht. Die Monopolisten aus dem Silicon Valley bestimmen, was Sie zu sehen bekommen – intransparent und undemokratisch. Als Betroffene sind wir da machtlos und auf unsere Leser angewiesen, wenn wir weiterhin unsere Reichweite erhöhen und mit unseren Texten etwas erreichen wollen. Helfen Sie uns dabei. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Seit vielen Jahren sind die Beiträge der NachDenkSeiten auch auf unserer Facebook-Seite zu finden. Unsere Beiträge werden auf Facebook häufig geteilt und über dieses Medium finden auch zahlreiche neue Stammleser zu uns. Um so ärgerlicher ist es für uns, wenn einzelne Beiträge ohne einen erkennbaren Grund auf Facebook „verschwinden“. Wobei verschwinden nicht der richtige Begriff ist. Die Beiträge sind noch im Netzwerk vorhanden und man erreicht sie, wenn man sie direkt aufruft. Wie von Geisterhand werden sie jedoch Nutzern von Facebook nicht mehr in ihrer Timeline angezeigt. Offenbar handelt es sich um eine subtile Form des „Shadow-Bannings“, bei dem der Blockierte nicht merkt, dass er blockiert wird. Ersichtlich wird dies jedoch, wenn man sich die Abrufstatistiken der einzelnen Beiträge auf Facebook anschaut.

Normale redaktionelle Artikel der NachDenkSeiten werden im Facebook-Netzwerk zwischen 10.000 und 30.000 Nutzern angezeigt. Redaktionelle Ankündigungen, die Hinweise des Tages oder die Leserbriefsammlungen kommen auf 5.000 bis 15.000 Einblendungen. Da ist es schon bemerkenswert, wenn plötzlich ein redaktioneller Artikel nur noch auf 2.000 Einblendungen kommt. So geschehen mit meinem am Mittwoch veröffentlichten Artikel „Im Namen des Wahnsinns“, in dem ich mich meinungsstark gegen die Auswüchse bei den Corona-Maßnahmen ausspreche.

Am Desinteresse der Leser wird dieser „Misserfolg“ wohl nicht liegen. Die Zahl der Leserbriefe zu diesem Artikel (die morgen bei uns erscheinen) war jedenfalls überdurchschnittlich. Zum Vergleich: Rainer Wernings Analyse der Nationalen Befreiungskämpfe und politischen Neukonstellation in Ost- und Südostasien nach der Kapitulation Japans und Frederico Füllgrafs Dokumentation über die Arbeit der UFA in Amazonien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichten jeweils mehr als viermal so viele Leser auf Facebook, obgleich sie zwar hochqualitativ sind, sich aber dennoch aufgrund der Themensetzung eher an eine kleinere, interessierte Sparte unserer Leserschaft richten. Dass diese Artikel mehr als viermal so viele Facebook-Nutzer erreichen wie ein meinungsstarker und für einige sicherlich kontroverser Kommentar zu den Corona-Maßnahmen ist … nun ja, erstaunlich.

Mein erster Gedanke war, dass Facebook hier offenbar Inhalte zensiert, die sich kritisch mit dem Thema „Corona“ auseinandersetzen. Doch dies lässt sich so nicht eindeutig bestätigen. So kam mein Artikel „Corona und das Politikversagen, über das kaum wer spricht“ immerhin auf mehr als 30.000 Einblendungen und auch andere „Corona-Artikel“ gehören auf Facebook zu den meistgelesenen Beiträgen der NachDenkSeiten, werden also anscheinend nicht zensiert.

Eine Recherche über die Abrufzahlen des letzten halben Jahres hat dann ergeben, dass es ein halbes Dutzend Beiträge der NachDenkSeiten gibt, die aus völlig unerklärlichem Grund nur auf rund 2.000 Einblendungen kommen.

Dazu zählen beispielsweise eine Bewertung des vorletzten Corona-Gipfels und unser gemeinsamer Appell an die Politik, die Maßnahmen zu beenden.

Auf der anderen Seite konnte jedoch Albrecht Müllers Kommentar zu den Beschlüssen der MPK mit mehr als 35.000 Einblendungen ein sehr gutes Ergebnis erzielen.

Ein inhaltlich vergleichbarer Artikel von Albrecht Müller zu den Quarantäneregelungen gehörte jedoch zu den Beiträgen, die von Facebook still und leise versteckt wurden.

Deutlich wird dieses Phänomen auch bei Gastartikeln. So kam ein Artikel unseres Gastautoren Henning Rosenbusch zum „schwedischen Weg“ auf gerade einmal 3.000 Einblendungen, während ein weiterer Artikel zum selben Thema vom selben Autoren mehr als zehnmal so viele Facebook-Nutzer erreichte. Wie gesagt: Selbst Ankündigungen oder technische Hinweise erzielen ansonsten mindestens 7.000 Einblendungen.

Mit rationalen Erklärungen kommt man hier nicht weiter. Die zensierten Artikel haben laut Seitenstatistik der NachDenkSeiten auf unserer Website keinesfalls weniger Leser als die anderen Artikel. Auch auf Facebook werden sie – natürlich relativ zur Leserzahl – nicht etwa weniger geliked, geteilt oder kommentiert. Wir stehen vor einem Rätsel. Die einzig logische Erklärung ist, dass der Facebook-Algorithmus die genannten Artikel aus welchem Grund auch immer für „anstößig“ hält. Vielleicht haben wir bestimmte Signalwörter benutzt, die auf einer schwarzen Liste stehen. Vielleicht hält der Algorithmus diese Artikel aufgrund irgendwelcher Programmzeilen, die verrückt spielen, für „Fake News“ oder sonst was. Erfahren werden wir es nie. Beschweren können wir uns auch nicht.

Das ist nicht nur für uns ärgerlich, sondern sicherlich auch für viele Nutzer, die diese Artikel gerne gelesen hätten. Die NachDenkSeiten werden auf Facebook von rund 100.000 Menschen abonniert und von sehr vielen unserer Leser auch dort verlinkt. Wenn unsere Abonnenten die Beiträge nicht angezeigt bekommen und auch die Verlinkungen unserer Leser im digitalen Schatten verschwinden, so ist dies ein Unding.

Ähnlich skandalös ist die intransparente Neuausrichtung der Suchalgorithmen von Google. Im Mai 2020 vollzog Google das letzte große Update der Software, die hinter den Kulissen entscheidet, was Sie zu sehen bekommen, wenn Sie einen bestimmten Suchbegriff in der Suchmaschine eingeben. Diese Software besteht aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Algorithmen, die jeweils verschiedene Faktoren einer Internetseite auswerten. Neu ist seit Mai 2020, dass ein Faktor mit dem Akronym YMYL für bestimmte Seiten einen ganz maßgeblichen Einfluss auf die Bewertung hat.

YMYL steht für „Your Money or your live” also „Dein Geld oder Dein Leben”. Sinn und Zweck dieser Filterung soll es laut Google sein, dass Nutzer nicht auf Seiten kommen sollen, die Informationen enthalten, die, wenn sie ungenau, unwahr oder irreführend dargestellt werden, sich negativ auf das Glück, die Gesundheit oder die finanzielle Stabilität der Leser auswirken können. Nachdem dieser YMYL-Faktor einführt wurde, sank die sogenannte „Sichtbarkeit“ der NachDenkSeiten von einem Tag auf den anderen um mehr als die Hälfte.

Das heißt konkret, dass bei einer Suche über Google Artikel der NachDenkSeiten erst viel weiter hinten angezeigt werden, als sie es auf Basis der anderen Faktoren, die den Algorithmus von Google speisen, eigentlich angezeigt werden müssten. Oder um es zuzuspitzen: Google versteckt die NachDenkSeiten.

Warum? Offenbar hat die Lektüre unserer Artikel eine negative Auswirkung auf Ihr „Glücksempfinden“ … die Faktoren Gesundheit und Geld können wir wohl ignorieren. Sind Sie unglücklich, wenn Sie uns lesen? Vielleicht schon, aber das liegt dann ja eher an den Dingen, über die wir schreiben, und nicht an unserem Angebot.

Was maßt sich Google an, über Glück und Unglück seiner Nutzer zu entscheiden? Wollen wir ein rosarotes Internet, in dem nur Dinge stehen, die Sie glücklich machen? Sollen wir Katzenbilder posten, um wieder sichtbarer zu werden?

Unerklärliches spielt sich derzeit auch bei der automatischen Vervollständigung der Suchbegriffe bei Google ab. Geben Sie mal in die Adresszeile ihres Browsers oder das Suchfeld von Google die Namen „Albrecht Müller“, „Jens Berger“ oder „Tobias Riegel” ein. Wie durch Geisterhand präsentiert ihnen Google einen Suchvorschlag, der unsere Namen mit dem Zusatz „AfD“ ergänzt. Das ist insofern erstaunlich, da bekanntlich weder Albrecht Müller noch Tobias Riegel oder ich irgendetwas mit der AfD zu tun und – wenn überhaupt – nur kritisch über diese Partei geschrieben haben. Wie kommt Google auf diese absurde „Vervollständigung“? Auch hierfür gibt es keine rationale Erklärung. Überflüssig zu erwähnen, dass diese Vervollständigung boshaft und ehrenrührig ist. Wer uns nicht kennt und nach uns googlen will, muss zunächst denken, wir seien irgendwie mit der AfD verbandelt. Ein weiteres Opfer dieses rufschädigenden Missbrauchs ist der Handelsblatt-Journalist Norbert Häring, der dazu auch einen sehr lesenswerten Beitrag geschrieben hat.

Und auch hier stehen wir dem Treiben machtlos, ja ohnmächtig gegenüber. Google ist intransparent und undemokratisch. Was wir uns wünschen, was wir denken und was wir fordern, spielt für den Monopolisten keine Rolle.

Natürlich wünschen auch wir uns, dass wir von möglichst vielen Menschen gelesen werden. Schließlich wollen wir aufklären und etwas erreichen. Dafür brauchen wir Publikum. Und da die Monopolisten, die das Internet beherrschen, uns Steine in den Weg legen, sind wir auf Sie, liebe Leserinnen und Leser, angewiesen. Empfehlen Sie bitte unsere Artikel – wenn Sie ihnen gefallen – und unsere Seite an Ihre Freunde, Bekannten, Verwandten und Kollegen weiter. Und wenn die „Sozialen Netzwerke“ dies unterbinden, dann verschicken Sie unsere Artikel doch einfach per Mail oder sprechen Sie Ihre Freunde darauf an. Gegen diese Form der Mundpropaganda können Facebook, Google und Co. zum Glück noch nichts unternehmen.

Titelbild: DestroLove/shutterstock.com


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