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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 10. Mai 2021 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Merkel sind Patente wichtiger als Menschenleben
  2. FDP plant massive Steuersenkungen für die Wirtschaft
  3. Robert Habeck und DIE LINKE
  4. Moskauer Freiheit – Ein Reisebericht in Zeiten der Pandemie
  5. Corona: Ein Trend zur Gleichschaltung der Öffentlichkeit
  6. Hinter der Euphorie der deutschen Industrie steckt eine große Abhängigkeit
  7. Tarifverhandlungen im Handel – mit Click & Collect schreitet die „Amazonisierung“ voran
  8. Mehr Niedriglöhnerei, digital und gendermäßig aufgehübscht
  9. Drei bis vier Milliarden Euro: Rentenauszahlungen steigen durch Krise
  10. Hartz 4 und Rente: Radikale Änderungen bei Ruhestand und ALG II möglich
  11. Blame Game zwischen den Gewalten
  12. Mein Projekt: Baumarkt-Einkauf
  13. Anwältin: „Widerstand aus der Mitte der Gesellschaft wächst“
  14. The Ethics & Language of Lockdown
  15. Falsche Corona-Prognosen: Manipulation im Namen der Wissenschaft
  16. Ulrich Kriese: Hamburgs rot-grüne Regierung steht auf der Seite reicher Grundbesitzer
  17. Georg Heil neuer Kontraste-Redaktionsleiter
  18. Internationale Sanktionen – Was sind sie, was bringen sie und gibt es eine rechtliche Grundlage? – Online Veranstaltung am 11. Mai 2021, 19 Uhr

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Merkel sind Patente wichtiger als Menschenleben
    Beim Patentschutz hört der Spaß auf. “Der Schutz von geistigem Eigentum ist Quelle von Innovation und muss es auch in Zukunft bleiben”, sagte eine Sprecherin der Bundeskanzlerin der „Süddeutschen Zeitung“. Damit ist klar: Die Bundesregierung bleibt bei ihrem Nein zur Freigabe von Patenten für Corona-Impfstoffe. “Der limitierende Faktor bei der Herstellung von Impfstoffen sind die Produktionskapazitäten und die hohen Qualitätsstandards, nicht die Patente”, behauptete die Sprecherin. Das sieht US-Präsident Joe Biden offenbar anders. Er fordert, den Patentschutz für Corona-Impfstoffe aufzuheben. (…)
    Damit schließen sich die USA einer Initiative Indiens und Südafrikas an. Beide Staaten hatten schon 2020 bei der Welthandelsorganisation eine Initiative für die Aussetzung der Patente eingebracht. Unterstützt wird diese Initiative von etwa 100 Regierungen. Kürzlich haben sich auch etwa 170 frühere Staats- und Regierungschefs sowie Nobelpreisträger – darunter Michail Gorbatschow und François Hollande – direkt an US-Präsident Joe Biden gewandt mit der Forderung, die Patente auf Covid-19-Impfstoffe aufzuheben. „Die Initiative in der WTO scheiterte bislang am Widerstand einiger Big-Pharma-Staaten, darunter die USA, die Schweiz und Deutschland“, so der LINKEN-Abgeordnete Fabio De Masi. Zumindest die USA haben nun eingelenkt. (…)
    Union und SPD signalisierten in der Bundestagsdebatte am Donnerstag, dass sie diesem Antrag keine Chance geben. Bereits im Gesundheitsausschuss, der sich mit der Sache befasst hatte, ließen beide Fraktionen den Antrag durchfallen. Der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich rechtfertige das in seiner Rede am Donnerstag und plädierte für „freiwillige Kooperation“. Man könne „die Probleme nicht mit staatlicher Zwangswirtschaft lösen“, so Henrich. Bei der Abstimmung votierten nicht nur Union und SPD gegen den Antrag, sondern auch FDP und AfD. (…)
    Angesichts dieses Versagens ist es bezeichnend, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Lockerung des Patentschutzes mit der Begründung ablehnt, dass der Ausbau von Produktionsstätten und mehr Exporte wichtiger seien. Gerade da aber versagen die Pharmakonzerne.
    Quelle: Links bewegt

    Dazu: Merkel sprach offenbar mit Biontech-Chef über Patentfreigabe
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat offenbar am Donnerstag mit dem Chef des Corona-Impfstoffherstellers Biontech, Ugur Sahin, telefoniert. Das berichtet der „Spiegel“. In dem Telefonat ging es demnach um eine mögliche Patentfreigabe des Corona-Impfstoffs sowie um mögliche Schritte, um ärmere Länder besser mit Impfstoff zu versorgen. Ziel sei dabei keine kurzfristige Hilfe, sondern eine nachhaltige Versorgung mit Impfstoff, auch für zukünftige Pandemien.
    Ob Sahin die Bundeskanzlerin in ihrer kritischen Haltung zu einer möglichen Patentfreigabe bestärkte, war dem Bericht zufolge unklar. Das Bestehen auf Patentschutz sei schon lange Merkels Haltung gewesen, hieß es demnach aus Regierungskreisen.
    Quelle: Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Von einem Pharmalobbyisten und Türöffner im Bundesministerium für Gesundheit sowie einer Bundeskanzlerin, die mal von einer „marktkonformen Demokratie“ gesprochen hat, sind wohl keine anderen Meinungen zu erwarten. Der Verdacht der Korruption rückt nahe, sollte die Bundeskanzlerin tatsächlich mit dem Biontech-Chef über diese Angelegenheit telefoniert haben, dessen Aktienkurs nach der Patentdiskussion einbricht. Bitte lesen Sie dazu auch Der CDU/CSU die Maske abgenommen.

  2. FDP plant massive Steuersenkungen für die Wirtschaft
    In einem Positionspapier plant der Vorstand der FDP-Fraktion, innerhalb von fünf Jahren 600 Milliarden Euro in der Privatwirtschaft zu mobilisieren. Parteichef Lindner betont den Modernisierungsschub, der mit den Entlastungen einhergehen soll.
    Nach dem „Deutschlandsfonds“ der CDU kommt nun der „Investitionspakt“ der FDP: Die Parteien überbieten sich im heraufziehenden Wahlkampf mit Vorschlägen, wie die Infrastruktur auf Vordermann gebracht werden soll, vor allem für den Klimaschutz und die Digitalisierung. Der Vorstand der FDP-Fraktion hat dazu jetzt ein Positionspapier verabschiedet, das darauf abzielt, innerhalb von fünf Jahren 600 Milliarden Euro in der Privatwirtschaft zu mobilisieren.
    Dieses „Modernisierungsprogramm im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft“ sieht Steuererleichterungen für Unternehmen von 60 Milliarden Euro im Jahr vor. Dadurch sollen sie in die Lage versetzt werden, 120 Milliarden Euro zu investieren. Der Plan der Liberalen übertrifft sogar den Vorschlag der Grünen, in zehn Jahren 500 Milliarden Euro zusammenzubringen.
    Das FDP-Papier versteht sich als Gegenentwurf zu den Investitionsplänen anderer Parteien. […]
    Als Ziel schwebt der FDP vor, die Bruttoanlageinvestitionen auf 25 Prozent der Wirtschaftskraft zu steigern. Derzeit seien es 22 Prozent, wovon 3 Punkte vom Staat kämen und 19 aus der Wirtschaft. Bei dem größeren privaten Hebel anzusetzen, ist nach Ansicht der FDP der bessere Weg. Denn der Staat sei nicht nur zurückhaltender als die Wirtschaft, sondern beim Mitteleinsatz auch erfolgloser. So sehe der Nachtragshaushalt des Bundes für 2021 rund 2,5 Milliarden Euro weniger für Investitionen vor als der ursprüngliche Etat und sogar 12 Milliarden weniger als 2020. Von den 5 Milliarden Euro für die Digitalisierung von Schulen seien erst 2 Prozent angekommen. Ähnliches gelte für den Breitbandausbau. […]
    „Diese Entlastungen schaffen nötige Investitionsanreize“
    Rückenwind erhält die FDP vom Arbeitgeberverband BDA. „Die Modernisierungsinvestitionen müssen aus den privaten Bereich kommen. Der Politik fällt aber bisher nur Subvention, Steuererhöhung, Schattenhaushalte und Verschuldung ein“, sagt BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der F.A.Z. „Diese naive Staatsgläubigkeit wird den Klimawandel und die Herausforderung der Digitalisierung nicht bewältigen.“ Der Bund der Steuerzahler hält die Stoßrichtung ebenfalls für richtig. „Es ist erfrischend, dass endlich jemand an Steuerentlastungen denkt, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen“, findet Präsident Reiner Holznagel.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die FDP hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Natürlich applaudieren die üblichen Verdächtigen (BDA, Bund der Steuerzahler), wenn der Staat noch mehr Geld an die Reichen und Superreichen verschenkt, aber alle anderen können mal ausrechnen, was schon der Abbau der durch Corona hinzugekommenen Staatschulden durch den selbst oktroyierten Zwang zum Sparen (!!) (Schuldenbremse, Schwarze Null) bedeuten. Darauf zusätzlich 60 Milliarden Euro pro Jahr zu verschenken, funktioniert nur, wenn man z. B. den schon skelettierten Sozialhaushalt halbiert, was der FDP sicher gut gefallen würde, aber u. a. verfassungswidrig wäre (Art. 20 GG) und mit einem größeren Regierungspartner, auf den die FDP angewiesen ist, nicht passieren wird. Natürlich könnte man dafür auch den Verteidigungshaushalt komplett streichen oder die Beamtengehälter zusammenkürzen… Nichts davon wird passieren, aber die Dimensionen der FDP-Phantastereien sind gigantisch. Alles auf Basis der einfach lächerlichen Behauptung, die Unternehmen, insbesondere Kapitalgesellschaften, die heute schon praktisch keine Steuern zahlen und mit viel zu viel Geld nur die Aktionäre beglücken, kämen plötzlich auf die Idee – ohne Nachfrage! – mehr zu investieren. Eine Gegenfinanzierung wird von der FDP zusammenphantasiert; dieselbe FDP, die den Grünen vorwirft, dass für deren (halbwegs vernünftiges) Investitionsprogramm keine Gegenfinanzierung existiert. Warum wollen laut Sonntagsumfrage 12% der Wahlberechtigten diese verrückte Partei wählen, die Politik für die reichsten 0,1% macht? Man kann sich nur die Haare raufen.

    Anmerkung Jens Berger: Nachdem die FDP durch durchaus löbliche Positionen zur Corona-Politik der Bundesregierung aufgefallen ist, holt sie uns schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. Ihr Konzept wird – sollte es denn umgesetzt werden – natürlich keine Investitionen, sondern ist eine eine reine Steuersenkungsorgie für Wohlhabende. Ein Unternehmen investiert, wenn es es eine Steigerung des Absatzes erwartet. Das passiert aber nur, wenn mehr Güter nachgefragt werden. Dafür muss jedoch die Kaufkraft steigen. Und nicht die Wohlhabenden, sondern die normale Bevölkerung fragt die allermeisten Güter nach. Wer Investitionen ankurbeln will, muss daher die Nachfrageseite stärken – z.B. durch höhere Löhne. Doch das ist für die FDP natürlich ein rotes Tuch, da ihre Klientel ja die Löhne bezahlt.

  3. Robert Habeck und DIE LINKE
    Robert Habeck gehört für mich zu den sympathischeren Politikern der Grünen. Im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern seiner Partei ist er kein Bellizist. Jetzt hat er zwei Bedingungen genannt, zu denen er bereit wäre, mit der LINKEN eine Regierung zu bilden: Eine Klarstellung der LINKEN, „dass der industrielle Kern dieser Republik nicht zerstört wird“ und „ein Bekenntnis zur Nato“.
    Wie Robert Habeck auf die Idee kommt, dass DIE LINKE den industriellen Kern zerstören wolle, erschließt sich mir nicht. In den 90er Jahren haben wir im Saarland die Stahlindustrie durch ein Stiftungsmodell gerettet, nachdem sie von den privaten Eigentümern ruiniert worden war. Was private Eigentümer in der Stahlindustrie angerichtet haben, kann man heute bei Thyssen-Krupp studieren. Der industrielle Kern ist eher durch die Politik der Grünen gefährdet. Ihre Vorstellungen zur Energiepolitik sind aus technologischen Gründen nicht realistisch und würden die deutsche Industrie erheblich gefährden.
    Interessant ist da eher der Vorschlag, die Eigentumsstruktur der deutschen Wirtschaft zu verändern durch „ein neues Verantwortungseigentum“, was Habeck in seinem neuen Buch „Von hier an anders“ befürwortet und was in Teilen der LINKEN schon länger gefordert wird, um die Machtstrukturen der Wirtschaft grundlegend zu verändern. Ob er die Grünen davon überzeugen kann?
    Seine Aufforderung, DIE LINKE solle sich zur Nato bekennen, übersieht, dass wir seit 2005 die Nato in ein kollektives Sicherheitsbündnis unter Einschluss Russlands umwandeln wollen. Dass die Grünen im Gefolge der USA einen Konfrontationskurs gegenüber Russland befürworten und in ihrem Programm völkerrechtswidrige Kriege ohne UNO-Mandat ermöglichen wollen, ist für DIE LINKE ein Hindernis, mit den Grünen in einer Regierung zusammenzuarbeiten. Völkerrechtswidrige Kriege wird es mit der LINKEN nicht geben, und es wäre gut, wenn Robert Habeck die Grünen davon überzeugen könnte, dass Kriege auch kein Beitrag zum Klimaschutz sind.
    Quelle: Oskar Lafontaine via facebook
  4. Moskauer Freiheit – Ein Reisebericht in Zeiten der Pandemie
    Dann kam Corona – die umfassende, weltweite Zäsur. Über ein Jahr war ich nicht in Russland. Jetzt hatte ich wieder die Möglichkeit. Ich war neugierig, wie Russland mit der Pandemie umgeht, wie es sich lebt, welche Einschränkungen es gibt. Um es vorweg zu nehmen: Es ist, als würde man in eine andere, freiere Welt reisen. Der Lockdown hält Deutschland fest im Griff, ein großer Teil der Nachrichten dreht sich um Inzidenzen, Verbote und Reglementierungen. Es gibt Ausgangssperren, umfassende Schließungen, Demonstrationen gegen die Maßnahmen und Demonstrationen, die gegen die Maßnahmen-Gegner protestieren.
    Die Corona-Krise hat Deutschland tief gespalten. In Gesprächen kommt man nahezu unweigerlich darauf, wie man es hält mit dem Impfen, wie man zur Maske steht, zu den Maßnahmen, ob man nicht für Lockerungen oder nicht doch für noch weitere Einschränkungen eintritt, um danach ein höheres Maß an Freiheit genießen zu können.
    Von hier aus, von Russland aus wirkt das alles bizarr – Deutschland, ein Narrenschiff. In Moskau ist alles geöffnet, die Pandemie gilt als überwunden, die Maßnahmen wurden nach einem ersten, harten Lockdown im April 2020 nach und nach zurückgefahren und nie wieder verschärft. Die Infektionszahlen stiegen im Herbst an und fallen seit einigen Monaten ab. Die Inzidenz liegt aktuell bei etwas über 40. (…)
    Offiziell gilt auch in Moskau noch Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und auch Handschuhe sind vorgeschrieben. Insbesondere an die Pflicht zum Tragen von Handschuhen hält sich praktisch niemand mehr. Masken bedecken bei Einigen Mund und Nase, bei anderen nur den Mund, bei dritten hängt sie unter dem Kinn und vielfach fehlt sie ganz. Anlass zum Streit bietet das nicht. (…)
    Wer möchte, kann sich impfen lassen. In den großen Einkaufszentren gibt es die Möglichkeit, das unkompliziert zu tun. Man braucht etwa eine Stunde Zeit. Etwa fünf Prozent der Russen haben bereits beide, acht Prozent die erste Impfung erhalten. Das erscheint wenig. Doch die Inzidenz geht seit Monaten zurück. (…)
    Wir überlegen, ein Bier zu trinken. In der Nähe ist ein Restaurant, ich öffne die Tür. Das Restaurant ist gut besucht, es gibt keine besonderen Maßnahmen, außer dass die Angestellten Masken und Handschuhe tragen. Wir bekommen lediglich Plätze an der Bar. Alle Tische sind belegt. In diesen Tagen wirkt Russland wie der freiheitliche Gegenentwurf zur EU und zu Deutschland, wo die Bürger in ihren Grundrechten massiv beschnitten werden.
    Dabei ist diese Reduktion auf ein lediglich funktionierendes Objekt in einem ökonomischen Ablauf – auf Arbeit und die Wiederherstellung der Arbeitskraft in Isolation – für die die deutschen Maßnahmen stehen, psychisch enorm belastend und insgesamt ungesund. Alles Soziale ist in Deutschland seit über einem Jahr eingeschränkt und fällt seit November nahezu komplett aus. Begleitet wird das von einer Berichterstattung, welche die Maßnahmen nicht grundlegend in Zweifel zieht, dafür aber alle, die sie kritisieren, pauschal als Coronaleugner, Covidioten und Nazis verunglimpft.
    Auch ökonomisch kommt Russland besser durch die Krise. Der Einbruch des BIP war geringer als in Deutschland, der Währungsunion und der EU. In der Moskauer Innenstadt gibt es Leerstand. Einige Läden sind geschlossen. Verglichen mit Berlin erscheint es unglaublich wenig. In diesem einem Jahr hat sich in Moskau viel getan. Straßen sind renoviert, ganze Viertel wurden verschönert, die Gegend um den Kiewer Bahnhof und der Metro-Station Studentscheskaja wurden geradezu malerisch und pittoresk.
    Auch das ist eine Entwicklung, die gegenläufig zur Entwicklung in Deutschland steht. In Berlin werden Armut und Obdachlosigkeit immer stärker sichtbar. Während in Deutschland über Erleichterungen für einzelne Gruppen gesprochen wird, wird dieser Unterschied in Russland nicht gemacht. Restaurants, Bars, Theater, Museen sind für alle offen, nicht nur für Getestete und Geimpfte. Es gibt auch keine Pflicht zur Registrierung, keine QR-Codes, keine Listen. Auch gibt es keine Überlegung, einen Impfausweis einzuführen, mit dem man Privilegien genießt. Es gibt keine die Gesellschaft spaltenden Maßnahmen. Ich glaube, dies ist der zentrale Unterschied zwischen Deutschland und Russland.
    Von hier aus erscheinen die Maßnahmen in Deutschland als absurd und in ihrer Rigorosität als unnötig die Freiheit einschränkend, zudem am Ziel vorbei, dafür aber für die Gesellschaft gefährlich. Sie spalten.
    Quelle: Gert Ewen Ungar in RT DE

    Anmerkung Christian Reimann: Offensichtlich ist Deutschland jetzt tatsächlich hinter die Russen – was den Grad der Freiheit angeht.

  5. Corona: Ein Trend zur Gleichschaltung der Öffentlichkeit
    Über den Beschluss, Querdenker vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen, informierten manche Medien ohne Pflicht zur Sorgfalt. (…)
    In Zeiten, die offenbar der Vergangenheit angehören, kannte man den Ausdruck «journalistische Sorgfaltspflicht». Darunter verstand man unter anderem das Hinterfragen von Aussagen der Regierung, die sorgfältige Prüfung der Informationsquellen, das Recht Beschuldigter auf eine Stellungnahme, kurz die Abbildung der verschiedenen Meinungen.
    Jener Grundsatz römischen Rechts «audiatur et altera pars», man höre auch die andere Seite, ist das Prinzip und Wesen dessen, was wir Politik nennen. Es ist Voraussetzung jeder abwägenden Vernunft und letztlich das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft und Zivilisation gründen. Dieses Prinzip sollte bislang nicht nur für die Justiz, sondern auch für die Medien gelten, die wichtigsten Erzeuger politischer Öffentlichkeit. (…)
    Nicht mehr Vernünftigkeit und Qualität eines Argumentes zählen, sondern nur noch, von wem es kommt und wer applaudiert. Wenn «Beifall von rechts» kommt, ist ein Gedanke unakzeptabel. Man kann Gedanken zwar nicht verbieten. Aber man versucht, ihre Veröffentlichung und Verbreitung zu unterbinden. Für die neue Santa Inquisición besteht der Schuldbeweis in Beifall von rechts. Wer den erhalten hat, gilt als überführter Ketzer.
    Der besorgniserregende Trend, Widerspruch und abweichende Meinungen aus der Öffentlichkeit zu entfernen, zeigt sich derzeit in vielfältiger Weise. YouTube-Videos, auf denen renommierte Wissenschafter den Corona-Lockdown und seine Begründungen kritisch unter die Lupe nehmen, werden kurzerhand abgeschaltet. Was noch vor wenigen Jahren unvereinbar schien mit den hehren Grundsätzen der «westlichen Wertegemeinschaft», ist Realität geworden: politische Zensur. In einem Tal südlich der San Francisco Bay in Kalifornien sitzen mächtige Tech-Konzerne, die vieles eigenmächtig löschen, was nicht gesagt, nicht gehört und nicht gesehen werden darf. Und in Deutschland erklärt der Staat eine basisdemokratische Protestbewegung zur eventuell staatsbedrohenden Gefahr und gibt ihre Mitglieder frei zur geheimdienstlichen Beobachtung. Dass der CDU-Kanzlerkandidat Laschet in einer Radiosendung der ARD dagegenhält, gibt immerhin Hoffnung, dass noch nicht Hopfen und Malz verloren ist.
    Viele verstehen nicht, dass beispielsweise der italienische Philosoph Giorgio Agamben die behördlich verordnete Gesichtsverhüllung sogar als «sanitären Terror» bezeichnen darf. Doch in einer Demokratie muss man damit leben, dass solche Meinungen öffentlich geäussert werden, und dass Menschen Massnahmen der Regierung unsinnig finden und dagegen protestieren.
    Quelle: Infosperber
  6. Hinter der Euphorie der deutschen Industrie steckt eine große Abhängigkeit
    Deutschlands Industriekonzerne haben die Rückschläge der Pandemie überwunden. Siemens, BMW, Volkswagen und Co. sind wieder auf Wachstumskurs, die Stimmung könnte kaum besser sein. Zahlenbeispiele zeigen, wie wichtig dabei die Nachfrage aus einer Region ist.
    Für Roland Busch könnte sein erstes Jahr als Vorstandschef des Weltkonzerns Siemens kaum besser laufen. Zu verdanken hat es der 56-jährige Physiker vor allem dem China-Geschäft mit zum Teil außergewöhnlichen Wachstumsraten. Als Busch jetzt die Zahlen für den Jahresauftakt (das zweite Quartal nach dem Siemens-Kalender) präsentierte und dabei erneut die Jahresprognose für den Gesamtkonzern anhob, verwies er mehrfach auf den Schub aus Asien.
    Sowohl Umsatz als auch Auftragseingang lagen in den vergangenen drei Monaten in China um jeweils 44 Prozent höher als im Vorjahr. Die Region ist für Siemens mit Abstand der Wachstumstreiber Nummer eins. In China wurden mit 2,13 Milliarden Euro für Neuaufträge fast so viele Bestellungen hereingeholt wie aus Deutschland.
    Trotz anhaltender Einschränkungen im Inland hat Deutschlands Industrie die Krise hinter sich gelassen. Nicht nur die Umsätze und Gewinne von Siemens sind seit Jahresbeginn kräftig gestiegen, auch die Autohersteller haben starke Zahlen gemeldet und ihre Prognosen fürs Jahr teilweise erhöht.
    Die Stimmung in den Unternehmen könnte kaum besser sein. Dem Münchner ifo-Institut zufolge sind die Produktionserwartungen der deutschen Industrie auf den höchsten Stand seit 1991 gestiegen. Der entsprechende Indikator sprang im April auf 33,1 Punkte, nach 30,2 im März.
    „Die Auftragsbücher füllen sich, und es gibt immer noch Nachholbedarf nach dem Krisenjahr“, sagte ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Nahezu alle Branchen kündigten Produktionssteigerungen an. „Insbesondere die Elektronindustrie und die Automobilbranche wollen ihre Produktion stark ausweiten“, sagte Wohlrabe.
    Wachsende Abhängigkeit?
    Die hergestellten Produkte werden die Unternehmen aber zum Großteil im Ausland verkaufen. Denn Wachstum, so zeigen es die Quartalszahlen, findet nicht in Deutschland statt, sondern in Nordamerika und in Asien. Vor allem das wachsende Geschäft in China prägt die ersten Ergebnisse des Jahres.
    Damit setzt sich ein Trend der vergangenen Jahre ungebremst fort: Schon vor dem Corona-Jahr war die Abhängigkeit deutscher Industrieunternehmen von China kontinuierlich gewachsen. Mit den Folgen der Pandemie, die Europas Volkswirtschaften härter getroffen hat, nimmt sie nun noch weiter zu.
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Spät, zu spät, fällt der WELT auf, dass der in Deutschland zur Staatsreligion erhobene Exportismus, die völlig einseitige und verrückte Fokussierung der Wirtschaftsaktivität auf den Exporterfolg, Deutschlands Wirtschaft vom Ausland *abhängig* macht. Genau das passiert, wenn man, wie die deutsche Regierung, nichts zugunsten der Löhne und nichts für binnenwirtschaftliche Investitionen tut und bei Problemen mit der Nachfrage im Ausland nicht mal mehr einen kleinen Hebel oder ein kleines Gegengewicht hat, um im Inland gegenzusteuern.

  7. Tarifverhandlungen im Handel – mit Click & Collect schreitet die „Amazonisierung“ voran
    Ver.di fordert die Unternehmen auf, wie seit 20 Jahren nicht mehr üblich, gemeinsam die Tarifverträge des Einzelhandels für allgemeinverbindlich zu erklären, doch die aber möchten nur über Einmalzahlungen statt linearer Tariferhöhungen verhandeln.
    Während die Geschäfte bei den Lebensmitteln, Möbeln, Drogerieartikeln, Baustoffen oder Pharmaprodukten brummen, läuft es bei den Mode/Textilanbietern und Schuhverkäufern nicht so gut.
    Für die kriselnden Sparten möchten die Unternehmen gerne Öffnungsklauseln für den Tarifausstieg, obwohl bei der verbliebenen Tarifbindung von 20 Prozent der Betriebe im Einzelhandel längst ein kritisches Maß erreicht ist. Zu den Unternehmen ohne Tarifbindung gehören z.B: Edeka, REWE, dm, Rossmann, Obi, Thalia, Amazon, Zalando, Hornbach, C&A, Kik und Woolworth.
    Als Affront sieht es die Gewerkschaft an, dass Amazon – ein Unternehmen, mit dem ver.di seit vielen Jahren knallharte Auseinandersetzungen führt – im Handelsverband Deutschland als Mitglied aufgenommen wurde.
    Neu auf der Tagesordnung von ver.di steht die Forderung von mehr Mitsprache der Beschäftigten beim Umgang mit den Vorbestellungen im Internet, dem „Click & Collect“, die Gewerkschaft befürchtet eine schleichende „Amazonisierung“ im Einzelhandel bei einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb während der aktuellen Krise. Immer mehr Waren werden im Internet oder per Telefon bestellt und später an der Ladentür abgeholt.
    Waren die Beschäftigten im Einzelhandel immer stolz auf ihre Beratungstätigkeit, so müssen sie beim „Click & Collect“, ähnlich wie bei Amazon nur noch packen und kommissionieren und neuerdings gibt der Kunde wie eine vorgesetzte Person noch die Anweisungen.
    Die Händler haben diese neue Entwicklung durch die Einführung von entsprechender Software flankiert, ohne die Beschäftigten dabei einzubeziehen, die mit dieser Neuerung völlig überfahren wurden.
    Bereits jetzt sind die Beschäftigten an ihrer Belastungsgrenze angelangt, allein im Einzelhandel gibt es jeden Tag rund 50 Millionen Kundenkontakte. Die Menschen sind bereit, trotz der extrem gestiegenen Belastungen und dem Risiko einer Vireninfektion „den Laden am Laufen“ zu halten, auch weil ihnen die Kurzarbeit mit empfindlichen Einkommenseinbußen droht. (…)
    Man muss nicht hellsehen können, um vorherzusagen, dass die Unternehmen im Handel die Erfahrung, die sie mit „Click & Collect“ gemacht haben, auch für weitere Möglichkeiten der Kostenersparnis nutzen werden. Im Rahmen des Ausbaus der Digitalisierung im Handel wird den Beschäftigten schon heute bedeutet, dass sich für sie einiges ändern wird.
    Die Gefahr, dass man bei der Weiterentwicklung der digitalisierten Arbeitsabläufe schnell bei den Arbeitsbedingungen wie bei Amazon landen kann, ist groß. Was das bedeutet kann man bei dem Versandhändler jeden Tag beobachten. (…)
    Vor diesem Hintergrund wäre es angebracht, dass die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft die Sorgen und Nöte der Beschäftigten offensiv aufgreift, die gestiegene Motivation und das gewachsene Selbstbewusstsein der Mitglieder nutzt, um bei dieser Tarifverhandlung zu klotzen und nicht wie beiden vorhergegangen Verhandlungen im Dienstleistungsbereich nur zu kleckern.
    Wie sagte noch die Kollegin im Supermarkt, als sie auf die aktuellen Tarifverhandlungen angesprochen wurde: „Eigentlich wäre es total clever, jetzt im Einzelhandel zu streiken“.
    Quelle: gewerkschaftsforum.de
  8. Mehr Niedriglöhnerei, digital und gendermäßig aufgehübscht
    Der EU-Sozialgipfel am 7. und 8. Mai in Porto hat keine Trendwende gegen Arbeitsarmut und Arbeitsunrecht eingeleitet. Im Gegenteil
    Der zweitägige EU-Sozialgipfel in Portugal begann mit der Feststellung, “Corona” habe die prekär Beschäftigten und gering gebildeten noch ärmer gemacht, die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit der Jugend gefördert und die soziale Ungleichheit dramatisch verschärft. Die Trendwende soll, so die Absichtserklärung von Porto, mit drei Zielen erreicht werden:
    Erstens sollen bis zum Jahr 2030 mindestens 78 Prozent der 20- bis 64-jährigen einen Arbeitsplatz haben. Zweitens sollen 80 Prozent der Erwachsenen mit dem Recht auf lebenslanges Lernen grundlegende digitale Fähigkeiten erwerben – dabei soll der Gender Pay Gap, die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen, mindestens halbiert werden. Drittens soll die Zahl der anerkannt Armen um mindestens 15 Millionen sinken.
    Im Unterschied zu dem, was man gemeinhin unter “sozial” versteht, ging es beim Sozialgipfel also vor allem um den Arbeitsmarkt, um Zahl und Art der Arbeitsplätze, um Arbeitsrecht. Auch ein von der EU-Kommission vorgeschlagener Europäischer Mindestlohn war Thema. Darüber gab es aber – wie schon vorher – keine Einigkeit.
    Quelle: Werner Rügemer auf Telepolis

    Lesen Sie dazu auch auf den NachDenkSeiten: EU jetzt mit besseren Arbeitsrechten?

  9. Drei bis vier Milliarden Euro: Rentenauszahlungen steigen durch Krise
    In der Corona-Krise sinken die Löhne. Nach Ende der Pandemie dürften sie jedoch wieder steigen. Das führt laut einem Bericht dazu, dass die Rentenversicherung künftig jedes Jahr zusätzliche Milliarden auszahlen muss.
    Die Corona-Krise steigert die Renten. Das Ab und Auf der Wirtschaft in der Pandemie führt dazu, dass die Zahlungen künftig um drei bis vier Milliarden Euro jährlich höher ausfallen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) unter Berufung auf das Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik.
    Nächstes Jahr werde diese zusätzliche Rentenerhöhung vier Milliarden Euro ausmachen, sagte Max-Planck-Professor Axel Börsch-Supan der F.A.S. In den Jahren darauf seien es drei Milliarden Euro, dauerhaft. “Wegen des ausgesetzten Nachholfaktors summiert sich das bis 2050 zu fast 100 Milliarden Euro.” Die Zahlen sind inflationsbereinigt.
    Hintergrund sind laut Bericht die Wirkung der sogenannten Rentengarantie. Wegen der Pandemie sind die Löhne in Deutschland im vergangenen Jahr gefallen, die Rentenversicherung gibt einen Rückgang von 2,3 Prozent an – die Renten sinken aber nicht entsprechend mit. Nach der Krise werden die Löhne wieder das alte Niveau erreichen. Das wiederum gilt für die Rente als Lohnerhöhung, und die Renten steigen mit.
    Seit 2018 steigen die Renten auch dann, wenn die Lohnsteigerungen nur frühere Lohnrückgänge ausgleichen. Damals wurde der sogenannte “Nachholfaktor” in der Rente gestrichen. Der Effekt: Das reine Ab und Auf der Wirtschaft steigert die Renten, auch ohne, dass die Löhne steigen. Die Deutsche Rentenversicherung verwies gegenüber der F.A.S. auf statistische Sondereffekte. Sie erschwerten die Berechnung.
    Das Sozialministerium betonte, dass die Renten noch nicht in diesem Jahr steigen. Der rentenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, kritisierte die Rentensteigerung: “Die Zahlen belegen erneut, was wir schon lange fordern: Die Bundesregierung muss den Nachholfaktor wieder einführen”, sagte er der Zeitung. “Ich freue mich über jeden Cent, den Rentnerinnen und Rentner mehr in der Tasche haben. Gleichzeitig ist es eine Frage der Fairness, dass sich Löhne und Renten langfristig im Gleichschritt bewegen.”
    Quelle: n-tv

    Kommentar unseres Lesers S.N.: Herr Börsch-Supan hantiert wieder mit großen Zahlen, die Angst und Schrecken vor “der Rente” verbreiten sollen. (Zum Vergleich: 20 € mehr Kindergeld kosten auch dauerhaft 4 Mrd. € pro Jahr). Konkret kritisiert er, dass der Nachholfaktor ausgesetzt ist, der bei einer sinkenden Lohnsumme anstelle von Rentenkürzungen niedrigere Erhöhungen in den Folgejahren bedeutet. Er nimmt einfach mal so an, dass die Lohnsumme nach der Krise wieder auf das alte Niveau steigt – allein das ist durchaus fraglich. Außerdem gibt es in der Rentenformel noch diverse weitere Kürzungsfaktoren: Die Relation von Rentnern zu Beitragszahlern und den den Beitragssatzfaktor. Beide können auch dämpfend auf “die Rente” wirken. Völlig offen ist es, ob die Rentenkürzungsfaktoren überhaupt Sinn machen – schließlich koppeln sie die Renten immer weiter von den Löhnen ab und wirken wegen des Basis-Effekts primär auf die vielbeschworene heutige junge Generation. Herr Börsch-Supan und der zitierte FDP-Experte sollten sich einmal dazu äußern, wie sich denn Beamtenpensionen und die Abgeordnetenversorgung während der Krise und danach entwickeln – fordern sie da auch jahrelange Dämpfungen?

    All die Hiobsbotschaften zum angeblich untragbaren Verhältnis von Rentnern und Arbeitnehmern blenden übrigens aus, dass nicht alle Rentner eine Durchschnittsrente bekommen und dass nicht alle Arbeitnehmer ein Durchschnittseinkommen haben. Sonst würde nämlich auffallen, dass wir aktuell 15 Mio. Teilzeitkräfte haben – es gibt also noch sehr viel Potenzial für eine Arbeitszeitausweitung, um “die Rente” finanzieren zu können. Es gibt entsprechende Umrechnungen im Nachhaltigkeitsfaktor (Äquivalenzrentner und Äquivalenzbeitragszahler), aber in der öffentlichen Diskussion wird das verschwiegen. Zufall?

  10. Hartz 4 und Rente: Radikale Änderungen bei Ruhestand und ALG II möglich
    Vor der anstehenden Bundestagswahl im September kündigen die Parteien in ihren Wahlprogrammen Reformen an. Diese könnten sich auf die Rente und Hartz IV auswirken.
    Die Bundestagswahl 2021 steht kurz bevor und die Parteien buhlen mit ihren Wahlprogrammen um die Gunst der Wähler:innen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Arbeitslose und Renter:innen. Denn im Hinblick auf beide Wählergruppen geht es um viel Geld – der Sozialetat ist der größte Posten im Bundeshaushalt.
    Für 2021 sieht der Bundeshaushalt allein für das Arbeitslosengeld (ALG) II – das sogenannte Hartz IV – Leistungen in Höhe von 23,7 Milliarden Euro vor. Für die Rentenversicherung sind weitere 107 Milliarden Euro eingeplant. Für Hartz-IV-Bezieher:innen und Rentner:innen sind die Wahlprogramme der Parteien daher von besonderem Interesse.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  11. Blame Game zwischen den Gewalten
    Das Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge gegen die Ausgangssperre abgelehnt. Die Begründung ist etwas peinlich, aber auch im Rahmen dessen, was man nach dem bisherigen Wirken in Sachen Corona erwarten konnte. Vermutlich spielen dann auch ganz andere Dinge eine Rolle, als die offensichtliche Verfassungswidrigkeit einer bundesweiten Regelung, die irgendwann in einem Hauptsacheverfahren noch festgestellt werden kann. Sehr wahrscheinlich drückt sich in dem Beschluss daher bloß eine Antwort an Legislative und Exekutive aus, die vielleicht mit einer richterlichen Ohrfeige gerechnet hatten. Was, wenn die Ausgangssperre nur ein Köder war? (…)
    Es spielt die Schwere des Grundrechtseingriffs herunter, obwohl das ein sehr tiefer Einschnitt in die Lebensverhältnisse und das Mittel, mit dem das geschehe, fachwissenschaftlich umstritten sei. Da waren die Verwaltungsgerichte in den Ländern schon viel weiter, übrigens auch inhaltlich. Der Gesetzgeber kann nun sagen, dass die Bundesnotbremse nicht nur wirkt, sondern auch den ersten Härtetest bestanden habe. In Wirklichkeit hat sich der Druck auf ihn aber weiter erhöht. Denn Fachwelt und Öffentlichkeit werden noch intensiver prüfen, ob die getroffenen Maßnahmen tatsächlich etwas bringen, wenn selbst das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung erklärt, dass der Gesetzgeber die Beschränkung ohnehin nur auf die regelmäßigen Ruhens- und Schlafenszeiten begrenzt habe. (…)
    Warum ist sie dann eigentlich erforderlich? Das Bundesverfassungsgericht stellt sich bei seiner Antwort jedenfalls etwas dumm und sagt nur, dass nicht eindeutig und unzweifelhaft auf der Hand liege, dass die Ausgangssperre zur Bekämpfung der Pandemie offensichtlich nicht geeignet, nicht erforderlich oder unangemessen wäre. Heißt: Der Gesetzgeber habe einen sehr weiten Ermessensspielraum (Einschätzungsprärogative). Oder anders ausgedrückt: Er möge die eingebrockte Suppe bitteschön selbst auslöffeln. Das passiert ja auch bereits. So wird eilig an einer Verordnung gestrickt, die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen für die Geimpften und Genesenen noch diese Woche beseitigt. Das bedeutet wiederum einen enormen Kontrollmehraufwand für die Behörden vor Ort. (…)
    Gut möglich, dass sich die Behörden in den Ländern bei der Umsetzung dann auch etwas dumm stellen und zu der Einschätzung gelangen, dass nicht eindeutig und unzweifelhaft auf der Hand liege, ob jemand gegen die Ausgangssperre tatsächlich verstoße, nur weil er sich draußen aufhalte. Immerhin sinken die im Gesetz als maßgeblich erachteten Inzidenzwerte weiter unter die Schwelle von 100, so dass sich die Ausgangssperre für alle vermutlich noch in diesem Monat ganz von selbst erledigen wird. Spätestens zum 30. Juni ist ohnehin damit Schluss. Spätestens dann wird den Richtern am Bundesverfassungsgericht auch aufgefallen sein, dass das Grundgesetz keine Paragrafen, sondern Artikel hat. Das nur als Erklärung zum Titelbild über diesem Beitrag und der Feststellung, dass die Begründung des Gerichts auch etwas peinlich ist.
    Quelle: TauBlog

    Anmerkung Christian Reimann: Medial gepuscht worden sind Klagen mit dem Verweis auf die Ausgangsbeschränkungen. Aber insbesondere die Verfassungsbeschwerde von Prof. Murswiek, die er u.a. im Auftrag des SPD-Bundestagsabgeordneten Florian Post formuliert hat, geht noch einige Schritte weiter:

    „Mit dem direkt geltenden “Maßnahmegesetz” entfalle jede Möglichkeit für die Verwaltung, die Beschränkungen zum Beispiel örtlichen Gegebenheiten anzupassen – dies sei unverhältnismäßig. Zudem sei den Bürgern damit der Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten abgeschnitten, es bleibe allein der Gang zum Verfassungsgericht. Gerügt werden zudem einzelne Punkte, etwa Verbote für Museen, Außengastronomie oder Ferienhäuser, in denen kaum Infektionsgefahr drohe.“

  12. Mein Projekt: Baumarkt-Einkauf
    Nach mehr als einem Jahr Pandemieerfahrung lechzen die Menschen nach Regeln und die Politiker geben sie ihnen. Die Regeln sind teils unlogisch und sinnlos, werden aber gleichwohl mit Verve umgesetzt. Und alle befolgen sie brav, egal was sie bedeuten.
    Am Freitag, als von der Politik beschlossen wurde, dass Grundrechte nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung gewährt werden, war ich einkaufen. Die Banalität der Regeln wird sofort und taggleich brav umgesetzt. Egal was sie epidemiologisch oder für die Gesellschaft bedeuten bzw. statt zu fragen, ob es diese Art von Selektion überhaupt braucht, ja ob sie überhaupt sein darf.
    Grundrechte hat jeder Mensch. Sie sind einfach da, man muss sie nicht erwerben. Es braucht keine Voraussetzungen, um sie auszuüben. Vielmehr ist es so, dass deren Einschränkung begründet werden muss und dies auf einer belastbaren Grundlage. Eine solche haben wir bis heute nicht.
    Vielmehr spricht viel dafür, dass die selektive Gewährung von Grundrechten der vielleicht am wenigsten diskutierte Skandal in dieser Pandemie ist. Kinder sind durch Corona so gut wie nicht betroffen. Die Zahlen bewegen sich in einem kaum messbaren Bereich (0,00002%). Die Risikogruppen sind mittlerweile geimpft. Jeden Tag werden rund 1 Million Menschen geimpft. Die Erkältungssaison ist vorbei, die Zahlen befinden sich im Sinkflug. Just in dieser Zeit und in diesem zu Grunde liegenden Sachverhalt werden die Grundrechte in nie dagewesenem Ausmaß eingeschränkt sowie Föderalismus, Rechtsstaat und Gewaltenteilung beschädigt. Nicht etwa unmittelbar vor der Erkältungssaison, als man es unterließ durch Maßnahmen, die keine demokratiegefährdende Novelle des Infektionsschutzgesetzes erfordert hätten, Leben zu retten.
    Will man nicht wütend werden, erträgt sich dieser bis vor einem Jahr wohl undenkbare Angriff auf unseren nach unserer historischen Erfahrung eingerichteten demokratischen Schutzwall nur noch mit Humor. Hier meine Mail an den Baumarkt. Denn nach dem Einkauf habe ich mich natürlich bedankt.
    Quelle: Jürgen Müller in Publikum
  13. Anwältin: „Widerstand aus der Mitte der Gesellschaft wächst“
    Die Anwältin Jessica Hamed beobachtet: Angesichts der andauernden Einschränkungen der Grundrechte sagen viele Menschen, das Maß ist voll.
    Die Mainzer sieht eine zunehmende Entschlossenheit in Deutschland, gegen Corona-Maßnahmen zu klagen. Hamed, die unter anderem Flüchtlinge und sozial Benachteiligte vertritt, erlebt eine neue Entwicklung bei ihrer Mandantschaft: „Das Klientel hat sich verändert. Der Widerstand aus der Mitte der Gesellschaft wächst.“
    Besonders aufgebracht sind aktuell Eltern: Viele wollen jetzt ihre Kinder vor einer möglichen Impfpflicht bewahren. Hamed: „Es liegt nahe, dass der Staat sagen wird, in die Schule dürfen nur noch geimpfte Kinder, wie das neuerdings bei der Masernimpfung der Fall ist.“ Nicht nur die klassischen „Impf-Gegner“ seien besorgt, berichtet Hamed. Entzündet habe sich die Empörung ursprünglich an der Testpflicht an Schulen. Hamed: „Waren es zum Beispiel bei der Maskenpflicht eher vereinzelte Eltern, so ist das bei der Testpflicht anders. Es melden sich viele Leute, die ihre Kinder schützen wollen, und sagen: Das Maß ist voll. Sie sind bereit, bis zum Äußersten vor Gericht zu kämpfen.“ (…)
    Auch den Impfpass sieht Hamed kritisch: „Wir kommen für absolut banale Handlungen des Alltags wie Einkaufen oder einen Friseurbesuch in eine Art Beweispflicht: Um am täglichen Leben teilzunehmen, müssen wir unsere Ungefährlichkeit darlegen (Impfung, Test, Genesung). Das ist eine völlige Umkehr dessen, was wir bisher in unserem Rechtssystem gekannt haben.“
    Zugleich vernachlässige der Staat seine ureigensten Aufgaben. Hamed: „Der Staat muss das Gesundheitssystem aufrechterhalten. Er hat also auch eine Pflicht zur Aufstockung. Er kann nicht einfach sagen, wir verbieten immer mehr Dinge, weil das Gesundheitssystem vielleicht unter Druck ist. Dann müssten auch Rauchen oder Alkoholtrinken verboten werden, die das System ebenso stark belasten.“ Bisher habe das Prinzip gegolten, dass die Menschen im Wesentlichen auf sich selbst achten müssten, wie etwa bei der Grippe durch eine Impfung. Das war bei Corona bisher nicht möglich gewesen. Doch nun habe sich die Lage geändert, und daher müsse sich der Staat zurückziehen.
    Quelle: Berliner Zeitung
  14. The Ethics & Language of Lockdown
    How the intended solution became the problem.
    Suppose we were told today that we need to stay in lockdown for the next year. Most people would find that unacceptable. The costs are not sustainable for that long.
    When we render life less meaningful by limiting social interaction, we compromise the very same health that tight restrictions allegedly protect.“
    Decisions are ethical when they strike a reasonable balance among competing values: liberty, justice, expected wellbeing (including health), and the meaningfulness of our experiences. The latter, which Aristotle called ‘eudaimonia’, is no less valuable than the narrow notion of ‘health’ used to justify pandemic policies – the absence of infectious disease. In reality, health is a state of complete psycho-physical wellbeing as the World Health Organization (WHO) should know, given that is precisely the definition used in their constitution.
    Humans are social by nature, and meaningful life is an essential component of health. Depriving humans of natural social connections for too long inhibits the ability to live meaningfully and, thus, denies people the capacity for normal functioning and wellbeing. When we render life less meaningful by limiting social interaction, we compromise the very same health that tight restrictions allegedly protect.
    In this sense, long term restrictions like lockdowns are self-defeating.
    At the very least, one would expect a huge increase in mental health problems from lockdowns of extended duration. In fact, the deterioration of collective mental health over the past 12 months is just one cost of lockdowns that this project will bring to the fore.
    Thus, if such an announcement were made today, most people would see that one year of lockdown would not be worth the cost to our health and wellbeing, regardless of any expected health benefit. (…)
    Lockdown and other society-wide restrictions limit the fundamental rights of entire populations as an attempt to contain a disease that poses a serious risk to few. It was inevitable that, at some point, issues of intergenerational justice would be raised, given there is only so much you can ethically ask the majority of people to sacrifice to protect a small minority. Because such unfairness is an under-appreciated ethical problem, one thing the Collateral Global website intends to document is the devastating cost younger generations have paid and will continue to pay – perhaps for the rest of their lives – as a consequence of mandated restrictions.
    The liberty of more vulnerable people is another critical yet neglected part of the picture. We never considered whether the elderly might choose to take on the risks from COVID-19 in service of the desire – or even need – to give meaning to their remaining time on earth. Many died alone in care homes. Many were denied social and familial interactions, which served as the primary source of meaning in their lives. We assumed, without consultation, that all elderly people would prefer to lower their risk from COVID-19, even when it meant indefinite isolation from family and friends.
    That simply wasn’t true. Again, the cost for the elderly is a significant ethical problem and something that the Collateral Global website will try to document.
    When slogans and rhetoric replace reason, you get the opposite of ethics. Morality becomes moralism.“
    Even assuming it was right to prioritize protection from COVID-19 over the freedom of at-risk populations, we could have instituted a fairer system like selective shielding, which would have directed resources toward the vulnerable and allowed other groups to live unrestricted. However, we refused to seriously consider this option because of misplaced moral concerns, which were created and promoted through grand-sounding rhetoric around the alleged virtues of prolonged self-sacrifice and the alleged heroism of relinquishing freedoms for the alleged greater good. We adopted a perverse notion of equality whereby ‘we are all in this together’ became ‘we should make everyone worse off for the sake of ‘equality’.
    Quelle: Alberto Giubilini in Collateral Global
  15. Falsche Corona-Prognosen: Manipulation im Namen der Wissenschaft
    Modellrechnungen zum Verlauf der Pandemie sind oft fehlerhaft. Trotzdem haben Politiker und Journalisten damit Stimmung gemacht. Wer den Bürgern Angst einjagen will, hat ihr Vertrauen nicht verdient. (…)
    Anders als die Schweiz oder Österreich verfolgte Deutschland besonders in den vergangenen Monaten eine rigide Pandemiepolitik. Dabei argumentierten Regierung, Wissenschaft und Medien gerne mit den Szenarien der Modellierer. War ihnen nicht klar, dass solche Modellrechnungen mit Vorsicht zu geniessen sind und selten zutreffen?
    Wahrscheinlicher ist eine andere Annahme: Man wusste um die Schwierigkeiten der Modellierungen, berief sich aber trotzdem darauf, um den Menschen mit Horrorszenarien Angst einzujagen. Dahinter verbirgt sich ein fast schon autoritäres Menschenbild: Hier der Bürger als trotziges Kleinkind, da der Staat als weiser Erziehungsberechtigter. Belege für diese Geisteshaltung gibt es durchaus. Vor gut einem Jahr fragte das Innenministerium beim Robert-Koch-Institut, ob man ein möglichst drastisches Bild der Corona-Gefahr zeichnen könne, um den Lockdown zu verlängern.
    Das Institut lieferte wie bestellt, die Massnahmen wurden fortgesetzt, und das Murren der Bürger hielt sich in Grenzen. Politiker als Angstmacher, unterstützt von zahlreichen Medien und Wissenschaftern – das mag kurzfristig funktionieren. Langfristig beschädigt man damit die Glaubwürdigkeit der akademischen Institutionen und das Vertrauen in den Staat.
    Quelle: Neue Zürcher Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben u.a. auf das erwähnte Strategiepapier des Bundesinnenministeriums und auf die fragwürdigen Auftritte von Herrn Lauterbach hingewiesen.

    Dazu: Lauterbach in Erklärungsnot wegen Falschaussage zur Belegung von Intensivstationen
    Karl Lauterbach polarisiert in der Corona-Krise wie kaum ein Zweiter. Nun gerät er unter Rechtfertigungsdruck: Der SPD-Politiker hatte behauptet, Corona-Patienten auf Intensivstationen seien durchschnittlich 47 bis 48 Jahre alt. Eine RKI-Statistik zeigt jedoch das Gegenteil. Lauterbach hatte die Zahl einfach aus der Luft gegriffen – und ist dadurch zeitweilig zum Trend des Tages auf Twitter geworden. (…)
    Mitte April behauptete Lauterbach, dass die Patienten auf Intensivstationen immer jünger werden. In der Talkshow Maybrit Illner sagte der SPD-Politiker über Corona-Patienten auf Intensivstationen:
    “Diejenigen, die jetzt auf der Intensivstation behandelt werden, die sind im Durchschnitt etwa 47 bis 48 Jahre alt. Das sind Menschen mitten im Leben.”
    Eine Grafik des RKI veranschaulicht aber, dass das Durchschnittsalter der Betroffenen deutlich über Lauterbachs Angabe liegt.

    Auf Anfrage von BR24 erklärte Karl Lauterbach nun, dass es sich bei seinem Verweis auf ein Durchschnittsalter von 47 bis 48 Jahren um eine persönliche Schätzung gehandelt habe – ohne jegliche Evidenz. Er sei “inoffiziell” in Kontakt mit Intensivmedizinern und sei auch selbst auf mehreren Intensivstationen gewesen, um sich sein eigenes Bild zu machen. Weiter verriet er:
    “Was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass es Berufstätige sind. Ich hätte dazu sagen müssen, dass es keine Statistik gibt.”
    Lauterbachs aus der Luft gegriffenen Zahlen bringen den 58-Jährigen nicht nur in Erklärungsnöte. Seine falsche Aussage führte auch dazu, dass ein Trend zu seiner Person in Deutschland auf Twitter am Freitag zeitweise den ersten Platz belegte: Der Hashtag ist wenig schmeichelhaft und lautet: #Lauterbachluegt
    Quelle: RT DE

  16. Ulrich Kriese: Hamburgs rot-grüne Regierung steht auf der Seite reicher Grundbesitzer
    Besonders stolz ist Finanzsenator Andreas Dressel darauf, aus seinem „Wohnlagenmodell“ die Bodenwertentwicklung „herausoperiert“ zu haben, obwohl diese schon in der neuen Bundesgrundsteuer keine große Rolle spielt. Ziel sei es gewesen, die Belastungsverschiebungen im Vergleich zur bisherigen, auf Werten von 1964 basierenden Grundsteuer möglichst gering zu halten. Das ist ihm gelungen, und doch ist die Bezeichnung „Wohnlagenmodell“ irreführend.
    Aller Rhetorik entkleidet, übernimmt Hamburg die Flächensteuer originalgetreu aus Bayern. Weil für die Hamburger, erst recht die rot-grüne Wählerschaft, ein Copy-and-paste aus Bayern natürlich nicht geht, brauchte es einen wohlklingenden, vom Original ablenkenden Balkonanbau: den Zusatzfaktor Wohnlage. (…)
    Vermögende und die Immobilienlobby sind gegen eine Grundsteuer auf Basis realitätsnaher Immobilienwerte. Ihrer Ansicht nach würde damit eine verkappte, heimliche Vermögensteuer etabliert, die auf breiter Front zu nichts als Umverteilung führe.
    Bei der Neuregelung der Grundsteuer auf Bundesebene im Jahr 2019 scheiterten sie zwar mit ihrer Maximalforderung nach einer reinen Flächensteuer. Doch ihr Narrativ verfing, bis hinein in sozialdemokratische Kreise.Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) machte es den Großen recht und wog alle anderen in Sicherheit:
    Wir etablieren also sehr praktische Verfahren, die sicherstellen, dass sich die großen Wertsteigerungen der letzten Jahrzehnte nicht in der Grundsteuer niederschlagen und es ungefähr so bleiben wird, wie es heute der Fall ist.“
    So sprach Scholz vor dem Deutschen Bundestag. Sein Kniff: gemeindeweite Durchschnittsmieten und klein gerechnete Bodenwerte als nivellierende Faktoren.Eigentümer und Mieter in Stadtzentren, Villenvierteln und anderen Gunstlagen können sich entspannt zurücklehnen.
    Sorgen machen müssen sich armutsgefährdete Großmütter und andere Haushalte in eher unattraktiver Lage. Gemessen an den wirklichen, vergleichsweise tiefen Werten ihrer Grundstücke und Wohnungen zahlen sie ab 2025 eine zu hohe Grundsteuer. Was man anderen erspart, stellt man ihnen in Rechnung. Nicht die Grundsteuer an sich, sondern die Grundsteuer nach Art des Hauses Scholz und jedwede Form einer Flächensteuer werden sich für so manchen kleinen Hausbesitzer als verkappte Vermögensteuer entpuppen. Die Flächensteuern wollen vier Bundesländer einführen: Bayern in Reinform und Hessen, Niedersachsen und Hamburg – siehe oben – mit Adaptionen, die vor allem der politischen Folklore dienen und von der Ungerechtigkeit des Leitprinzips, Besteuerung nach Flächengrößen, ablenken sollen.
    Eine Bodenwertsteuer ist keine Vermögenssteuer
    Im Prinzip liegen zwischen einer Vermögensteuer und einer Grundsteuer Welten. Im Unterschied zur Ersteren ist Letztere von allen zu leisten. Es zählt nicht subjektive, sondern objektive Leistungsfähigkeit. Freibeträge und Belastungen können bei einer Vermögensteuer geltend gemacht werden, bei einer Grundsteuer nicht.
    Quelle: Ulrich Kriese in Geld und mehr
  17. Georg Heil neuer Kontraste-Redaktionsleiter
    Georg Heil (44) leitet vom 1. Mai 2021 an die Redaktion des investigativen ARD-Politikmagazins “Kontraste”. Nach Stationen beim investigativen Rechercheverbund von WDR, NDR und SZ sowie beim Spiegel TV-Magazin arbeitet Heil seit 2018 als CvD für Kontraste. (…)
    Georg Heil entdeckte seine Leidenschaft für investigative Themen während einer Station als Journalistenschüler bei Monitor vom WDR. Nachdem er als Reporter für das Spiegel TV Magazin berichtete, wechselte der gebürtige Hannoveraner 2014 zum investigativen Ressort des WDR im Rahmen der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Dort berichtete er u. a. aus der Türkei, dem Irak und Syrien über die Terrororganisation IS. 2017 gewann Georg Heil zusammen mit einem Team von NDR und WDR den Marler Medienpreis für Menschenrechte für die Dokumentation „Erstickt im LKW – Das Ende einer Flucht“. Als Autor der ARD-Dokumentation „Die Story“ berichtete er über die Anschläge von Paris und Brüssel. Die Doku wurde für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Seit 2018 arbeitet der Wahlberliner als CvD bei Kontraste und setzt sich vor allem mit den Themen Extremismus, Nachrichtendienste und Innere Sicherheit auseinander. Georg Heil ist außerdem Buchautor.
    Quelle: Das Erste

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Mit Georg Heil wird nicht nur der jüngere Bruder von Arbeitsminister Hubertus Heil der neue Redaktionsleiter von KONTRASTE, sondern auch der Mitautor von “Putins Koch”.

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch „Putins Koch“, Laschet-Bashing, „Impf-Turbo“: Die Welt von ARD-„Kontraste“.

  18. Internationale Sanktionen – Was sind sie, was bringen sie und gibt es eine rechtliche Grundlage? – Online Veranstaltung am 11. Mai 2021, 19 Uhr

    Seit einiger Zeit vergeht kaum eine Woche, in der man nicht in den Medien lesen kann, dass die USA oder die EU neue wirtschaftliche Sanktionen gegen China, Russland oder andere Staaten verhängen – oder dass Stimmen aus der Politik oder dem Journalismus dies zumindest lautstark einfordern.

    Doch was genau sind eigentlich Sanktionen? Was sollen sie bewirken? Und auf welcher rechtlichen Grundlage werden sie ausgesprochen? War es schon immer so, dass in der internationalen Politik andauernd Sanktionen verhängt wurden? Welche verschiedenen Sanktionsformen gibt es überhaupt?
    Was ist zum Beispiel davon zu halten, wenn die EU kürzlich offiziell als Reaktion auf die Repression der Minderheit der Uiguren in China – die es gewiss gibt – Sanktionen verhängt? Und warum werden diese Sanktion heute verabschiedet und nicht bereits vor 20 Jahren?

    Das sind alles Fragen, die sich aus Presseberichten nicht sofort erschließen. Sie werden aber zumeist auch nicht gestellt, geschweige denn beantwortet. In unserer Reihe „Was ist Links?“ wollen wir diesen Fragen nachgehen und versuchen, eine Einordnung vorzunehmen. Denn: es herrscht auch unter Linken und politisch fortschrittlichen Menschen eine große Orientierungslosigkeit, wie eine friedliche, zivile Außenpolitik bzw. Außenhandelspolitik aussehen kann, in einer Welt, die ganz sicher nicht perfekt ist. Wir laden alle herzlich ein, an unserer online-Bildungsveranstaltung teilzunehmen. Vorwissen ist nicht notwendig.

    Anmeldung und Quelle: sozialistische-linke.de


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=72271