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Titel: Wes Geistes Kind die Berliner ZDF-Redaktion in der Sicherheitspolitik ist: fürs Militär, für Abschreckung statt für Verhandlungen

Datum: 2. November 2021 um 9:32 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Medienkritik
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ZDF-Berlin direkt vom 31.10.2021 hilft ab Minute 14:45 beim Feindbildaufbau – und alle vier interviewten Personen und das ZDF selbst helfen kräftig mit. So der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels vom konservativen Flügel der SPD, so Wolfgang Ischinger von der Münchner Sicherheitskonferenz und seit Jahren Lobbyist des Militärischen und des Großen Geldes, so der Vertreter des Bundeswehrverbandes und herausragend Ralf Fücks, früher einmal Co-Vorsitzender der Grünen, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung und wie mehrere Realos zuvor beim KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschland). Das ZDF hat diese vier Personen offenbar gezielt ausgesucht. Sie alle beklagen, dass die Ampelkoalition das Militär vernachlässigen könnte. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Formaler Ausgangspunkt der Klagen ist die Tatsache, dass es unter 22 Arbeitsgruppen der potentiellen Ampelkoalition nur eine Arbeitsgruppe für den großen Bereich der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik gäbe. Dann geht es weiter mit einer der üblichen tendenziellen Feststellungen: Der „katastrophale Rückzug“ aus Afghanistan habe Europa die eigene Schwäche vor Augen geführt. – War das das Problem? Kein Wort dazu, dass dieser Auslandseinsatz sich schon seit Jahren als falsch erwiesen hat und dass Auslandseinsätze vermutlich grundsätzlich infrage gestellt werden müssten.

Dann wird beklagt, im Sondierungspapier der Ampel habe die 2-Prozent-Erhöhung des Militäretats keinen Niederschlag gefunden. Und dann wird befunden, dass man vermutlich das fehlende Geld überall holen müsse, auch bei den Ausgaben fürs Militär. Was soll daran falsch sein?

Dann ist die Rede davon, die Ampel wolle die Aufstockung der Bundeswehr um weitere Soldaten stoppen. Das habe die Bundeswehr aufgeschreckt. Und dann wird André Wüstner vom Deutschen Bundeswehrverband interviewt. Er meint, wir seien nicht im luftleeren Raum. Wir hätten der NATO und der EU versprochen, die militärischen Fähigkeiten zu erhöhen. Dieses Versprechen könne man nicht einfach brechen. – Ist der Bundeswehrverband dazu berufen, sicherheitspolitische Fragen wie diese von ihrem Vertreter aufgeworfene Frage zu beantworten? Nein.

Dann wird Wolfgang Ischinger von der Münchner Sicherheitskonferenz interviewt. Er merkt ab Minute 17:03 an, es gehe nicht um die Erfüllung der NATO+2 % Forderung, es gehe um unsere Sicherheit und um die vertraglich zugesicherte Sicherheit unserer Nachbarn. Dies sieht er – so wird vermittelt – nicht mehr als gegeben an. Wieso das?

Dann kommt vermischt mit dem ehemaligen Wehrbeauftragten Bartels ab Minute 17:20 zweimal Ralf Fücks ins Bild. Das Interview wird eingeleitet mit einem Blick auf die Spitzen der Grünen-Partei und der redaktionellen Bemerkung, es werde ja Geld für den Klimaschutz gebraucht, mehr Geld für Waffen und Truppen werde nachrangig.

Das wird von Ralf Fücks etwa so kommentiert: Wenn es um den harten Kern, nämlich um Militär und Abschreckung gehe, die nicht überholt sei, sondern wieder aktuell sei, dann täten sich die Grünen nach wie vor schwer.

Dann wird zunächst der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich dafür kritisiert, dass er die atomare Teilhabe und die Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen in Deutschland kritisiere und beenden wolle. Dann wird darauf hingewiesen, dass die US-Atomwaffen von deutschen Tornados ins Ziel gebracht werden sollten und dass diese Tornados sehr alt seien und erneuert werden müssten. Das würde viele Milliarden kosten. Daraufhin wird wieder der SPD-Politiker und ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels eingeblendet. Er meint, man müsse aufpassen, dass es keine Kündigung der atomaren Teilhabe auf kaltem Wege gebe, weil die Tornados wegen ihres Alters nicht einsatzfähig sind.

Dann kommt wieder Ralf Fücks ins Spiel: Wir dächten außenpolitisch immer noch in Kategorien, dass sich alle Konflikte durch Verhandlungen und Geld lösen lassen, dass es keine Gegner gebe. Das sei überholt.

Wegen der damit offenbar gewordenen grundsätzlichen Veränderung des politischen Geschehens weise ich auf diese Sendung des ZDF vom vergangenen Sonntag hin. Hier wird nämlich vom Zweiten Deutschen Fernsehen mit Berufung auf einen früheren Funktionär der Grünen-Partei und einige andere Personen die Behauptung aufgestellt, die Zeit der Entspannungs- und Friedenspolitik sei vorbei. Manche Konflikte ließen sich durch Verhandlungen nicht lösen.

Hier werden die beiden grundsätzlich unterschiedlichen Vorstellungen von Sicherheitspolitik sichtbar:

Zum einen die Vorstellung, man schaffe Sicherheit durch Rüstung, durch Abschreckung und notfalls auch durch militärische Interventionen. Das ist die Vorstellung, die den Kalten Krieg der Fünfziger- und Anfang Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts geprägt hat und jetzt wieder aus der Mottenkiste geholt wird.

Zum anderen die Vorstellung, die die Außen- und Sicherheitspolitik gegen Ende der Sechzigerjahre und bis 1990 geprägt hat: Verhandlungen, Gewaltverzicht, Zusammenarbeit auf allen Ebenen – am besten ausgedrückt durch Willy Brandts Kernsatz in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969: Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein.

Diese Linie zu beginnen und durchzuhalten und durchzusetzen, war nicht einfach. Sie gründete am Anfang auch auf militärischer Rüstung. Es gab Rückschläge, aber sie führte dann 1989 zum Ende der Blockkonfrontation und zur Verabredung in der Charta von Paris:

„Wir, die Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, sind in einer Zeit tiefgreifenden Wandels und historischer Erwartungen in Paris zusammengetreten. Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas ist zu Ende gegangen. Wir erklären, daß sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden. Europa befreit sich vom Erbe der Vergangenheit. Durch den Mut von Männern und Frauen, die Willensstärke der Völker und die Kraft der Ideen der Schlußakte von Helsinki bricht in Europa ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit an.“

Dieses neue Zeitalter des Friedens soll nach dem Willen zum Beispiel der interviewten Personen und auch der Redaktion von ZDF-Berlin-direkt schon wieder beendet sein. Das ist eine grundlegende Veränderung, eine Restauration, eine Rückwärtsentwicklung.

Das Engagement des ZDF für mehr Militär und die Klage über mangelndes militärisches Bewusstsein der neuen Ampel ist auch deshalb abwegig, weil nach den bisherigen Informationen über die Tendenz der Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen klar geworden ist, dass das Militär am allerwenigsten um seine Pfründe bangen muss: die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden nicht infrage gestellt, obwohl das nach der Katastrophe des Afghanistan-Einsatzes nahegelegen hätte, es soll bewaffnete Drohnen auch in deutschen Händen geben und die Ablehnung der atomaren Teilhabe, wie sie der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich fordert, scheint keinesfalls gesichert zu sein.

P. S.: Zu Ralf Fücks und seinem Zentrum Liberale Moderne

Im Zusammenhang mit dem ehemaligen Grünen-Politiker Ralf Fücks wäre noch auf eine interessante Entwicklung hinzuweisen: Fücks hat zusammen mit seiner Frau Marieluise Beck ein Institut gegründet, das Zentrum Liberale Moderne. Offenbar soll dieses Zentrum helfen, Aufträge abzugreifen und Lobbyarbeit zu betreiben.

Die Liste der Gesellschafter finden Sie hier. Darunter sind diese Personen:

John Kornblum
Botschafter a.D. der USA in Deutschland

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Prof. Gert Weisskirchen
MdB a.D., Osteuropa-Experte

Bei Kornblum wundert einen nichts. Er passt zu der vom Zentrum betriebenen Lobbyarbeit.

Dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gert Weisskirchen sich für dieses Unternehmen hergeben, ist höchst erstaunlich.

Offensichtlich gibt es ordentlich Aufträge für das Zentrum. Hier finden Sie ein Foto mit dem Team des Zentrums. Darauf sind 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebildet. Wer ein bisschen mit solchen Einrichtungen zu tun hat, weiß, was das kostet. Aber das ist alles nicht erstaunlich. Wenn Stimmung für mehr Geld fürs Militär gemacht wird, dann fließt auch das Geld für die beschäftigten Lobbyisten.


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