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Titel: Chancen und Risiken der Coronaimpfung – ein Blick auf die Sterbezahlen

Datum: 21. März 2022 um 11:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Strategien der Meinungsmache
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Die Bundesregierung hält immer noch am Plan einer allgemeinen Impfpflicht fest, obgleich die Debatte stellenweise abstruse Züge angenommen hat. Dabei wäre es äußerst hilfreich, sich die Sterbezahlen der verschiedenen Wellen einmal genauer anzuschauen. Der Statistiker Günter Eder hat das für die NachDenkSeiten getan. Obgleich der Nutzen der Impfung für die Risikogruppen erkennbar ist, geben die Daten keinen Beleg für den Nutzen einer allgemeinen Impfpflicht, die auch für jüngere Menschen gilt. Hier ist sogar Vorsicht angebracht, da vor allem in der vierten Welle eine Übersterblichkeit erkennbar ist, die sich wohl nicht auf das Virus selbst zurückführen lässt. Ein Zusammenhang zur Booster-Impfung ist zumindest nicht auszuschließen.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Anfang 2020 verbreitete sich von Wuhan (China) aus ein Coronavirus über die Welt. Es handelte sich um ein neuartiges Virus, über das zunächst wenig bekannt war. Trotzdem setzte sich schnell das Narrativ durch, dass die Coronapandemie nur durch Impfen überwunden werden könne, und auch die Bundesregierung legte sich früh entsprechend fest. Die Pandemie „wird nicht verschwinden, bis wir wirklich einen Impfstoff haben, mit dem wir die Bevölkerung immunisieren können“ erklärte Bundeskanzlerin Merkel bereits Anfang April 2020. [1] Am 8. November 2020 präzisierte sie ihre Vorstellung, indem sie ausführte, dass ein Virus mehr oder weniger besiegt sei, wenn 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung entweder durch eigene Erkrankung oder Impfung immun seien. „Dann können wir auch alle Beschränkungen aufheben. Bis dahin müssen wir mit gewissen Einschränkungen, die das Virus uns auferlegt, noch leben.“ [2]

Seit Ende 2021 sind 70% der Bevölkerung vollständig geimpft und viele Menschen sind aufgrund einer überstandenen Infektion auf natürliche Weise immunisiert, die einschränkenden Maßnahmen sind jedoch weitgehend in Kraft geblieben. Und die Experten streiten weiter darüber, ob oder wann die Pandemie wohl zu Ende sein wird. Das pandemische Geschehen hat offensichtlich nicht den Verlauf genommen, den die Verantwortlichen geplant und erwartet hatten.

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, auf Basis der Sterbedaten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) [3] und der Coronazahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) [4] Zusammenhänge zwischen dem Infektions- und Impfgeschehen auf der einen Seite und dem Sterbegeschehen auf der anderen Seite herauszuarbeiten und allgemeinverständlich darzustellen. Im Idealfall wird man danach nicht nur den bisherigen Pandemieverlauf besser verstehen, sondern auch Erkenntnisse gewinnen, die sich als nützlich für den weiteren Umgang mit Corona erweisen.

Dazu werden zunächst die durchschnittliche Übersterblichkeit und die Übersterblichkeitsverläufe der Jahre 2020 und 2021 ermittelt und mit den RKI-Angaben zur Zahl der Coronatoten verglichen. Anschließend wird untersucht, ob und wie sich die Coronaimpfungen auf die Zahl der Sterbefälle ausgewirkt haben. Den Abschluss der Studie bildet eine Betrachtung der Übersterblichkeit in den letzten Monaten des Jahres 2021.

Gedanken zur Übersterblichkeit

Das Konzept der Übersterblichkeit beruht auf wahrscheinlichkeitstheoretischen Annahmen und Vermutungen. Man geht davon aus, dass das Sterbegeschehen in der Zukunft grundsätzlich ähnlich verläuft wie in der Vergangenheit, dass also beispielsweise im Sommer weniger Menschen sterben als im Winter. Die Höhe der Übersterblichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt entspricht der Differenz zwischen der (auf Basis der Beobachtungen vergangener Jahre) erwarteten und der tatsächlichen Zahl an Sterbefällen. Der Wert hängt somit nicht allein von der Zahl verstorbener Menschen ab, sondern auch von der Referenz- bzw. Basislinie, auf die er sich bezieht. Je nachdem wie die Basislinie gewählt wird, wird die Übersterblichkeit höher oder niedriger ausfallen. Um Willkür auszuschließen und eine zeitliche Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, ist es wichtig, das Verfahren zur Ermittlung der Basislinie möglichst eindeutig festzulegen und sich bei der Berechnung der Übersterblichkeit an die Vorgabe zu halten.

Dem Statistischen Bundesamt dienen allgemein die Sterbeverläufe der letzten vier Jahre als Vergleichsgrundlage. Die auf diese Weise gewonnene Basislinie muss anschließend allerdings noch um Altersstruktureffekte korrigiert werden. Die Korrektur ist erforderlich, da aufgrund unterschiedlicher Geburtenraten in der Vergangenheit vorhersehbar ist, wie sich die Sterbezahlen tendenziell entwickeln werden, d.h. ob sie eher ansteigen oder eher zurückgehen werden. Das kann und muss angemessen berücksichtigt werden, da die Übersterblichkeit sonst systematisch über- oder unterschätzt wird.

Auf einer Pressekonferenz am 9. Dezember 2021 nahm das Statistische Bundesamt Stellung zur Übersterblichkeit während der Coronapandemie. Vizepräsident Christoph Unger führte unter anderem aus:

„Insgesamt starben im Jahr 2020 bundesweit rund 985.000 Menschen. Das waren 5% oder 46.000 Verstorbene mehr als im Jahr 2019. Allein aufgrund der Alterung der Bevölkerung wäre nur ein Anstieg der Sterbefallzahlen um etwa 2% oder etwa 20.000 Fälle zu erwarten gewesen.“ [5]

Man reibt sich verwundert die Augen. Ist das alles, was offiziell zur Übersterblichkeitsquote im Jahr 2020 gesagt werden kann? Definiert das Statistische Bundesamt die Übersterblichkeit nicht eigentlich bezogen auf vier vorangegangene Jahre? Und war das Vorjahr 2019 nicht zufälligerweise ein Jahr mit außergewöhnlich niedrigen Sterbezahlen? Sind diese „Feinheiten“ für die Beurteilung des Sterbegeschehens in 2020 so unwichtig, dass man sich Ende 2021 immer noch mit einer Aussage begnügt, die man so auch Anfang des Jahres schon hätte machen können? Warum teilt man der Öffentlichkeit nicht den offiziellen Wert für die Übersterblichkeit mit? Es ist schwer vorstellbar, dass die Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes nicht mehr in der Lage sein sollen, den Wert zu berechnen.

Zum Glück sind die Sterbefallzahlen des Statistischen Bundesamtes allgemein zugänglich, so dass es Außenstehenden möglich ist, die Höhe der Übersterblichkeit (zumindest grob) mittels eigener Datenanalyse abzuschätzen.

Tabelle 1 gibt einen ersten Eindruck vom Ausmaß der Übersterblichkeit in den Coronajahren 2020 und 2021. Das Vorgehen bei der Ermittlung der Werte orientiert sich an der (offiziellen) Übersterblichkeitsdefinition des Statistischen Bundesamtes und ist in [6] genauer beschrieben.

Tabelle 1

Das Jahr 2020 ist danach mit einer Übersterblichkeit von 1,59% bzw. 15.679 Personen verbunden. Im darauffolgenden Jahr steigt die Übersterblichkeit (trotz Impfung) auf mehr als das Doppelte an und beträgt 3,45%. Ein solch hoher Wert ist in den zurückliegenden zwanzig Jahren noch nicht gemessen worden. Dabei wird die Übersterblichkeit für 2021 letztlich sogar noch etwas höher ausfallen, da die zurzeit verfügbaren Sterbedaten noch nicht vollständig sind. Die endgültigen Sterbedaten werden den Wert für die Übersterblichkeit mit Sicherheit noch ansteigen lassen.

In beiden Jahren ist die Übersterblichkeit jeweils geringer als die Zahl der ausgewiesenen Coronatoten. Im Jahr 2020 macht sie 36%, im Jahr 2021 51% der Coronatoten aus.

Ein ähnliches Verhältnis von Übersterblichkeit zur Zahl der Coronatoten ist im Rahmen einer Studie ermittelt worden, die die Hebrew University in Jerusalem zusammen mit der Universität Tübingen durchgeführt hat. Dort weist man für die Zeit vom Beginn des Coronageschehens bis zur 24. Woche 2021 eine Übersterblichkeit von 43% aus, bezogen auf die Zahl gemeldeter Coronatoter. [7]

Warum besteht eine derart große Lücke zwischen der Höhe der Übersterblichkeit und der Zahl der Coronatoten? Als Erklärung wird häufig auf die ausgebliebenen Grippeinfektionen in den Jahren 2020 und 2021 verwiesen. Und tatsächlich leitet man aus der Übersterblichkeit einen zu niedrigen Schätzwert für die Zahl der Verstorbenen ab, wenn die Basislinie nicht ausschließlich grippeschwache Jahre zur Grundlage hat, sondern auch grippestarke Jahre darin eingegangen sind. Das ist ein wichtiger Aspekt, der beim Vergleich der Sterbezahlen nicht vernachlässigt werden darf. Doch ist die Problematik damit nicht abschließend und umfassend beschrieben.

Das wird deutlich, wenn man die Basislinie dahingehend abwandelt, dass nicht mehr alle vier Vorjahre in die Berechnung eingehen, also grippearme und grippestarke Jahre gleichermaßen, sondern nur noch die grippearmen Vorjahre 2016 und 2019. Damit wird der verzerrende Grippeeinfluss weitgehend eliminiert und man erhält höhere Werte für die Übersterblichkeit. Der Tabelle 2 können die so modifizierten Übersterblichkeitswerte entnommen werden.

Bezogen auf die veränderte Basislinie erhöht sich der Wert für die Übersterblichkeit in den Coronajahren 2020 und 2021 von 50.754 Todesfälle auf 80.831 Todesfälle. Das entspricht 71% der vom RKI für diese Zeit ausgewiesenen Coronatoten. Man sieht, dass mit dem modifizierten Modellansatz die Lücke um etwa 30.000 Sterbefälle geschlossen werden kann. Es verbleibt jedoch immer noch eine gravierende Differenz.

Tabelle 2

Angesichts der weiterhin bestehenden Differenz könnte man auf den Gedanken kommen, dass die RKI-Angaben zur Zahl der Coronatoten möglicherweise nicht korrekt sind. Ein Blick auf die Abbildung 1 zeigt jedoch, dass diese Vermutung nicht zutrifft. Dort ist der Verlauf der Übersterblichkeit zusammen mit der Zahl der Coronaverstorbenen aufgetragen.

Abbildung 1

Es ist zu erkennen, dass die Kurvenverläufe im Jahr 2020 recht gut übereinstimmen. Nicht nur, dass in der ersten und zweiten Coronawelle die Maximalwerte annähernd gleich hoch sind, auch die ansteigenden Phasen verlaufen in beiden Wellen synchron. Dass dem so ist, ist nicht selbstverständlich, da die Verläufe auf vollkommen unterschiedliche Weise ermittelt worden sind. Die gute Übereinstimmung kann als Indiz dafür gedeutet werden, dass die Angaben des RKI, zumindest was die Gesamtzahl der Coronatoten betrifft, im Prinzip korrekt sind, auch wenn das RKI nicht zwischen Menschen, die AN und solchen die MIT Corona verstorben sind, unterscheidet.

Wenn man diese Annahme als zutreffend unterstellt, tauchen plötzlich ganz andere Fragen auf. Warum stimmen die absteigenden Phasen in den ersten beiden Wellen nicht ähnlich gut überein wie die ansteigenden Phasen? Warum folgt auf die sehr hohe zweite Coronawelle knapp drei Monate später eine ausgeprägte Untersterblichkeit? Warum passen in der dritten Welle die Verlaufskurven für die Übersterblichkeit und für die Zahl der Coronatoten so schlecht zusammen? Und warum liegt die Übersterblichkeit in der vierten Welle dauerhaft über der Zahl der Coronatoten?

Von der Grippe her weiß man, dass vor allem alte und gesundheitlich geschwächte Menschen gefährdet sind, an einer Infektion zu sterben. Vielfach handelt es sich um Menschen, die auch ohne die zusätzliche Infektion nicht mehr lange gelebt hätten. Wenn nun – aufgrund eines sich ausbreitenden Infektionsgeschehens – sehr viele alte und gesundheitlich stark vorbelastete Menschen erkranken und sterben, äußert sich das nicht nur in einer ausgeprägten Übersterblichkeit, sondern auch in einer nachfolgenden hohen Untersterblichkeit. Die Zeit, die zwischen dem Maximum der Übersterblichkeit und dem Maximum der Untersterblichkeit vergeht, kann als Hinweis darauf interpretiert werden, wie lange viele dieser Menschen noch gelebt hätten, hätten sie sich nicht infiziert.

So ließe sich die auf das Maximum der zweiten Welle folgende starke Untersterblichkeit erklären und so würde auch verständlich, warum in den absteigenden Phasen der ersten beiden Coronawellen die Übersterblichkeit nicht so gut mit der Verstorbenenkurve übereinstimmt wie im aufsteigenden Teil. Auch die schlechte Übereinstimmung der Verläufe in der dritten Welle ist auf Untersterblichkeitseffekte zurückführbar. Hier überlagern sich zwei gegenläufige Einflüsse: die auf die zweite Welle folgende Untersterblichkeit und die durch das neuartige Alpha-Virus ausgelöste Übersterblichkeit. Lediglich die ungewöhnlich hohe Übersterblichkeit während der vierten Welle kann schwerlich von Untersterblichkeitseffekten herrühren.

Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Das Konzept der Übersterblichkeit ist nur bedingt geeignet, die Zahl der Coronaverstorbenen verlässlich abzuschätzen. Tendenziell wird deren Anzahl (mehr oder weniger stark) unterschätzt. Die Unterschätzung wird umso höher ausfallen, je größer der Anteil der Menschen ist, der auch ohne zusätzliche Infektion, egal ob Grippe oder Corona, nur noch kurze Zeit gelebt hätte.

Bis zu einem gewissen Grad kann der verzerrende Einfluss der Untersterblichkeit rechnerisch korrigiert werden, wenn es Hinweise auf Art und Ausmaß der Untersterblichkeit gibt. Das Dilemma der Unterschätzung der Verstorbenenzahl kann dadurch nicht vollkommen aufgelöst werden, aber man erhält insgesamt bessere Schätzwerte für die Zahl der Coronatoten. Ein Verfahren, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann und das auch hier zur Anwendung kommt, ist in [8] beschrieben.

Der Tabelle 3 können die so korrigierten Schätzwerte für die Zahl der Coronatoten entnommen werden („Destatis/StBA-Coronatote“). Da nur für die Phasen, in denen es relativ viele Coronatote gibt, verlässliche Schätzwerte ermittelt werden können, beschränken sich die Berechnungen auf die Coronawellen. In den Zwischenzeiten ist die Zahl coronabedingter Sterbefälle zu niedrig, als dass sinnvolle Schätzwerte aus den Sterbedaten abgeleitet werden könnten. Der Vollständigkeit halber sind die bisherigen Übersterblichkeitswerte in der Tabelle mit angegeben („Übersterblichkeit“ bzw. „modifizierte Übersterblichkeit“).

Tabelle 3

Für die erste Coronawelle folgt aus den Sterbedaten des Statistischen Bundesamtes ein Schätzwert von 6.805 für die Zahl der Coronatoten. Das RKI weist 7.963 Coronatote aus. Der Schätzwert entspricht 85% der gemeldeten Coronatoten.

Die Übereinstimmung der Werte kann als durchaus zufriedenstellend angesehen werden, auch wenn weiterhin eine Differenz bestehen bleibt. Möglicherweise werden hier die Grenzen des auf der Übersterblichkeit basierenden Schätzverfahrens sichtbar.

In den beiden darauffolgenden Wellen zwei und drei liegt der Anteil der Coronatoten, der aus der Übersterblichkeit abgeleitet werden kann, etwas höher und beträgt 89% (zweite Welle) bzw. 104% (dritte Welle) der gemeldeten Coronatoten. In der dritten Welle treffen Unter- und Übersterblichkeit in ausgeprägter Form aufeinander und sind nur schwer voneinander zu isolieren, so dass der Schätzwert hier mit größeren Unsicherheiten behaftet ist als in den vorhergehenden Wellen.

Die Verlaufskurve der vierten Welle enthält keine eindeutigen Hinweise auf Untersterblichkeit. Daher wird hier darauf verzichtet, eine bessere Schätzung für die Zahl der Coronatoten anzustreben. In der vierten Welle wird stattdessen die modifizierte Übersterblichkeit in Relation zur Zahl der Coronatoten betrachtet. Dabei fällt auf, dass die Übersterblichkeit erstmals sehr viel höher liegt als die Zahl gemeldeter Coronatoter. Das hat es bis dahin während der Pandemie noch nicht gegeben. Überhaupt unterscheidet sich das Sterbegeschehen in der vierten Welle in grundlegender Weise von den vorangegangenen Coronawellen.

Abbildung 2

Abbildung 2 macht deutlich, dass die Übersterblichkeit in der vierten Welle nicht nur punktuell, sondern über mehrere Monate hinweg über den RKI-Angaben zur Zahl der Coronatoten liegt. Im Mittel machen die Coronatoten nur noch 62% der Übersterblichkeit aus. Auf die Frage, warum das so ist bzw. so sein könnte, wird am Ende des Textes noch einmal eingegangen.

Auswirkungen des Impfens auf das Sterbegeschehen

Am zweiten Weihnachtstag 2020 wurde in Deutschland mit der Impfung gegen Corona begonnen. Da zunächst nur begrenzte Impfstoffmengen zur Verfügung standen, gab es eine Prioritätenregelung. Als erste konnten sich die über 80-Jährigen sowie Patienten und Beschäftigte in Krankenhäusern und Altenheimen impfen lassen. Im März 2021 wurde der Kreis der Impfberechtigten um verschiedene Berufsgruppen sowie um Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen erweitert und das Mindestalter auf 70 Jahre abgesenkt. Ab Mitte April konnten sich auch 60-Jährige impfen lassen. Seit Juni 2021 gibt es für Erwachsene keine einschränkenden Regeln mehr.

Die Impfkampagne lief zunächst schleppend an. Zwanzig Wochen dauerte es, bis 10% der Bevölkerung doppelt geimpft waren. Erst danach nahm das Impfgeschehen Fahrt auf. Anfang August war etwa die Hälfte der Bevölkerung doppelt geimpft. [9]

Bei der Darstellung des Impffortschritts in Abbildung 3 ist berücksichtigt, dass der Impfschutz mit der Zeit nachlässt. Es sind folglich nicht einfach die Impfquoten aufgetragen, sondern die wirksamen Impfquoten. Es wurde davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit der Impfung nach sechs Monaten nicht mehr ausreicht, einen sicheren Schutz zu gewährleisten. Man sieht, dass in diesem Fall der durch Doppelimpfungen geschützte Anteil der Bevölkerung nach der 33. Woche kaum noch ansteigt und ab der 43. Woche spürbar zurückgeht (rote Linie).

Abbildung 3

Mittels Auffrischimpfungen (ab der 22. Woche 2021) konnte die nachlassende Impfwirkung kompensiert worden. Die Möglichkeit, sich boostern zu lassen, wurde intensiv genutzt, so dass der Anteil der wirksam geschützten Bevölkerung, trotz nachlassender Impfwirkung, von 55% auf 70% gesteigert werden konnte. Man sieht allerdings, dass die Aufrechterhaltung eines hohen Impfschutzes mit dem Preis einer dauerhaft hohen Impfbereitschaft verbunden ist, die nicht nachlassen darf. Das erinnert in gewisser Weise an den Mythos von Sisyphos, der den schweren Marmorblock immer wieder aufs Neue mühevoll den Berg hinaufwälzen muss.

In Abbildung 4 ist der Verlauf der Corona-Sterbezahlen vor dem Hintergrund mutierender Virusvarianten aufgetragen. Zusätzlich ist der Zeitpunkt des Impfbeginns markiert. Es fällt sofort ins Auge, dass der Rückgang der Sterbezahlen in der zweiten Welle mit dem Beginn des Impfens zusammenfällt. Die Vermutung, dass die beiden Ereignisse ursächlich zusammenhängen, liegt nahe, trifft aber nicht zu. Die Impfung kann nicht bereits in den direkten Folgewochen eine derart starke Wirkung auf das Sterbegeschehen entfaltet haben. Das bestätigen Coronadaten aus anderen Ländern. In Großbritannien etwa, wo am 7. Dezember mit dem Impfen begonnen wurde, dauerte es 48 Tage, bis die Sterbezahlen zurückgingen, und in Israel lagen 37 Tage zwischen dem Impfbeginn und den rückläufigen Sterbezahlen. Es deutet alles darauf hin, dass die zweite Welle Ende 2020 ihren Höhepunkt erreicht hatte und danach (auch ohne Impfung) zurückgegangen wäre. Dass diese Einschätzung zutrifft, bestätigt der Verlauf der Sterbezahlen bei den unter 60-Jährigen, die sich zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht impfen lassen konnten (vgl. Abb. 6). Der Rückgang setzt hier zum gleichen Zeitpunkt ein wie bei den Älteren.

Abbildung 4

Was man der Abbildung 4 noch entnehmen kann, ist, dass der Wildtyp, also das ursprüngliche Wuhan-Virus, das Pandemiegeschehen über einen langen Zeitraum beherrscht hat. In den ersten zwölf Monaten konnte sich keine andere Virusvariante durchsetzen. Das ändert sich im darauffolgenden Jahr. Bereits im Januar 2021 beginnt die Alpha-Mutation sich auszubreiten und wird im März zur dominierenden Variante. Sie bewirkt den Anstieg der Sterbezahlen in der dritten Welle. Vier Monate später wird sie von der Delta-Variante verdrängt, die die vierte Coronawelle auslöst. Mittlerweile beherrscht die Omikron-Variante das Infektionsgeschehen. [10][11]

Es mag Zufall sein, dass sich Virusmutationen erst nach Beginn des weltweiten Impfens durchsetzen konnten. Aber manche Experten halten das Impfen in eine Pandemie hinein grundsätzlich für problematisch. Ihrer Auffassung nach steigt dadurch die Gefahr, dass sich Escape-Mutationen durchsetzen und verbreiten. [12][13] Ob die Befürchtung berechtigt ist, kann man als Laie schwer beurteilen. Soweit hier jedoch Zweifel bestehen, sollten Epidemiologen und Virologen ihre Kompetenz nutzen, diese für die gesamte Menschheit so eminent wichtige Frage möglichst schnell und unzweideutig zu klären. Das sollte auch im Interesse der Bundesregierung sein, die sich darauf festgelegt hat, dass die Coronapandemie nur durch Impfen überwunden werden könne.

Schon sehr früh hat sich gezeigt, dass es sich bei den Coronatoten zum weit überwiegenden Teil um alte oder sehr alte Menschen handelt. [4] Die Zahl jüngerer Verstorbener, die noch keine 60 Jahre alt sind, ist im Vergleich zur Zahl älterer Verstorbener gering. Der Verlauf ihrer Sterbezahlen hebt sich, wie Abbildung 5 zeigt, kaum von der Nulllinie ab.

Abbildung 5

Lediglich 3,4% aller Coronatoten des Jahres 2020 sind jünger als 60 Jahre. Im darauffolgenden zweiten Jahr verdoppelt sich der Anteil nahezu und steigt auf 6,6% an (vgl. Tab. 4). Über die Ursache der Verdopplung kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Möglicherweise ist sie das Resultat unterschiedlich hoher Impfquoten. Dadurch, dass jüngere Menschen sich erst später impfen lassen konnten und insgesamt zu einem geringeren Prozentsatz geimpft sind, sind sie unter Umständen nicht so gut gegen schwere Verläufe geschützt wie ältere Menschen. Ende 2021 waren 84% aller Erwachsenen über 60 Jahre vollständig geimpft, aber nur 62% der unter 60-Jährigen. [10]

Mit der niedrigeren Impfquote lässt sich allerdings nicht erklären, warum die absolute Zahl junger Menschen, die an oder mit Corona verstorben sind, im Jahr 2021 dreimal so hoch liegt wie im Jahr 2020, als noch kein Impfstoff gegen Corona zur Verfügung stand (4.542 Personen gegenüber 1.472 Personen). Der starke Anstieg wirft Fragen auf, auf die es bisher keine zufriedenstellende Antwort gibt.

Tabelle 4

Fakt bleibt, dass das Risiko, an Corona zu versterben, für einen unter 60-Jährigen um ein Vielfaches geringer ist als für einen über 60-Jährigen. Das Risiko, an einer Coronainfektion schwer zu erkranken oder zu versterben, sollte bei der individuellen Abwägung, ob man sich impfen lässt oder nicht, folglich eine wichtige Rolle spielen. Gleiches gilt für die aktuellen politischen Überlegungen zur Impfpflicht. Ist es angesichts der extrem unterschiedlichen Risiken, die eine Coronaerkrankung für den Einzelnen mit sich bringt, überhaupt sinnvoll, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen? Ein Gedankenexperiment mag verdeutlichen, warum die Frage wichtig ist. Die Überlegungen beziehen sich auf das Jahr 2020, da das Krankheitsgeschehen in dieser Zeit noch nicht durch Impfeffekte beeinflusst worden ist.

Angenommen, zu Beginn der Pandemie hätte bereits ein hochwirksamer und nebenwirkungsfreier Impfstoff gegen Corona zur Verfügung gestanden und alle Menschen unter 60 Jahre wären damit geimpft worden, dann wären 70% aller Menschen vor einem tödlichen Verlauf der Infektion geschützt gewesen. Doch trotz der hohen Impfquote von 70% hätte man damit die Zahl der Sterbefälle lediglich um 3,4% absenken können. Hätte man dagegen alle über 30-Jährigen geimpft, so hätte man – bei gleicher Impfquote – den vorzeitigen Tod von bis zu 99,9% der Coronaverstorbenen verhindert.

Das Beispiel zeigt, wie gering die Aussagekraft der Impfquote ist, wenn sie nicht mit Angaben zum geimpften Personenkreis verbunden ist, in diesem Fall also zum Alter der Geimpften. Die Zahlen machen deutlich, wie wenig sinnvoll es ist, Menschen, deren Leben durch Corona praktisch nicht gefährdet ist, in großer Zahl zu impfen, wie es die geplante Impfpflicht vorsieht. Man lässt völlig außer Acht, dass Impfungen mit dem neuartigen mRNA-Vakzin mit Risiken verbunden sind, die niemand wirklich abschätzen kann und die durchaus gravierend sein können. Nicht nur, dass viele Menschen danach mit schwerwiegenden Nebenwirkungen zu kämpfen haben, auch sind zahlreiche Menschen in zeitlicher Nähe zur Impfung verstorben. Dem Paul-Ehrlich-Institut sind bis Ende 2021 sage und schreibe 2.255 Sterbefälle gemeldet worden, bei denen der Verdacht besteht, dass die Impfung den Tod verursacht hat. [14] Das ist eine erschreckend hohe Zahl, verglichen mit den wenigen Verdachtsfällen, die in der Vergangenheit nach Impfungen gemeldet worden sind. Bei jungen, gesunden Menschen kommt hinzu, dass die mRNA-Impfstoffe lediglich eine Notfallzulassung besitzen und nicht so umfassend und gut erforscht sind, dass Langzeitfolgen sicher ausgeschlossen werden können.

Wie aus Abbildung 5 zu ersehen war, sind bisher vergleichsweise wenig Coronatote unter 60 Jahre zu beklagen gewesen. Trotzdem lohnt ein Blick auf die Sterbekurve (vgl. Abb. 6).

Abbildung 6

Der Kurvenverlauf ähnelt im Prinzip dem Verlauf bei der älteren Bevölkerung. Er ist gekennzeichnet durch vier (zeitgleiche) Coronawellen und zwei infektionsarme Zeitabschnitte in der warmen Jahreszeit. Andererseits fällt auf, dass die dritte und die vierte Welle mit vergleichsweise sehr viel höheren Werten verbunden sind als bei den älteren Verstorbenen.

Während sich die Zahl der Sterbefälle bei den über 60-Jährigen in der dritten Welle nur geringfügig erhöht, steigt die Sterbezahl bei den unter 60-Jährigen stark an und erreicht wieder das hohe Niveau der vorangegangenen zweiten Welle. Das könnte als Hinweis auf die Wirksamkeit der Impfung gedeutet werden. Denn aufgrund der festgelegten Impfreihenfolge konnten sich die Jüngeren (von Ausnahmen abgesehen) in dieser Zeit noch nicht impfen lassen. Der schwächere Anstieg der Sterbezahlen bei den Älteren könnte folglich daher rühren, dass sie großteils geimpft und dadurch besser geschützt waren.

Auch der vergleichsweise starke Anstieg der Sterbezahlen bei den unter 60-Jährigen in der vierten Welle (vgl. Abb. 5 und Abb. 6) könnte auf die niedrigere Impfquote in dieser Altersgruppe zurückzuführen sein.

Abbildung 7

Eine Ahnung davon, wie die Sterbezahlen der über 60-Jährigen ohne die Impfung hätten aussehen können, vermittelt die Abbildung 7. Hier sind die Sterbeverläufe der Älteren und der Jüngeren (noch einmal) gemeinsam aufgetragen. Allerdings ist diesmal das extrem unterschiedliche Niveau des Sterbegeschehens in der Darstellung berücksichtigt, indem unterschiedliche Skalierungen für die jeweilige Altersgruppe gewählt wurden. In der Darstellung entsprechen beispielsweise 5.000 Sterbefälle bei den über 60-Jährigen (blaue Linie) 150 Sterbefälle bei den unter 60-Jährigen (rote Linie).

Unterstellt man, dass sich das Sterbegeschehen bei den über 60-Jährigen, wenn sie nicht geimpft gewesen wären, etwa so abgespielt hätte, wie es die rote Linie andeutet, wären in der dritten Welle wesentlich mehr Coronatote zu beklagen gewesen. Eine präzise Zahl lässt sich nicht nennen, aber größenordnungsmäßig könnte es sich um etwa 30.000 Personen handeln. Mit anderen Worten: Durch das Impfen ist ein vorzeitiger Tod von möglicherweise 30.000 alten Menschen verhindert worden.

Am stärksten profitieren die über 80-Jährigen von der Impfung. Das liegt nicht nur daran, dass sie sich als Erste impfen lassen konnten, sondern auch daran, dass die meisten Coronatoten in der Vergangenheit das 80. Lebensjahr bereits überschritten hatten. Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle, also zu Beginn der Impfung, machen die über 80-Jährigen 73% aller Coronatoten aus (51. KW 2020). Danach geht der Wert kontinuierlich zurück. Am Ende der dritten Welle liegt er bei nur noch 34% (23. KW 2021). Die Entwicklung spiegelt sich auch im Sterbealter wider. Das Durchschnittsalter der Coronatoten verringert sich zeitgleich um fast zehn Jahre und geht von 83 Jahre auf 74 Jahre zurück.

Um welche Zeitspanne mag das Leben der alten Menschen durch die Impfung verlängert worden sein? Diese Frage lässt sich natürlich nicht verlässlich beantworten. Aber da das durchschnittliche Sterbealter der Coronatoten seit Beginn des Impfens stark zurückgeht, müssen die „Geretteten“ im Mittel deutlich über 83 Jahre alt gewesen sein. Möglicherweise liegt ihr Durchschnittsalter bei 85 oder gar 86 Jahren. Angesichts des sehr hohen Alters der Betroffenen kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die meisten von ihnen, trotz des Überlebens der Coronainfektion, keine längere Lebensperspektive mehr gehabt haben. In sehr vielen Fällen dürfte der Tod nur um wenige Monate hinausgezögert worden sein (vgl. hierzu die Ausführungen in [8]). Möglicherweise hat das Hinauszögern des Sterbegeschehens mit dazu beigetragen, dass die Übersterblichkeit in den letzten Monaten des Jahres 2021 so ungewöhnlich stark angestiegen ist (vgl. Abb. 1).

Abbildung 8

Der positive Effekt, den das Impfen auf die Zahl der Coronatoten in der dritten Welle gehabt hat, entspricht den Hoffnungen und Erwartungen, die allgemein mit dem Impfen verbunden werden. Und doch ist es zugleich eine große Überraschung; denn bis zu diesem Zeitpunkt sind noch nicht allzu viele Menschen gegen Corona geimpft. Hier könnte zum Tragen kommen, dass eine Impfreihenfolge vorgegeben war, die den am stärksten gefährdeten Personen Priorität einräumte.

Zur Veranschaulichung des Sachverhalts ist in Abbildung 8 der Verlauf der Sterbekurve für die über 60-Jährigen zusammen mit Angaben zur Impfquote aufgetragen. Um die Auswirkung des Impfens auf die Sterbekurve angemessen beurteilen zu können, ist es wichtig zu bedenken, dass sich das Impfen nicht sofort auf das Sterbegeschehen auswirkt, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung. In Großbritannien lagen etwa sieben Wochen zwischen dem Impfbeginn und dem Rückgang der Sterbezahlen, in Israel gut fünf Wochen.

Berücksichtigt man die Zeitverzögerung, so erkennt man, dass bereits Quoten von drei bis vier Prozent vollständig Geimpften einen enormen Einfluss auf das Sterbegeschehen ausüben.

Bis zur 10. KW 2021 sind in Deutschland knapp 3 Mio. Menschen doppelt geimpft. Das entspricht einer Impfquote von 3,5%. Da sich bis dahin lediglich über 80-Jährige uneingeschränkt impfen lassen konnten, ist es sinnvoll, die Zahl der Geimpften auch in Relation zur Gesamtzahl der über 80-Jährigen zu betrachten. Bezogen auf diese Altersgruppe entsprechen 3 Mio. Geimpfte einer Impfquote von 50%. Die Wirksamkeit der Impfung vorausgesetzt, wäre damit jeder zweite Hochbetagte vor einem schweren Verlauf der Coronainfektion geschützt gewesen.

Daraus kann man den Schluss ziehen, dass es für den Erfolg des Impfens nicht so sehr darauf ankommt, wie viele Menschen geimpft sind, als vielmehr darauf, wer geimpft ist. Wichtig ist, dass vor allem hochbetagte und gesundheitlich stark vorbelastete Menschen bereit sind, sich schützen zu lassen. Und möglicherweise spielen Vorerkrankungen hier die entscheidende Rolle. Dafür sprechen die Untersuchungsergebnisse von Prof. Klaus Püschel, der durch die Obduktion von Coronatoten in Hamburg festgestellt hat, dass fast alle Verstorbenen mit relevanten Vorerkrankungen belastet waren. [15] Der enge Zusammenhang zwischen Alter und Coronasterblichkeit ist möglicherweise gar nicht in erster Linie dem Alter der Betroffenen geschuldet. Der Zusammenhang könnte indirekter Natur sein und daher rühren, dass Vorerkrankungen bei alten Menschen eher die Regel als die Ausnahme sind und folglich bei diesen wesentlich stärker verbreitet sind als bei jüngeren Menschen.

Hohe Übersterblichkeit während der vierten Coronawelle

Zum Abschluss wird noch einmal das Sterbegeschehen in der zweiten Jahreshälfte 2021 näher betrachtet. In diesem Zeitabschnitt ist das ungewöhnliche Phänomen zu beobachten, dass die Übersterblichkeit über einen längeren Zeitraum hinweg und zum Teil sehr ausgeprägt über der Zahl der Coronatoten liegt (vgl. Abb. 9). Ein solcher Effekt ist weder im Coronajahr 2020 noch im ersten Halbjahr 2021 zu beobachten gewesen (vgl. Abb. 1).

In der Zeit von der 35. bis zur 52. Kalenderwoche 2021 summiert sich die Übersterblichkeit auf 35.597 Personen auf, d.h. es sterben 35.597 Personen mehr, als nach den vorangegangenen Jahren zu erwarten gewesen wäre (vgl. Tab. 3). Das RKI weist für diesen Zeitraum nur 21.950 Coronatote aus. Es verbleibt eine Differenz von 13.597 Sterbefällen.

Abbildung 9

Dem Statistischen Bundesamt ist die hohe Übersterblichkeit auch aufgefallen. In der Pressemitteilung vom 11. Januar 2022 geht die Behörde näher darauf ein:

„Im November lagen die Sterbezahlen um 15.723 Fälle oder 21% über dem mittleren Wert der Vorjahre. Beim RKI wurden bislang 7.591 Covid-19-Todesfälle mit einem Sterbedatum in diesem Monat gemeldet. Auch im September und Oktober erklären die gemeldeten Covid-19-Todesfälle die erhöhten Sterbefallzahlen nur zum Teil. Für den zusätzlichen Anstieg der Sterbefallzahlen sind mehrere Ursachen denkbar: So können hier unerkannte Covid-19-Todesfälle (Dunkelziffer) oder die zeitliche Verschiebung von Sterbefällen innerhalb eines Jahres infolge der zum Jahresbeginn ausgefallenen Grippewelle eine Rolle spielen. Möglicherweise zeigen sich auch die Folgen verschobener Operationen und Vorsorgeuntersuchungen. Der Beitrag einzelner Effekte lässt sich allerdings derzeit nicht beziffern.“ [16]

Mit anderen Worten: Das Statistische Bundesamt weiß nicht, worauf die hohe Übersterblichkeit zurückzuführen ist. Die aufgeführten Gründe haben mölicherweise eine Rolle gespielt, ob die Liste der Ursachen allerdings vollständig ist, ist ungewiss. Der weitgehend synchrone Verlauf der Zahl der Coronatoten und der Höhe der Übersterblichkeit legt die Vermutung nahe, dass auch Corona in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt. Es könnte sein, dass der außergewöhnliche Anstieg der Übersterblichkeit eine direkte oder indirekte Folge des Impfens ist.

Bereits oben ist angedeutet worden, dass es sich bei der hohen Übersterblichkeit um ein zeitlich verschobenes Sterbegeschehen handeln könnte, das auf die Coronaimpfungen in der zweiten und dritten Welle zurückzuführen ist. Ein solcher Effekt wäre zu erwarten, wenn von den Menschen, die aufgrund der Impfung in der dritten Coronawelle nicht gestorben sind, viele bereits sehr alt und stark vorerkrankt waren, so dass sich der Sterbezeitpunkt lediglich um einige Monate nach hinten verschoben hat.

Auch könnte ein direkter Zusammenhang zum Impfen bestehen. Als Ursache für den Anstieg der Sterbezahlen kämen dann vor allem die Boosterimpfungen in Betracht. Auffrischimpfungen sind in der betrachteten Zeit nicht nur in großer Zahl verabreicht worden, sondern sind auch, was die Wirkung und die Nebenwirkungen betrifft, weit schlechter erforscht als die regulären mRNA-Impfungen.

Abbildung 10

In Abbildung 10 ist die Zahl der wöchentlichen Auffrischimpfungen zusammen mit der erhöhten Übersterblichkeit aufgetragen. Die abgebildeten Kurvenverläufe sind kein Beweis für einen bestehenden Zusammenhang, aber sie geben diesbezüglich auch keine Entwarnung. Man wird die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten müssen und darauf hoffen, dass die Sterbeursachenstatistik, die voraussichtlich im Herbst 2022 veröffentlicht wird, zur Klärung des Sachverhalts beitragen kann. Besser wäre allerdings, wenn die Verantwortlichen nicht so lange warten würden, sondern die hohe Übersterblichkeit als Warnsignal ernst nähmen und mögliche Hintergründe und Ursachen des Effekts wissenschaftlich fundiert erforscht würden. Letztlich kann das Leben vieler Menschen von den Ergebnissen einer solchen Untersuchung abhängen.

Schlussbemerkung:

Die schlechte Datenlage zum Coronageschehen in Deutschland wird von vielen Seiten immer wieder kritisiert. Und das zu recht. Was das Robert Koch-Institut an Daten erhebt bzw. nicht erhebt, wie diese aufbereitet und selektiv präsentiert werden, ist extrem unbefriedigend. Doch trotz der schlechten Datenlage sind die vorhandenen Daten durchaus geeignet, neue und wichtige Erkenntnisse daraus zu gewinnen.

In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass das Leben vieler alter und sehr alter Menschen durch die Impfung verlängert worden ist und dass bereits niedrige Impfquoten von wenigen Prozent einen starken Einfluss auf das coronabedingte Sterbegeschehen haben. Eine allgemeine Impfpflicht macht unter diesen Umständen wenig Sinn. Sie würde bestehende gesellschaftliche Gräben vertiefen, wichtige Ressourcen binden, viel Geld kosten und kaum Menschenleben retten. Auch branchenbezogene Impfpflichten sind angesichts der Tatsache, dass Geimpfte sich infizieren und andere anstecken können, kaum zu rechtfertigen. Viel wichtiger wäre es, differenzierte Konzepte für Personen und Personengruppen zu erarbeiten, die aufgrund ihres Alters, ihrer Vorerkrankungen und/oder der äußeren Bedingungen, unter denen sie leben, besonders gefährdet sind, an einer Coronainfektion schwer zu erkranken oder zu versterben. Solange die Coronapandemie nicht überwunden ist, sollte hierbei das Testen von Kontaktpersonen im Mittelpunkt jeden Schutzkonzeptes stehen.


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[«1] Merkel zur Coronalage: “Pandemie wird nicht verschwinden, bis wir wirklich einen Impfstoff haben.” Welt vom 9. April 2020

[«2] Merkel rechnet noch lange mit Coronaeinschränkungen. FAZ vom 8. November 2020

[«3] Statistisches Bundesamt: Sterbefälle – Fallzahlen nach Tagen, Wochen, Monaten, Altersgruppen, Geschlecht und Bundesländern für Deutschland 2016 – 2021. Publikation vom 24. Januar 2022

[«4] Robert Koch-Institut: Coronavirus SARS-CoV-2 – Todesfälle nach Sterbedatum, Stand: 27. Januar 2022

[«5] Statistisches Bundesamt: Corona-Pandemie führt zu Übersterblichkeit in Deutschland. Pressemitteilung Nr. 563 vom 9. Dezember 2021

[«6] Günter Eder – Blick auf die Statistik. Freitag vom 8. April 2021

[«7] Ariel Karlinsky, Dmitry Kobak – Tracking excess mortality across countries during the COVID-19 pandemic with the World Mortality Dataset. Hebrew University (Israel) and University of Tübingen (Germany), 30. Juni 2021

[«8] Günter Eder – Die Coronapandemie im Spiegel der amtlichen Sterbefallstatistik. NachDenkSeiten vom 22. September 2021

[«9] Robert Koch-Institut: Digitales Impfquotenmonitoring zur Covid-19-Impfung. Stand: 20. Januar 2022

[«10] Robert Koch-Institut – Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit Covid-19. Stand: 27. Januar 2022

[«11] Robert Koch-Institut – Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten. Stand: 20. Januar 2022

[«12] Geert Vanden Bossche – Why should current Covid-19-vaccines not be used for mass vaccination during a pandemic? Vaccines summit Ohio, March 1-3, 2021, Ohio, USA

[«13] “Wir haben mit der aktuellen Impfstrategie eine gemähte Wiese für die Etablierung von Mutationen geschaffen, die dem Impfprinzip entkommen.” – NachDenkSeiten vom 13. Dezember 2021

[«14] Paul-Ehrlich-Institut – Sicherheitsbericht: Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19 seit Beginn der Impfkampagne. Stand: 7. Februar 2022

[«15] Obduktionen in Hamburg – Fast alle Corona-Toten waren vorerkrankt. NTV vom 30. Februar 2021

[«16] Statistisches Bundesamt: Sterbefallzahlen im Dezember 2021: 22% über dem mittleren Wert der Vorjahre. Pressemitteilung Nr. 014 vom 11. Januar 2022


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