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Titel: So stellt sich Klein-Ulla das Funktionieren der Marktwirtschaft vor

Datum: 12. August 2005 um 9:10 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, „Lohnnebenkosten“, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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„Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die deutsche Wirtschaft aufgefordert, mehr Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen,“ meldet die Netzeitung. «Nun sind die Arbeitgeber in der Pflicht», sagte Schmidt am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die gesunkenen Lohnnebenkosten. Die Ministerin wandte sich dabei an Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und forderte ihn auf, sich dafür stark zu machen und keine neuen politischen Forderungen zu stellen.“

Das wird Herrn Hundt und die Mitglieder seines Verbands sicher tief beeindrucken, ja geradezu in die Defensive zwingen. Jetzt hat doch die Bundesregierung mit aller Gewalt und unter Anwendung ihrer Klipp-Schul-Ökonomiekenntnisse von der übergroßen Bedeutung der Lohnnebenkosten selbige gesenkt, ja zumindest senken wollen. Und die bösen Unternehmer lassen solche Vorleistungen total kalt. Unerhört! Dabei wäre doch alles so einfach in der I+T-Wissensgesellschaft: Herr Hundt schickt einfach E-Mails an die deutschen Unternehmer und weist sie an, zu investieren und endlich wieder Leute einzustellen. Schließlich dürfe man ja der Bundesregierung ihren Klein-Kinder-Glauben nicht nehmen. Schließlich hätten wir Wirtschaftslobbyisten doch alle dazu gebracht, das Lied von der großen Bedeutung der Lohnnebenkosten rauf und runter zu singen. Jetzt, wo die Politiker dieses Glaubensbekenntnis alle nachbeten, dürfe man ihren Glauben nun wirklich nicht enttäuschen. Man denke nur an die beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Frau Göring-Eckhardt und Frau Sager. Sie hätten doch gerade einmal das Thema Lohnnebenkosten als Ersteinstieg in wirtschaftspolitische Zusammenhänge begriffen. Dieses Spielzeug müsse man ihnen wirklich lassen, andernfalls sind sie ohne.

Also, so mailt Herr Hundt an die Unternehmer, nach diesem ergreifenden Appell von Ulla Schmidt dürften sie nicht danach fragen, ob sie Absatzchancen für ihre zusätzlich produzierten Produkte sehen. Jetzt müssten sie investieren und mehr produzieren, weil die neoliberale, inzwischen von Rot und Grün übernommene Angebotstheorie sagt: Wir investieren, wenn die Lohnnebenkosten sinken.

Zugleich mahnt der Arbeitgeberpräsident dringend, jede Anfechtung dieses Glaubens aus den Archiven zu tilgen. Das treffe insbesondere auf so logisches und leicht einsehbares Teufelszeug zu, wie die Äußerung des Nobelpreisträgers Robert Solow vom vergangenen Jahr. Robert Solow in der „Wirtschaftswoche“ vom 9.September 2004 auf die Frage nach den Perspektiven für Deutschland:
„Die deutsche Wirtschaft schwächelt nun schon seit einer Dekade. Wenn ich ein Manager wäre, würde ich meine Produktion auch nicht ausweiten, solange die Märkte nicht erkennbar expandieren. Klar, Makropolitik beherrscht vermutlich niemand perfekt. Aber mir scheint offensichtlich: in Deutschland könnte man sie wesentlich besser machen.“

Quelle: Netzeitung


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