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Titel: “Die Reformlüge”

Datum: 26. August 2004 um 15:51 Uhr
Rubrik: Sozialstaat, Strategien der Meinungsmache, Veröffentlichungen der Herausgeber, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich:

Albrecht Müller, “Die Reformlüge – 40 Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren”.

Einige kurze Information zu meinem neuen Buch:
Es ist bei Droemer in München erschienen.
416 Seiten. € 19.90. Erstverkaufstag: 24.8.2004 – ISBN 3-426-27344-6
Buchvorstellung am 30.8. mit Horst Seehofer und Wibke Bruhns

Zum Inhalt und Charakter des Buches:
Das Buch widerspricht der Hauptthese der öffentlichen Debatte um Reformen und der immer wieder verbreiteten Hoffnung, mit der Auflösung des sogenannten Reformstaus und mit Strukturreformen könne die wirtschaftliche Belebung und der wirtschaftliche Wiederaufstieg unseres Landes erreicht werden. Der Autor hält dies für eine fixe Idee, der die Mehrheit unserer Eliten und der Mainstream der Meinungsführer in Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft inzwischen verfallen sind. Es wird gezeigt, dass hinter diesem gelungenen Brainwashing einzelne Interessen stecken, dass die Durchsetzung dieser Interessen aber nur möglich war und ist, weil wir insgesamt einer Fülle von Denkfehlern, Mythen und Legenden aufsitzen.
Im Kern des Buches werden 40 dieser Denkfehler, Mythen und Legenden analysiert. Sie bestimmen den Alltag unserer öffentlichen Debatte.
Anders als die vielen Bücher, die in den letzten Monaten zum gleichen Thema erschienen sind1, ist dieses Buch nicht auf dramatisierende Schwarzmalerei angewiesen. Es ist konstruktiv und optimistisch. Es widerlegt zum Beispiel die Untergangsvorstellungen zur demographischen Entwicklung, zu den Wachstumschancen, zur mangelnden Wettbewerbsfähigkeit, zur angeblichen Erosion des Normalarbeitsverhältnisses u.a.m und beschreibt die Sozialstaatlichkeit als eine moderne und erhaltenswerte Regel unseres Zusammenlebens.

Der rote Faden:
»Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten –, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.« George Orwell, 1984

Der Spruch zum Buch:
»Wäre es nicht an der Zeit, nach fünfzig erfolgreichen Jahren Bundesrepublik die Strukturen neu zu entwerfen?«
Josef Ackermann, Vorstandssprecher der Deutschen Bank


Die Liste der 40 analysierten Denkfehler, Mythen und Legenden

A. Vier Mythen, die neuen Herausforderungen betreffend
1.»Alles ist neu.«
2.»Die Globalisierung ist ein neues Phänomen.«
3.»Wir brauchen die permanente Reform.«
4.»Wir leben in einer Wissensgesellschaft! Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft!«

B. Drei Mythen, die demographische Frage betreffend
5.»Wir werden immer weniger!«
6.»Wir werden immer älter. Der Generationenvertrag trägt nicht mehr.«
7.»Jetzt hilft nur noch private Vorsorge.«

C. Zwölf Mythen, die Themen Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung betreffend
8. »Wachstum bringt es nicht.«
9.»Die Produktivität ist zu hoch.«
10.»Die Zeiten, als man aus dem Vollen schöpfen konnte, sind vorbei.«
11.»Wir leben über unsere Verhältnisse.«
12.»Ganze Branchen brechen weg.«
13.»Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig.«
14.»Wachstum ist auch ökologisch nicht vertretbar.«
15.»Konjunkturprogramme sind Strohfeuer.«
16.»Wir sind national nicht mehr handlungsfähig.«
17.»Wir leben vom Export.«
18.»Inflation ist unsozial.«
19.»Steigende Aktienkurse sind gut.«

D. Zehn Mythen, die Löhne und den Arbeitsmarkt betreffend
20.»Wir können nur das verteilen, was wir vorher erwirtschaftet haben.«
21.»Arbeit muss billiger werden!«
22.»Die Lohnnebenkosten sind zu hoch.«
23.»Die Beiträge für die Rentenversicherung dürfen nicht über 20Prozent steigen.«
24.»Der Arbeitsmarkt ist zu unflexibel.«
25.»Wir müssen länger arbeiten.«
26.»Wir sind ein Gewerkschaftsstaat.«
27.»Das Normalarbeitsverhältnis – ein Auslaufmodell.«
28.»Wir brauchen mehr Selbständige.«
29.»Wir brauchen wieder eine Elite.«

E. Elf Mythen, den Komplex Schulden, Staatsquote und Sozialstaat betreffend
30.»Wir sind überschuldet.«
31.»Wer spart, baut Schulden ab.«
32.»Mehr Eigenverantwortung, weniger Sozialstaat.«
33.»Sozial ist, was Arbeit schafft.«
34.»Leistung muss sich wieder lohnen.«
35.»Steuersenkungen schaffen Investitionen und Arbeitsplätze.«
36.»Der Staat ist zu fett geworden.«
37.»Deregulierung und Privatisierung sind angesagt.«
38.»Subventionen sind unsozial.«
39.»Wir setzen auf die Zivilgesellschaft.«
40.»Die Kosten der deutschen Einheit – ausgeblendet!«

Das Vorwort:

Dieses Buch ist in gewissem Sinn eine Auftragsarbeit. Es ist auf Anregung von Freunden geschrieben worden, die sich der herrschenden öffentlichen Debatte gegenüber hilflos fühlen. Sie sind einem wahren Bombardement von Publikationen ausgesetzt – von Meinhard Miegel und Oswald Metzger, von Hans-Werner Sinn und Gabor Steingart, von Arnulf Baring und Frank Schirrmacher und vielen anderen. Immer wieder lesen und hören sie, wie schlecht es uns geht und dass wir Reformen brauchen. Viele meiner Freunde sind beeindruckt davon, als wie dramatisch unsere Lage geschildert wird. Zugleich spüren sie aber, dass daran irgend etwas nicht stimmt. Sie haben ein offenes Ohr für das Wort »Reform«. »Reformpolitik«, das hört sich gut an. Aber der ökonomische Erfolg bleibt bislang aus, das Land taumelt von einer Reform zur nächsten und versinkt zusehends in Orientierungslosigkeit und Depression.

Diese Erfolglosigkeit ist um so bemerkenswerter als die Meinungsführer im Lande nahezu einhellig dieselben Rezepte propagieren. Ökonomisch nicht besonders vorgebildete Politiker, auch Intellektuelle und sogenannte Experten, Journalisten und die erwähnten Autoren verordnen dem Land tiefgreifende Strukturreformen, also den Abbau und den Umbau des Sozialstaates in einem Ton, als hätten ihre Konzepte sich längst als die einzig richtigen und wahren erwiesen. Dass ein Teil der Wissenschaft und ein Teil der Wirtschaftsverbände diese Reformen für richtig halten, ist ihr gutes Recht. Doch gehört zu einer wirklichen Debatte nicht der Austausch konträrer Meinungen? Kann es wirklich sein, dass in der Wirtschaftspolitik gilt, was es auf keinem anderen Politikfeld gibt: die eine, seligmachende Erkenntnis? Kann es wirklich sein, dass das, was so lange Jahre funktionierte, nämlich die soziale Marktwirtschaft bundesdeutscher Prägung, von heute auf morgen obsolet ist? Machen die Vorschläge zur Erneuerung unseres Gesellschaftssystems wirtschaftlich überhaupt Sinn? Und wie kann der »normale Bürger«, der nicht Ökonomie studiert hat, nachprüfen, ob die Argumente, die in der Debatte verwendet werden, auch wirklich stimmen?

Alternativen werden kaum angeboten, es sei denn, man studiert auch kleinere Publikationen, die abseits des Mainstreams liegen. Hier setzt mein Buch an. Es soll all jenen Fakten und Argumentationshilfen geben, die das Gefühl haben, dass die eingeschlagene Linie nicht stimmen kann, und die nicht Spielball derer sein wollen, die in der Öffentlichkeit das große Wort führen. Nicht nur sogenannte Linke oder Gewerkschafter oder sozial Engagierte, auch Konservative und rational denkende Unternehmer tun sich mit dem niedrigen Niveau und der Einseitigkeit der öffentlichen Debatte schwer. Für sie ist dieses Buch.


Die gängige Reformpolitik leidet nicht nur unter einem Defizit an Gerechtigkeit. Genauso schlimm ist ihre Unwirksamkeit. In Deutschland wird seit gut zwanzig Jahren auf neoliberale Weise reformiert. Ohne nachhaltigen Erfolg. Die wirtschaftliche Lage wurde immer kritischer. Dass die neoliberale Bewegung dennoch die Herrschaft über das Denken erreicht und behalten hat, ist eine strategische Meisterleistung. Wer verstehen will, warum bei uns parteiübergreifend Reformen gefordert und gemacht werden, die nichts bringen, muss diese Strategien durchschauen lernen. Darum analysiere ich auch die Methoden und Hintergründe dieser gekonnten Meinungsprägung.

Seit Beginn meiner beruflichen Tätigkeit als junger Nationalökonom an der Münchner Universität und dann später als Mitarbeiter von Karl Schiller, Willy Brandt und Helmut Schmidt beschäftigt und fasziniert mich dieser Fragenkomplex: der Zusammenhang zwischen öffentlicher Meinung und der Qualität politischer Entscheidungen. Wie kommen wir zu guten, erfolgversprechenden und zukunftsweisenden politischen Entscheidungen? Welche Rolle spielen dabei die öffentliche Meinung und die Medien? Wer prägt die öffentliche Meinung, und wie geschieht das? Werden wir manipuliert, und wie können wir uns gegebenenfalls dagegen wappnen? Als mich der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) 1968 als Ghostwriter nach Bonn holte, hatte er zusammen mit dem damaligen Finanzminister Franz-Josef Strauß (CSU) die erste Wirtschaftsrezession der Bundesrepublik gerade erfolgreich überwunden. Mit Konjunkturprogrammen und vor allem mit Stimmungsmache. Plisch und Plum, wie Schiller und Strauß liebevoll spottend genannt wurden, hatten mit Parolen wie »Die Richtung stimmt« und »Die Pferde müssen wieder saufen« und mit unendlich vielen, Optimismus verbreitenden Zahlen die öffentliche Meinung und vor allem die Unternehmer davon überzeugt, dass es aufwärts geht. Innerhalb von zwei Jahren war die Rezession überwunden.

Wer das erlebt hat oder im Rückblick erfährt, muss sich im Hinblick auf heute fragen: Warum machen wir’s nicht wieder so? Was ist anders? Wie kommt es zu der fast schon hysterisch pessimistischen Stimmung, die uns heute zu schaffen macht? Woran scheitern die zaghaften Versuche der Bundesregierung, gegen Mutlosigkeit und Schwarzmalerei anzugehen? Ist die nun schon seit Anfang der neunziger Jahre währende Unfähigkeit, die Kapazitäten unserer Volkswirtschaft voll zu nutzen und genügend Arbeitsplätze zu schaffen, sachlich bedingt oder ist sie eher die Folge einer irregeleiteten Meinungsbildung und Entscheidungsfindung? Willy Brandt, mit dem ich ab 1970 als sein Wahlkampfmanager und später als Planungschef im Bundeskanzleramt arbeitete, war in seinen guten Zeiten ein Meister darin, die Öffentlichkeit von der Richtigkeit einer politischen Entscheidung zu überzeugen. Beispielsweise kämpfte er die Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze auch gegen eine zunächst widerstrebende und skeptische Öffentlichkeit durch. Hätte er sich dem Mainstream angepasst, hätten wir noch lange auf das Ende der Ost-West-Konfrontation warten müssen. Auch zu seiner Zeit haben große Interessen immer wieder versucht, über die Beeinflussung der öffentlichen Meinung Einfluss auf die Politik zunehmen. Meist ist es Brandt gelungen, diese Versuche abzuwehren, beispielhaft im Wahljahr 1972. Warum ist das heute soviel anders? Warum bestimmen heute die Interessen der Topeliten so sehr die öffentliche Debatte und damit auch weitgehend die politischen Entscheidungen?

Zu Willy Brandts Zeiten spielte der Begriff »Reformen« ebenfalls eine zentrale Rolle. Reformen waren damals aber in der Regel Veränderungen zu Gunsten breiter Kreise der Bevölkerung. Ganz anders in unserer Zeit. Heute gehen sie vor allem zu Lasten der mittleren und unteren Einkommen. Ist dieser politische und semantische Wandel sachlich bedingt?
Helmut Schmidt, für den ich ab 1974 als Planungschef im Bundeskanzleramt tätig war, führte 1976 den Begriff »Modell Deutschland« in die öffentliche Debatte ein. Das war eine gedankliche Klammer für unsere auf Dialog und Verständigung setzende Rolle in der Welt einerseits und die soziale Prägung unseres Landes und seinen wirtschaftlichen Erfolg andererseits. Soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und sozialer Friede seien wichtige Bedingungen für das wirtschaftliche Wohlergehen, lautete einer der zentralen Gedanken. Damals war es möglich, Mehrheiten für diesen Gedanken zu gewinnen. Es war auch möglich, wenigstens größere Teile der Eliten und der Meinungsführer in den Medien und in der Wissenschaft, in der Wirtschaft und im Bürgertum dafür zu erwärmen, dass auch die Bessergestellten es besser haben in einem Land, in dem es einigermaßen gerecht zugeht.

Wie kommt es, dass dies heute ganz anders gesehen wird? Ist das Einsicht? Ist es das Ergebnis von Propaganda und Manipulation? Muss das »Modell Deutschland« Vergangenheit sein? Wie spielen hier Meinungsmache und Sachzwang zusammen? Welche Rolle spielen Interessen?

Sozialstaatlichkeit und soziale Sicherheit waren integrale Bestandteile dieses Gesellschaftsmodells. Die Mehrheit der Menschen sieht das auch heute noch so. Das Grundgesetz will es nach wie vor so. Wie kommt es, dass das Wort »Sozialstaat« bei den Meinungsführern dennoch einen so schlechten Klang bekommen hat? Wie ist es möglich, dass die übliche Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen über Beiträge, dass die Lohnnebenkosten eine so überaus negativ besetzte Karriere in der politischen Debatte machen konnten? Was an dieser Entwicklung ist sachlich bedingt? Was ist die Folge von Öffentlichkeitsarbeit, von Manipulation oder sogar von »Brainwashing«?

Mitte der siebziger Jahre hatten wir schon einmal eine öffentliche Diskussion um das sogenannte demographische Problem; vom »sterbenden Volk« war die Rede; einige Demographen und der Innenminister empfahlen eine Geburtenprämie von 2000 DM. Der damalige Bundeskanzler hat anders reagiert als der heutige. Helmut Schmidt machte sich damals Sorgen um die weltweite Bevölkerungsexplosion, er empfahl anderen Regierungen eine Politik zur Geburtenkontrolle und kritisierte den Papst, weil die katholische Kirche in ihrem Einflussbereich die notwendige Geburtenkontrolle so sehr erschwerte. In Anbetracht dieses Versuchs der deutschen Regierung, für Geburtenkontrolle bei anderen zu werben, hielt er es für unglaubwürdig und nicht möglich, zu Hause eine aktive Geburtenpolitik zu betreiben. Deshalb dämpfte und beruhigte er die öffentliche Debatte.

Heute reagieren die Meinungsführer und die Bundesregierung ganz anders. Die Diskussion um das demographische Probleme verläuft ausgesprochen emotional. Die zuständige Ministerin setzt sich mit der Gründung einer Aktionsgemeinschaft an die Spitze einer aktiven Bevölkerungspolitik. Wie kommt es zu dieser so anderen politischen Reaktion? Welche Rolle spielt die öffentliche Debatte und wer speist sie? Ist diese Reaktion sachlich bedingt oder von Interessen bestimmt? Sind die so vehement verbreiteten Sorgen überhaupt berechtigt? Ist die heute gängige Behauptung, das sogenannte demographische Problem zwinge zu tiefgreifenden Strukturreformen, die sozialen Sicherungssysteme seien so nicht mehr haltbar, sachlich begründet oder ist sie ein Propagandatrick?

Wenn ich an einige frühere Vorgänge erinnere, will ich nun partout nicht den Eindruck erwecken, früher sei alles besser gewesen. Ich will damit lediglich bewusst machen, wie sehr heute politische Entscheidungen von der öffentlichen Meinung abhängen, und wie sehr deshalb auch die Qualität der politischen Entscheidungen von der Qualität der Meinungsbildung bestimmt wird. Diese Meinungs- und Willensbildung wird heute in starkem Maße von den Medien geprägt.
Um die Qualität der Meinungsbildung ist es aus verschiedenen Gründen nicht zum besten bestellt. Sie leidet unter dem Zugriff großer Interessen. Wer politisch etwas erreichen will, versucht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und notfalls auch zu manipulieren. Ein Indiz dafür ist, dass jener Wirtschaftszweig, der dabei hilft, beachtlich expandiert: Public Relations. Die Qualität der Meinungsbildung leidet weiter darunter, dass es den Zielpersonen der Meinungsbeeinflussung – uns allen – zunehmend an Durchblick mangelt. Die allgemeine öffentliche Debatte verlagert sich nämlich zusehends in den Bereich der Ökonomie. Vielen Menschen sind wirtschaftspolitische Zusammenhänge fremd, und sie sind unsicher, was man ihnen nicht verdenken kann. Da sie sich aber verständlicherweise trotzdem ein Urteil bilden wollen, werden sie leicht zum Opfer von Interessen und von weitverbreiteten Klischees und Denkfehlern.

Im November 1999 habe ich für das Kritische Tagebuch – eine Sendereihe des Westdeutschen Rundfunks – fünf der gängigen Behauptungen über die Ursachen unserer wirtschaftlichen Probleme analysiert, und dabei beschrieben, welche Vorurteile und Denkfehler diesen Behauptungen zugrunde liegen. Im Gespräch mit Freunden ist daraus eine lange Liste geworden. Sie wollten von mir, dem Nationalökonomen, wissen: Kommen wir wieder runter von den Milliardenschulden des Staates? Sind wir national noch handlungsfähig? Ist der Bedarf nicht schon lange gesättigt? Haben die Gewerkschaften nicht viel zuviel Macht? Wie werden wir mit der sinkenden Geburtenrate fertig und können wir das Problem der Überalterung überhaupt noch lösen? Und stimmt es oder stimmt es nicht, wenn gesagt wird, die Globalisierung sei eine neue Herausforderung, Konjunkturprogramme wirkten nicht, wir lebten über unsere Verhältnisse, der Staat sei zu »fett«, die Lohnnebenkosten seien unser Schicksal? Und so weiter und so fort.

Die 40 verbreitetsten Denkfehler und Vorurteile, Lügen und Legenden sind in Teil II dieses Buch skizziert und analysiert. Da ich nicht annehme, dass sich jeder Leser mit allen Vorurteilen, die die öffentliche Debatte prägen, gleichermaßen auseinandersetzen will, ist dieser Teil so aufgebaut, dass Sie ihn wie ein Nachschlagewerk benutzen können. Hier finden Sie auch Daten und Analysen wirtschaftlicher Zusammenhänge, mit deren Hilfe Sie die gängigsten Legenden als solche enttarnen können; zugleich finden Sie hier Argumente, um in der Diskussion um Reformen und den richtigen Weg in die Zukunft zu bestehen. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass dieses Buch einen Beitrag zu einer rationaleren öffentlichen Debatte leistet, indem es Anstöße für kritisches Fragen gibt. Ich will nicht die Indoktrination der einen Seite durch eine andere ersetzen. Ich will dazu ermuntern, sich selbst ein Bild zu machen und hinter die Kulissen der Meinungsbildung zu schauen.

Die Reformer haben ein Handicap. Um den angeblichen Reformstau als glaubwürdig erscheinen zu lassen, müssen sie unser Land in schwarzen Farben malen, und sie tun das mittels einer Fülle von dramatisierenden Veröffentlichungen. Der Sinn dieser Schwarzmalerei wird jedoch inzwischen von vielen Menschen hinterfragt. Dem entspricht die Grundlinie dieses Buches. Es ist optimistisch und konstruktiv und widerspricht der destruktiven Grundeinstellung der heute führenden Eliten.


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