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Titel: Friedensdemo – Und wie jämmerlich die Medien reagieren

Datum: 27. Februar 2023 um 9:11 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen
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Am Wochenende haben zahlreiche Menschen gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung demonstriert. Bereits vor der Kundgebung schlug diesen Bürgern vonseiten zahlreicher großer Medien viel Feindschaft entgegen – diese Tendenz ist ungebrochen. Hier stellen wir einige besonders fragwürdige journalistische Reaktionen auf die Kundgebung in Berlin vor. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Masse an unseriösen Berichten und Kommentaren zur Friedensdemo vom Samstag in Berlin ist überwältigend – hier kann nur eine subjektive Auswahl angesprochen werden.

In vielen Berichten wird versucht, die Teilnehmerzahl der Friedensdemo vom Samstag in Berlin kleinzuschreiben: Angeblich hätten sich nur 13.000 Bürger im Schneeregen vorm Brandenburger Tor versammelt. Nach Darstellung der Berliner Zeitung war es ein Vielfaches, nämlich fast 50.000 Teilnehmer. In dem Medium findet sich auch ein Kommentar von Alexander King, einem Mitinitiator der Kundgebung. Viele große Medien argumentieren aber mit der geringeren Teilnehmerzahl wie die „Zeit“ unter dem Titel „Scheinriesinnen“.

Beim Versuch, die Demo im Vorfeld zu diskreditieren, war die „Warnung“ vor rechtsextremen Teilnehmern ein zentrales Element. Darum ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass „die Polizei nach Angaben eines Sprechers keine Kenntnisse von rechtsextremen Teilnehmern vor Ort“ hat, wie Medien berichten. Von vielen Medien wurde diese Feststellung aber ignoriert, um am selber konstruierten Bild der „Querfront“ festhalten zu können.

Einen besonders infamen Beitrag hat Markus Decker für das sogenannte „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) verfasst – unter dem Titel „Warum Sahra Wagenknecht eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ist“ behauptet er zur Person Sahra Wagenknecht:

„Es wäre jedenfalls naiv zu glauben, es ginge der selbst ernannten Friedensfreundin um Frieden. Nein, Wagenknecht, die die Grenzen zwischen Diktatur und Demokratie nicht erst seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine systematisch verwischt, geht es nicht um Frieden. Es geht ihr um die Zerstörung der Demokratie. Wagenknecht ist ihre in Deutschland wohl einflussreichste Feindin.“

Erschwerend kommt im Fall RND hinzu, dass diese Artikel teils von zahlreichen weiteren Medien übernommen und nachgedruckt werden.

Eine echte Falschbehauptung ist im Artikel „Denn sie wissen, was sie tun“ bei T-Online zu finden. Dort behauptet der Autor Tobias Eßer in einem auch an anderen Stellen höchst fragwürdigen Artikel einfach mal:

„Von dem postulierten Frieden war auf der Kundgebung allerdings wenig bis gar nichts zu spüren. Stattdessen dominierten russische Fahnen, Armeejacken mit russischen Hoheitszeichen und Rechtsextreme das Bild.“

Bei der heutigen Presseschau des Deutschlandfunks ist die Feindschaft gegen die Friedensdemo in fast allen zitierten Artikeln dominant. Beispielsweise die „Mitteldeutsche Zeitung“ ignoriert wie andere Medien den Befund der Polizei, die keine rechtsextreme Schlagseite feststellen konnte, und behauptet:

„Bei Sahra Wagenknechts ‚Friedenskundgebung‘ in Berlin standen sie Seit an Seit: friedensbewegte Linke, AfD-Politiker und rechtsextreme Putin-Propagandisten. Die Abgeordnete sieht die Protestaktion als Beginn einer neuen Friedensbewegung. Nichts daran ist neu. Schon 2014 ging eine ‚neue Friedensbewegung‘ auf die Straße, die sich gegen einen Westkurs der Ukraine und die NATO stellte – und stattdessen an die Seite Putins. Neu war da nur der offene Schulterschluss linker Politiker und Bewegungen mit rechten Verschwörungsideologen und Rechtsextremen auf der Straße.“

Ein „Spiegel-Gespräch, das nie erschien“ bezüglich der Friedensdemo hat „Emma“ unter diesem Link veröffentlicht. Eine Sammlung an „männlichem Hass auf weibliche Friedensbemühungen“ hat „Makroskop“ anlässlich der Berichterstattung über Wagenknecht und Schwarzer in diesem Artikel zusammengestellt:

„Florian Harms schreibt in t-online über „Profilneurose“, „Wolkenkuckucksheim“, „wohlfeiler Populismus“ und findet, das sei „kaum noch zu ertragen“. Henryk M. Broder nennt in der Welt den Anstoß „Zynismus“. Malte Lehming entrüstet sich im Tagesspiegel über „moralische Verkommenheit.“ In ähnlicher Weise sieht Carsten Fiedler im Kölner Stadtanzeiger das „Ende von Recht und Moral“. Martin Knobbe diagnostiziert im Spiegel „Überheblichkeit“ und Roland Nebbes findet ebenfalls im Spiegel, das Manifest lese sich „als wäre es vom Pressesprecher des Kremls persönlich verfasst worden“. Gabor Steingart wittert im Focus in schönster Analogie zum Weltkrieg I den „Dolchstoß“ und das auch noch „vom deutschen Sofa“ aus. Reinhard Feser sieht in der FAZ nur eine „Propaganda-Hilfe für Putin“. Bei Maischberger nennt ein Carlo Masala den Aufruf zu Friedensverhandlungen „Ausdruck eines übelsten Nationalpazifismus“. Jan Feddersen bezeichnet in der taz die Initiatorinnen ebenfalls als „amoralisch“ und findet, prominente Unterstützer wie die Theologin Margot Käßmann oder der Ungleichheitsforscher Christoph Butterwegge „hatten in puncto ‚noch ganz bei Trost‘ schon zuvor nicht mehr alles beisammen“. Der Politologe Herfried Münkler nutzt im Kölner Stadtanzeiger die ganze Klaviatur der Diffamierung: „gewissenlos“, „verlogen“, „Komplizenschaft mit dem Aggressor“. „kenntnisloses Dahergerede“.

Die Diffamierung des wichtigen Vorstoßes von Wagenknecht und Schwarzer im Vorfeld der Demo haben die NachDenkSeiten in vielen Artikeln beschrieben.

Dieser Artikel ist nur eine erste und subjektive Darstellung des Presseechos auf die Friedensdemo – unsere Leser haben sicher noch weitere Beispiele für diese Art der Berichterstattung entdeckt.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Kastoluza / Shutterstock


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