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Titel: Bodo Ramelow im Interview mit der FAZ: „Putin hat vollzogen, was Hitler nicht geschafft hat“

Datum: 4. April 2023 um 14:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Strategien der Meinungsmache
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Die FAZ lädt den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (DIE LINKE) zum Interview und der, mutmaßlich gebauchpinselt von den Gefälligkeitsfragen der Postille aus Frankfurt am Main, lässt alle sprachlichen Hemmungen fallen. Seine Darlegungen geraten zu einem, wohl unfreiwilligen, Offenbarungseid. Eine Melange aus grenzenloser Eitelkeit und Geschichtsrevisionismus: Nur er habe den Durchblick, Wagenknecht sei eine „Selbstgerechte“, die seinen Argumenten nichts entgegenzusetzen habe, Putin mindestens so schlimm wie Hitler und die Ostdeutschen seien irgendwie gerade plemplem, romantisieren Russland und können „historisch nicht mehr einordnen“. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Mein Bezugspunkt ist zum Beispiel ganz konkret der ermordete Boris Romantschenko. Der Mann hat in Buchenwald die Nazis überlebt und kam dann als sowjetischer Soldat in die DDR. Als Rentner in der Ukraine ist er jetzt durch eine russische Fliegerbombe getötet worden. Da sage ich: Was Hitler nicht geschafft hat, hat Putin jetzt vollzogen.“

Putin schlimmer als Hitler?

Bodo Ramelow mag über alle Maßen eitel sein, aber dumm ist er eigentlich nicht. Wie kommt so jemand dazu, gleich zu Beginn von einem Interview so einen Satz rauszuhauen? Und dann noch im Kontext eines von der Wehrmacht zur Zwangsarbeit verschleppten sowjetischen Jungen? Er ist Politprofi genug, um zu wissen, was für Sätze er der FAZ liefern muss, damit diese in die Headline gelangen. Das heißt, der von ihm formulierte Satz, „Was Hitler nicht geschafft hat, hat Putin jetzt vollzogen“, ist mutmaßlich bewusst gewählt und kein Betriebsunfall.

Und diese Aussage ist mit ihrer Implikation ungeheuerlich. Er setzt nicht nur den NS-Vernichtungsfeldzug mit weit über 20 Millionen getöteten Sowjetbürgern mit den kriegerischen Handlungen des heutigen Russlands gleich, sondern impliziert durch seine Wortwahl, dass Putin in der Endkonsequenz sogar schlimmer sei als Hitler. Denn Putin vollende Hitler, so die Ramelow’sche Logik, weil Romantschenko, den die Nazis 1943 in ein KZ gesteckt haben, bei einem russischen Luftangriff auf Charkow ums Leben kam. Mehr Geschichtsrevisionismus und Relativierung des NS-Regimes gehen eigentlich nicht. Strack-Zimmermann, Hofreiter und Konsorten schauen wohl gerade voll Neid auf diese sprachliche Eskalationsleistung.

Wagenknecht, die Selbstgerechte“

Nachdem er Putin als den schlimmeren Hitler charakterisiert hat, wendet er sich mit folgenden Sätzen Sahra Wagenknecht zu:

„Das Problem ist, Frau Wagenknecht ist nicht willens, meine Argumente in der Sache auszuhalten, aber sie verlangt von mir, dass ich ihre unwidersprochen hinnehme. Das passt nicht zusammen. Das ist mir besonders bitter aufgestoßen, als ich letztes Jahr als Bundesratspräsident zu Besuch in Warschau im Senat war. Zeitgleich redete sie im Bundestag darüber, dass man irgendwie mit Putin klarkommen müsse . . .“

Wieviel (verletzte) Eitelkeit und Selbstüberschätzung aus diesen wenigen Sätzen quillt! Doch es wird noch besser. Der Thüringer Ministerpräsident gibt dann Wagenknecht die Schuld, dass ihn der „polnische Senat gegrillt“ habe, weil die LINKEN-Politikerin zuvor der Bundesregierung vorgeworfen hätte, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland „vom Zaun zu brechen“. Und angesichts des historischen Hintergrunds, so Ramelow weiter, „können wir doch nicht heute sagen, wir machen mit Putin einen Sonderfrieden“. Er hätte daher „Frau Wagenknecht in Warschau klar widersprochen, was wiederum dazu geführt hat, dass sie sich in ihrem Podcast über mich lustig gemacht hat. Da steige ich nicht drauf ein.“

Das „nicht drauf einsteigen“ sieht dann übrigens einen Absatz später so aus:

„Die innerparteiliche Debatte um Frau Wagenknecht führt dazu, dass wir über unsere politischen und gesellschaftlichen Positionen überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden. Ich würde mir wünschen, die Bundestagsfraktion hätte die Kraft, Frau Wagenknecht genauso mit Aufgaben zu betrauen wie alle anderen Abgeordneten auch, also Ausschussarbeit und Sacharbeit. Wer über die eigene Partei ein Buch schreibt mit dem Titel „Die Selbstgerechten“ und dafür 720.000 Euro Honorar kassiert, statt die Auseinandersetzung innerhalb der Partei zu führen, hätte das Buch besser „Ich, die Selbstgerechte“ genannt.“

Abschließend erklärt er zur Causa Wagenknecht:

„Frau Wagenknecht versucht, auf Kosten der Bundespartei prominent zu bleiben, möglicherweise um gute Startbedingungen für ein anderes Projekt zu haben. Ich glaube nicht, dass es für sie reichen würde, aber uns würde es schwächen. Am Ende wird eine Chance vertan sein, Veränderungen von links anzustoßen.“

Nach Putin und Wagenknecht nimmt er sich dann, wohlgemerkt als amtierender Ministerpräsident von Thüringen, die Ostdeutschen zur Brust. Diese hätten ein „romantisiertes“ Verhältnis zu Russland und seien nicht in der Lage, korrekte „politisch-historische Einordnungen“ vorzunehmen. Behauptet ausgerechnet derjenige, der zuvor mit seiner Putin-Hitler-Gleichsetzung massiven Geschichtsrevisionismus betrieben hat. Anschließend betont er nochmals, dass man den „russischen Angriffskrieg“ klar benennen müsse. Viele Ostdeutsche würden aber sagen: „Das ist mir alles zu kompliziert.“

Ramelow wird dann gefragt, ob er mit dieser Haltung, die vor allem in Ostdeutschland auf Vorbehalte träfe, sich nicht den Wahlkampf erschwere. Seine Antwort:

„Ich werde niemandem nach dem Mund reden. Ich merke natürlich schon, dass aus der Diskussion um die Ukraine eine Ost-West-Debatte geworden ist. Da werde ich dann auf einmal wieder als Wessi tituliert. Sonst bin ich stets der Ehren-Ossi.“

Da ist sie wieder. Die verletzte Eitelkeit des Bodo R. Den Ostdeutschen öffentlich vorwerfen, sie würden romantisieren, viele Dinge erschienen ihnen als zu kompliziert und sie seien nicht in der Lage, „politisch-historische Einordnungen“ vorzunehmen – und dann wundern, wenn man (wieder) als Wessi-Import angesehen wird, der sich anmaßt, die Ossis zu belehren. Ob Ramelow wirklich vorhat, erneut Ministerpräsident des Freistaats Thüringen zu werden? Zumindest seine Aussagen im FAZ-Interview klingen beinahe nach bewusster Selbstsabotage qua Wählerbeleidung. Vor diesem Hintergrund gibt es eine wunderschön doppeldeutige Aussage von ihm in dem Interview:

„Ich kann nur mit einer Partei in den Wahlkampf gehen, die meine Aussagen nicht als Betriebsunfall ansieht, sondern die sagt, wir verstehen und akzeptieren das.“

Titelbild: Screenshot: faz.de


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