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Titel: Sie unterwarf Deutschland den USA, erneut und global

Datum: 20. April 2023 um 12:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Wertedebatte
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Nach Adenauer und Kohl: Höchstes Bundesverdienstkreuz für Angela Merkel. Nach dem Gründungskanzler des Separatstaats BRD, Konrad Adenauer, und dem Wiedervereinigungskanzler, Helmut Kohl, hat nun Angela Merkel die höchste Auszeichnung des deutschen Staates verliehen bekommen: Großkreuz des Verdienstordens. Nur CDU-Kanzler werden so geehrt. Sozialdemokratische Kanzler wie Willy Brandt gelten als Abweichler: Sie dürfen nicht geehrt werden. Von Werner Rügemer.

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Beitrag zum „nationalen Interesse der USA“

Den wichtigeren Preis hat die von 2005 bis 2021 amtierende deutsche Dauerkanzlerin und CDU-Vorsitzende ein paar Jahre früher bekommen: 2011 verlieh ihr der US-Präsident Barack Obama in Washington die Presidential Medal of Freedom. Diesen US-Freiheitsorden bekommen Männer, auch mal Frauen für ihren Beitrag „zur Sicherheit und für das nationale Interesse der USA“ – also nicht für den Beitrag zur Sicherheit und für das nationale Interesse etwa Deutschlands oder Europas.

Merkel hatte sich unter anderem dadurch ausgezeichnet, dass sie 2002 bedingungslos und leidenschaftlich für den Krieg der USA unter Präsident George W. Bush gegen den Irak eintrat. Der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler Schröder/SPD und der Außenminister Joseph Fischer/Grüne glaubten nicht an das US-Fake, der irakische Präsident Hussein verfüge über Massenvernichtungsmittel und sei bereit, sie einzusetzen, auch gegen Israel. Schröder verweigerte für Deutschland die direkte Teilnahme am Krieg.

Mit Jesus für den US-Krieg im Irak

Dagegen hetzte Merkel als CDU-Fraktionschefin am 13. September 2002 im Bundestag gegen Schröder: „Sie haben das internationale Vertrauen in Deutschland zerstört… Sie spielen mit den Ängsten und Gefühlen der Menschen… Dieser Alleingang schadet der Exportnation Deutschland… Deutschland als größtes Land in Europa hat eine Verantwortung.“

Den Lügner Bush lobte Merkel dagegen mit Bezug auf die Bergpredigt Jesu’ als den eigentlichen „Friedensstifter“, so abstrus das auch war. Aber die unternehmerfinanzierten Parteien CDU und FDP klatschten frenetisch Beifall.

Im November 2005 wurde sie Bundeskanzlerin, und schon am 13. Januar 2006 machte sie in Washington ihre Aufwartung bei Bush und unterstützte den Irakkrieg. Dass dieser Krieg mit Lügen begründet worden war – das war der christlichen Bergpredigerin auch später keiner Rede wert; genauso wenig wie die Verwüstungen, Toten und failed states in Afghanistan und anderen US-angeführten Kriegen.

Brzezinski: Schäuble und Kohl müssen weg!

Der führende Präsidenten-Berater in den USA, Zbigniew Brzezinski, hatte nach dem Ende des Sozialismus die neue Phase der US-Globalstrategie 1997 öffentlich begründet:

„Eurasien ist der größte Kontinent der Erde und geopolitisch axial. Er erstreckt sich von Lissabon bis Wladiwostok. Vor allen Dingen ist Europa Amerikas unverzichtbarer geopolitischer Brückenkopf auf dem eurasischen Kontinent… (deshalb) erweitert sich mit jeder Ausdehnung des europäischen Geltungsbereichs auch die direkte Einflußsphäre der Vereinigten Staaten.“

Und für die Beherrschung Eurasiens von Lissabon bis Wladiwostok sei die Ukraine der Schlüsselstaat. Allerdings, so Brzezinski, schwäche sich Europa durch seine ausufernde Sozialpolitik, „ein extrem belastendes Sozialsystem, das die Wirtschaftskraft schwächt… Sich selbst überlassen, laufen die Europäer Gefahr, von ihren sozialen Problemen völlig vereinnahmt zu werden.“ Das müssen die USA ändern, so Brzezinski.

Und vor allem müsse noch etwas geändert werden: Mit dem gegenwärtigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Schäuble und dem CDU-Bundeskanzler Kohl sei Deutschland ein „geopolitisches Niemandsland“: Mit ihnen sei Deutschland nicht länger „das westliche Bollwerk gegen den Osten“, sondern eine mitteleuropäische Ordnungsmacht, die sich gleichermaßen gegenüber dem Osten und dem Westen ausrichte. So „verlöre Europa seine Funktion als eurasischer Brückenkopf für die amerikanische Macht“ und dessen „Ausdehnung in den eurasischen Kontinent hinein“. Deshalb, so Brzezinskis Schlussfolgerung, „bedarf es eines massiven Impulses von Seiten der USA.“[1]

Irgendwie kam der „Impuls“ – von mehreren bekannten und unbekannten Mittätern. Zum Beispiel gab die „Zeitung für Deutschland“, der direkteste leitmediale US-Lobbyist aus Frankfurt, der aufstrebenden, ihre FDJ-Sekretär-Jugendsünde abbüßenden Angela Merkel prominenten Platz für die Kritik am bestechlichen Kohl, und der bestechliche Schäuble war mitgemeint. Ansonsten nahm es die FAZ mit der unternehmerischen Dauer-Korruption dieser Parteien nicht so ernst. Aber jetzt passte es. Merkel wurde CDU-Vorsitzende, dann CDU-Fraktionsvorsitzende, dann CDU-Bundeskanzlerin.

AFRICOM: US-Drohnentötungen aus Deutschland

Seit Beginn der 2000er-Jahre intensivieren die USA unter der Flagge des Anti-Terrorismus ihre militärischen Aktivitäten in Afrika. Sie bauten ein paar Dutzend formelle und informelle Militärstützpunkte auf. Auch die Logistik des US-Militärs wie für den Irakkrieg gehörte dazu.

Die USA wollten dafür eine oberste Kommandozentrale in Afrika einrichten. US-Präsident Bush trieb das Projekt voran, aber alle 56 Staaten Afrikas lehnten ab. Bush suchte nach einem Ausweg: Welcher NATO-Staat könnte die Kommandozentrale beherbergen? Alle Regierungen lehnten ab – bis auf eine.

Die Bush-Unterstützerin Merkel kam zu Hilfe, im Interesse der nationalen Sicherheit der USA. 2008 wurde das United States Africa Command (AFRICOM) in Deutschland eingerichtet, in Stuttgart-Möhringen. Auch US-Militärstützpunkte in Italien und Deutschland sind einbezogen.

Dieser Standort in Deutschland galt noch als provisorisch – der afrikanische Staat Liberia bewarb sich. Aber der war dem großen Bruder doch zu klein und unsicher. 2013 entschied der Bush-Nachfolger, der freundlich grinsende Obama, der kurz vorher Merkel wegen ihres Beitrags zur nationalen Sicherheit der USA ausgezeichnet hatte: AFRICOM bleibt in Stuttgart. So töten – nach der von Obama verstärkten Praxis – von Deutschland aus US-Drohnen Menschen ohne Gerichtsverfahren auf einem anderen Kontinent. Von hier aus wurde Libyen zerstört und in einen gefährlichen failed state verwandelt.

BlackRock-Lobbyist im Kanzleramt

Von 2011 bis zum Ende ihrer Kanzlerschaft 2021 war Lars-Hendrik Röller Merkels oberster Wirtschafts- und Finanzberater. Sie holte den Sohn des ehemaligen Dresdner-Bank-Chefs als Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung ins Bundeskanzleramt.

Unter Schröder und dessen Programm „Entflechtung der Deutschland AG“ waren die US-Private-Equity-Investoren ab etwa 2000 in Deutschland aktiv geworden und kauften die besten nicht börsennotierten deutschen Mittelstandsfirmen auf. Siemens Nixdorf, Demag (Industriekräne) und Grohe (Badarmaturen) gehörten zu den Bekannteren. Reihenweise kauften die „Heuschrecken“ auch Hunderttausende öffentliche Wohnungen – zum Schleuderpreis.

Unter Schröder waren die „Heuschrecken“ gekommen, unter Merkel und Röller kam dann die erste Liga der US-Investoren. BlackRock, Vanguard, State Street & Co. wurden die führenden Aktionärsgruppen in den DAX- und MDAX-Unternehmen, auch etwa im größten „deutschen“ Rüstungskonzern Rheinmetall. Und BlackRock & Co sind nun auch die führenden Aktionäre in den größten „deutschen“ Wohnungskonzernen Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG usw. und treiben die Mieten und Nebenkosten hoch. Zu viel Sozialstaat ist eine europäische Krankheit, hatte schon Brzezinski verkündet.

Die auch in Krisenzeiten hohen Gewinne der wichtigsten Unternehmen in Deutschland, wie auch während der Corona-Pandemie, fließen seitdem ins Ausland, vor allem in die USA. Mit dem Ende der Kanzlerschaft Merkels schied auch ihr Berater Röller aus dem Kanzleramt aus – er wechselte wohin? Natürlich zu BlackRock. Und BlackRock-Röller berät auch die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen, die EU-Kommissionspräsidentin.

Frauen in Merkel-Deutschland: Arbeits-Armut und Renten-Armut

Bundespräsident Steinmeier lobte zur Verleihung des Verdienstkreuzes: Merkel habe „weibliche Macht“ selbstverständlich gemacht.

Doch was hat Merkel als mächtige Frau mit ihrer „weiblichen Macht“ bewirkt? Sie hat die Frauen in Deutschland mehrheitlich ärmer gemacht. Sie hat das von den vier Hartz-Gesetzen verrechtlichte Arbeits-Unrecht verschärft. Sie hat Schröders „größten Niedriglohnsektor in Europa“ in Deutschland noch größer gemacht. Und sie hatte ja auch hier der Kritik Brzezinskis am geostrategisch lähmenden, übergroßen Sozialstaat nachzukommen.

Minijobs, unfreiwillige und erzwungene Teilzeitarbeit und befristete Arbeit sowie Leiharbeit wurden vermehrt auf Frauen überwälzt. Dazu wurden und werden ihre Zwangslagen als Mütter wie als Alleinerziehende ausgenutzt. Unter Merkel wurde der gesetzliche Mindestlohn gegen die Vorschläge von Gewerkschaften und Linken möglichst lange hinausgeschoben – auch im EU-Vergleich – und erst 2015 eingeführt. Er wurde niedrig angesetzt und wird wegen mangelnder Kontrolle millionenfach nicht bezahlt bzw. unterlaufen. Auch das trifft vor allem Frauen, und das setzt sich in der Rente fort. Merkel-Deutschland: Das ist Arbeits-Armut und Renten-Armut für die Mehrheit der Frauen, mehr als zuvor.

Frauenförderung: nur für Führungspositionen

Aber für Frauen in Führungspositionen – dafür setzte Merkel sich ein. Mit ihren patriarchalisch geschützten Milliardärsfreundinnen Friede Springer (Medienkonzern mit BILD, Welt) und Liz Mohn (TV- und Beratungskonzern Bertelsmann) zeigte die Kanzlerin sich gerne. Ebenso warb sie beim Women20 Summit in Berlin gemeinsam mit Christine Lagarde (Chefin der Europäischen Zentralbank) und Ivanka Trump (Tochter des US-Präsidenten Trump) für den Aufstieg von Frauen als Unternehmerinnen. Von der leitmedial eingepassten Feministin Alice Schwarzer ließ die Kanzlerin sich nur allzu gerne loben – als gute „weibliche Macht“, die es nun endlich auch in Deutschland gebe.

Unter Merkel wurden zwei Gesetze zur Förderung der Frauen in der Arbeitswelt beschlossen. Aber das betrifft nur Frauen in Führungspositionen.

Seit 2016 gilt das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst: Damit soll die Frauen-Quote in den Aufsichtsräten mindestens 30 Prozent betragen. Das Gesetz gilt aber nur für 105 große Unternehmen. Für 99,99 Prozent aller Unternehmen gilt das Gesetz also nicht.

2021 wurde das Zweite Führungspositionen-Gesetz beschlossen: Auch in Vorständen von börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten soll mindestens eine Frau in einem Dreier-Vorstand sein. Außerdem dürfen solche Frauen nach der Geburt eines Kindes eine Babypause einlegen. Das Gesetz gilt aber nur für 66 Unternehmen.

EU-weite Arbeitsmigration

Wenn es um den Abbau des Sozialstaats und um die Erhöhung privater Gewinne ging, unterlief die glühende Vorbild-Europäerin Merkel auch EU-Vorgaben, mit sanftem Druck von BDI, BDA und ihrem CDU-Wirtschaftsrat.

So gibt die EU etwa vor: Leiharbeiter müssen gleich bezahlt werden – equal pay. Doch die Merkel-Mehrheit beschloss: Durch Tarifvertrag mit einer (meist „christlichen“) Gewerkschaft kann equal pay ausgehebelt werden. Und in den ersten neun Monaten des Beschäftigungsverhältnisses gilt equal pay auch nicht. Frauen und vor allem migrantische Frauen lassen sich das gefallen, unfreiwillig. Bei der ungerechten, niedrigeren Entlohnung von Frauen steht Merkel-Deutschland in der EU an der Spitze des Unrechts.

Unter Merkel wurde die Ausbeutung migrantischer Arbeiter aus Osteuropa erweitert und verschärft. Der Fleischkonzern Tönnies wurde so zum größten in Europa. Fleischkonzerne aus Dänemark und den Niederlanden errichteten Filialen in Merkel-Deutschland. Für Bau, Spargelernte, häusliche Pflege, Lkw-Speditionen, Sicherheitsdienste pendelten und pendeln Millionen Niedrigstlöhner und Niedrigstlöhnerinnen aus verarmten osteuropäischen EU-Staaten nach Deutschland, legal und auch illegal, übrigens auch aus den Nicht-EU-Staaten Georgien und Ukraine.

Deutschland: „Das Bordell Europas“

2002 hatte die Schröder-Fischer-Regierung ganz modern mit dem Prostitutionsgesetz die Sexarbeit als normale Arbeit anerkannt und liberalisiert. Aber die meisten Sexarbeiterinnen, auch Sexarbeiter, blieben mehrheitlich in der Illegalität: Menschenhandel, mafiöse Strukturen, Zwangsprostitution mit meist armen jungen Frauen aus armen neuen EU-Staaten wie Rumänien, Bulgarien und auch von außerhalb, etwa aus dem Kosovo und der Ukraine, zunehmend auch mit Flüchtlingen. Deutschland entwickelte sich zum zentralen Standort der (Billig-)Prostitution in Europa.

2017 wurde unter Merkel endlich das Prostituiertenschutzgesetz beschlossen: Bordelle müssen genehmigt werden, Prostituierte müssen sich anmelden: Alles blieb praktisch ohne Wirkung.

Im letzten Jahr vor der Pandemie waren 40.000 Prostituierte angemeldet – in der illegalen Dunkelwelt von Merkel-Deutschland gingen mindestens eine halbe Million Menschen weiter der Prostitution nach – illegal. Natürlich bekamen auch Bordell- und sonstige Prostitutionsbetreiber dann Corona-Hilfen: systemrelevant.

Die Mehrfach-Populistin „Uns allen geht es gut“

Merkel hat keineswegs alles das und die weiteren Schädigungen der Sicherheit, der Souveränität, der Freiheit, des Wohlstands Deutschlands und insbesondere der arbeitenden Bevölkerung direkt gewollt.

Gewollt und vorangetrieben haben andere: die US-Regierung, die NATO, die unter Merkel ständig anschwellende Zahl an meist US-amerikanischen Regierungsberatern (McKinsey, Accenture, Freshfields, Price Waterhouse Coopers, Scholz & Friends u. v. a. m.), die führenden US-Aktionäre in den großen Unternehmen und nicht zuletzt die US-Geheimdienste, von denen auch die Bundeskanzlerin selbst sich und ihre Kabinettskollegen widerstandslos ausforschen ließ.

Merkel gab sich als Umwelt-Kanzlerin. Sie setzte sich nach der Fukushima-Katastrophe für die Abschaltung der Kernkraftwerke ein – aber die notwendige Ersatzenergie wurde nicht beschafft. In der EU setzte sie für ihre Lieblinge, die Luxus-SUV-Hersteller, einen besonders hohen Schadstoffausstoß als zulässig durch. Genauso bei den von den US-Kriegen verursachten Flüchtlingsströmen aus Afghanistan, Irak, Syrien: Merkel spielte sich als Gutmenschin auf und ließ, nach Telefonat mit Freund Obama, die Flüchtlinge herein – aber die notwendige Dauervorsorge fand dann nicht statt. So dürfen die schlechten Flüchtlinge im Meer ersaufen und die guten Flüchtlinge werden eingeladen und umsorgt.

Nudging

Bundespräsident Steinmeier lobte Merkel, sie sei ganz ohne Vorbilder und ohne Netzwerke aufgestiegen. Dieser Anschein war nützlich, aber natürlich war das Gegenteil der Fall.

Die Aufgabe Merkels bestand darin, die von Anderen vorbereiteten Entscheidungen in CDU- und Regierungspolitik umzusetzen, als starke Frau und allein, mithilfe der endlos abgespulten Gebetsmühle „Uns allen in Deutschland geht es gut“. Das war und ist für die Kapitalisten wesentlich förderlicher als die Direktheit des Merkel-Konkurrenten Friedrich Merz mit dessen offenem Motto (damals jedenfalls, jetzt nicht mehr) „Mehr Kapitalismus wagen“. Merz wurde direkt bezahlter BlackRock-Lobbyist – aber Merkels Seilschaften waren im Kanzleramt, das unter Merkel ständig personell erweitert wurde. Sie ließ über das Kanzleramt BlackRock geräuschlos und unsichtbar nach Deutschland herein.

Zu ihrem unsichtbaren Netzwerk gehörten auch US-Regierungsberater. Sie hatten für Obama die Frage bearbeitet: Wie lenke ich unmerklich das möglicherweise beunruhigte Wahlvolk?

Nudging hieß die Methode, die insbesondere von Cass Sunstein zur Reife gebracht worden war: Nicht die Wahrheit aussprechen, nicht die Kapitalisten beim Namen nennen, sondern nett und allgemein bleiben, hin und wieder den unmerklich geschröpften Wahleseln und Wahleselinnen einen sanften Stups geben und dazu lächeln. Als Frau, die ihre im christlichen Patriarchat günstig verbildeten Charaktermerkmale zwanglos einsetzte, konnte Merkel ihre „weibliche Macht“ mit dem Nudging noch steigern. So diente sie dem modernisierten Patriarchat von Bush, Obama und BlackRock-Chef Laurence Fink & Co. Sie konnte das zu Hause zum Beispiel gut gegen den verbraucht-korrupten Vorgänger-Patriarchen Helmut Kohl ausspielen.

Feministische Außenpolitik

So hatte Merkel nicht nur feministische Innenpolitik mit systemischer Verarmung der Mehrheit der Frauen und Rentnerinnen gelernt. Merkel hat auch weitaus früher als die jetzige bundesdeutsche Außenministerin Annalena Baerbock/Grüne feministische Außenpolitik praktiziert. Und die ist bekanntlich mit der Förderung von rechten Kräften und von Patriarchen und Oligarchen organisch vereinbar.

Das lag nicht nur daran, dass Merkel schon fast 20 Jahre vor Baerbock das freundliche Förderstipendium des Weltwirtschaftsforums bekam. Die Ideologen in Davos haben einen guten Riecher entwickelt: Wer könnte für und mit uns arbeiten? Der Erfolg stellte sich ein, in beiden Fällen, ganz unabhängig voneinander und natürlich nicht nur deswegen.

Merkel wurde mit junger „weiblicher Macht“ für den US-geführten Kapitalismus regierungsfähig, auch in globaler und militärischer Dimension. Welcher „Verteidigung“sminister in den EU-Staaten ist noch keine Frau? Welche Chefin der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission ist noch nicht Teil der von Steinmeier so gelobten „weiblichen Macht“?

Ost-Erweiterung über EU und NATO hinaus

Merkel als vor allem in den USA gelobte „mächtigste Frau Europas“ förderte die gleichzeitige Osterweiterung von EU und NATO. Rechte, auch ultrarechte, nationalistische, fundamentalistische Regierungen wie im Baltikum, in Ungarn, in Polen, in Kroatien wurden gefördert: Sie waren für westliche Konzerne ebenso aufgeschlossen wie für antirussische Haltungen und Hetze. Sie wurden mehrheitlich Mitglied in der von der Merkel-CDU geführten Europäischen Volkspartei, genauso wie der italienische Rechtspopulist Berlusconi.

So initiierte Merkel seit 2009, in Absprache mit US-Präsident Obama und mit der EU-Kommission, die „Östliche Partnerschaft“: Die bezog sechs Staaten ein, die ehemals zur Sowjetunion gehört hatten und nun für antirussische Strategien als besonders geeignet erschienen. Sie waren und sind noch nicht Mitglied von EU und NATO. Aber sie sollten und sollen jetzt noch beschleunigt mit sanften Stupsern an beide herangeführt werden, langsam, gleichzeitig aber auch schon für westliche Konzerne und wenn möglich für gemeinsame Manöver mit der NATO geöffnet werden.

Zu diesen Staaten gehörten und gehören etwa Moldau, Georgien und nicht zuletzt die Ukraine. Auch die vom Merkel-Staat hochsubventionierte Adenauer-Stiftung mischte bekanntlich spätestens seit dem Maidan-Putsch 2014 in der Ukraine kräftig mit, wenn auch an untergeordneter Stelle. Ihren letzten wichtigen Dienst für die „nationalen Interessen der USA“ absolvierte sie bekanntlich mit dem Minsker Abkommen, das der von den USA geförderten Ukraine die Aufrüstung mit der größten Armee in Europa ermöglichte.

Von Adenauer zu Merkel

Adenauer sicherte und deckte den Separatstaat BRD als neue US-Bastion in Europa gegen „Russland“, mit dem aus dem NS-Regime übernommenen antikommunistischen Potenzial.

Kohl sicherte und deckte die Übernahme der Ex-DDR in die BRD, mithilfe der US-Berater in der Treuhand-Anstalt.

Merkel sicherte und deckte die erweiterte US-Globalstrategie, insbesondere gegen Russland.

Die von Adenauer akzeptierte Nuklear-Erstschlagsdoktrin der USA, von Obama erneuert, macht den Atomkrieg in Europa möglich. Die USA drückten nach dem Zweiten Weltkrieg das Narrativ durch, sie hätten Europa vom Faschismus befreit. Für die Erhaltung des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands ist aber spätestens jetzt eines nötig: die Befreiung von den USA.

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[«1] Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Deutsche Ausgabe Weinheim/Berlin 1997


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