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Titel: Die ideologische Homogenisierung ökonomischer und politischer Eliten im Neoliberalismus

Datum: 1. Oktober 2018 um 9:05 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Lobbyismus und politische Korruption, Neoliberalismus und Monetarismus, Strategien der Meinungsmache
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Mausfeld - Warum schweigen die Lämmer

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Demokratie in einer beispiellosen Weise ausgehöhlt. Demokratie wurde durch die Illusion von Demokratie ersetzt, die freie öffentliche Debatte durch ein Meinungs- und Empörungsmanagement, das Leitideal des mündigen Bürgers durch das des politisch apathischen Konsumenten. Wahlen spielen mittlerweile für grundlegende politische Fragen praktisch keine Rolle mehr. Die destruktiven ökologischen, sozialen und psychischen Folgen dieser Form der Elitenherrschaft bedrohen immer mehr unsere Lebensgrundlagen. In diesen Tagen erscheint nun das erste Buch von Rainer Mausfeld mit dem Titel „Warum schweigen die Lämmer?“, in dem er die Systematik dieser Indoktrination aufdeckt und uns sensibel macht für die vielfältigen psychologischen Beeinflussungsmethoden. Ein exklusiver Auszug aus dem Buch zum Erscheinen am 2.10.2018: Albrecht Müller

In den vergangenen Jahrzehnten kam es zu einer schleichenden aber äußerst tiefgreifenden Einschränkung des öffentlichen Debattenraumes, die weitgehend durch die Medien hervorgebracht wurde. Sie war eine Folge der neoliberalen Ideologie, die zu einer massiven ideologischen Homogenisierung ökonomischer und politischer Eliten führte und damit einhergehend auch der Massenmedien. Dies spiegelt sich auch in unseren täglichen Erfahrungen wider: Bei sämtlichen Themen, die vitale Interessen der ökonomischen und politischen Zentren der Macht berühren – sei es Syrien, Iran, Israel, Ukraine, Russland oder Venezuela – weisen die Auswahl von Fakten und ihre Einbettung in ein politisches Narrativ in den Konzernmedien praktisch keine erwähnenswerten Variationen auf.

Diese massive Einschränkung des öffentlichen Debattenraumes unterminiert grundlegend die Bedin­gun­gen der Möglichkeit von Demokratie. Eine demokratische Gesellschaft beruht wesentlich auf den Möglichkeiten der Bürgern, in geeigneten Gruppierungen und sozialen Organisationsformen zusammenzukommen und ihre unterschiedlichen Interessen zu artikulieren, zu formulieren und zu diskutieren, um damit eine kollektive Basis für einen Interessensausgleich und für ein politisches Handeln zu finden. Ist der auf diese Weise entstehende öffentliche Diskussionsraum in systematischer Weise eingeschränkt, so wird damit das Fundament der Demokratie zerstört.

Demokratie im Sinne der Aufklärung bedeutet, auf der Basis der „Anerkennung aller als Freier und Gleicher, ungeachtet ihrer faktischen Differenzen“, die Vergesellschaftung von Herrschaft durch eine ungeteilte Souveränität der Selbstgesetzgebung des Volkes bei strikter vertikaler Gewaltenteilung. In der Demokratiekonzeption der Aufklärung wird das Volk weder ethnisch, noch kulturell oder soziologisch bestimmt, sondern rein verfassungsrechtlich. Es konstituiert sich erst durch eine Entscheidung zwischen Freien und Gleichen als Produkt des Gesellschaftsvertrags: Es ist also eine Rechtsgemeinschaft und keine Volksgemeinschaft. Die faktisch vorhandene soziale Heterogenität schließt also keineswegs die Möglichkeit einer spezifisch politischen Homogenität aus. Die sich aus einer Pluralität und Heterogenität von Werten und Interessen ergebenden Spannungsbeziehungen müssen für ein politisches Handeln miteinander in Einklang gebracht, also kompatibilisiert werden. Eine Demokratie, die nicht einfach eine Diktatur der Mehrheit ist, ist also auf Prozeduren zur Kompatibilisierung partikularer Interessen angewiesen. Der Austausch zwischen unterschiedlichen Partikularinteressen erfolgt über den öffentlichen Debattenraum. Indem er Beteiligten mit unterschiedlichen Interessen eine Möglichkeit zur Konsensfindung gibt und sie verpflichtet, argumentative Anstrengungen zur Objektivierung ihrer subjektiven Interessen zu unternehmen, ist der öffentliche Debattenraum das Herzstück der Demokratie. Demokratie und Debattenraum hängen somit derart eng aneinander, dass die Intaktheit des öffentlichen Debattenraums überhaupt erst die Bedingung der Möglichkeit von Demokratie ist.

Da die jeweils Mächtigen zwangsläufig ein Interesse daran hatten und haben, die für sie mit der Demokratie verbundenen Risiken zu minimieren, war und ist der öffentliche Debattenraum stets massiven Angriffen ausgesetzt. […]

Mit dem Anwachsen und den Erfolgen sozialer emanzipatorischer Bewegungen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verschärften sich für die Zentren der Macht die Probleme, Demokratie risikofrei zu gestalten, massiv. Neben offen autoritären Maßnahmen wie der gewaltsamen Auflösung von Streiks, der Zerschlagung von Gewerkschaften und der Zersetzung emanzipatorischer Bewegungen ließ sich die Gestaltung einer risikofreien Demokratie vor allem auf zwei Wegen bewerkstelligen: Der erste Weg bestand in einer geeigneten systematischen Bedeutungstransformation des Wortes ‚Demokratie‘(und ihrer konkreten Organisation), durch die der ursprüngliche Sinn des Begriffs, wie er in der Aufklärung gewonnen wurde, verloren geht. Demokratie im Sinne der radikaldemokratischen Konzeption der Aufklärung bedeutet ungeteilte Volkssouveränität der Gesetzgebung, strikte vertikale Gewaltenteilung und somit Unterwerfung aller Staatsapparate unter den Willen des Volkes. Nach der nun erfolgten Bedeutungsverschiebung bedeutet ‚Demokratie‘ jedoch nicht mehr Volksherrschaft, sondern – im Gegenteil – Elitenherrschaft und Wahl-Elitenoligarchie. Die radikalsten Konzeptionen, wie sich unter dem Mantel von ‚Demokratie‘ das Volk von der Macht fernhalten lässt, sind die Konzeptionen von Lippmann, Hayek oder Schumpeter sowie daran anschließend das gegenwärtige Standardmodell einer ‚marktkonformen Demokratie‘.

Gab es in den kapitalistischen ‚Demokratien‘ der Nachkriegszeit immerhin noch die prinzipielle Möglichkeit, die verbliebenen Reste demokratischer Strukturelemente für eine Demokratisierung der Demokratie zu nutzen, so schwinden unter den Bedingungen eines globalisierten Kapitalismus zunehmend auch diese kärglichen Möglichkeiten, da es kein globales ‚Volk‘ gibt, das Träger einer gesetzgeberischen Volkssouveränität sein könnte. Auch kann es auf der Ebene der Weltgemeinschaft keinen globalen öffentlichen Debattenraum geben, in dem unterschiedliche Partikularinteressen für ein politisches Handeln miteinander in Einklang gebracht werden könnten. Folglich gibt es auch keine Prozeduren demokratischer Konsensfindung auf globaler Ebene. Die Idee einer demokratischen Selbststeuerung eines politischen Gemeinwesens wird zwangsläufig völlig inhaltsleer, wenn private wirtschaftliche Macht faktisch so organisiert ist, dass sie durch keine Form von Gemeinwesen mehr kontrolliert und gezügelt werden kann. Demokratie – und mit ihr Errungenschaften wie der Sozialstaat – sind auf organisatorische Einheiten angewiesen, die eine Souveränität der Selbstgesetzgebung und eine demokratische Kontrolle aller Machtausübenden ermöglichen. Demokratische Legitimationskreisläufe sind auf globaler Organisationsebene unmöglich.

Der zweite Weg, wie sich für die Zentren der Macht, ‚Demokratie‘ risikofrei gestalten lässt, zielt darauf, den öffentlichen Debattenraum soweit zu kontrollieren und zu manipulieren, dass die periodischen Wahlen die Stabilität der tatsächlichen Zentren der Macht nicht gefährden können. Die Entfaltung einer ‚kapitalistischen Demokratie‘ und die Entwicklung von geeigneten Techniken der Meinungsmanipulation gingen historisch folglich Hand in Hand. Die Kontrolle über den öffentlichen Debattenraum stand und steht also seit jeher im Zentrum eines geeigneten Demokratiemanagements. […]

Mit dem Übergang zum globalisierten Finanzkapitalismus ging eine massive ideologische Homogenisierung einher, die sich auch in den Medien widerspiegelt.

Die neoliberale Ideologie erweist sich als sehr wirkmächtige Rahmenerzählung, die der sich immer massiver entfaltenden Umverteilung von unten nach oben, von Süd nach Nord und von der öffentlichen in die private Hand den Schein einer rationalen Zwangsläufigkeit und Alternativlosigkeit verleiht. Dadurch vermochte diese Ideologie in der Bevölkerung eine Bereitschaft zu ‚Reformen‘ zu erzeugen, obwohl diese als radikale Umverteilung von unten nach oben für die große Mehrheit der Bevölkerung nachteilig sind und ohne Erzeugung von Angst nicht demokratisch durchsetzbar wären.

Die neoliberale Ideologie gibt sich als ‚reine Rationalität‘ aus und kann daher mit der Forderung nach Effizienz und Anpassung an die Gesetzmäßigkeiten des ‚freien Marktes‘ besonders wirksam alle Formen demokratischer Strukturen erodieren und zerstören. Da die für politische Entscheidungen geforderte ‚Rationalität‘ nur von geeigneten Experten aufgebracht werden könne, müssten alle Verfahren einer Gesetzgebung und exekutiver Verordnungen durch Vorgaben geeigneter Experten und nicht durch Präferenzen der Bürger geleitet sein. Folglich zeigt sich auf allen politischen Ebenen eine expertokratische Entmündigung und Entmachtung der Bürger und ihrer politischen Vertreter. […]

Mit der neoliberalen Revolution von oben geht eine Reihe weiterer charakteristischer Entwicklungen einher, die demokratische Strukturen in grundlegender Weise unterminieren und in nur schwer reversibler Weise zerstören. Hierzu gehören insbesondere die in den vergangenen Jahrzehnten vorangetriebene nahezu vollständige Entmachtung der Legislative durch die Exekutive und die Preisgabe der Exekutive an die jeweils mächtigsten wirtschaftlichen Interessengruppen. Damit einher geht ein neoliberaler Konstitutionalismus, durch den neoliberale Akkumulationsbedingungen auf internationaler Ebene verrechtlich werden. So wird auf allen Ebenen zunehmend ein direkter Zugriff ökonomischer Machtgruppen auf die Erstellung von Gesetzen und Vorschriften ermöglicht und rechtlich verankert. Zugleich wurden Mechanismen geschaffen und verrechtlich, durch die sich ökonomische Macht in politische Macht transformieren lässt. Auf diese Weise konnten immer umfassendere Teile der organisierten Kriminalität der besitzenden Klasse verrechtlicht werden. Diese Entwicklungen führten dazu, dass Lobbyismus und Korruption durch Institutionalisierung zunehmend unsichtbar gemacht werden. […]

Im Zuge der neoliberalen Revolution haben sich auch die traditionellen Volksparteien grundlegend gewandelt, weil ihre gesellschaftliche Verankerung in dem Maße schwand, wie sie sich in den Dienst der neoliberalen Revolution stellten. Sie haben sich daher zur Selbsterhaltung zunehmend in die staatlichen Machtapparate, von deren Finanzierung sie abhängig sind, integriert und in den Parteienspitzen untereinander verflochten, sodass sie weitgehend austauschbar geworden sind. Dieser Parteienwandel ist empirisch gut studiert. Die Parteienforscher Richard S. Katz und Peter Mair prägten für diesen neu entstandenen Typus politischer Großparteien den Begriff „Kartellpartei“. Die Kartellparteien dienen staatlichen Apparaten als Wahlmaschinen zur Legitimitätssicherung und als Dienstleistungsbetriebe für eine mediale Inszenierung von Positionsdifferenzen. Zudem dienen sie der Organisation der Ämterbesetzung. In enger Verbindung mit der Medienindustrie organisieren sie politische ‚Produktwerbung‘ in dem Wettbewerb um Wählerstimmen. Die Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung reduziert sich auf ein mit staatlichen Mitteln und mit industriellen Großspenden finanziertes Produkt-Marketing medial inszenierter politischer ‚Positionen‘. Diese sind tatsächlich jedoch nur noch leere Hülsen und haben kaum noch etwas mit irgendwelchen relevanten Inhalten zu tun. Die Parteibasis darf sich dabei weitgehend auf eine Rolle als Cheerleader und Plakatkleber in den periodisch inszenierten Wahlspektakeln beschränken.

Die Kartellparteien deklarierten sich nun alle als ‚politische Mitte‘ – eine Phantom-Mitte, die gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass der öffentliche Raum politisch entleert ist. Wie Peter Mair feststellt, geht die damit einhergehende Verengung des Debattenraumes mit einem hohen Preis einher: „Der immer stärker eingeschränkte Spielraum für Opposition innerhalb des Systems ist einer der Gründe, warum der politische Bereich zu einem so starken Nährboden für Populismus geworden ist.“ (Peter Mair) Die Entstehung der ‚alternativlosen‘ neoliberalen Phantom-Mitte und die Entstehung des Rechtspopulismus gehen Hand in Hand. Das gegenwärtige Anwachsen des Rechtspopulismus ist eine Konsequent der radikalen Entleerung des politischen Raumes durch die neoliberalen Kartellparteien. Ist es verwunderlich, wenn in einer solchen Situation der Rechtspopulismus blüht? Er verspricht Alternativen, wo die neoliberale Ideologie gerade ihre Möglichkeit leugnet. Er verspricht natürliche, gewachsene Gemeinschaft, wohingegen die neoliberale Ideologie Gemeinschaft zerstört und ihre Möglichkeit leugnet. In dem Maße, wie ein Konsens der Alternativlosigkeit erzwungen werden konnte, wurde das von den Mächtigen gewünschte Ziel erreicht, dass sich Unbehagen, Unzufriedenheit, Empörung und Wut nicht mehr gegen die Zentren der Macht richten. Für diesen strategischen Erfolg zahlt die Gesellschaft über die neoliberalen sozialen Zerstörungen hinaus einen zusätzlichen Preis. Als Konsequenz der Ideologie der Alternativlosigkeit entladen sich Unbehagen, Empörung und Wut nun gegen die sozial Wehrlosen, auf die sich die Ursachen gesellschaftlicher Ängste am leichtesten verschieben lassen. Vor allem die Machtlosesten zahlen den Preis für die Strategie der Mächtigen, ihre Macht für alternativlos zu erklären. Rechtspopulismus und neoliberale Ideologie stehen beide in der Tradition der radikalen Gegenaufklärung, sie teilen letztlich eine sozialdarwinistische Grundhaltung und sind beide auf einem Menschenbild gegründet, das die dunklen und hässlichen Seiten des Menschen, also gerade jene Seiten, gegen welche die Aufklärung zivilisatorische Schutzbalken zu errichten suchte, verabsolutiert und zur natürlichen Grundlage der sozialen Ordnung erklärt.

Der Einfluss des Rechtspopulismus wird nur dadurch einzuhegen sein, dass man den das gesamte öffentliche politische Leben erstickende Würgegriff der neoliberalen Ideologie beseitigt und einen öffentlichen Debattenraum schafft, in dem sich alle gleichberechtigt über ihre unterschiedlichen Interessen austauschen können.

Die Überwindung der neoliberalen Ideologie bereitet vor allem deswegen besondere Schwierigkeiten, weil sie es im Gegensatz zu anderen totalitären Ideologien geschafft hat, sich als Ideologie gleichsam unsichtbar zu machen, indem sie sich als bloße Widerspiegelung der Rationalität eines ‚effizienten freien Marktes‘ maskiert. Auf diese Weise konnte sie sich zu einer Ideologie steigern, die gleichzeitig in der Lage war, vollends das ‚Ende der Ideologie‘ auszurufen. Alle Ideologien hätten nun endgültig ausgedient, weil die ehernen ‚Naturgesetzlichkeiten‘ des ‚freien Marktes‘ bestimmten, was vernünftig ist – und was vernünftig ist, das muss natürlich auch wirklich werden. Es gäbe keine grundlegenden sozialen Antagonismen mehr und keinen Interessengegensatz von Unternehmer und Lohnabhängigem. Auch ein Lohnabhängiger sei letztlich ein Unternehmer seiner Selbst, eine Ich-AG, die sich flexibel für seine Fremdverwertbarkeit auf dem ‚Markt‘ optimieren müsse. […]

Es ist angesichts der immensen sozialen und ökologischen Zerstörungen, welche die neoliberalen Elitendemokratien in den vergangenen Jahrzehnten hinterlassen haben, nicht zu erwarten, dass die politischen und ökonomischen Eliten zu Alternativen, die für Lösungen der drängendsten Probleme der Gegenwart erforderlich sind, bereit wären oder solche Alternativen auch nur denken könnten. Im Gegenteil: Sie reagieren zunehmend unberechenbar und scheinen vor den von ihnen angerichteten Problemen selbst kapituliert zu haben – sei es der immer destruktiver und unkontrollierbarer werdende Finanzkapitalismus, seien es die nicht mehr reversiblen ökologischen Schäden, seien es die soziale Zersetzung von solidarischer Gemeinschaft und die mit ihnen einhergehenden psychischen Verwüstungen und Verformungen, sei es die immer autoritärer werdende Verwaltung der politisch ‚Irrelevanten‘, die nur noch als Konsumenten benötigt werden, und die Disziplinierung der ökonomisches ‚Überflüssigen‘, die nicht einmal mehr als Konsumenten benötigt werden.

Denkalternativen zur Lösung gegenwärtiger Probleme müssen also deutlich viel tiefer ansetzen und, wie dies seinerzeit die Aufklärung geleistet hat, die Wurzeln derartiger desaströsen Folgen demokratisch nicht mehr eingehegter Macht erkennen und die erforderlichen Konsequenzen daraus ziehen. Die dazu nötigen Denk- und Handlungsalternativen können nur gemeinsam und unter Verwendung des reichen Erfahrungsschatzes emanzipatorischer Bewegungen ‚von unten‘ entwickelt werden. Dazu müssen wir die immer noch verbliebenen demokratischen Residualstrukturen nutzen, um auf ihrer Grundlage überhaupt erst wieder Spielräume für eine Re-Politisierung und Re-Demokratisierung der Gesellschaft zu erhalten.

Die gesellschaftlichen Lösungsmöglichkeiten, die die Menschheit nach den Erfahrungen schlimmster zivilisatorischer Katastrophen in einem mühsamen kollektiven Prozess gewonnen hat, also die Leitideale der Aufklärung, liegen nach den massiven Einschränkungen des öffentlichen Debattenraumes der letzten Jahrzehnte weit außerhalb des als ‚vernünftig‘ oder ‚zulässig‘ deklarierten Debattenraumes. Solange dies der Fall ist, werden wir keine Chance haben, die drängenden Probleme der Gegenwart zu lösen und uns vor weiteren und vermutlich schlimmeren Katastrophen zu schützen. Daher gehört es zu unseren vordringlichen Aufgaben, diese systematisch herbeigeführte Degeneration des öffentlichen Debattenraumes zu überwinden. Nur dadurch können wir wieder die notwen­digen Denk- und Handlungsalternativen gewinnen.

Rainer Mausfeld, „Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören“, 304 Seiten, mit zahlreichen Illustrationen, Westend Verlag, Oktober 2018. 24 Euro.


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