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Titel: BRICS plus – eine neue Macht in einer multipolaren Welt

Datum: 27. Januar 2024 um 13:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Globalisierung, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Am 1. Januar 2024 hat der Staatenbund BRICS – von den westlichen Medien eher nur am Rande thematisiert – die Anzahl seiner Mitgliedsländer verdoppelt. Da sich diese Union nicht zuletzt als Gegengewicht zu den G-7-Staaten versteht und als ein Ziel die Ablösung des Dollars als globale Leitwährung anstrebt, ist es angebracht, sich intensiver mit diesem Bündnis zu beschäftigen. Von Jürgen Hübschen.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wer oder was ist BRICS?

BRICS ist ein in erster Linie an volkswirtschaftlichen Zielen orientierter Staatenbund. Er wurde 2006 von Brasilien, Russland, Indien und China gegründet und unter Bezug auf die Anfangsbuchstaben ihrer Länder zunächst „BRIC“ genannt. 2010 trat Südafrika dem „BRIC“ bei, und seit dieser Zeit trägt das Bündnis den Namen BRICS. Zum Jahresbeginn 2024 wurden Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate in die Vereinigung aufgenommen, also vier muslimische Staaten und mit Äthiopien ein Land, in dem immerhin auch ca. 50 Prozent der Bevölkerung muslimischen Glaubens sind. Seit der Erweiterung vom 1. Januar 2024 firmiert das Bündnis jetzt unter dem Arbeitsbegriff „BRICS plus“.

BRICS hat als informelles Forum weder eine institutionelle Organisation, noch besitzt das Bündnis einen Verwaltungsapparat. Der Vorsitz der BRICS-Gruppe rotiert nach der Reihenfolge der Länder des Akronyms. Das vorsitzführende Land bestimmt in Absprache mit den anderen BRICS-Mitgliedern die thematischen Schwerpunkte, legt die Termine der Treffen der verschiedenen Gruppen und Ebenen fest und übernimmt die Rolle des Gipfelgastgebers.

Ziele von BRICS

Ein zentrales Ziel der BRICS-Staaten ist die Reform der internationalen Währungs- und Finanzordnung. Sie fordern mehr Mitsprache und eine größere Repräsentation der Schwellen- und Entwicklungsländer innerhalb des internationalen Finanzsystems. Die Schwellen-und Entwicklungsländer im BRICS beklagen in diesem Zusammenhang, dass das bestehende Weltfinanzsystem nicht mehr die veränderten Kräfteverhältnisse widerspiegele und sie selbst zu wenig Mitspracherechte besäßen. Konkret sind die BRICS-Staaten gegen eine Weltordnung, die ihrer Ansicht nach den Interessen der reichen westlichen Welt und vor allem den USA dient.

Ein weiteres Ziel des Staatenbunds ist es, im Rahmen einer neuen geopolitischen und multipolaren Weltordnung ein Gegengewicht zur Dominanz des Westens und zu anderen Foren wirtschaftlich starker Länder wie den G-7 zu bilden. Auch ihre Abhängigkeit vom US-Dollar als globale Leitwährung wollen die BRICS-Länder reduzieren und prüfen deswegen, inwieweit die Allianz lokale Währungen und alternative Zahlungssysteme nutzen kann.

Die „New Development Bank“

Zu diesem Zweck wurde am 15. Juni 2014 die „New Development Bank” (NDB), ehemals „BRICS Development Bank“ gegründet. Die „NDB“ ist eine multilaterale Entwicklungsbank. Ihre Gründungsmitglieder sind die BRICS-Staaten, denen sich 2021 Bangladesch und die Vereinigten Arabischen Emirate anschlossen. Anfang 2023 wurde auch Ägypten Mitglied der Bank. Die „NDB“ soll vorrangig der Finanzierung von Entwicklungsprojekten und Infrastruktur innerhalb der fünf BRICS-Staaten dienen, welche im Jahre 2021 mehr als drei Milliarden Einwohner bzw. rund 41 Prozent der gesamten Weltbevölkerung sowie 31,5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes auf sich vereinen können. Daneben halten die BRICS-Staaten mit ca. 2.800 Milliarden Dollar 42 Prozent der weltweiten Devisenreserven.

Der Hauptsitz der Bank ist im chinesischen Shanghai, zusätzlich wurde eine Zweigstelle für den afrikanischen Kontinent im südafrikanischen Sandton errichtet.

Im Gegensatz zur Weltbank, die sich nach den gehaltenen Anteilen orientiert, besitzt jeder Mitgliedsstaat der „NDB“ unabhängig von seiner Größe oder Wirtschaftskraft eine einzige Stimme.

BRICS plus

Die BRICS-Staaten haben bislang in mehr als 30 Abkommen und Absichtserklärungen die rechtlichen Grundlagen für ihre Zusammenarbeit in mehreren Bereichen wie zum Beispiel dem Finanz- und Bankensektor, bei Zöllen, in Wissenschaft und Technologie oder der Wettbewerbspolitik geregelt. In dieses Regelwerk sollen die neuen Mitgliedsstaaten eingebunden werden.

In den Staaten von BRICS plus leben 3,9 Milliarden Menschen, also fast die Hälfte der Weltbevölkerung. Der globale Einfluss von BRICS hat durch die zusätzlichen Mitglieder eine neue Dimension erreicht. Das wird besonders deutlich, wenn man BRICS plus mit den G7 Staaten vergleicht. Dazu einige Zahlen des Finanz- und Medienkonzerns Bloomberg:

BRICS plus steht für 38,3 Prozent der weltweiten Industrieproduktion im Vergleich zu 30,5 Prozent in den G-7-Staaten. Letztere verfügen lediglich über 3,9 Prozent der weltweiten Ölreserven gegenüber 45 Prozent in den BRICS-plus-Staaten. Bei der Aluminiumproduktion beträgt das Verhältnis 79 Prozent gegenüber 1,3 Prozent in den G-7-Staaten, bei der Palladiumproduktion 77 Prozent gegenüber 6,9 Prozent. Die BRICS-plus-Staaten halten weltweit 72 Prozent der seltenen Erden, 75 Prozent des Magnesiums, 50 Prozent bei Graphit, 28 Prozent bei Nickel und zehn Prozent bei Kupfer.

Der BRICS-Anteil an der weltweiten Ölproduktion steigt durch die neuen Mitgliedsländer von 18 auf 40 Prozent. Der Anteil am weltweiten Warenhandel vergrößert sich von 20 auf 25 Prozent.

Diese beispielhaft aufgeführten Daten werden sich zu Gunsten einer „BRICS-Union“ weiter verbessern, wenn sich weitere Länder diesem Bündnis anschließen. Die Liste der Interessenten ist lang. Nach Aussagen der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor auf dem BRICS-Gipfeltreffen im August 2023 in Südafrika haben etwa 40 Staaten ein mehr oder weniger verbindliches Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet, davon ca. 20 sehr konkret. Dazu gehören Algerien, Bangladesch, Indonesien, Kuwait, Thailand und Venezuela. Als weitere Staaten im Gespräch sind: Bahrain, Bolivien, Demokratische Republik Kongo, Gabun, Honduras, Kasachstan, Komoren, Kuba, Nicaragua, Nigeria, Palästina, Senegal und Vietnam.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte sich auf dem Gipfel in Johannesburg für eine rasche Erweiterung der BRICS-Gruppe ausgesprochen. Der Prozess zur Aufnahme weiterer Staaten solle beschleunigt werden. Internationale Standards sollten von allen Ländern auf der Grundlage der Ziele und Prinzipien der UN-Charta geschrieben und aufrechterhalten werden, „anstatt von denen mit den stärksten Muskeln und der lautesten Stimme diktiert zu werden“, so Xi Jinping weiter. Wer mit dieser Aussage gemeint war, dürfte jedem klar sein.

Zusammenfassende Bewertung

BRICS plus ist nicht nur im Hinblick auf die Zahl der Mitgliedsländer ein deutlich größeres Bündnis als G-7, sondern wird in naher Zukunft die G-7-Staaten in vielen Bereichen überholen. Das wird vermutlich besonders in Washington und in der EU mit einiger Sorge zur Kenntnis genommen werden, vor allem, weil mit China und Russland, aber auch mit Indien Staaten dem Bündnis angehören, die aus amerikanischer und EU-Sicht sehr wohl als globale Konkurrenten eingeordnet werden müssen. Weiteres Unbehagen dürfte in den USA die Tatsache auslösen, dass China unübersehbar versucht, BRICS für eigene Interessen zu instrumentalisieren und seinen Einfluss weltweit zu verstärken. Denselben Ansatz verfolgt sicherlich auch Russland, dem dabei die Mitgliedschaft in der „Eurasian Economic Union“ und der „Collective Security Treaty Organisation” (CSTO) von Nutzen sein wird. China und Russland werden außerdem ihre Drähte zur „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) geschickt zu nutzen wissen und Verbindungen zu BRICS aufbauen.

Die größte Sorge für die USA dürfte wohl sein, dass die Dominanz des Dollars als weltweite Leitwährung durch BRICS herausgefordert wird. „Dem Westen“ insgesamt wird durch die Erweiterung von BRICS, die mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen ist, unmissverständlich klargemacht, dass sich die Abhängigkeiten der eigenen Industrie von BRICS durch die Aufnahme von sechs neuen Ländern deutlich weiter verstärkt haben.

Und es gibt noch ein weiteres Problem für „den Westen“: BRICS ist zwar zunächst ein volkswirtschaftliches Bündnis, aber es gibt zunehmend auch eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Das gemeinsame Seemanöver von China, Russland und Südafrika vor der Küste Südafrikas im Februar 2023 ist dafür ein klares Signal.

Last, but not least muss man wohl dem chinesischen Staats-und Parteichef Xi zustimmen, der vor dem Hintergrund der Aufnahme sechs neuer Mitgliedsstaaten gesagt hat:

The world is witnessing changes that have not been seen in one hundred years.“ („Die Welt ist Augenzeuge von Veränderungen, wie man sie in hundert Jahren noch nicht gesehen hat.“)

Der nächste BRICS-Gipfel wird am 23. August 2024 im russischen Kasan stattfinden und sicherlich neue Überraschungen bringen.

Zum Jahreswechsel hatte Präsident Putin im Hinblick auf die kommende BRICS-Präsidentschaft Russlands u.a. gesagt:

Russia will continue to promote the BRICS partnership in three areas of politics and security, economy and finance, and cultural and humanitarian contacts. Russia’s priorities include promoting cooperation in science, high technology, healthcare, environmental protection, culture, sports, youth exchanges and civil society.” („Russland wird die BRICS-Partnerschaft in den drei Bereichen Politik und Sicherheit, Wirtschaft und Finanzen sowie kulturelle und menschliche Kontakte vorantreiben. Russlands Prioritäten sind die Intensivierung der Zusammenarbeit in Wissenschaft und HiTech, im Gesundheitswesen, im Umweltschutz, in den Bereichen Kultur und Sport, im Jugendaustausch und Gesellschaft.“)

Fest steht bereits jetzt: Die von den USA und „dem Westen“ dominierte Welt ist zu Ende, und Multipolarität ist angesagt oder, wie es Präsident Putin im Hinblick auf die russische BRICS-plus-Präsidentschaft formuliert hatte:

The theme will be Strengthening Multilateralism for Equitable Global Development.“ („Das Leitmotiv /der russischen Präsidentschaft/ wird die Stärkung des Multilateralismus für eine gleichberechtigte globale Entwicklung sein.“)

„Der Westen“ sollte bei diesem Wandel die Welt nicht China und Russland überlassen.

Titelbild: shutterstock / rafapress


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