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Titel: Tag der Geschichtsverfälschung: Am „Tag der Befreiung“ bleibt die Fahne der Befreier verboten

Datum: 8. Mai 2025 um 9:10 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gedenktage/Jahrestage, Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen, Wertedebatte
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Heute und morgen wird der Befreiung vom Nazi-Terror gedacht. Eigentlich sollte dabei auch der wichtigsten Befreier gedacht werden, aber das passt nicht ins offizielle anti-russische Konzept. Um in der tagespolitischen Meinungsmache ein paar Punkte zu machen, wird die Erinnerung mit Füßen getreten. Außerdem wird genau die Instrumentalisierung betrieben, die man selbst beklagt. Es gibt aber einige Veranstaltungen der Erinnerung, die versuchen, das anti-historische offizielle Vorgehen auszugleichen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Zeigen unter anderem von Flaggen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow bleibt am 8. und 9. Mai untersagt. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden, wie Medien berichten. Die Berliner Polizei hatte eine Allgemeinverfügung erlassen, wonach am 8. und 9. Mai unter anderem am Sowjetischen Ehrenmal Treptow das Zeigen von Flaggen und Fahnen „mit russischem Bezug“ untersagt sei.

„Eine Sympathiebekundung zum russischen Aggressor ist naheliegend…“

Ein Verein hatte sich im gerichtlichen Eilverfahren gegen das Verbot von UdSSR-Flaggen, die davon auch betroffen sind, gewandt und argumentiert, dass durch das Verbot die Versammlungsfreiheit zu Unrecht eingeschränkt werde. Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts wies den Eilantrag laut den Medienberichten zurück.

Erklärtes Ziel der Allgemeinverfügung sei es, so das Gericht in der sehr fragwürdigen „Begründung“, „den öffentlichen Frieden zu wahren und ein würdiges Begehen der Gedenktage zu ermöglichen”. Dies rechtfertige es, das Zeigen bestimmter Symbole wie der sowjetischen Flaggen an den Gedenktagen zu untersagen. Die Flaggen der UdSSR „könnten im aktuellen Kontext Gewaltbereitschaft oder jedenfalls Sympathiebekundung für die Kriegsführung Russlands gegen die Ukraine vermitteln“. Die Flagge der UdSSR müsse zwar nicht unbedingt eine Nähe zu Russland bedeuten, bei verständiger Würdigung sei aber „eine Sympathiebekundung zum russischen Aggressor naheliegend und eine solche sei gerade an diesen Gedenktagen nicht erwünscht“, sagte eine Pressesprecherin des Verwaltungsgerichts dem Berliner Tagesspiegel. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Keine Russen bei der Gedenkstunde

Zu diesem Akt des groben Geschichtsrevisionismus, der in inakzeptabler Weise „begründet“ wird, kommt hinzu: Auch zur geplanten Gedenkstunde im Bundestag wurden Russen wie auch Belarussen nicht eingeladen, wie etwa die Berliner Zeitung berichtet. Und auch die Offiziellen der Stadt Berlin verhalten sich fragwürdig: Seit Beginn des Ukrainekrieges verzichtet der Berliner Senat auf Kranzniederlegungen am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park. Im Mai 2022 hatten letztmalig Senatsvertreter einen Kranz am Ehrenmal an der Straße des 17. Juni in Tiergarten niedergelegt – seinerzeit auf Einladung der Botschaft der Ukraine. In den Jahren danach legte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner auf Wunsch der ukrainischen Botschaft zusammen mit dem Botschafter stattdessen Kränze an der Neuen Wache in Mitte ab. Dieses selektive und dadurch verfälschende „Gedenken“ ist auch für dieses Jahr geplant.

Sahra Wagenknecht bringt es in der Berliner Zeitung auf den Punkt:

Es ist ein Skandal, dass der Bundestag ohne offizielle Vertreter Russlands an den 80. Jahrestag der Befreiung erinnert. Wer nicht mehr weiß oder wissen will, dass die Sowjetarmee die Hauptlast des Krieges gegen die Hitlerwehrmacht trug und 27 Millionen Menschen aus der damaligen Sowjetunion, die Mehrheit von ihnen Russen, dem Vernichtungsfeldzug zum Opfer fielen, ist völlig geschichtsvergessen. (…) Dieses unwürdige Gedenken passt leider zu dem neuen deutschen Zeitgeist, der uns mental auf den nächsten Krieg mit Russland vorbereiten will.“

Sabotage des Gedenkens

Hier sei zusätzlich noch an den letzten Skandal aus dem damals noch von Annalena Baerbock geleiteten Außenministerium erinnert: In einer Handreichung wird Landkreisen und Kommunen empfohlen, im Zusammenhang mit dem 8. und 9. Mai keine Einladungen an russische oder belarussische Diplomaten auszusprechen – und notfalls ungebetene Gäste per Hausrecht wieder wegzuschicken. Wir sind auf diesen skandalösen Vorgang etwa im Artikel „Neue Gehässigkeit aus dem Hause Baerbock: Russen sollen beim 80. Weltkriegsgedenken „per Hausrecht“ rausgeschmissen werden“ oder im Artikel „Die fragwürdige Begründung des Auswärtigen Amts für Ausladung russischer Diplomaten vom Gedenken an den 8. Mai“ eingegangen.

Die Sabotage der historischen Würdigung findet auf weiteren Ebenen statt, wie Medien berichten. Demnach können ausländische Staatsgäste zum Weltkriegsgedenken in Russland nicht über Lettland, Estland und Litauen fliegen. Die EU- und NATO-Staaten haben ihren Luftraum für alle Staats- und Regierungschefs gesperrt, die zum „Tag des Sieges“ nach Moskau reisen wollen. Das heißt, auch dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico wurde keine Überfluggenehmigung erteilt. Vuić und Fico sind die beiden einzigen europäischen Staats- und Regierungschefs, die an den Feierlichkeiten in der russischen Hauptstadt teilnehmen wollen, was in der EU für Empörung sorgte. Estland habe auch kubanischen und brasilianischen Flugzeugen mit wichtigen Personen an Bord den Überflug verweigert. Weitere sollen folgen.

Heute auch Veranstaltungen gegen das Verdrängen

Es gibt aber in Deutschland auch engagierte Bürger und Veranstaltungen, die sich dem beschämenden Verhalten des offiziellen „Gedenkens“ nicht anschließen. So hatte bereits zum 3. Mai die auf der Webseite befreiung.org vorgestellte Initiative zu einer politisch-kulturellen Kundgebung am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Tiergarten eingeladen, siehe dazu auch hier.

Politiker des BSW werden sich am heutigen 8. Mai mit verschiedenen Kranzniederlegungen, Führungen und einer Kundgebung engagieren. Unter anderem ist heute eine Kranzniederlegung und Führung mit Amira Mohamed Ali und Sevim Dagdelen angekündigt – um 10 Uhr am Ehrenmal Tiergarten, Straße des 17. Juni. Und heute ab 16.45 Uhr werden beide Politikerinnen bei einer Kundgebung am Museum Karlshorst in Berlin präsent sein.

Ein fortgesetzter Skandal

Der praktizierte Geschichtsrevisionismus ist ein seit langem fortgesetzter und gesteigerter Skandal. Dass der historische Kampf gegen den Nazi-Terror nicht mit der Beurteilung des aktuellen Ukrainekriegs vermischt werden sollte, ist selbstverständlich. Insofern bedeutet die Forderung nach einer würdigen Ehrung der damaligen Befreier natürlich keine „Verteidigung“ der aktuellen russischen Kriegsführung. Im letzten Jahr hatte ich im Artikel „Am Tag der Befreiung ist die Fahne der Befreier verboten“ beschrieben, wie willkürlich, kleinlich und gefährlich ich die beschämende anti-historische Haltung finde, die genutzt wird, um im aktuellen Konflikt gegen Russland ein paar Punkte zu machen:

Die Weigerung, zwischen historischen Verdiensten der Sowjets und der Roten Armee im monumentalen Kampf gegen den Faschismus (und daraus folgenden, andauernden Verpflichtungen für Deutschland) einerseits und aktuellen Konflikten mit Russland andererseits zu unterscheiden, ist nicht nur kleinlich, sondern es offenbart auch eine meiner Meinung nach gefährliche und skrupellose Willkür im Umgang mit der Geschichte.

Im Artikel „Empörender Umgang mit dem Tag der Befreiung: „Hier weht nur noch die Ukrainefahne““ heißt es:

Es ist ein Triumph der Geschichtsrevisionisten: Das aktuelle ‚Gedenken‘ an jene sowjetischen Befreier von der Nazidiktatur, die die größten Opfer dafür gebracht haben, muss als total unwürdig bezeichnet werden. Auch über den aktuellen Anlass hinaus gibt es in Deutschland massive Bemühungen, die Geschichte vor allem bezüglich Russland umzudeuten. Der grüne Zeitgeist des Militarismus möchte den Bürgern seinen Russenhass mit einer Schocktherapie überstülpen.“

Dazu kommt: Gerade die, die immer von Mahnung, Erinnerung und Verantwortung aus der Geschichte schwafeln, machen genau das durch ihr aktuelles Handeln kaputt. Für Bürger mit Geschichtsbewusstsein ist das alles einfach nur beschämend.

Titelbild: Lars-Goran Heden / Shutterstock


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