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Titel: Auch „Friedensforscher“ lassen sich für Militarismus einspannen

Datum: 4. Juni 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Aufrüstung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
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Sogenannte Friedensforscher haben gerade in der Bundespressekonferenz ihr sogenanntes „Friedensgutachten“ vorgestellt. So wie zahllose Beiträge von großen Medien oder Gruppen wie „Correctiv“ reiht sich auch das „Friedens“-Papier ein in die militaristische Meinungsmache und ist als Vorkriegspropaganda zu bezeichnen. Von Bernhard Trautvetter.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das am 3. Juni in der Bundespressekonferenz vorgestellte Friedensgutachten ist ein Markstein der Vorkriegspropaganda. Das sogenannte ‚Gutachten‘ passt sich in einen Kanon der Meinungsmache ein, der bei der Bevölkerung Früchte trägt: Der neue sogenannte ‚Wehrbeauftragte’ Otte freut sich: „ … die Rückendeckung für die Bundeswehr sei in Gesellschaft und Politik gewachsen“.

Kriegsgutachten

Die sogenannten Friedensforscher haben bei der Vorstellung ihres sogenannten Friedensgutachtens von vier deutschen Friedensforschungsinstituten (BICC / IFSH / INEF / PRIF) für den Übergang von der NATO zu einer extrem hochgerüsteten europäischen Militärmacht geworben, die sie euphemistisch ‚Sicherheitssystem‘ nennen (Seite 26). Das offiziell ‚Friedensgutachten‘ genannte Dokument beginnt mit zwei Sätzen, die in eine andere Richtung wirken:

Um den Frieden ist es gegenwärtig schlecht bestellt. Als politisches Konzept scheint er sich mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erschöpft zu haben.“ (S.5)

Die konfliktsteigernde Orientierung des Dokuments wird noch gefährlicher – und zwar mit der Ankündigung, Europa (womit die Autoren unausgesprochen nur die NATO-Staaten Europas meinen) müsse gegebenenfalls auch gegen die USA kämpfen können. Hier das entsprechende Zitat aus dem Text:

Und dies muss in einer Weise geschehen, dass Europa auch ohne oder sogar gegen (!) die USA verteidigungsfähig ist.“ (S.6)

Die Forscher, die für vier Institute zur „Friedens- und Konfliktforschung arbeiten, und die ihre Studie 2025 im offiziellen Rahmen der Bundespressekonferenz präsentierten, plädieren einerseits für das, was sie ‚regelbasierte Ordnung‘ nennen, und zugleich auch für eine militärische Kooperation mit Staaten, die nicht die demokratischen Werte der Staaten der EU und Großbritanniens teilen, die aber gleiche Interessen verfolgen (S. 39); das bedeutet, ihnen und ihren Auftraggebern in der Politik geht es nicht um Demokratie, nicht um die Werte, die im Grundgesetz festgeschrieben sind, sondern es geht ihnen vor allem um Machtinteressen bei der Aufteilung der Welt.

Die Konfrontation „gegenüber Russland, China und Partnerstaaten“ (S. 26 und 34) ist die Grundausrichtung der von den ‚Friedensforschern‘ so genannten Sicherheitspolitik, die sie im Text ihres Gutachtens mehrfach ‚wertebasiert‘ nennen. Die völkerrechtlich undefinierten Begriffe, zu denen die ‚regelbasierte Ordnung‘ auch zählt, sind geeignet, breite Unterstützung zu generieren, ohne dass sie verbindliche Inhalte aufweisen. Partnerstaaten von Russland und China sind die BRICS-Staaten. Gegen sie stellen sich die Forscher in ihren Formulierungen unter dem Etikett des „Friedens“.

Prof. Daase (Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung) führte auf der Bundespressekonferenz mit einem viertelstündigen Vortrag in das Friedensgutachten ein. Sein Ausgangspunkt war eine sich immer „weiter verschlechternde Sicherheitslage. … In den letzten Jahren stand der russische Angriff auf die Ukraine und die mutwillige Zerstörung der europäischen Frieden- und Sicherheitsordnung durch Russland im Zentrum unserer Analyse.“ Er betonte, dass sich alle am Gutachten Beteiligten einig seien, dass es zurzeit(!) angesichts der von ihm wiederholt behaupteten russischen Bedrohung auch für Deutschland „ohne die NATO nicht geht“. Der Aufbau einer europäischen Militärstruktur ohne die USA ist demzufolge ein langfristiges Ziel der Friedens- und Konfliktforscher.

Mit der kommunizierten ‚russischen Bedrohung‘, die in den Medien auch oft ‚Veränderung des Sicherheitsumfeldes‘ genannt wird, begründen Akteure des militärisch-industriellen Komplexes, ihre Lobby und Unterstützer die Forderungen nach Hochrüstungs-Investitionen dies zur existenziellen Gefährlichkeitsstufe: „Wir brauchen die Atombombe“ – so die Welt am Sonntag am 30. März 2025. Als flankierenden Schritt auf dem Weg zur Europäisierung des Militärs fordern viele sogenannte Experten in Staat und Wirtschaft, darunter Bundeskanzler Merz, die Stärkung der Bundeswehr, bis sie die stärkste konventionelle Armee in Europa ist.

Tatsachenverdrehungen

Die Führungen in den Regierungen der EU-Staaten und in den westlichen Konzernen der Rüstungsindustrie propagieren ihre Hochrüstung als ‚Sicherheitspolitik‘. Als Beispiel für diese Art der Berichterstattung soll hier ein Artikel in der Welt vom Januar dienen: „›Ernste militärische Gefahr‹ für die NATO – so stark rüstet Russland auf“! Deshalb müsse jeder Staat bis zu fünf Prozent seiner gesamtwirtschaftlichen Leistung in den Militärsektor investieren, auch wenn darunter die sozialen Haushaltsbereiche des Staates leiden.

Zur Realität gehört allerdings genauso deutlich: Russland wendet einen Betrag für sein Militär auf, der nicht einmal ein Drittel der Militärausgaben der europäischen NATO-Staaten, also ohne die USA, umfasst. Russlands begrenzte militärische Möglichkeiten werden auch im Ukraine-Krieg sichtbar. Die begrenzten Mittel erklären sich ganz leicht: Laut Spiegel 12/2025 ist die russische Volkswirtschaft „ungefähr so groß wie die Italiens“ (S. 73)

Trotzdem fordern führende Politiker und Strategen unter Verweis auf die von ihnen ausgemachte russische Gefahr eine massive Erhöhung der Militärausgaben aller NATO-Staaten. Bundeswehr-Generalinspekteur Breuer sagt den Angriff Russlands auf NATO-Gebiet noch für dieses Jahrzehnt voraus. Russland würde demnach abwarten, bis die NATO-Staaten vor Ort entsprechend schnell immer weiter hochgerüstet sind, ehe die russische Armee angreift. Die unlogische Unterstellung von Carsten Breuer wird in den bellizistischen Medien nicht hinterfragt, sondern als bare Münze genommen.

Aber es geht nicht nur um die NATO, sondern auch um das Geschäft mit den Waffen insgesamt und um europäische Machtpolitik. Dabei geht es auch um die Vergiftung der Gehirne der Menschen im Sinn des militärisch-industriellen Komplexes, wenn führende Kräfte in NATO-Staaten Russland Desinformation oder gleich psychologischen Krieg vorwerfen, weil es seine wahre Militärpolitik verschleiere.

Dabei belügt – wie wir schon gesehen haben – die NATO-/Militärlobby selbst die Öffentlichkeit mit den Darstellungen der großen Gefahr für den freien Westen, die von Russland ausgeht. Die Des-Information der NATO und ihrer Lobby unterstellt Russland, es habe mit dem Ukrainekrieg die „Europäische Friedens- und Sicherheitsordnung zerstört“. Die Kriegspropagandisten übergehen dabei, dass die NATO-Ost-Expansion bis an die russische Westgrenze die Zerstörung der Friedensordnung markiert hat, denn Verträge wie der zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, die Charta von Paris der KSZE/OSZE schreiben eine Kooperation gemeinsamer, weil gegenseitiger Sicherheit vor, gegen die die offizielle NATO-Strategie der Abschreckung und Hochrüstung steht. Die NATO wusste das und hat dennoch die Eskalation betrieben.

Verhinderung einer Friedensordnung der gemeinsamen Sicherheit

Die Propaganda der Mobilmachung der Bevölkerung in den NATO-Staaten gegen die „Gefahr aus dem Osten“ lässt üblicherweise die völkerrechtswidrigen Angriffskriege der USA und ihrer Partner seit dem Ende des Kalten Krieges unerwähnt, darunter die Angriffe gegen Jugoslawien, Libyen, den Krieg gegen den Irak und den gegen Afghanistan.

Wie einst beginnt die Katastrophe mit Propagandaschlachten, an denen schon vor über 100 Jahren auch Schriftsteller und Intellektuelle ihren Anteil hatten: Die Urkatastrophe des zurückliegenden Jahrhunderts führte zu circa 20 Millionen getöteten Menschen. Das wird es im 21. Jahrhundert nicht mehr geben; jetzt geht es um die Menschheit insgesamt.

Die von Halbwahrheiten und doppelten Standards geprägte Werbung für Kriegstüchtigkeit wirft der Gegenseite Manipulation und psychologische Kriegsführung vor. Damit lenken die Bellizisten von ihren Propagandalügen ab.

Die Meinungsmache von „Correctiv“, Welt, taz usw.

Auch die „Investigativ-Plattform“ ‚Correctiv‘ beteiligt sich daran; sie veröffentlichte kürzlich ein Buch über den von ihr so wahrgenommenen ‚Krieg Putins gegen den Westen‘, in dem die Autoren davor warnen, dass Russland mit Fake News seine westlichen Kriegsgegner im medial ausgetragenen Weltkrieg lähmt. Die Propagandaoffensive der Militärs, ihrer Lobby und Unterstützer ist breit angelegt. Der Vorwurf führt bis zu der Wortwahl vom Krieg Putins mit Fake News :

OPERATION ERNSTFALL – Putins Angriff hat längst begonnen: Wie schnell können Deutschland und Europa abwehrbereit werden? Wie schnell schafft Europa, sich zu wappnen? … Am Ende der Friedenszeit … Deutschland wird angegriffen. Nicht mit Raketen und Panzern, aber längst durch Falschinformationen, Sabotageakte und Spionage. Was kommt noch? Zeit für eine Lagebesprechung.“

Am 30. März titelte die Springer-Zeitung Welt am Sonntag: „Wir brauchen die Atombombe … Um Russland abzuschrecken ….“ Die taz stimmt in die Propaganda ein:

Eigene Waffensysteme, ein zentrales Oberkommando und Atomwaffen braucht Europa …Wenn die geopolitischen Ereignisse aus den letzten Jahrzehnten etwas gelehrt haben, dann dass eine nukleare Abschreckung die wirksamste wenngleich gefährlichste ist … um es in den unlängst von Jürgen Habermas formulierten Worten zu sagen: Wir Europäer müssen ‚auf die neue Situation eine rettende Antwort‘ finden.“

Das ist offensichtlich die Bereitschaft zum finalen Krieg.

Die Friedensbewegung ist angesichts dieser Vorkriegspropaganda wichtig als Kraft des Überlebens, sie wird sich am Gedenken an 80 Jahre Hiroshima (6.8.), am Antikriegstag (1.9.) und am Tag der Deutschen Vereinigung (3.10.) zu Wort melden. Sie ist die Kraft, die gegen die Strategie des finalen Krieges unverzichtbar ist und bleibt.

Titelbild: Grok – Das Titelfoto ist ein mit künstlicher Intelligenz erstelltes Symbolbild.


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