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Titel: Kriegstüchtigkeit neu gedacht

Datum: 2. Juli 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Finanzpolitik, Schulden - Sparen
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Man hört und liest ja immer wieder: Kriegstüchtig müssen wir werden. Das sei das Gebot der Stunde. Der Russe stünde nämlich mal wieder vor der Tür, und Deutschland müsse seine Werte, seine Demokratie in Bälde vorwärtsverteidigen. Getreu dem guten alten Motto „Gold gab ich für Eisen“ geht nun fast jeder zweite Steuer-Euro in die Rüstung. Doch Kriegstüchtigkeit ist mehr als ein Mindset und geht auch weit über den Kauf vieler schöner, neuer Waffen hinaus. Nun, da der schnöde Mammon keine Rolle mehr spielt, gäbe es so einige Mittel und Wege, das Volk für den Krieg zu ertüchtigen und als Kollateralnutzen gleich noch die ewig gestrigen Lumpenpazifisten strategisch einzuhegen. Eine Glosse von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Als ich die Tage mit einem Nachbarn ins Gespräch kam, klagte der über den Verfall der Freibäder in unserer Gemeinde. Eins sei mittlerweile ganz geschlossen, bei zwei weiteren hätte man die Saison verkürzt und suche nun händeringend nach Freiwilligen, die aushilfsweise den Job des Bademeisters ehrenamtlich übernehmen könnten, um überhaupt den Betrieb zu gewährleisten. Es fehle nun mal am Geld, das sei schon klar. Aber wo sollen die Kinder nun im Sommer hin? Und überhaupt. Für die Rüstung sei ja anscheinend Geld da. Aber was wollen die mit Soldaten anfangen, die nicht einmal schwimmen können? Recht hat er, der Mann.

Ähnlich sieht es hier in der Region bei den Sportvereinen aus. Staatliche Zuwendungen wurden bereits in den letzten Jahren stark zurückgefahren. Klar, es herrschte König Sachzwang mit dem Diktat der Schwarzen Null. So mancher ehemalige Fußballplatz gleicht heute einem Kartoffelacker, was mal ein kleines Stadion mit Rängen aus Waschbeton und einer Tartanbahn für angehende Leichtathleten war, ist heute eine Kulisse für Lost-Place-Fotografen. Betreten verboten, Eltern haften für ihre Kinder. Wie sollen die aber unsere schöne Demokratie gen Osten vorwärtsverteidigen, wenn sie schon kurz hinter der Oder zusammenbrechen? Da müsste doch eigentlich die Leibesertüchtigung ganz oben auf der Prioritätenliste der Kommissköpfe stehen, die uns kriegstauglich machen wollen. Hieß es nicht in wilhelminischen Zeiten, als die Kriegstüchtigkeit schon einmal ganz oben auf der Agenda stand, „Mens sana in corpore sano“?

Aber mit dem gesunden Geist ist das ja auch so eine Sache. Die PISA-Studien wecken schließlich Zweifel, ob unsere Jugend überhaupt die nötigen geistigen Fähigkeiten mitbringt, das Land der Dichter und Denker vorwärtszuverteidigen. Schließlich schlägt man sich auf dem modernen Schlachtfeld ja nicht mehr profan die Schädel ein, sondern hat es mit fortgeschrittenen Tötungstechnologien wie Drohnen zu tun, und selbst so ein moderner Panzer mit allerlei Hightech-Klimbim will ja erst mal bedient werden können. Verschärfend kommt hinzu, dass wir in Deutschland ein massives Bildungsgefälle anhand der sozioökonomischen Herkunft haben. Nun werden der schlaue kleine Finn-Elias oder die noch schlauere kleine Frida aus dem Prenzlauer Berg aber im Ernstfall sicher ihr Vaterland – oder sagt man in derlei Kreisen heute „Land der gebärenden Person“? – nicht mit der Waffe in den Steppen Russlands verteidigen. Und Kevin und Chantale, die als Kanonenfutter unsere Demokratie vorwärtsverteidigen sollen, sind leider zu doof dafür und damit nicht gerade kriegstauglich. Was läge da näher, als einen gehörigen Teil der nahezu unbegrenzten Kriegsvorbereitungskasse für die Bildung auszugeben? Auf dass der Kevin und die Chantale dann Befehle sogar lesen und verstehen können und im Panzer auch ja auf den richtigen Knopf drücken.

Aber machen wir uns nichts vor. Kriege erfordern immer auch Opfer, dazu sind wir bereit. Nun hat aber nicht jeder Soldat das Glück, durch einen sauberen Schuss niedergestreckt zu werden. Wenn wir kriegstüchtig werden wollen, brauchen wir auch ein Gesundheitssystem, das mit all den Verstümmelten und Traumatisierten zurechtkommt, die so ein Krieg halt produziert. Dummerweise ächzt unser Gesundheitssystem ja schon in Friedenszeiten unter massiver Personal- und Finanznot. Unsere Krankenhäuser sind nicht einmal friedens-, geschweige denn kriegstüchtig. Auch hier ist Handlungsbedarf angesagt. Jeder Euro in das Gesundheitssystem ist ein Euro, der auch der Kriegstüchtigkeit zugutekommt. Ich erwarte daher von unserem Kriegsminister Pistorius nicht weniger als ein epochales Finanzprogramm für unser Gesundheitssystem. Nur wer in Friedenszeiten bereits Personalkapazitäten aufbaut, ist auch ertüchtigt für den Krieg.

Und wenn es mit dem Krieg mal wieder nicht so gut läuft? Wir Deutschen wurden zwar bereits viermal Fußball-Weltmeister, verloren bei den Weltkriegen aber stets recht deutlich im Finale. Im letzten Finale brachten wir kurz vor Ende der Spielzeit noch die Greise als Volkssturm ins Spiel. Aber wir wissen ja – 70 ist das neue 40, heutige Greise sind oft erstaunlich fit. Unser Volkssturm könnte beim nächsten Weltkrieg dieses Mal tatsächlich ein Gamechanger werden und uns gegen den Russen zumindest in die Verlängerung retten. Das klappt aber nur, wenn unsere Greise auch wirklich fit und kriegstauglich sind. Wer heute von Hungerrenten lebt und zur Tafel gehen muss, weil die Rente nicht bis zum Monatsende reicht, wird den Russen wohl kaum stoppen können. Auch hier gilt das Vorsorgeprinzip, will man die gesamte Gesellschaft wirklich kriegstauglich machen. Geld spielt ja anscheinend keine Rolle mehr. Dann lasst uns doch das Rentenniveau so anheben, dass jeder Greis – und jede Greisin, Kriegstauglichkeit ist ja schließlich ein emanzipatorisches Projekt – nicht nur körperlich fähig, sondern auch geistig gewillt ist, sein Land und damit auch seine Rente zu verteidigen. Ist das zu viel verlangt?

Da kommen wir am Ende noch zu einem heiklen Punkt. Es gibt sie ja, die Lumpen- und Unterwerfungspazifisten; die vaterlandslosen Gesellen, die lieber rot als tot wären, von Diplomatie schwadronieren und nicht wirklich wissen, welche Werte und welche Demokratie sie eigentlich verteidigen sollten. An diesen Typen prallt sogar die durchdachteste Re-Education ab, aber man sollte sie dennoch nicht abschreiben. Machen wir das Land doch einfach fairer, gerechter und lebenswerter. Verteilen wir von oben nach unten um. Nehmen wir es mit der Demokratie und nehmen wir die Sorgen und Nöte der Menschen ernst. Leben wir doch mal unsere Werte, anstatt sie nur zu predigen. Sorgen wir also dafür, dass es etwas gibt, das es zu verteidigen lohnt. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, sind wir dann wirklich kriegstauglich. Denken wir die Kriegstauglichkeit doch einfach mal neu. Versuchen könnte man es ja. Und wenn wir am Ende dann doch nicht kriegstauglich sind, haben wir zumindest ein besseres Land. Das wäre doch gar nicht so schlimm, oder?

Titelbild: OpenAI – Das Titelfoto ist ein mit künstlicher Intelligenz erstelltes Symbolbild


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