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Titel: Frankfurter Rundschau lässt Tausende deutsche Panzer gegen Putin „rollen“ – Journalismus am Ende
Datum: 8. Juli 2025 um 9:04 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Redaktion
Es ist soweit: Deutsche Panzer rollen gegen Putin – und zwar nicht nur zwei oder drei, sondern: Tausende! Das „berichten“ die Frankfurter Rundschau, der Münchner Merkur und andere Medien. Der heiße dritte Weltkrieg ist also offensichtlich ausgebrochen. Panzer marsch! Nur: Mit der Realität hat diese „Berichterstattung“ nichts zu tun. Sie zeigt allerdings, wie verwahrlost der Journalismus unserer Zeit ist. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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„Deutschland erwägt den Kauf von bis zu 2.500 gepanzerten Kampffahrzeugen und bis zu 1.000 Kampfpanzern (…) zur Abschreckung Russlands.“ Insgesamt 25 Milliarden Euro sollen dafür ausgegeben werden. Das berichtete am Wochenende der Nachrichtensender Bloomberg. Auch deutsche Medien haben die Meldung aufgegriffen. Dann folgten allerdings Schlagzeilen, die nicht mehr als journalistische „Berichterstattung“ bezeichnet werden können.
„Tausende neue Panzer rollen gegen Putin“, heißt es in der Frankfurter Rundschau. Mit einer identischen Überschrift präsentiert auch der Münchner Merkur die Nachricht. Der Nachrichtendienst MSN Deutschland setzt mit folgender Überschrift noch eins drauf:
„Deutschland plant Mega-Deal: Tausende Panzer sollen gegen Putin rollen“
Sollen gegen Putin rollen? Wie ist das zu verstehen? Wenn die Panzer gegen Putin rollen „sollen“, dann impliziert dieses „sollen“ eine Absicht. Will Deutschland etwa Russland angreifen? Zumindest wäre dies eine Interpretation der Schlagzeile. Und damit sind wir dann auch im Kern des Problems angekommen. In Anbetracht der deutschen Geschichte darf von deutschen Medien eine besondere Sensibilität erwartet werden, wenn es – wie soll man es sagen? – um Beiträge geht, die die Worte „Deutschland“, „Russland“, „Panzer“ und „rollen“ beinhalten. Die Überschriften erwecken den Eindruck, dass bereits Tausende Panzer gegen Russland „rollen“ oder von deutscher Seite die Absicht besteht, die Panzer gegen Russland rollen zu lassen. Wie muten derlei Schlagzeilen wohl in den Augen Russlands an, das im Zweiten Weltkrieg viele Millionen Tote zu beklagen hatte?
Gewiss: Aussagen und Worte lassen sich vielfältig verstehen. Im Gesamtzusammenhang wird klar, dass es um ein großes Rüstungsgeschäft geht, das beinhaltet, mehrere Tausend Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zu produzieren – im Zusammenhang mit dem politischen Großprojekt Kriegstüchtigkeit. Doch das macht es nicht besser. Wie auch immer diese Schlagzeilen entstanden sind, ob durch Künstliche Intelligenz oder durch einen Redakteur: Sie sind beschämendes Zeugnis journalistischer Verwahrlosung. Rollende Panzer gegen Putin? Das wären: rollende Panzer gegen Russland. Das würde bedeuten: Ein heißer dritter Weltkrieg ist am Laufen – vermutlich Atomschläge inklusive. Furchtbare Zerstörung, unermessliches Leid.
Welch eine publizistische Verantwortungslosigkeit, im Zusammenhang mit der Nachricht des beschönigend als „Mega-Deal“ angepriesenen Rüstungsvorhabens den Begriff „rollen“ zu gebrauchen. Ja, Panzer „rollen“ irgendwann, wenn sie fertiggestellt sind, „vom Band“ bzw. aus den Produktionshallen. Nur: Wohin werden sie dann rollen? Vielleicht doch noch gegen Russland? Natürlich nur: zur Verteidigung. Es könnte doch sein – so sagt es uns der verlogene Geist der „Zeitenwende“ –, dass Russland bald an der „Ostflanke“ angreift.
Begreifen die Redakteure in den Redaktionen überhaupt die Tragweite ihrer unverfrorenen Schlagzeilen, aber auch überhaupt der aktuellen Entwicklungen? Der „Mega-Deal“ führt mit zu einer unerträglichen Militarisierung Deutschlands – so wie das Gesamtvorhaben Kriegstüchtigkeit. Begreifen diese Leute in den Redaktionen wirklich nicht, dass das Feindbild Russland auf propagandistisch kontaminierten Vorstellungen, auf Halbwahrheiten, Lügen und Sinnbrüchen beruht?
Nein, sie begreifen es nicht. Sonst würden nicht so viele Medien Tag für Tag eine Berichterstattung abliefern, die selbst zur Propaganda verkommen ist.
Mittlerweile sind die Überschriften in der Frankfurter Rundschau und im Münchner Merkur geändert. Nun heißt es: „Deutschland plant Mega-Deal: Tausende neue Panzer gegen Putin“. Das Wort „rollen“ wurde also entfernt. Doch auch so ist die Schlagzeile eine „journalistische“ Sauerei.
Die Formulierung „gegen Putin“ schürt den Verdacht, dass Panzer nicht nur produziert, sondern gegen Russland in Stellung gebracht werden. Und die Formulierung „Mega-Deal“ lässt den Verdacht entstehen, in den Redaktionen herrsche eine regelrechte Begeisterung für die Aufrüstung Deutschlands.
In den Artikeln der Frankfurter Rundschau und des Münchner Merkur heißt es zudem im Vorspann: „Endlich Schluss mit der Fähigkeitslücke? Die mickrige Panzerflotte der Bundeswehr und der Nato im Osten soll wachsen. Die Industrie wirkt überfordert.“
Was hat das noch mit Journalismus zu tun?
Jetzt, in dieser Zeit, wo von „Kriegstüchtigkeit“ die Rede ist, braucht es einen Journalismus, der mit wachem Verstand die Propaganda dekonstruiert – und nicht einen, der auf den Propagandazug mit wehenden Fahnen aufspringt.
Titelbild: Mike Mareen/shutterstock.com
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