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Titel: Corona-Aufarbeitung: Ignoranz, Uneinsichtigkeit und ein Spiegel-Kolumnist
Datum: 18. Juli 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Gesundheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Redaktion
Spiegel-Kolumnist Nikolaus Blome hat sich zum Thema Corona-Aufarbeitung zu Wort gemeldet. In der Coronazeit zog Blome mit seiner Feder gegen Ungeimpfte zu Felde wie kaum ein anderer. Seine aktuellen Worte sind Dokument einer Uneinsichtigkeit, die auf weite Teile der Hetzer und Spalter aus der schwersten Grundrechtskrise der Republik zutrifft. Und auch deshalb wird der Ruf nach Aufarbeitung immer lauter. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Es gibt Aussagen, die lassen sich nicht vergessen. Eine davon stammt von Nikolaus Blome. Im Dezember 2020 flossen aus der Feder des Spiegel-Kolumnisten folgende Sätze:
„Ich hingegen möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen.“
Wir erinnern uns: Der Winter 2020 war düster – sehr düster. Die Politik der Grundrechtsschande bahnte sich ihren Weg durch die Republik. Die Angst ging um. Viele Bürger hatten Angst vor dem Coronavirus. Und viele Bürger hatten Angst vor einem Staat, der immer weiter in den Schutzbereich der Grundrechte eingriff.
Das war eine Zeit, wo Journalismus gefragt war. Es war eine Zeit, wo Journalisten die Klaviatur ihrer Zunft hätten hoch und runter bedienen müssen. Das heißt: Veröffentlichungen von Politik und Behörden kritisch hinterfragen; das Agieren des Robert Koch-Instituts genau beleuchten; Distanz zum Objekt der Berichterstattung wahren; gefällige „Wahrheiten“ nicht kritiklos übernehmen; „Quatsch-Parameter“ wie Inzidenzen und R-Werte dekonstruieren und nicht zum Fetisch machen. Echte journalistische Auswertung, Analyse, Einordnung, Perspektivierung: Darauf kam es an – und kein Journalismus, der zur besten Sendezeit im Ton einer beleidigten Elwetritsch in die Kamera sagt: „Na, herzlichen Dank an alle Ungeimpften!“ Anders gesagt: Das Letzte, was die Republik in dieser Zeit brauchte, waren Journalisten, die wollten, dass die „gesamte Republik“ mit dem Finger auf einen Teil der Bürger zeigt. Das Letzte, was das Land brauchte, waren Journalisten, die mit dem Axtschwung in ihren Worten einen Keil in die Gesellschaft trieben. Doch da war Blome – und da waren andere Medienvertreter, die Gewehr bei Fuß standen, um jene Bürger, die es wagten, etwas zu laut „Grundrechte!“ zu sagen, öffentlich an den Pranger zu stellen.
Es hilft ja alles nichts. Wir müssen noch mal auf den Dreck dieser Zeit aufmerksam machen. „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ – welch eine furchtbare Aussage! Welch ein Missbrauch publizistischer Macht. Welch eine sprachliche Gewalt – gerichtet gegen Menschen, die nicht bereit waren, sich einen hochumstrittenen Impfstoff spritzen zu lassen.
Wir alles wissen: Worte haben Kraft. In Worten liegt Macht. Worte können verletzen und schneiden bis ins Mark. Sie sind wie ein scharfes Schwert. Wer es als Journalist führt, muss sich darüber im Klaren sein, was er anrichten kann. „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ – diese Aussage hat niemand an einem Stammtisch nach drei Weizen getätigt. Diese Aussage stammt von einem der bekanntesten Journalisten des Landes, veröffentlicht in einem der reputiertesten Magazine der Republik. Dass einmal eine Gruppe von Menschen auf diese Weise an den Pranger gestellt würde, dürfte zum Tiefpunkt der bundesdeutschen Mediengeschichte zu zählen sein. Mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, heißt: ihn zu beschämen – und dann auch noch öffentlich. Die gesamte Republik aufzufordern, eine Gruppe durch ihren Fingerzeig herabzusetzen, zu entwürdigen, zu demütigen: Das darf getrost als journalistische Schande bezeichnet werden.
So weit zur Vergangenheit.
Und nun meldet sich Monsieur Blome zu damals und zum Heute noch mal zu Wort. Unter der Überschrift „Der Coronastreit lässt sich nicht befrieden“ lässt der Kolumnist die Öffentlichkeit an seiner Sicht auf die Dinge teilhaben. Die „Wortführer der damals unterlegenen Minderheit aus Impfgegnern und Coronaskeptikern wollen nicht reden“, findet Blome. Denn: „Sie wollen Rache. Keine Kommission kann das ändern.“
Das Wort „Gerechtigkeit“ kommt in dem Blome-Text genau nullmal vor. Dabei geht es bei der Forderung nach einer Aufarbeitung der Coronapolitik samt der juristischen und publizistischen Exzesse genau darum: Gerechtigkeit!
Blome ignoriert noch immer: Unter einer im Kern evidenzbefreiten Politik und mit nahezu der gesamten deutschen Presse im Rücken wurden Mitmenschen in die Impfung regelrecht hineingetrieben – gegen ihren Willen. Der Impfdruck war so groß, dass Menschen vor der Wahl standen: ihre ökonomische Existenz verlieren – oder sich der Impfung unterziehen. Was damals schon als unverantwortlich sichtbar war, wirkt heute in Anbetracht realer Impfschäden noch monströser.
Diese Politik, die den Entzug von Grundrechten als Druckmittel nutzte, um die körperliche Souveränität der Staatsbürger zu untergraben, muss aufgearbeitet werden. Diese unmenschliche Politik, die Alte und Kranke allein ohne ihre Angehörigen sterben ließ, hatte einen Moment des Faschistoiden.
Konsequente Aufarbeitung zu fordern, ist daher kein Ruf nach Rache. Der Ruf nach Aufarbeitung ist ein Ruf aus der Tiefe des Grundgesetzes.
Blome zeigt sich ohne Einsicht:
„Vor mehr als vier Jahren schrieb ich an dieser Stelle, man möge »mit dem Finger« auf jene zeigen, die sich freiwillig nicht gegen Corona impfen lassen. Zugegeben, ruppig formuliert, doch die Impfgegner haben deswegen bis heute Schnappatmung und ohne einen »Faschismus«- oder »Nazi«-Vorwurf pro Tag geht es meist nicht ab, nun ja.“
Vielleicht muss man es Blome vorsingen, vortanzen oder was auch immer. Mitbürger haben sich aufgrund des Impfdrucks – zu dem auch ein Spiegel-Kolumnist beigetragen hat – gegen ihren Willen impfen lassen und teilweise schwere Schäden davongetragen. Es geht nicht lediglich um unterschiedliche politische Ansichten, aufgrund derer zwei Lager „über Kreuz liegen“. Es geht um eine Politik inklusive einer Berichterstattung, die direkt oder indirekt schwere reale, irreparable Schäden herbeigeführt hat.
In Blomes Welt stehen die Grundlagen für die, wie er sie nennt, „ruppigen“ Formulierungen vonseiten der Presse noch immer felsenfest. Ernsthaft führt er etwa die „Bilder aus Bergamo“ an, mit denen damals Medien massiv Panik geschürt haben. Wenn Blome und der Spiegel schon „alternativen“ Medien nicht trauen, vielleicht trauen sie ja dem Bayerischen Rundfunk (BR). Schon im September 2021 berichtete der BR über den „Militärkonvoi“ und darüber, „wie eine Fotolegende entstand“. Wobei: Es nutzt ja alles nichts. Wer vom Glauben beseelt ist, dass die eigene Sicht der ultimativen Wahrheit entspricht, lässt sich auch nicht von Fakten irritieren. Fotolegenden, RKI-Protokolle, Corona-Tote, Schwachstellen bei Erfassung der Inzidenzen: Die Maßnahmen waren richtig, und die Republik aufzufordern, mit dem Finger auf Ungeimpfte zu zeigen, war eben lediglich „ruppig“.
Jakob Schirrmacher, der Sohn des verstorbenen FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher, kommentierte Blomes Kolumne mit den Worten: „„Die unterlegene Minderheit will Rache“ – so klang es früher, wenn Dissidenten zu Staatsfeinden erklärt wurden. Blomes Kolumne ist kein Kommentar. Sie ist eine politische Zuweisung: Wer gegen den Staat war, gehört nicht mehr zum Souverän.“
Das sind kluge Worte. Doch bei aller Kritik an Blomes Ausführungen, einen beachtlichen Wert haben sie durchaus. Wie unter einem Brennglas zeigen sie: Einsicht gibt es im Lager der Maßnahmenapologeten und Spalter und Hetzer bis heute keine. Null. Nichts. Die gute Nachricht in dem Zusammenhang lautet: Ihre Einsicht wird bei der Aufarbeitung auch nicht benötigt. Sollen sie eben uneinsichtig bleiben.
Titelbild: Screenshot NDR
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