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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Deutschland bewegt sich in Richtung Kriegsrecht
Datum: 30. Juli 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Innen- und Gesellschaftspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
Verantwortlich: Redaktion
Überblick und Schlussfolgerungen zu drei Jahren Repressionen gegen Kriegsgegner und russischsprachige Menschen in Deutschland. Die letzten Haftbefehle und Hausdurchsuchungen bei Aktivisten des humanitären Vereins Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe sind der jüngste Höhepunkt der Repressionen gegen Menschen, die sich öffentlich gegen die herrschende Meinung zum Ukraine-Krieg stellen. Der Vorwurf des Straftatbestands „Unterstützung einer Terrororganisation“ in diesem Zusammenhang nach den Paragraphen 129 a und b Strafgesetzbuch (StGB) ist eine neue Qualität in der Tendenz, völkerrechtliche und demokratische Grundsätze der deutschen Justiz abzubauen. Von Alexander Kiknadze.
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Der folgende Artikel will die qualitative Entwicklung der Repressionen gegen Kriegsgegner nachzeichnen. Er kommt zu dem Schluss, dass sich die Justiz der Bundesrepublik in Richtung Kriegsrecht entwickelt, dies politisch motiviert ist und dafür bestimmte demokratische Grundsätze schleichend abgebaut werden. Juristische Willkür, Widerspruch zu internationalem Recht und demokratischen Grundsätzen sowie inhaltliche Willkür der Urteilsbegründungen sind Ausdruck dieser Entwicklung.
Repressionen gegen Medien und Medienschaffende
Zuletzt wurden im Mai diesen Jahres im Rahmen des 17. Sanktionspakets die Journalisten und Blogger Alina Lipp und Thomas Röper auf die EU-Sanktionsliste für „russische Destabilisierungsversuche“[1] aufgenommen. Ihre Vermögen wurden eingefroren und es wurde eine Einreisesperre gegen sie für andere EU-Länder verhängt. Obwohl sie noch nach Deutschland einreisen dürfen, bedeutet die Beschlagnahmung ihres Vermögens, das Verbot der Bereitstellung von Geldern und anderer Ressourcen und die breit angelegte Medienhetze gegen sie eine De-facto-Ausbürgerung.
Neben Lipp und Röper wurden auch gegen den Gründer des red.media-Kollektivs Hüseyin Doğru EU-Personensanktionen verhängt. Red.media hat sich seit Oktober 2023 vor allem dadurch positiv hervorgetan, die Komplizenschaft deutscher Medien beim Genozid in Gaza aufzudecken und anzukreiden. Die Sanktionen gegen red.media werden nun allerdings auch mit der Behauptung begründet, dass das Medium mit dem russischen Staat zusammenarbeite. Für diese Beschuldigung werden zwei Gründe angeführt: Der erste lautet, dass einige der red.media-Journalisten zuvor für Redfish (ein redaktionell unabhängiges Projekt, das von der Nachrichtenagentur Ruptly von RT finanziert wurde) oder Ruptly selbst gearbeitet haben. Red.media kritisiert in seinem Statement[2] zu Recht, dass „durch diese Logik BBC, CNN, Deutsche Welle, Al Jazeera, Berliner Zeitung und Channel 4 News alle mit dem russischen Staat verbunden wären“, angesichts ihrer Anstellung ehemaliger RT-Journalisten. In Wirklichkeit habe die überwiegende Mehrheit der red.media-Mitarbeiter keinen solchen Hintergrund. Red.media distanzierte sich in seinem Statement von Russland und hob hervor, es stelle sich gegen den Krieg in der Ukraine und wisse, „dass Russland, wie China, die EU und die USA eigene imperialistische Interessen“ verfolge.
Diese defensive Haltung hilft ihnen jedoch nichts, da es den EU-Sanktionierern um etwas viel Grundsätzlicheres geht: Es geht darum, dass keine mediale Opposition gegen den Kriegskurs zugelassen wird. Diese Grundsätzlichkeit wird nämlich im zweiten Teil der Begründung deutlich: „Durch die AFA Medya unterstützt Hüseyin Dogru daher Aktionen der Regierung der Russischen Föderation, die Stabilität und Sicherheit in der Union und in einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten untergraben oder bedrohen, einschließlich der indirekten Unterstützung und Erleichterung von gewalttätigen Demonstrationen und der Durchführung von koordinierten Informationsmanipulationen.“[3] Dieser Auszug aus dem Begründungstext zeigt die EU-Logik exemplarisch auf: Wer sich gegen Gewalt gegen friedliche Palästinademonstrationen und die Unterstützung des Genozids stellt, der unterstützt damit gewalttätige Demonstrationen und koordiniert „Informationsmanipulationen“. Wer das tut, unterminiert wiederum die Sicherheit und Stabilität der EU. Und weil Russland das auch tut, unterstützt man damit Russland.
Strafrechtliche Verfolgungen nach §§130 und 140 wegen Äußerungen zum Ukraine-Krieg (Bericht Außenministerium der Russischen Föderation)
Seit Februar 2022 kommt es in Deutschland zu massiven Anwendungen der §§130 (Volksverhetzung) und 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) gegen Personen, die abweichende Meinungen zum Ukraine-Krieg äußern.
Ein eklatantes Beispiel ist das Strafverfahren gegen die ukrainische Staatsbürgerin Elena Kolbasnikowa und ihren Ehemann M. Shlund, die für ihre aktive Beteiligung an der Organisation mehrerer prorussischer Autokorsos in Deutschland bekannt waren. Diese Korsos wurden in mehreren deutschen Medien rassistisch als „Russen-Korsos“ bezeichnet. Kolbasnikowa berichtete in einem Medieninterview, dass an diesen Korsos zunächst viele Menschen teilnahmen. Allerdings seien es jedes Mal weniger geworden, weil die Polizei mit Durchsuchungen gekommen sei und die Menschen in der Folge Angst gehabt hätten, ihre Meinung öffentlich zu äußern.[4] Es zeigt sich, dass die Behörden eine Atmosphäre der Angst schürten, die die Möglichkeiten einzelner Personen und Gruppen, ihre demokratischen Rechte und Freiheiten auszuüben, einschränkt.
Kolbasnikowa wurde wegen ihrer Äußerungen zur Unterstützung Russlands während einer Veranstaltung am 8. Mai 2022 anlässlich des Tages des Sieges vom Landgericht Köln im Juni 2023 für schuldig befunden. Das Gericht verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 900 Euro. Unter Berufung auf § 140 StGB wurde ihr „Kriegspropaganda“ vorgeworfen, da sie „die Aggression Russlands gegen die Ukraine“ öffentlich befürwortet habe. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.
Der Ehemann von Kolbasnikowa wurde aufgrund seiner Teilnahme an prorussischen Aktionen von der Arbeit suspendiert und im März 2023 entlassen. Shlund versuchte gerichtlich, seine Rechte zu verteidigen, von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine finanzielle Entschädigung und seine Wiedereinstellung zu erwirken. Aufgrund der Verfolgung durch die deutschen Behörden waren Kolbasnikowa und Shlund im Mai 2024 gezwungen, aus Deutschland auszureisen. Im Juli 2024 beschlossen die deutschen Behörden die Ausweisung der Aktivisten aus der Bundesrepublik mit einem Einreiseverbot für 20 Jahre, das sie mit der Notwendigkeit begründeten, Gefahren für die staatliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung abzuwenden.[5]
Für eine politisch willkürlichere Anwendung des Paragraphen 130 wurde dieser im Oktober 2023 angepasst. In einer parlamentarischen Nacht-und-Nebel-Aktion wurde er um den neuen Absatz 5 erweitert. Er stellt nun das „öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen“ von „Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen“ unter Strafe, „wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören“.[6] Nach dieser Erweiterung droht eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Wie einige Juristen kritisieren, beruht dabei die Entscheidung, was als „Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen“ gewertet wird, nicht auf gerichtlichen oder gar wissenschaftlichen Nachforschungen und abschließenden Urteilen, sondern unterliegt der Willkür der Strafverfolgungsbehörden.[7] Das bedeutet konkret, dass Polizisten freie Hand bekommen, nach Belieben Versammlungen aufzulösen, Redebeiträge zu unterbinden, Flyer oder Transparente zu beschlagnahmen und die Betroffenen mit Anzeigen zu überziehen und sie so – selbst wenn es nicht zur Verurteilung kommt – einzuschüchtern, in ihrer Meinungsäußerung einzuschränken und vorauseilenden Gehorsam zu erzwingen.
Die praktische Wirkung dieses erweiterten §130 und des §140 zeigten sich am Fall Heiner Bücker im Jahr 2023: Er wurde wegen folgender Aussage in seiner Rede zum 81. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion verurteilt:
„Nie wieder dürfen wir als Deutsche an einem Krieg gegen Russland in irgendeiner Form beteiligt sein. Wir müssen uns zusammenschließen und uns diesem Irrsinn gemeinsam entgegenstellen.“ Weiter plädiert er, „offen und ehrlich zu versuchen, die russischen Gründe für die militärische Sonderoperation in der Ukraine zu verstehen und warum die überwiegende Mehrheit der Menschen in Russland die Regierung und ihren Präsidenten Wladimir Putin darin unterstützen“. Er wolle und könne „die Sichtweise in Russland und die des russischen Präsidenten sehr gut nachvollziehen. Ich hege kein Misstrauen gegen Russland, denn der Verzicht auf Rache gegen Deutsche und Deutschland bestimmte seit 1945 die sowjetische und danach die russische Politik.“[8]
Heiner Bücker wurde auf Grundlage des §140 StGB in Verbindung mit §138 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro – ersatzweise auch 40 Tage Haft – plus Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt. Das Gericht zeigte sich bei der Verhandlung als ein explizit politisches Gericht, indem es Bücker vorwarf, „dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine, um dessen Rechtswidrigkeit Sie wussten, zugestimmt und damit das in Paragraph 138 Absatz 1 Nummer 5 angeführte ‚Verbrechen der Aggression (Paragraph 13 des Völkerstrafgesetzbuches)‘ gebilligt zu haben, in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“[9]
Erklärung der VR Donezk und Lugansk als „Terrororganisationen“: Haftbefehle und strafrechtliche Verfolgungen nach §129 a/b wegen humanitärer Hilfe für den Donbass
Ende Mai diesen Jahres gab es bei Mitgliedern des humanitären Vereins Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V. Hausdurchsuchungen und Haftbefehle im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts auf §129 a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) und §129 b (Kriminelle und terroristische Organisation im Ausland, Einziehung). In einem gesonderten Verfahren der Generalbundesanwaltschaft in Dresden gab es fast gleichzeitig eine Hausdurchsuchung in Dresden. Ralf Hohmann berichtet in der UZ, dass das Bundesjustizministerium dafür eine sogenannte Verfolgungsermächtigung erstellt habe, die zur Verfolgung von Straftaten gemäß §129 StGB notwendig ist. Die Mitglieder von Friedensbrücke hätten laut Generalbundesanwalt durch Hilfslieferungen und Spendenaktionen zwischen 2015 und 2022 die Volksrepubliken Donezk und Lugansk in illegaler Weise unterstützt. In illegaler Weise, weil es unter anderem um Maschinenöl ging, das als Dual-Use-Gut generell auch für Militärfahrzeuge nutzbar sei. Hohmann merkt an, dass sich mit dieser Logik auch denken ließe, dass Lebensmittel, Spendengelder, Nähmaschinen, Krankenrollstühle und Ähnliches von einer „Terrororganisation“ durchaus zweckentfremdet werden können.[10] Wie wir weiter unten sehen werden, braucht es diese „Dual-Use“-Argumentation aus Sicht der Verfolgungsbehörden allerdings nicht zwingend.
Wie kommt es zur Einstufung der Volksrepubliken als „Terrororganisationen“, wenn sie doch 2015 noch in den Minsker Vereinbarungen von den westlichen Staaten als Verhandlungspartner und damit als völkerrechtliche Subjekte anerkannt wurden?
Dies erklärt der Ermittlungsbefehl des Generalbundesanwalts für die Hausdurchsuchung in Dresden, der dem Autor vorliegt. Laut diesem Papier seien die Volksrepubliken keine staatlichen Entitäten, sondern hätten sich selbst und ohne völkerrechtliche Anerkennung deklariert. Die Gründung sei eine Reaktion einiger separatistischer „Rädelsführer“ auf die Nichtunterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens der Janukowitsch-Regierung im Jahre 2014. Ihr Kampf gegen die ukrainische Armee wird als ein Kampf weniger separatistisch, antiukrainisch eingestellter Rädelsführer dargestellt, die wegen ihrer bloßen Ablehnung der Kiewer Politik in den Kampf gingen. In ihren Kampfverbänden hätten anarchische Zustände geherrscht, einzelne Kampfverbände seien nicht koordiniert gewesen und ihr Kampf gegen die ukrainische Armee sei mit Plünderungen verbunden gewesen. Sie seien personell aus „gescheiterten Existenzen und Hooligans“ zusammengesetzt und hätten Zivilisten getötet, Massenexekutionen organisiert und sexuelle Gewalt verübt. Sie hätten im Laufe dieser Kämpfe quasi-staatliche Strukturen geschaffen, die de facto ein diktatorisches System ohne funktionierendes, unabhängiges Rechtssystem darstellen. All diese Aussagen werden auf Grundlage einzelner, willkürlich ausgewählter Online-Artikel, der Landeszentrale für politische Bildung sowie eines Buchs von Andreas Heinemann-Gründer zur Entstehungsgeschichte der bewaffneten Einheiten der VR vorgenommen.
Aus dieser kurzen historischen „Darlegung“ wird dann die Begründung für die Einstufung der VR als „Terrororganisationen“ geschlussfolgert: Die Volksrepubliken seien mit den gleichen Kriterien als solche einzustufen wie der Islamische Staat (IS). Beide seien Organisationen, die über ein bestimmtes Territorium Herrschaft ausübten und quasi-staatliche Strukturen aufbauten. Die dargelegte Entstehungsgeschichte der VRL lasse darauf schließen, dass sie eindeutig Personenvereinigungen seien, deren Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen.
Weiter wird sich im Dokument dann konkret mit der Frage der Anerkennung der VR als völkerrechtliches Subjekt befasst. Zunächst wird auf die Durchführungsverordnung der EU 810/2014 vom 25. Juli 2014 verwiesen, die die VR als eine Vereinigung bewertet, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben. Den Widerspruch, dass die Vertreter der VR in den Minsker Verhandlungen von 2015 bereits als Verhandlungspartner und damit als völkerrechtliche Subjekte anerkannt wurden, „löst“ der Text so auf: Bei den Verhandlungen ging es nicht um die Zuerkennung von Eigenstaatlichkeit im Sinne einer territorialen Unabhängigkeit, sondern nur um begrenzte Autonomie für die russischstämmige Bevölkerung und die Beendigung der Kampfhandlungen im Donbass:
„Wenngleich mit Vertretern der VRL auch auf internationaler Ebene Verhandlungen mit dem Ziel geführt wurden, die kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine zu beenden, war mit der Anerkennung der VRL als Verhandlungspartner jedoch nicht die völkerrechtliche Anerkennung als Verhandlungspartner verbunden. Dies gilt umso mehr, als es bei den Verhandlungen nicht um die Zuerkennung der Eigenstaatlichkeit im Sinne einer territorialen Unabhängigkeit, sondern um die Beendigung von Kampfhandlungen und die Einräumung begrenzter Autonomie für die russischstämmige Bevölkerung in der Ukraine ging.“
Zuletzt weist der Ermittlungsbefehl darauf hin, dass es aus Sicht des Generalbundesanwalts nicht von Belang sei, ob die Hilfslieferungen an die bewaffneten Kräfte der VR oder die Zivilbevölkerung gingen, denn „auch die Weiterverteilung von Hilfsgütern an die Bewohner im Donbass hätte zu einer Stärkung des Rückhalts der Vereinigung in der Bevölkerung beigetragen, sodass die Lieferung durch den Beschuldigten und seine Begleiter auch in diesem Fall für die Vereinigung objektiv nützlich gewesen wäre“. Jegliche Lieferung von Hilfsgütern, seien es Windeln, Zahnbürsten oder Duschgel, erfüllt für den Generalbundesanwalt damit den Tatbestand der „Terrorunterstützung“. Weiter gedacht rechtfertigt diese Auffassung auch genozidale Handlungen, wie sie von der ukrainischen Armee seit 2015 gegen die Zivilbevölkerung im Donbass vollzogen werden: Wenn die Zivilbevölkerung in ihrer Gesamtheit als „Terrorunterstützer“ angesehen wird, ist es auch gerechtfertigt, sie massenhaft zu massakrieren. Dieselbe Logik sehen wir auch im Gazastreifen, wo jedes zivile Mitglied der Hamas oder auch nur jeder Mann als „Terrorist“ abgestempelt und wortwörtlich zum Abschuss freigegeben ist. Diese faschistoide Rechtsauffassung der ukrainischen Regierung gegenüber den Menschen in den Volksrepubliken wird hier vom deutschen Strafrecht aufgenommen.
RT weist zu Recht darauf hin, dass diese Rechtsauffassung dem Kriegsvölkerrecht widerspricht, das in einem bewaffneten Konflikt zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten unterscheidet. Dies entspricht der Genfer Konvention, die auch die Bundesregierung unterzeichnet hat, deren Justizminister die Ermittlungen gebilligt haben muss. Zweifelsfrei entspringt der Ermittlungsbefehl dem außenpolitischen Interesse der Bundesregierung und nicht einer Rechtsauffassung, die dem Kriegsvölkerrecht entspricht:
„Das erinnert nicht nur an Kunstgriffe, die Israel derzeit gerne verwendet, um den Genozid an den Palästinensern zu kaschieren. Das wirft auch ernsthafte Zweifel bezüglich der Haltung der Bundesregierung zum Kriegsvölkerrecht auf – schließlich ergeht die Verfolgungsermächtigung direkt aus der Regierung; die gedankliche Linie, die aus humanitärer Hilfe eine “Stärkung der Milizionäre in ihrem Entschluss” macht, dürfte kaum auf dem Mist des Ermittlungsrichters gewachsen sein, weil sie notwendige Voraussetzung für die Ermittlung überhaupt ist. Nicht zu vergessen, dass der Generalbundesanwalt der Weisung des Justizministers unterliegt, es also ohne dessen Billigung gar keine Ermittlungen gäbe.
Was hier vorgeführt wird, in Gestalt der Stilisierung humanitärer Hilfe zum “Terrorismus”, ist also unzweifelhaft eine Rechtsposition der Bundesregierung. Die müsste aber, da Deutschland diese Abkommen ratifiziert hat, an die Genfer Konventionen gebunden sein, einschließlich der Konvention IV zum Schutz der Zivilbevölkerung. Diese Konventionen kennen aber nur Kombattanten und Nichtkombattanten und fordern, letztere so weit irgend möglich zu schützen. Eine Konstruktion wie “den Entschluss stärken” (den Entschluss der Kombattanten, weiterzukämpfen, Anm. AK) ist in diesem Zusammenhang unbekannt und begibt sich, durch die Aufweichung der entscheidenden Trennlinie, in direkten Widerspruch mit dem internationalen Recht.”[11]
Ralf Hohmann weist auf die dramatische Entwicklung hin, dass im Deutschland der Zeitenwende das Justizministerium rückwirkend per Dekret die Strafverfolgung auslöst für Handlungen, von denen vor zehn Jahren niemand ahnen konnte, dass sie einmal strafbar werden. Die Rechtsaufassung, dass die VRL und VRD „terroristische Organisationen“ seien, habe nur Deutschland:
„Mit dieser Einschätzung ist Deutschland – wie so oft – allein auf weiter Flur. Weder die USA noch andere NATO-Staaten haben die DVR oder die LVR bislang auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in seinem Urteil vom 31. Januar 2024 (Verfahren: Ukraine gegen Russische Föderation) klargestellt, dass weder die DVR noch LVR als terroristische Organisationen eingeschätzt werden dürfen. Ein paar Wochen nach dieser Entscheidung formulierte die Bundesanwaltschaft zum ersten Mal die konträre Position: Mitte April 2024 war in deren Presseerklärung zu lesen, „die deutsch-russischen Staatsangehörigen Dieter S. und Alexander J.“ seien wegen „Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung Volksrepublik Donezk (VRD)“ festgenommen worden.“[12]
Hohmann führt weiter aus, dass sich mit einer solchen Verfolgungsermächtigung in Zukunft alle Zweifelsfragen der deutschen Justiz je nach außenpolitischen Interessen lösen lassen. Die Zeit sei vorbei, als man sich auf das Grundgesetz verlassen konnte. In Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz heiße es nämlich, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit bereits gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Wie der Fall Friedensbrücke lehrt, könne heutzutage das Justizministerium per Dekret rückwirkend die Strafverfolgung für Handlungen in den Jahren 2015 bis 2022 auslösen, von denen vor zehn Jahren niemand ahnen konnten, dass sie einmal strafbar sein könnten.
Schlussfolgerungen und Ausblick
2022 wurde in der Friedensbewegung von einer Ausweitung der Gesinnungsjustiz gesprochen. Heute, 2025, ist es berechtigt, zu sagen: Das Strafrecht in Deutschland bewegt sich in Richtung Kriegsrecht. Dessen Grundsatz lautet: „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“. Das gilt auch für die Personensanktionspraxis der EU gegen eigene Bürger. Diese Entwicklung begann mit der Ausweitung der Anwendung der §§130 und 140 StGB gegen politische Meinungsäußerungen und findet seinen vorläufigen Höhepunkt nun in den EU-Personensanktionen (v. a. der Fall red.media) und Strafverfahren wegen „Terrorunterstützung“ bei humanitärer Hilfe.
Eine weitere Schlussfolgerung ist, dass diese politisch motivierten Strafverfahren immer häufiger auf Grundlage eines bestimmten historischen Narrativs geführt werden – nämlich dem, welches auf die bezweckte Urteilsbegründung passt. Das zeigt der Ermittlungsbeschluss aus Dresden deutlich, der die Einstufung der Volksrepubliken als „Terrororganisationen“ auf Grundlage einzelner, willkürlich ausgewählter Online-Artikel, der Landeszentrale für politische Bildung sowie eines Buchs vornimmt. In Zukunft wird es deshalb wichtig sein, sich gegen solche Angriffe auf demokratische Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit zur Wehr zu setzen. Dafür muss sich, auch juristisch, gegen die zunehmende Willkür der deutschen Strafverfolgungsbehörden verteidigt werden.
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