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Titel: Soziale Spaltung als Regierungstechnik – Disziplin für die da unten, Spielräume für die da oben

Datum: 23. August 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Soziale Gerechtigkeit, Steuern und Abgaben, Ungleichheit, Armut, Reichtum
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Deutschland betreibt eine Umverteilung von unten nach oben – gesetzlich verankert und ideologisch abgesichert. Unter Kanzler Merz, der von „Leistung“ schwadroniert, zahlen die größten Profiteure kaum Steuern, während für Panzer munter neue Kredite aufgenommen werden. Das ist kein Widerspruch, sondern Absicht: Der Arbeitsmarkt ist zum Instrument sozialer Kontrolle verkommen. Von Detlef Koch.

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Methode 1: Reiche schonen, Arme belasten – die Schuldenbremse gehorcht dem Diktat der Macht

Ungerechte Steuerlast

Über 80 Prozent der Steuereinnahmen kommen aus Löhnen und Konsum. Wer arbeitet und einkauft, trägt die Hauptlast des Staates. Vermögenseinkünfte hingegen leisten nur einen marginalen Beitrag – das ist politisch so gewollt. Während für Normalverdiener die Steuern erhöht wurden (etwa die Mehrwertsteuer), hat man Spitzen- und Unternehmenssteuern deutlich gesenkt. Unterm Strich wurde steuerlich von unten nach oben umverteilt.

Gleichzeitig genießen Wohlhabende milliardenschwere Ausnahmen. Firmenerben etwa profitieren von Steuererlassen, und Kapitaleinkünfte werden pauschal mit nur 25 Prozent besteuert – unabhängig von der Gewinnhöhe. Große Vermögenszuwächse bleiben so oft steuerfrei, während Bildungs-, Sozial- oder Pflegeetats um jeden Euro ringen. Gerechtfertigt wird diese Schonung der oberen Schichten mit Schlagworten wie „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Standortsicherung“.

Schuldenbremse – flexibel nach Bedarf

Die Schuldenbremse galt jahrelang als eiserne Haushaltsregel – bis sie politisch im Weg stand. 2025 hat die Regierung Merz sie kurzerhand ausgesetzt, um Hunderte Milliarden Euro für die Bundeswehr und einen „Bevölkerungsschutz“-Fonds bereitzustellen. Ausgerechnet für Militär und Sicherheitsapparate wurde der strikte Schulden-Deckel aufgehoben, während bei Schulen, sozialen Projekten oder Kommunen weiter auf der Bremse gestanden wird.

Die Regel „man darf nicht mehr ausgeben als einnehmen“ gilt also nur dort, wo Sparen politisch erwünscht ist. Im Sozialbereich bleibt sie sakrosankt, für Rüstung wurde sie ohne Zögern gebrochen – eine doppelte Buchführung der Merz-Regierung. Höhere Steuern für Vermögende lehnt sie gleichzeitig als „Leistungsfeindlichkeit“ oder „Neiddebatte“ ab.

Insgesamt trägt die Finanzordnung christlich demokratischer Prägung inzwischen die Handschrift der Ungleichheit. Die Schuldenbremse blockiert Investitionen in soziale Gerechtigkeit, aber nicht in militärische Stärke. Steuergesetze schützen dynastische Vermögen, nicht aber prekäre Familien. Deutschland betreibt eine Umverteilung von unten nach oben – gesetzlich verankert und ideologisch abgesichert. Unter Kanzler Merz, der von „Leistung“ schwadroniert, zahlen die größten Profiteure kaum Steuern, während für Panzer munter neue Kredite aufgenommen werden. Das ist kein Widerspruch, sondern Absicht: Disziplin für die da unten, Spielräume für die da oben. Wer das nicht hinnehmen will, muss über Macht reden – nicht nur über Gerechtigkeit.

Prekarität als Prinzip: Armut verwalten, Arbeitskraft disziplinieren

Mit den Hartz-Reformen ab 2003 wurde ein rigides Arbeitsmarktregime etabliert: Erwerbslose mussten nahezu jede Arbeit annehmen – unter Androhung harter Sanktionen bis zum vollständigen Leistungsentzug. Diese als „Fördern und Fordern“ beschönigte Politik schuf ein Klima der Angst und ließ den Niedriglohnsektor boomen: Millionen landeten in unsicheren Billigjobs. Zwar sank die Arbeitslosigkeit, doch um den Preis zunehmender Prekarisierung. Bis heute müssen Hunderttausende trotz Arbeit ihre Einkommen mit Grundsicherung aufstocken – ein deutliches Indiz, dass Hartz IV Armut nicht verhindert, sondern verwaltet hat.

Unter Kanzler Merz wird diese Zumutung verschärft neu aufgelegt. Sanktionen werden wieder rigoros durchgezogen – bis hin zum zweimonatigen Totalausfall der Leistung, wenn jemand ein zumutbares Angebot ausschlägt (verfassungsrechtliche Bedenken hin oder her). Zudem gilt erneut: Jeder noch so miese Job geht vor – Weiterbildung hat nachrangig zu sein. Merz knüpft nahtlos an die Hartz-Doktrin an: Hauptsache, Erwerbslose verschwinden schnell aus der Statistik.

Begleitet wird die harte Linie von hämischer Rhetorik gegen „faule Arbeitslose“. Konservative und neoliberale Stimmen zeichnen das Feindbild des Sozialschmarotzers, dem es an Eigeninitiative mangele. Sobald es Haushaltsengpässe gibt, wird reflexartig Stimmung gegen die Schwächsten gemacht – statt die Reichen stärker zu belasten oder den Wettbewerbsdruck zu hinterfragen. Quer durch die Parteien propagiert man eine härtere Gangart gegen „Arbeitsunwillige“. In diesem Diskurs gilt nicht das System als Ursache von Armut, sondern das Individuum mit angeblicher Trägheit.

Dabei wollen die allermeisten Erwerbslosen arbeiten, sobald es einen passenden Job gibt. Dennoch stilisiert man den Ausnahmefall zur Regel, um Härte zu rechtfertigen. „Leistung muss sich lohnen“, heißt es – gemeint ist: Nicht-Arbeit muss wehtun. So wird der Unmut gezielt nach unten gelenkt: Man empört sich über vermeintlich zu üppige Sozialleistungen, während große Vermögen und Konzerngewinne unberührt bleiben. Soziale Misere wird individualisiert, damit niemand über die strukturelle Ungleichheit reden muss.

Prekarisierung dient dabei als Herrschaftsinstrument. Die Politik hält ein permanentes Drohpotenzial aufrecht: Wer in einem schlecht bezahlten Job schuftet, soll immer die Angst spüren, ihn zu verlieren und ins Bodenlose zu fallen. „Man muss das Pack zu Dankbarkeit erziehen!“ scheint die geistige Haltung der Mächtigen zu sein. Die Botschaft, vermittelt durch das Beispiel der Langzeitarbeitslosen oder Menschen ohne Wohnung: „Wenn du nicht spurst, ergeht es dir ebenso.“ Diese Unsicherheit diszipliniert die Beschäftigten. Der Soziologe Loïc Wacquant spricht vom „zentaurischen Staat“: oben großzügig gegenüber Unternehmen (Steuergeschenke, Deregulierung), unten streng mit den Armen (Kontrollen, Sanktionen). So garantiert der Staat ein Heer billiger Arbeitskräfte und subventioniert niedrige Löhne über Sozialleistungen, damit Unternehmen keine höheren Löhne zahlen müssen.

Diese Politik folgt dem Diktat der Macht: Sie nutzt den Reichen und belastet die Schwachen. Einst demonstrierten Hunderttausende gegen Hartz IV; heute haben viele die neoliberalen Narrative verinnerlicht und fordern selbst schärfere Regeln für „Arbeitsunwillige“ – letztlich zu ihrem eigenen Nachteil. Der Arbeitsmarkt ist zum Instrument sozialer Kontrolle verkommen. Armut wird nicht beseitigt, sondern bürokratisch verwaltet und bestraft, um die bestehende Ordnung zu sichern. „Fördern und Fordern“ entpuppt sich als Drangsalieren und Gehorchen. Reiche werden geschont, Arme gegängelt – und die Politik verkauft es als alternativlos. Menschen in ständiger Existenzangst sind leichter regierbar. Doch eine Gesellschaft, die auf Angst und Spaltung setzt, untergräbt ihr demokratisches Fundament. Die Schuldenbremse mag dem Kompass der Macht gehorchen – das Arbeitsmarktregime tut es ebenso. Nur eine wache Öffentlichkeit kann dieses Narrativ durchbrechen und die Prekarisierung als politische Entscheidung – nicht als Naturgesetz – entlarven.

Methode 2: Chancengleichheit proklamieren, Selektion zementieren

Bildung gilt als Schlüssel für gleiche Chancen – de facto zementiert das deutsche Schulsystem aber soziale Ungleichheit. Die Herkunft eines Kindes entscheidet maßgeblich über seinen Bildungsweg. Nur rund ein Drittel der Kinder aus armem Elternhaus schafft den Sprung aufs Gymnasium, aber fast 80 Prozent der privilegierten. Auch an der Hochschule setzen sich die Unterschiede fort: Die Chance, einen Studienabschluss zu erwerben, ist für ein Nichtakademiker-Kind nur ein Bruchteil so groß wie für ein Akademiker-Kind.

Diese soziale Selektivität besteht, weil sie den Privilegierten nutzt. Deutschland hält mit seinem dreigliedrigen Schulsystem an der frühen Sortierung der Schüler nach der 4. Klasse fest, was vor allem Oberschichtfamilien zugutekommt, die ihre Kinder unter ihresgleichen wissen wollen. Das Gymnasium ist quasi sakrosankt – seit Jahrzehnten wird jede grundlegende Reform hin zu längerem gemeinsamen Lernen blockiert. Wer vom Gymnasialpfad abweicht, hat es deutlich schwerer: Zwar führen auch Real- oder Hauptschule letztlich zum Ziel, aber nur über steinige Umwege, während das Abitur direkt zu Studium, sicheren Jobs und höherem Einkommen führt.

Die Profiteure dieses Systems verteidigen ihren Status. Eltern aus höheren Schichten hebeln notfalls Schulempfehlungen aus, um ihre Kinder aufs Gymnasium zu bringen. Viele Wohlhabende wechseln gleich ganz ins Private: Inzwischen besucht etwa jedes zehnte Kind eine Privatschule. Diese Abwanderung verstärkt die Segregation: Gut betuchte Eltern kehren dem öffentlichen Schulsystem den Rücken, während an den zurückgelassenen Brennpunktschulen fast nur noch arme Kinder unter schlechten Bedingungen lernen. In den privilegierten „Bildungsinseln“ dagegen sorgen kleinere Klassen, bessere Ausstattung und engagierte Eltern für Vorteile.

Statt die ungerechten Strukturen anzugehen, wird die Schuld an Bildungsproblemen oft den Betroffenen zugeschoben. Es heißt dann, manche Familien seien „bildungsfern“ oder es fehle an „Leistungsbereitschaft“ – so als läge das Problem bei den Kindern und Eltern. Tatsächlich aber starten arme Kinder mit deutlich schlechteren Voraussetzungen. Ohne ruhigen Lernplatz und Unterstützung zu Hause können sie ihr Potenzial kaum entfalten.

Dennoch lenken manche Politiker vom Investitionsmangel ab und schüren Ressentiments: Friedrich Merz behauptete 2023 etwa, überforderte Schulen lägen vor allem an zu vielen Kindern mit schlechten Deutschkenntnissen – und nicht am eklatanten Lehrermangel, maroden Gebäuden oder überfüllten Klassen. Solche populistischen Ablenkungsmanöver verzerren die Debatte und verhindern, dass über die eigentlichen Versäumnisse gesprochen wird.

Auch aktuell setzt die Politik andere Prioritäten als Bildungsgerechtigkeit. 2025 wurden, legt man einen erweiterten Verteidigungsbegriff inklusive Cyber, NATO und Kommunikation an, fast 95 Milliarden Euro für die Bundeswehr mobilisiert, während Schulen chronisch unterfinanziert blieben – viele Schülerinnen und Schüler lernen in maroden Räumen, nutzen stinkende Toiletten oder sind ohne Lehrkraft. Reformen gibt es allenfalls in Trippelschritten, die am selektiven Grundprinzip nichts ändern.

Solange das System die Stärkeren stärker fördert als die Schwachen, bleibt Chancengleichheit eine Floskel. Der Bildungserfolg hängt vom Elternhaus ab, nicht vom Talent. Die privilegierte Schicht kann sich darauf verlassen, dass die bestehenden Strukturen ihren Vorsprung wahren. Ohne einen radikalen Kurswechsel – etwa gezielte Förderung benachteiligter Schulen, längeres gemeinsames Lernen und massive Investitionen – wird sich daran nichts ändern. Chancengleichheit bleibt sonst ein schöner Schein, und die soziale Schieflage verfestigt sich von Generation zu Generation.

Methode 3: Wohnraumverteilung und städtische Segregation

Auch der Wohnungsmarkt spiegelt die soziale Kluft deutlich – und politische Entscheidungen haben sie vertieft. Der Staat hat sich weitgehend aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen: Seit 2002 hat sich die Zahl der Sozialwohnungen nahezu halbiert (auf rund eine Million). Statt ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, verteilt die Politik lieber Wohngeld – und subventioniert damit faktisch hohe Mieten mit Steuergeld. 2023 erhielten über eine Million Haushalte Wohngeld; Milliarden flossen so direkt an private Vermieter, während der Wohnungsmangel bestehen blieb.

In vielen Städten steigen die Mieten seit Jahren drastisch. Verkäufe kommunaler Wohnungen und das Agieren großer Immobilienkonzerne haben die Gentrifizierung angeheizt: Günstige Viertel werden „aufgewertet“, ärmere Mieter verdrängt. Versuche wie der Berliner Mietendeckel wurden gerichtlich gestoppt, und die bundesweite Mietpreisbremse greift nur lückenhaft. Die Mieten kennen daher nahezu überall nur den Weg nach oben – und mit ihnen die Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus begehrten Lagen.

So entsteht eine deutliche räumliche Trennung. Wohlhabende wohnen in teuren, innenstadtnahen Vierteln, während Geringverdiener und Transferbezieher an die Stadtränder oder in strukturschwache Regionen abgedrängt werden. In manchen Großstädten ballen sich Armut und hohe Migrantenanteile in bestimmten „Problemvierteln“. Diese Segregation ist auch Folge politischer Weichenstellungen – etwa des Ausverkaufs kommunaler Wohnungen. Trotz einzelner Gegenmaßnahmen (Milieuschutz, kommunaler Wohnungskauf) bestimmt meist der Geldbeutel, wer wo wohnt. Die Wohnungsfrage wirkt damit als Spaltungsmotor: Sie trennt die Gesellschaft in gut versorgte Zonen und abgehängte Gebiete. Ohne Kurswechsel – z.B. massiven sozialen Wohnungsbau und strengere Mietregulierung – wird sich diese Spaltung weiter vertiefen.

Methode 4: Sicherheitspolitik: Kontrolle von Räumen und Gruppen

Auch über die Sicherheitspolitik wird gesellschaftliche Spaltung betrieben. Polizei und Behörden definieren bestimmte Viertel als „gefährlich“ und gewähren sich dort Sonderrechte. In solchen kriminalitätsbelasteten Zonen – meist sozial benachteiligte, migrantisch geprägte Stadtteile – gibt es verdachtsunabhängige Kontrollen und Dauerpräsenz. Die Bewohner stehen unter Generalverdacht. People of Colour berichten von willkürlichen Kontrollen (Racial Profiling). Viele Anwohner leben in ständiger Angst vor staatlicher Schikane und fühlen sich zu Bürgern zweiter Klasse abgestempelt. Ihr Vertrauen in Polizei und Rechtsstaat erodiert.

Ähnlich setzt der Staat Geflüchtete räumlich unter Druck. Bis 2015 durften Asylsuchende ihren Landkreis nicht verlassen; heute zwingt sie die Wohnsitzauflage weiter an einen zugewiesenen Ort. Zudem isoliert man sie in abgelegenen Sammelunterkünften mit strikten Auflagen und oft ohne Erlaubnis zu arbeiten. Das schafft faktisch eine zweite Klasse ohne volle Bewegungsfreiheit und Teilhabe.

Parallel werden Feindbilder bemüht, um repressive Maßnahmen zu rechtfertigen. Man fabuliert etwa von „No-Go-Areas“ oder überhöht Clan-Kriminalität zum Hauptproblem – obwohl deren Anteil an allen Straftaten minimal ist. Spektakuläre Razzien in migrantischen Milieus sollen Handlungsstärke zeigen. Die Botschaft: Der Staat schützt die anständige Mehrheit vor einer vermeintlich kriminellen Unterschicht oder „fremden“ Gefahr. Kurzfristig mag das verfangen, doch an den Ursachen von Kriminalität – Armut, Ausgrenzung – ändert es nichts. Stattdessen vertieft es die Gräben: Die stigmatisierten Gruppen verlieren das Vertrauen in einen Staat, der sie als Bedrohung abstempelt. Sicherheitspolitik, die auf Ausgrenzung setzt, gefährdet den gesellschaftlichen Frieden.

Methode 5: Symbolische Macht: Sprache, Bilder und Deutungshoheit

Sprache und mediale Bilder sichern die bestehenden Verhältnisse ab. Begriffe wie „Leistungsträger“, „Eigenverantwortung“ oder „Sozialneid“ setzen den Deutungsrahmen: Reiche erscheinen als verdiente Leistungsträger, Arme als selbst schuld an ihrer Lage, und Kritik an Ungleichheit als Neid. So werden strukturelle Ursachen ausgeblendet und Unterschiede als quasi naturgegeben hingenommen.

Medien verstärken diese Deutung, indem sie soziale Probleme auf Einzelschicksale reduzieren. TV-Dokus über Hartz-IV-Empfänger inszenieren vorzugsweise Extreme – Verwahrlosung, „Faulheit“ – und blenden politische Ursachen der Armut aus. Das Publikum sieht seine Vorurteile bestätigt: „die da unten“ seien selbst verantwortlich. Selbst seriösere Medien machen Armut selten als strukturelles Problem zum Thema. Statt Empathie zu wecken, entsteht eine Schaulust mit klarer Distanz: „Wir hier oben“ gegen „die dort unten“.

Diese Stigmatisierungen wirken bis ins Selbstbild der Betroffenen. Viele Erwerbslose schämen sich so sehr für das „Hartzer“-Klischee, dass sie zustehende Hilfe meiden. Andere übernehmen trotzig das zugeschriebene „Asozialen“-Image. Diese verinnerlichte Abwertung – Bourdieu spricht von symbolischer Gewalt – stabilisiert die Ungleichheit zusätzlich, denn wer sich minderwertig fühlt, fordert kein Recht ein.

Fazit: Auch Sprache und Medien funktionieren als Herrschaftsinstrument – sie legitimieren die soziale Ungleichheit und halten Gegenwehr klein. Versuche eines Gegen-Narrativs (etwa, das Hartz-IV-Stigma mit dem „Bürgergeld“ zu überwinden) wurden sofort mit alten Parolen wie „Leistung muss sich lohnen!“ torpediert. Solange die Profiteure der Ungleichheit die Deutungshoheit innehaben, bleibt die soziale Spaltung bestehen. Nur wenn diese symbolische Macht durchbrochen wird, entsteht Raum für eine echte Debatte über Gerechtigkeit.

Titelbild: Prazis Images / Shutterstock


Verwendeten Quellen:

E03-1 Regieren durch Steuer- und Finanzpolitik Verteilung, Umverteilung und Ideologie

E03-2 Regieren durch Erwerbsarbeit Abhängigkeit Prekarität in BRD2003

E03-3 Regieren durch Zugang Selektion & soziale Ungleichheiten

E03-4 Regieren durch Wohnpolitik 2003 Soz. Selektivität

E03-5 Regieren durch sozial kontrollierte Räume Polizei-, Migrations- und Sicherheitspolitik 2003

E03-6 Regieren durch Symbolische Macht & Spaltung legimitieren


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