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Titel: Bundesregierung: Korruption und Beteiligung an Nord-Stream-Sprengung hat keinen Einfluss auf Ukraine-Hilfe

Datum: 28. August 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Länderberichte, Lobbyismus und politische Korruption
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Bei seinem Besuch Anfang dieser Woche in Kiew hatte Finanzminister Lars Klingbeil erklärt: „Wir werden die Ukraine jährlich mit 9 Milliarden Euro unterstützen“. Vor dem Hintergrund, dass die Ukraine zu einem der korruptesten Länder Europas zählt, wollten die NachDenkSeiten wissen, was für konkrete Maßnahmen die Bundesregierung geplant hat, um zu verhindern, dass diese jährliche Milliarden-Summe an bundesdeutschem Steuergeld teilweise in Korruptionsnetzwerke abfließt. Zudem kam die Frage auf, ob der Vize-Kanzler die Festnahme eines hochrangigen ukrainischen Militärs als mutmaßlicher Koordinator der Nord-Stream-Sprengung bei dem Treffen angesprochen hat und ob eine bestätigte Involvierung ukrainischer staatlicher Stellen Auswirkungen auf die weiteren Unterstützungsleistungen haben wird. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Als Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Montag dieser Woche in Kiew verkündete, dass Deutschland, trotz massiver Sparmaßnahmen in fast allen Bereichen im Inland, die Ukraine jährlich mit mindestens neun Milliarden Euro unterstützen wird, war die Festnahme auf italienischem Boden des Hauptmanns der ukrainischen Armee und ehemaligen Geheimdienstagenten Serhii K. als mutmaßlicher Anführer des Sabotagekommandos gegen die Nord-Stream-Pipeline bereits vier Tage alt.

Selbst die Tagesschau spricht in einem am 27. August veröffentlichten „Exklusiv“-Beitrag unter dem Titel „Anschlag auf Gaspipeline – Die Jagd nach den Nord-Stream-Saboteuren“ mit Verweis auf deutsche Ermittler von Hinweisen auf staatliche Beteiligung:

„Die Ermittlungen erhärten den Verdacht, dass die Gruppe vom ukrainischen Staat unterstützt wurde.“

Völlig unabhängig davon, ob man der bisherigen Darstellung der deutschen Ermittlungsbehörden gegenüber der ARD Glauben schenkt, dass ein Kommando aus sechs Ukrainern, bestehend aus Militärs, Geheimdienstlern und Zivilisten, die 15 Meter lange Segeljacht „Andromeda“ angemietet und auf dieser Basis die Nord-Stream-Pipeline in 80 Meter Tiefe in die Luft gejagt haben soll – es ist der bestehende Ermittlungsstand der Generalbundesanwaltschaft.

Dass diese Ermittlungsergebnisse und die Festnahme in Italien des mutmaßlichen Koordinators des Terrorakts gegen die milliardenschwere zivile Infrastruktur Nord Stream 1 und 2, an deren Errichtung deutsche Unternehmen finanziell massiv beteiligt waren, laut BMF-Sprecherin wohl kein Thema waren beim Besuch von Klingbeil in Kiew, lässt tief blicken. Ebenso die Tatsache, dass man auf der BPK von Regierungsseite keinerlei Aussage treffen wollte, ob eine Bestätigung der Involvierung staatlicher ukrainischer Stellen bei der Sprengung von Nord Stream Auswirkungen auf die finanziellen Unterstützungsleistungen für Kiew haben wird.

Ähnliches gilt auch für die „Antwort“ auf die Frage, welche konkrete begleitende Schritte die Bundesregierung eingedenk der umfassenden und breit dokumentierten Korruption in der ukrainischen Regierung und Behörden plant, um nachverfolgen zu können, was mit den versprochenen jährlichen 9 Milliarden Euro deutschem Steuergeld an die Ukraine tatsächlich passiert.

Mit der von Klingbeil in Kiew und in der BPK von seiner Sprecherin dokumentierten Haltung vermittelt die Bundesregierung der ukrainischen Regierung vor der ganzen Welt vor allem eins: Ihr könnt mit uns machen, was Ihr wollt, wir werden Euch weiterhin bedingungslos unterstützen …

Respekt auf internationalem Parkett gewinnt man so sicherlich nicht.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 27. August 2025

Frage Warweg
Finanzminister Klingbeil hat ja bei seinem Besuch diese Woche in Kiew erklärt: Wir werden die Ukraine jährlich mit 9 Milliarden Euro unterstützen. – Jetzt gilt die Ukraine im europäischen Vergleich neben Bosnien-Herzegowina und Weißrussland als das korrupteste Land. Da würde mich interessieren, was für konkrete begleitende Maßnahmen denn die Bundesregierung geplant hat, um zu verhindern, dass diese jährlichen 9 Milliarden Euro bundesdeutsches Steuergeld zumindest teilweise in gut etablierte Korruptionsnetzwerke der ukrainischen Elite abfließt. Die Frage richtet sich im Zweifel zuerst an das BMF.

Vizeregierungssprecher Meyer
Ich würde vielleicht einmal anfangen, wenn ich darf. In der Frage waren jetzt ein paar Prämissen enthalten, die ich ausdrücklich nicht teile und die dann sozusagen Ihre politische Wertung sind. Das steht Ihnen in Ihrer journalistischen Tätigkeit natürlich frei. Ich will aber noch einmal darauf hinweisen, warum wir die Ukraine unterstützen. Der Grund dafür ist der fortlaufende russische Angriffskrieg, der nun seit mehreren Jahren läuft. Vizekanzler Klingbeil hat heute auch in der Kabinettssitzung von seiner jüngsten Ukrainereise berichtet und hat noch einmal geschildert, dass er sich dort einen Ort angesehen hat, an dem nach wie vor sehr aktiv von russischer Seite auch zivile Ziele bombardiert werden, an dem Menschen sterben, an dem Familien sterben. Das ist der Grund, warum wir die Ukraine in ihrem Abwehrkampf unterstützen, warum wir dafür Geld bereitstellen und im Übrigen auch glauben, dass es für die mittel- und langfristige Sicherheit unseres Landes und unseres Kontinents am Ende nicht nur notwendig ist, sondern auch sinnvoll ist, diese Unterstützung zu leisten.

BPK-Vorsitzende Wefers
Wollte das Finanzministerium noch etwas ergänzen, oder habe ich das Signal falsch empfangen?

Hartmann (BMF)
Sehr gerne! Ich würde gerne noch einmal auf die Worte des Ministers verweisen. Er hat ja auch gesagt und betont, dass wir, wenn wir die Ukraine stärken, auch unsere Sicherheit stärken und dass das nicht am Haushalt scheitern kann. Es gibt aber natürlich auch Reformprogramme, unter anderem auch mit dem IWF und der EU, um das zu monitoren. Aber ich schließe mich natürlich den Worten des Regierungssprechers an: Die Unterstützung steht dabei natürlich an erster Stelle.

Zusatzfrage Warweg
Zum Zeitpunkt des Besuchs des Finanzministers war ja auch bereits bekannt, dass in Italien einer der mutmaßlich Hauptverantwortlichen für die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines festgenommen wurde. Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen ehemaligen SBU-Agenten und Hauptmann der ukrainischen Armee. Da würde mich interessieren: War denn diese mutmaßliche Involvierung ukrainischer staatlicher Stellen bei der Zerstörung ziviler Infrastruktur ein Thema? Wenn sich diese Involvierung staatlicher ukrainischer Stellen im Fall der Nord-Stream-Zerstörung bestätigen sollte, hat die Bundesregierung denn Pläne, dann teilweise oder gänzlich diese finanzielle Unterstützung aufzuheben?

Hartmann (BMF)
Ich kann noch einmal ausführen, dass der Minister ja sehr ausführlich über seine Reise berichtet hat. Er war in den Medien sehr präsent. Darüber hinaus kann ich hinsichtlich des Einzelfalls, den Sie jetzt schildern, dieser Untersuchung, jetzt nicht sagen, ob das auch Thema war.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 27.08.2025


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