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Titel: Eigene Erkenntnisse der Bundesregierung zum Drohnenvorfall: „Nicht für die öffentliche Diskussion bestimmt“
Datum: 11. September 2025 um 11:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich: Florian Warweg
In den frühen Morgenstunden des 10. September sollen 19 russische Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen sein. Die polnische Luftwaffe hätte in Zusammenarbeit mit anderen NATO-Mitgliedern diese Drohnen aktiv bekämpft. Während etwa der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius von einer „gezielten“ Aktion sprach, erklärte der litauische Außenminister Kestutis Budrys, dass dafür bisher keine Anhaltspunkte vorliegen. Russland dementierte den Einsatz gegen Polen und verwies auf die beschränkte Reichweite der angeblich eingesetzten Drohnen. Das weißrussische Verteidigungsministerium erklärte wiederum, die Drohnen seien wegen des Einsatzes von elektronischer Kampfführung vom Kurs abgekommen und man habe Polen zeitnah gewarnt. Die NachDenkSeiten fragten vor diesem Hintergrund der widersprüchlichen Informationslage nach eigenen Erkenntnissen der Bundesregierung zum Vorfall. Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Hintergrund: Die widersprüchliche Informationslage
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärte am 10. September gegenüber dem Bundestag mit Verweis auf Informationen aus Warschau:
„Es gibt definitiv keine Anlässe zu vermuten, dass es sich hier um Kurskorrektur, Fehler oder dergleichen handelt. Diese Drohnen sind ganz offenkundig gezielt auf diesen Kurs gebracht worden”.
"Diese Drohnen sind ganz offenkundig gezielt auf diesen Kurs gebracht worden", so Verteidigungsminister Boris Pistorius zu den russischen Drohnen über polnischem Staatsgebiet. Dies lehre uns, "dass wir eine ständige Bedrohung haben." pic.twitter.com/06nN8RfWGM
— phoenix (@phoenix_de) September 10, 2025
Weit zurückhaltender äußerte sich beispielsweise der litauische Außenminister Kestutis Budrys gegenüber der US-Nachrichtenagentur Reuters und erklärte, dass das baltische Land bisher keine Anhaltspunkte dafür habe, dass das Eindringen der russischen Drohnen in das benachbarte Polen absichtlich erfolgt sei. Er fügte jedoch hinzu, dass Russland grundsätzlich die Verantwortung habe, zu verhindern, dass Drohnen versehentlich in NATO-Gebiet eindringen:
Das russische Verteidigungsministerium hat in einer offiziellen Mitteilung, auf die unter anderem RT, die FR und Reuters verweisen, dementiert, dass es sich um einen gezielten Angriff gehandelt habe und der von Polen genannte Drohnentyp gar nicht die nötige Reichweite hätte, um so tief in polnisches Gebiet einzudringen:
„Auf polnischem Gebiet waren keine Objekte als Angriffsziele vorgesehen. Die maximale Flugreichweite der russischen Drohnen, die angeblich die Grenze zu Polen überflogen haben, beträgt nicht mehr als 700 Kilometer. Dennoch sind wir bereit, zu diesem Thema Konsultationen mit dem polnischen Verteidigungsministerium durchzuführen.“
Eine sehr umfassende Erklärung gab das weißrussische Verteidigungsministerium zu dem Fall ab und verwies darauf, dass russische und ukrainische Drohnen nicht nur in den polnischen, sondern auch in den weißrussischen Luftraum eingedrungen seien. Im Wortlaut erklärte der Generalstabschef und erste Stellvertreter des Verteidigungsministers der Republik Belarus, Generalmajor Pawel Murawejko, Folgendes:
„Während des nächtlichen gegenseitigen Schlagabtauschs mit Drohnen zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine wurden die Drohnen, die aufgrund der Auswirkungen der elektronischen Kampfführung beider Seiten vom Kurs abgekommen waren, von den diensthabenden Luftverteidigungskräften und -mitteln der Republik Belarus ständig verfolgt.
Ein Teil der verirrten Drohnen wurde von den Luftabwehrkräften unseres Landes über dem Gebiet der Republik zerstört.“
Weitere Drohnen seien, so führte es der weißrussische Generalstabschef weiter aus, in Richtung Polen geflogen, wovor Minsk die polnische Seite umgehend gewarnt hätte:
„Über die vorhandenen Kommunikationskanäle tauschten unsere Einsatzkräfte und Mittelmänner zwischen 23:00 Uhr am 9. September und 4:00 Uhr am 10. September Informationen über die Luft- und Radarsituation mit den Einsatzkräften und Mittelmännern Polens und der Republik Litauen aus. Damit wurden diese über die Annäherung unbekannter Fluggeräte an das Hoheitsgebiet ihrer Länder informiert.“
Die🇷🇺Drohnen, die heute früh Richtung Polen flogen und teilweise erreichten/abstürzten, wurden von der🇺🇦Flugabwehr mittels EloKa nach Polen abgelenkt, quasi ein Angriff der Ukraine auf Polen. Weißrussland hat Polen+Litauen frühzeitig informiert, Polen wiederum Weißrussland,🇩🇪Ton: pic.twitter.com/wPA9wHDeDH
— Zentrale Ermittlungsstelle (@ZentraleV) September 10, 2025
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 10. September 2025
Frage Lejman (TV Polsat)
Mittlerweile hat Polen bestätigt, dass man 19 Drohnen gefunden habe. Wie reagiert die Bundesregierung überhaupt auf diese Nachrichten? Vielleicht gibt es einen Kommentar zu einer Eilmeldung, dass die NATO gerade Artikel 4 aktiviert hat.
Vize-Regierungssprecher Hille
Ja, dazu kann ich zu sagen, dass es sich bei dem Vorgang in Polen, den Sie geschildert haben, um einen sehr, sehr ernsten Vorfall handelt. Wir stehen darüber in engem Austausch mit unseren polnischen Partnern. Das zeigt einmal mehr, unter was für einer Bedrohung wir stehen und wie sehr wir von Russland ausgetestet werden. Es ist deshalb naheliegend und verständlich, dass Polen da Gesprächsbedarf hat und Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrages beantragt hat. Aus unserer Sicht ist das vollauf gerechtfertigt und unterstreicht, wie ernst wir als Alliierten diesen Vorfall nehmen müssen.
Frage Lejman
Herr Müller, können Sie sagen, inwiefern sich Deutschland oder die Bundeswehr überhaupt an dieser nächtlichen Aktion in Polen beteiligt haben?
Müller (BMVg)
Sie wissen ja, dass wir am Flugplatz oder in der Nähe von Rzeszów zwei Patriot-Feuereinheiten, also zwei Patriot-Kampfstaffeln, stationiert haben, zusätzlich noch Unterstützungskräfte, die das Ganze ermöglichen. Diese Kräfte haben den Auftrag, 24/7 für den Schutz dieses Raumes, dieses Schutzobjekts zu sorgen. Natürlich waren die Radargeräte und war die Truppe in der letzten Nacht gemäß ihrem Auftrag wachsam und aktiv. Das NATO Integrated Air and Missile Defense System beinhaltet ja mehrere Sensoren, nicht nur die deutschen Patriot-Einheiten, die vor Ort sind. Aber die Deutschen haben in diesem Systemverbund natürlich ihren Auftrag erfüllt, haben geschaut, haben dann sofort mit den anderen Partnern die Alarmbereitschaft erhöht und haben dann mit ihren Daten auch zum Gesamtlagebild beigetragen. Ein Einsatz der Patriot-Einheiten, also ein Schuss unserer Lenkflugkörper, ist nicht erfolgt. Eine direkte Beteiligung an der Abwehrmaßnahme ist also nicht erfolgt.
Die NATO hat ja – Sie haben es vielleicht mitbekommen -, auch bestätigt, dass noch weitere Sensoren im Einsatz waren, zum Beispiel AWACS, also eine Radaraufklärungsplattform in der Luft. Auch daran waren die Deutschen nicht mit Crews beteiligt, genauso nicht bei Tankflugzeugen oder einem Tankflugzeug, dessen Einsatz die NATO mittlerweile auch bestätigt hat, im Rahmen der MMF. Das ist eine multinationale Tankerflotte, an der wir beteiligt sind, aber wir hatten in der letzten Nacht keine Crews an Bord. Unsere Beteiligung am Vorgang war also die Lagebilderstellung, was unser Auftrag ist.
Die deutschen Truppen – das kann ich sagen – sind wohlauf. Wir passen natürlich auch dort die Schutzmaßnahmen immer lagebezogen an, weil die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten oberste Priorität hat, und reagieren dann natürlich immer auch darauf, was in der Umgebung passiert und was gegebenenfalls die Sicherheitslage auch für die direkt Beteiligten vor Ort beeinflussen könnte.
Deschauer (AA)
Einfach nur zur Komplettierung des Bildes, weil hier von Artikel-4-Konsultationen im NATO-Rat die Rede war, die stattgefunden haben, die in der Allianz den Umgang mit der Bedrohung für unsere gemeinsame Sicherheit betreffen: Um das einzuordnen, kann ich noch ergänzen, dass die Partner sich auch im EU-Rahmen austauschen. Dieser sehr ernstzunehmende Vorfall wird heute ebenfalls im Rahmen einer Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter Thema sein. Ich darf vielleicht auch noch ergänzen, dass Polen natürlich die volle Solidarität der Bundesregierung angesichts der russischen Verletzung des polnischen Luftraums genießt.
Frage Fechtner
Denken Sie, dass Russland mit der Verletzung des NATO-Luftraums die Verteidigungsbereitschaft des Militärbündnisses einfach nur austesten will? – Vielleicht antworten das AA oder das Verteidigungsministerium.
Hille
Herr Fechtner, ich glaube, das habe ich gerade schon beantwortet. Ich habe darauf hingewiesen, dass das zeigt, in welcher Bedrohungssituation wir uns befinden und wie wir mit unseren Verbündeten immer wieder getestet werden. Das ist jetzt ein besonderer Fall. Aber beispielsweise auch in der Ostsee erleben wir regelmäßig Vorfälle, die uns wachsam halten.
Deschauer (AA)
Sie hatten Ihre Frage ja auch an das AA adressiert. – Über Motivation möchte ich gar nicht spekulieren, aber ich kann klar sagen, dass wir uns so oder so nicht einschüchtern lassen, sondern dass wir beraten und gemeinsam entschlossen handeln, so wie das im NATO-Rahmen passiert. Genau das ist, glaube ich, die Prämisse, unter der wir als Alliierte, aber auch als EU-Partnerinnen und Partner, agieren.
Frage Dr. Rinke (Reuters)
Herr Hille oder Frau Deschauer, ich hätte ganz gerne nachgefragt, was denn die Bundesregierung zu den Forderungen von Herrn Selenskyj sagt, der gesagt hat, das sei ein Beispiel dafür, dass die westlichen Staaten ihre Luftabwehrkapazitäten auch über der Ukraine einsetzen sollten, damit man die Drohnen und Raketen frühzeitig abschieße.
Deschauer (AA)
Ich kann gerne generell einsteigen, ohne dass ich jetzt einzelne Aussagen im Detail kommentieren werde.
Gegenstand der genannten Beratungen ist ja auch immer, dass wir gemeinsam schauen, wie wir zum einen das Bündnisgebiet, die Allianz, am effektivsten gemeinsam schützen können, zum anderen aber auch, auf welche Art und Weise wir der Ukraine weiter politisch, militärisch, humanitär und wirtschaftlich zur Seite stehen können. Ich glaube, der Austausch ist da sehr eng und intensiv.
Ich weiß nicht, ob die Kollegen des BMVg oder der Regierungssprecher noch Ergänzungsbedarf sehen.
Hille
Außer den allgemeinen Hinweisen, die Sie kennen. – Ich möchte hinzufügen, dass Deutschland zu den stärksten Unterstützern der Ukraine gehört und wir auch weiterhin gewillt sind, die Ukraine nach Kräften mit allem, was geht und was sie braucht, zu unterstützen, damit sie ihr Selbstverteidigungsrecht wahrnehmen kann.
Zusatzfrage Dr. Rinke
Ist denn jetzt denkbar, dass von Polen aus auch deutsche Patriot-Raketen über dem Gebiet der Ukraine eingesetzt werden?
Müller (BMVg)
Spekulieren möchte ich nicht. Ich kann Ihnen aber sagen, dass die deutschen Patriot-Systeme in Rzeszów einen Schutzauftrag haben. Dafür sind sie da. Dafür werden sie im Rahmen der NATO-Luftverteidigung eingesetzt. Wenn es zu einer Situation, zu einer Eskalation, kommen sollte, wo genau dieses Schutzobjekt bedroht ist, dann haben sie gemäß der Einsatzregeln natürlich auch das Recht, diese Bedrohung abzuwehren.
Frage Goncharenko (Deutsche Welle)
Herr Müller, wie gefährlich war nach Ihren Informationen dieser Einsatz bei Rzeszów? Wie weit waren also die russischen Drohnen entfernt, und waren sie tatsächlich auf Kurs nach Rzeszów?
Müller (BMVg)
Zu Details, wie, wann und wo genau gestern etwas passiert ist, würde ich Sie bitten, sich an die polnischen Behörden zu wenden, weil sie dann zu ihrer Luftraumverletzung im Detail sprechen könnten.
Zu unseren Details mag ich nichts sagen, weil das dann Aufschluss geben könnte über Sichtweiten, Winkel, Vorwarnzeiten; das mag ich ungern machen. Dieses Sensornetzwerk ist sehr wertvoll, es ist hochprofessionell. Ich glaube, die letzte Nacht zeigt auch, wie wichtig es ist, dass die NATO-Luftverteidigung aktiv, funktionsfähig und leistungsstark ist.
Wir haben ja nicht nur die Systeme, die in Polen stehen, sondern über ganz Europa verteilt, die Integrated Air and Missile Defence. Wir haben unsere Alarmrotten. Die deutsche Alarmrotte war übrigens nicht eingesetzt, um das noch einmal klarzustellen.
Wir hatten bis vor sieben Tagen sogar eine Alarmrotte in Polen stehen, die im Rahmen von „Enhanced Air Policing“ für vier Wochen in Polen eingesetzt war. Die war aber jetzt schon zurück und war auch nicht eingesetzt. Diese Alarmrotten, diese Systeme, die Sensoren, sind extrem wichtig. Wir müssen darüber nicht alles erzählen.
Zusatzfrage Goncharenko
Wie sind – auf Englisch – die „Rules of Engagement“, die Einsatzregeln? Wer entscheidet, ob die Deutschen zum Beispiel mit dem Patriot-System tatsächlich Drohnen abschießen? In der Ukraine werden Drohnen normalerweise nicht mit dem Patriot-System abgeschossen. Das sei aus Kostengründen nicht sinnvoll. Wie sieht das die Bundeswehr? Wie sind die Regeln?
Müller (BMVg)
Die „Rules of Engagement“ geben nicht vor, mit welcher Waffe sie gegebenenfalls welche Bedrohung abwehren. Die „Rules of Engagement“ geben vor, dass sie Situationen wie Kollateralschäden verhindern, dass sie entsprechend der Vorgaben handeln, dass sie entsprechend der rechtlichen Rahmenbedingungen handeln. Sie geben nicht vor, mit welcher Waffe sie welchen Angriff abwehren.
Wie ich gesagt habe, die „Rules of Engagement“ geben in diesem Fall vor, dass ich das Schutzobjekt schützen darf, wenn eine Bedrohung da ist; die entsprechende Entscheidung läuft dann über die NATO-Kommandostruktur. Wie ich gesagt habe, agieren die deutschen Patriot-Systeme dort nicht im luftleeren Raum, sondern sie sind immer Teil dieser NATO Integrated Air and Missile Defence.
Frage Bebenroth (junge Welt)
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Müller, dass Sie zum jetzigen Zeitpunkt auch nichts dazu sagen können, welche Flugbahn diese Maschinen hatten?
Müller (BMVg)
Das ist korrekt. Da müssten Sie sich an die polnischen Behörden wenden.
Zusatzfrage Bebenroth
Können Sie denn etwas dazu sagen, was für Maschinen das waren, wer die besitzt, betreibt oder in Besitz genommen hat?
Müller (BMVg)
Darf ich nachfragen, was Sie mit Maschinen meinen?
Zusatzfrage Bebenroth
Ich meine das, was da abgeschossen wurde. Ich kenne jetzt leider den Typus nicht genau.
Müller (BMVg)
Wie ich gesagt habe: Zum eigentlichen Waffeneinsatz, zum eigentlichen Abschuss, müssen die polnischen Behörden aussagekräftig sein. Wir äußern uns nicht zu der Luftraumverletzung, weil es nicht unser Land betroffen hat. Wir können uns nur zu unserem Anteil äußern, was ich hier getan habe.
Frage Jessen (freier Journalist, Kooperation mit jung&naiv)
Können Sie uns sagen, ob es sich um Aufklärungs- oder um Kampfdrohnen handelte? Wie ist da Ihr Kenntnisstand? Das ist ja nicht identisch.
Müller (BMVg)
Das kann ich nicht sagen. Solche Informationen werden, wenn es sie gibt, im eingestuften NATO-Informationsverbund geteilt.
Frage Lejman
Ich würde gerne wissen: Wie werden Sie das, was in der Nacht passiert ist, einstufen? War das ein Angriff? War das massive Provokation? Wie kann man das wörtlich benennen?
Müller (BMVg)
Ich glaube, dazu gibt es jetzt die Konsultationen im NATO-Rahmen, wo genau diese Fragen mit den Partnern im Bündnis besprochen werden. Dafür ist das da.
Deschauer (AA)
Wenn ich ergänzen darf: Der NATO-Generalsekretär hat sich ja öffentlich dazu geäußert und auch auf Beratungen hingewiesen. Das ist, glaube ich, sehr lohnenswert; das ist jetzt leider halb parallel zu dieser Veranstaltung. Das ist, glaube ich, eine sehr aussagekräftige Referenz, wie er das nach den Beratungen eingeschätzt hat.
Frage Warweg
Wir hatten ja im November 2022 den Fall eines Raketeneinschlags auf polnischem Gebiet, der zuerst Russland zugeschrieben wurde und sich später als ukrainische S-300-Rakete herausstellte. Vor dem Hintergrund würde ich gerne die Frage des Kollegen aufgreifen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind auch die Flugbahnen noch nicht klar. Wieso hat die Bundesregierung denn nicht die angelaufenen Ermittlungen abgewartet, bevor sie ein Urteil trifft, um dann mit Sicherheit sagen zu können, wer diese Drohnen von wo hat starten lassen?
Müller (BMVg)
Ich habe nicht gesagt, dass die Flugbahnen nicht klar sind. Ich habe gesagt, dass die entsprechenden Informationen zu Flugbahnen, Typen, Geschwindigkeiten und Orten eingestuft sind und sie deshalb nicht für die öffentliche Diskussion bestimmt sind.
Zusatzfrage Warweg
Das heißt, die Bundesregierung hat eigene Erkenntnisse vorliegen, von wo diese Drohnen gestartet worden sind?
Müller (BMVg)
Nach unseren Informationen, die wir über das NATO Integrated Air and Missile Defence, über unsere eingesetzten Kräfte, haben, haben wir keinen Grund, an den polnischen Angaben zu zweifeln.
Frage Jessen
Herr Müller, Sie sagten, Sie könnten hier nicht öffentlich etwas über den Charakter der Drohnen sagen, ob es sich um Aufklärungs- oder Kampfdrohnen gehandelt hat. Wäre denn dieser Unterschied ein relevanter Faktor für die Bewertung des Vorfalls durch die Bundesregierung?
Müller (BMVg)
Erst einmal obliegt es an dieser Stelle nicht mir, den Vorgang in Gänze zu bewerten. Vor Ort haben die eingesetzten Kräfte im Rahmen der NATO-Einsatzregeln eine Bedrohung abgewehrt. Deswegen ist die erste Frage: Sind diese Kräfte eine Bedrohung für die Sicherheit im NATO-Luftraum? – Das wurde wohl bejaht, und deswegen haben die polnischen Streitkräfte entsprechend gehandelt.
Zusatzfrage Jessen
Ja, das verstehe ich schon. Nur auf der anderen Seite hängt der Grad von Bedrohung logischerweise auch von der Art der eingesetzten Kampfmittel ab. Deswegen die Frage, ohne eine Antwort zu erwarten: Welche Art von Drohnen war es? Ist denn der Unterschied zwischen Kampf- und Aufklärungsdrohne ein relevanter Faktor für eine Bewertung?
Müller (BMVg)
Das fällt mir schwer, diese Frage zu beantworten. Denn auf der einen Seite ist es operationell nicht immer ganz klar, ob eine Drohne Kampf- oder Aufklärungsdrohne ist. Auf der anderen Seite muss man eine Gefahr abwehren, bevor gegebenenfalls die finale Information diesbezüglich da ist. Sobald sich eine Bedrohungslage darstellt, die gemäß den Einsatzregeln zum Handeln fordert, wird gehandelt – und das ist letzte Nacht passiert.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 10.09.2025
Analyse: Drohnen als neue Waffensysteme auf den Schlachtfeldern des 21. Jahrhunderts
Kampfdrohnen für die Ukraine: Wenn Deutschland autonome Zerstörung exportiert
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