Ukrainische Regierungsbehörden haben den Zugang zur Website der deutschen Tageszeitung junge Welt (jW) seit Anfang letzter Woche gesperrt. Zwei Wochen zuvor war die Tageszeitung bereits von der Selenskyj-Regierung als „unerwünscht“ eingestuft und in das staatliche „Register der blockierten Internetseiten“ aufgenommen worden. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wie die Bundesregierung die Sperrung einer deutschen Tageszeitung durch ukrainische Behörden bewertet. Von Florian Warweg.
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Hintergrund
„Gemäß dem Gesetz der Ukraine ‚Über elektronische Kommunikation‘ und dem Erlass des Präsidenten der Ukraine Nr. 64/2022 vom 24. Februar 2022 über die Verhängung des Kriegsrechts in der Ukraine wurde diese Internetquelle gesperrt.“
Das bekommt seit dem 25. August jeder zu lesen, der von der Ukraine aus versucht, auf die jW zuzugreifen. Verhängt werden könne diese Art der Verbots- und Zensurmaßnahmen in der Ukraine durch den Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat sowie das Nationale Kommunikationszentrum, eine größtenteils aus aktiven Militärs bestehende Abteilung des sogenannten „Sonderkommunikationsdienstes“. Beide Institutionen gelten als eng verbandelt mit dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU.
Gegenwärtig sind rund 4.600 Internetseiten offiziell in der Ukraine gesperrt, vorwiegend betrifft dies russische und belarussische Seiten, aber auch westeuropäische wie beispielsweise das linke Portal Iskra aus Griechenland und jetzt die jW.
jW-Chefredakteur Nick Brauns nahm wie folgt Stellung zur Sperrung der Website seiner Tageszeitung durch die ukrainische Regierung:
„Offensichtlich treffen die Enthüllungen der jungen Welt über die Machenschaften der faschistischen Asow-Truppe in der Ukraine sowie die Hintergründe des mit dem Blut der Ukrainer ausgetragenen NATO-Stellvertreterkrieges gegen Russland einen wunden Punkt in Kiew. Darum greift die Selenskij-Regierung, die bereits die oppositionellen Stimmen im eigenen Land ausgeschaltet hat, auch zu Zensurmaßnahmen gegen kritische Medien aus dem Ausland. Dies ist umso bezeichnender, da die Kiewer Regierung vorgibt, sogenannte westliche Werte zu verteidigen.“
Was die Lage für inländische Medien in der Ukraine betrifft, so ist die Lage noch weit dramatischer: Die gesamten TV-Medien sind im Wortsinne von Präsident Selenskyj gleichgeschaltet, wie selbst der Tagesspiegel einräumt. Regierungskritische Medien, egal ob Print, Radio, Digital oder TV, sind umfassend verboten worden, die meisten davon vor dem 24. Februar 2022 (die NachDenkSeiten berichteten).
Europäische Journalisten-Föderation: „Print- und Onlinemedien stehen unter totaler Kontrolle des ukrainischen Präsidenten“
Ricardo Gutiérrez, Präsident Europas größter Journalistenvereinigung, der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF), welche 320.000 Journalisten aus 70 Mitgliedsorganisationen in 44 Ländern vertritt, sprach gegenüber Sveriges Television AB, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehkanal Schwedens, von „willkürlicher Zensur seitens der ukrainischen Regierung“ und erklärte darüber hinaus:
„Die neue nationale Regulierungsbehörde, die nicht nur für TV- und Radio-Ausstrahlungen verantwortlich ist, sondern auch für Print- und Onlinemedien, steht unter totaler Kontrolle des ukrainischen Präsidenten.“
Angesichts der Tatsache, dass die Listung der jW im staatlichen „Register der blockierten Internetseiten“ bereits am 12. August erfolgte, ist die „Antwort“ des Auswärtigen-Amt-Sprechers Giese auf meine Frage am 27. August, wie sich die Bundesregierung zur Sperrung der jW durch ukrainische Behörden verhält, wenig glaubwürdig: Ihm sei „dieser Vorgang nicht bekannt“ und er werde sich informieren lassen, „ob das den Tatsachen entspricht“.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 27. August 2025
Frage Warweg
Kiewer Behörden haben den Zugang zur Website der deutschen Tageszeitung „junge Welt“ seit Anfang der Woche gesperrt, und bereits am 12. August hatten ukrainische Behörden die „junge Welt“ als unerwünscht eingestuft und in ihr Register der blockierten Internetseiten aufgenommen. Da würde mich interessieren: Ist dieser Vorgang dem Auswärtigen Amt bekannt und wie bewerten Sie die Sperrung einer deutschen Tageszeitung durch ukrainische Behörden?
Giese (AA)
Mir ist dieser Vorgang nicht bekannt. Ich müsste mich darüber informieren, ob das überhaupt stimmt.
Zusatz Warweg
Aber das ist ja schon ein massiver Eingriff in die Pressefreiheit. Deswegen, wenn Sie da etwas nachliefern könnten, wäre ich Ihnen dankbar.
Giese (AA)
Ich lasse mich informieren, ob das den Tatsachen entspricht.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 27.08.2025
Europäische Journalisten-Föderation: „Willkürliche Zensur seitens der ukrainischen Regierung“
Pressefreiheit à la BRD: Wieso der deutsche Inlandsgeheimdienst Tageszeitung junge Welt überwacht