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Titel: Juristisches Gutachten: EU-Sanktionen gegen deutsche Journalisten verstoßen gegen Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien
Datum: 25. November 2025 um 11:00 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie
Verantwortlich: Florian Warweg
Im EU-Parlament gab es am 11. November eine Anhörung zur rechtlichen Bewertung der Sanktionierung von Journalisten durch den Europäischen Rat. Laut der einhelligen Meinung der dort vortragenden Rechtswissenschaftler verstößt das aktuelle EU-Sanktionsregime gegen Einzelpersonen wegen angeblicher „Desinformation“ in zahlreichen Punkten gegen EU- und Völkerrecht. Die Maßnahmen seien rechtlich fehlerhaft, unverhältnismäßig und nicht mit den Grundrechten vereinbar. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob der Bundesregierung diese Einschätzung bekannt ist, und wie sie es erklärt, dass von den 27 EU-Mitgliedsländern nur Deutschland eigene Staatsbürger und Journalisten auf diese Sanktionsliste hat setzen lassen. Von Florian Warweg.
Hintergrund
Auf 55 Seiten erstreckt sich das umfassende Rechtsgutachten der Völkerrechtlerin Prof. Dr. Alina Miron von der Universität Angers und Prof. Dr. Ninon Colneric, Richterin a.D. am Europäischen Gerichtshof (EuGH), welches am 11. November im Europäischen Parlament vorgestellt wurde.
Die NachDenkSeiten waren bei dieser Anhörung in Brüssel dabei und wollten unter anderem wissen, ob es rechtliche Möglichkeiten gibt, in Erfahrung zu bringen, welcher konkrete Staat oder welche nationale Behörde die drei betroffenen deutschen Journalisten (Hüseyin Doğru, Thomas Röper und Alina Lipp) auf die EU-Sanktionsliste hat setzen lassen:
Anbei noch ein Clip mit meinen Fragen bei der Anhörung im EU-Parlament zur rechtlichen Bewertung der Sanktionierung von Journalisten durch die EU + die Antworten von Prof. Ninon Colneric (Richterin am Europäischen Gerichtshof a.D.) sowie der Völkerrechtlerin Prof. Alina Miron: pic.twitter.com/pYR30hqex7
— Florian Warweg (@FWarweg) November 24, 2025
In ihrem Gutachten (Legal Opinion) kommen die beiden renommierten Rechtswissenschaftlerinnen zu einem eindeutigen Ergebnis: Das derzeitige EU-Sanktionsregime gegen Einzelpersonen wegen angeblicher „Desinformation“ verstößt laut ihrer Einschätzung in mehreren Punkten gegen EU- und Völkerrecht. Die Maßnahmen seien „rechtlich fehlerhaft, unverhältnismäßig und nicht mit den Grundrechten vereinbar“. Darüber hinaus bestehen Zweifel an der Zuständigkeit der EU-Organe und an der Möglichkeit des rechtlichen Rechtsschutzes.
1. Verstöße gegen EU-Recht und EU-Grundrechtecharta
Ergebnis: Verstoß gegen Artikel 11 GRC (Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit).
2. Verstöße gegen internationales Recht
3. Institutionelle und prozessuale Fragen
4. Schlussfolgerung
Die Rechtgutachterinnen halten fest, dass das derzeitige Sanktionsregime gegen Einzelpersonen wegen angeblicher Desinformation nicht mit den Anforderungen des Unionsrechts, der Grundrechtecharta und des Völkerrechts vereinbar ist.
Es fehle an:
In Auftrag gegeben hatten das Rechtsgutachten zwei EU-Abgeordnete des BSW, Ruth Firmenich und der langjährige UN-Diplomat Michael von der Schulenburg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 19. November 2025
Frage Warweg
Im EU-Parlament gab es vergangene Woche eine Anhörung zur Sanktionierung von Journalisten durch den Europäischen Rat. Laut der einhelligen Meinung der dort vortragenden Rechtswissenschaftler verstößt das aktuelle Sanktionsregime gegen Einzelpersonen wegen angeblicher Desinformationen in zahlreichen Punkten gegen EU- und Völkerrecht. Die Maßnahmen seien rechtlich fehlerhaft, unverhältnismäßig und nicht mit den Grundrechten vereinbar.
Sind dem Außenminister diese rechtlichen Einschätzungen bekannt? Plant er vor diesem Hintergrund auf seiner Reise in Brüssel eine Überarbeitung oder vielleicht gar Abschaffung dieses maßgeblich auch von der Bundesregierung angestoßenen EU-Sanktionsregimes?
Giese (AA)
Das ist eher lose mit der Brüsselreise verbunden, würde ich sagen. Sie beziehen sich auf eine Anhörung im EU-Parlament. Das werden wir nicht besuchen.
Das Thema der Sanktionen haben wir hier sehr häufig behandelt. Ich will mich wiederholen: Das ist ein rechtlich geprüftes Instrument, das von den Mitgliedstaaten beschlossen wurde. Dagegen gibt es rechtliche Mittel. Jeder, der es für nicht zulässig hält, ist eingeladen, diese rechtlichen Mittel in Anspruch zu nehmen.
Dabei will ich es heute belassen.
Zusatzfrage Warweg
Im Zuge der Anhörung wurde noch einmal deutlich, dass von den 27 Mitgliedsländern bisher nur Deutschland eigene Staatsbürger und Journalisten auf diese EU-Sanktionsliste wegen angeblicher Desinformation gesetzt hat.
Wie erklärt sich die Bundesregierung dieses Alleinstellungsmerkmal innerhalb der 27 EU-Mitgliedsländer?
Giese (AA)
Das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Denn das ist eine gemeinsame EU-Entscheidung. Das ist keine deutsche Entscheidung, sondern das ist eine Entscheidung, die in Brüssel von allen EU-Staaten gemeinsam getroffen wurde.
Zuruf Warweg
Und die haben ausschließlich deutsche Staatsbürger ins Visier genommen?
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 19.11.2025
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