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Titel: Frau Merkel machen Sie den Brief des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad öffentlich bekannt!

Datum: 24. Juli 2006 um 11:15 Uhr
Rubrik: Antisemitismus, Außen- und Sicherheitspolitik, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Länderberichte
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Die Kanzlerin Angela Merkel will also den Brief des iranischen Präsidenten nicht beantworten. Er beinhalte nur das alte Denken, „was für uns völlig inakzeptabel ist“ und: „Die Existenz Israels gehört für uns zur Staatsraison, und das wird immer wieder in Frage gestellt“ sagte sie im Sommerinterview des ZDF.
Die Behauptung Ahmadinedschad wolle die Existenz Israels in Frage stellen, ja sogar „Israel von der Landkarte löschen“ ging schon einmal rund um die Welt und fand Eingang in nahezu alle deutschen Medien. Die New York Times dokumentierte die Rede und das inkriminierte Zitat stellte sich als nicht korrekt heraus.

Da der Brief aus Teheran an die Kanzlerin nicht veröffentlicht werden soll, wissen wir natürlich nicht, was drin steht. Was inzwischen allerdings höchst umstritten ist, ist die nahezu überall verbreitete Behauptung, Ahmadinedschad habe Ende Oktober 2005 in einer öffentlichen Rede gesagt, man müsse „Israel von der Landkarte löschen“. Die New York Times hat am 30. Oktober 2005 den Text dieser Rede, wo dieses böse Zitat gefallen sein soll, ins Englische übertragen und dokumentiert. Die inkriminierte Passage lautete: „Our dear Imam said that the occupying regime must be wiped off the map and this was a very wise statement. We cannot compromise over the issue of Palestine.“

Das „Besatzungsregime“ also müsse „von der Landkarte gewischt werden“. Von „Israel“ oder dem „Staat Israel“ war nicht die Rede.
Nach einer anderen Übersetzung des persischen Originals durch das Middle East Research Institutes soll Ahmadinedschad auch den Begriff „Landkarte“ nicht verwendet haben, sondern gesagt haben, „das Regime das Jerusalem besetzt halte“ müsse „aus den Seiten der Geschichte“ entfernt werden. Es gibt darüber hinaus auch noch andere Übertragungen, die statt von „Landkarte“ oder „Seiten der Geschichte“ wörtlich übersetzt davon sprechen, dass das Besatzungsregime „aus der Arena der Zeit“ verschwinden müsse.
(Zu den unterschiedlichen Übertragungen zu Zweifeln auch zu anderen Aussagen des iranischen Ministerpräsidenten siehe “Arbeiter Fotografie – Forum für engagierte Fotografen”.)

Ich kann nicht Persisch und ich kann die Aussagen des iranischen Präsidenten weder zu Israel, geschweige denn zur Leugnung des Holocaustes verifizieren. Nun ist die Bundesregierung aber im Besitz eines offiziellen Schreibens dieses Regierungschefs und in diesem Schreiben werde – so Kanzlerin Merkel im ZDF – das Existenzrecht Israels „immer wieder in Frage gestellt“. Warum soll sich nicht jeder selbst von den Äußerungen Ahmadinedschads überzeugen können? Warum gibt man den Text nicht frei? Mit diplomatischen Rücksichtnahmen kann diese Zurückhaltung doch wohl nicht begründet werden, wenn man ohnehin so undiplomatisch reagieren und den Brief nicht beantworten will. Eine Vertraulichkeitspflicht kann es gegenüber einem offenbar so feindlich gesinnten Politiker doch wohl auch nicht geben.

Ich will gerne hinzufügen, dass es mir fern liegt für Ahmadinedschad oder für die persischen Mullahs Partei zu ergreifen noch will ich deren Politik für gut heißen, da aber die Infragestellung des Existenzrechts Israels eine Frage von Krieg und Frieden, zwischen den USA und möglichen Bündnispartnern gegen den Iran werden könnte, ist es so wichtig genau zu wissen, was der iranische Präsident sagt und meint. Nur dann kann man sich ein eigenes Urteil bilden. Und ein eignes Urteil ist umso wichtiger als die Weltöffentlichkeit bei den Gründen für den Irakkrieg schon einmal schamlos belogen wurde.

Damit keine Missverständnisse entstehen können: Ich trete für das Existenzrecht Israels in den von der Völkergemeinschaft anerkannten Grenzen ein. Ich bin der Überzeugung, dass wir Deutschen in unserer Verantwortung vor unserer Geschichte eine besondere Verantwortung gegenüber Israel und seinen Bürgern hat. Was im Übrigen nicht gleich zu setzen ist, dass man den jeweilige Regierungskurs in Israel bedingungslos für richtig halten muss: Ich habe etwa die Botschaft „Land für Frieden“ von Jitzchak Rabin aus vollem Herzen unterstützt und ich habe meine großen Zweifel an der Angemessenheit der Reaktionen von Ministerpräsident Ehud Olmert gegenüber dem Libanon und ich halte das ewige Auge um Auge, Zahn um Zahn für keinen Weg zu einem Frieden in Nahost und zu einem Staat Israel mit innerem und äußerem Frieden – einem Ziel, von dem dieses bedrohte Land weiter entfernt ist, als noch zu Rabins Regierungszeit.

Gerade weil die „besondere Verantwortung“ Deutschlands für Israel beim letzten USA-Besuch von Angela Merkel von George W. Bush als „strategischer“ Hebel genutzt wurde, die Bundesregierung auf eine gemeinsame Linie mit den USA in der Iran-Politik zu zwingen, in der „alle Optionen“ (Bush), also auch der Krieg, „auf dem Tisch liegen müssen“, ist es von zentraler Bedeutung exakt zu erfahren, was in dem Brief des iranischen Präsidenten „für uns völlig inakzeptabel ist“ und ob in diesem Schreiben „die Existenz Israels“ in Frage gestellt wird und damit die deutsche „Staatsräson“ berührt ist.

Also Frau Merkel geben Sie uns den Brief von Ahmadinedschad bekannt!

Hinweis: In die Website der New York Times können Sie sich kostenlos einloggen.


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