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Titel: Der Börsengang der Bahn AG – ein interessantes Objekt für das Monopoly im internationalen Investorenmarkt

Datum: 18. Oktober 2006 um 13:43 Uhr
Rubrik: Länderberichte, Lobbyismus und politische Korruption, Privatisierung, Verkehrspolitik
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Demnächst steht die Entscheidung des Bundestages über den Börsengang der Bahn an. Zwar gibt es noch Streit, doch kaum noch jemand versteht um welches Modell gestritten wird und schon gar nicht mehr scheint die Privatisierung der Bahn grundsätzlich in Frage gestellt.
Christine Wicht betrachtet die Hintergründe und Auswirkungen der Privatisierung der Bahn in England, sie zeigt auf, was die Deutsche Bahn AG für Investoren so attraktiv macht, und sie beleuchtet das Geflecht von wirtschaftlichen Interessen und Einflussnahmen, das sich hinter der Privatisierungsdebatte verbirgt.

Der Börsengang der Bahn AG – ein interessantes Objekt für das Monopoly im internationalen Investorenmarkt

Von Christine Wicht

Als der Schiffsarzt Gulliver auf seiner Reise, dem König der Riesen, Auskünfte über die Regierung von England erteilte, hörte dieser ihm aufmerksam zu und fragte ihn anschließend: “welche Fähigkeiten bei der Auswahl der neu zu ernennenden Lords entschieden. Ob nicht die Laune des Fürsten oder die Geldsumme, die einer Hofdame oder einem Minister überreicht würde, dabei hin wieder ein Wort mitsprächen? Welche Kenntnisse von den Gesetzen des Landes diese Lords besäßen und auf welche Art sie diese erwürben, um über die Rechte ihrer Mitmenschen in letzter Berufung entscheiden zu können. Ob sie immer so hoch über Habsucht und Parteilichkeit stünden, dass Bestechung und unlautere Absichten bei ihnen nicht zu erwarten seien?” Solche Fragen haben viele Briten im Hinblick auf die gründlich schief gegangene Bahnprivatisierung in ihrem Land schon oft gestellt. Wenn politischen Entscheidungsträgern hier nicht Bestechung unterstellt werden soll, dann bleiben dennoch Fragen offen, inwiefern auch heute noch Entscheidungen unabhängig von Profitinteressen und entsprechender Wirtschaftsgutachten getroffen werden und welche Kenntnisse von den Hintergründen der Interessenverflechtungen diejenigen Politiker besitzen, welche über den Börsengang der Deutschen Bahn entscheiden, um auch im Sinne und zum Wohle des Volkes, wie sie das laut Art. 56 Grundgesetz geschworen haben, abzustimmen.

Nach dem Grundgesetz können nur 49% der Bahn verkauft werden, das Netz muss mehrheitlich im Bundesbesitz bleiben. Gegenwärtig wird über einen Börsengang mit oder ohne Netz diskutiert. Der Verbleib der Deutschen Bahn im Besitz des Bundes steht nicht mehr zur Debatte. Dabei besteht für den Börsengang der Bahn weder eine technische noch eine sachliche Veranlassung. Investoren versuchen politischen Entscheidungsträgern und dem Volk mit Medienberichten einen Börsengang als wirtschaftliche Notwendigkeit einzureden. Der Bundestag soll Ende Oktober 2006 über den Börsengang der Deutschen Bahn entscheiden. In Erwartung segensreicher Erfolgschancen durch eine Privatisierung erhoffen sich Befürworter Konkurrenzdruck und Wettbewerb, der das Geschäft beleben soll. Es steht zu befürchten, dass dieser Beschluss im Vertrauen auf die Gesetze des Marktes von den Volksvertretern in Berlin gefasst wird und damit Volksvermögen, das einen Wert von ca. 120 Milliarden Euro umfasst, für den Spottpreis von ca. 15 Mrd. Euro verschleudert wird.

Privatisierung der britischen Rail – ein Schrecken ohne Ende

1993 hat die britische Tory Regierung das staatliche Eisenbahnnetz in 113 Privatunternehmen zerstückelt. Kritiker haben bereits bei der Veröffentlichung der Pläne der Major-Regierung davor gewarnt, dass eine Trennung von Schienennetz und Eisenbahn gefährlich ist und in einem Desaster enden wird, weil die Gewinnrechnung der Investoren nur mit Hilfe von Subventionen aufgeht, für die der Steuerzahler indirekt aufkommt. Die Bahnkunden wurden mit überhöhten Preisen geschröpft. Seit der Privatisierung der Bahn sind in Großbritannien kaum Investitionen getätigt worden, das Netz wurde ausgedünnt, Qualität und Leistung haben enorm abgenommen, die Fahrpreise sind im Gegenzug massiv gestiegen. Das französische Unternehmen Connex, eine Tochterfirma von Veolia (seit 3. April 2006 Veolia Verkehr GmbH), dem größten Betreiber privatisierter Wasserbetriebe, gehörend zum Vivendi Mischkonzern, war der größte Streckenbetreiber in Südostengland. Wegen chronischer Verspätungen und übermäßiger Abhängigkeit von staatlichen Subventionen wurden dem Unternehmen die Bahnbetreiberrechte in England wieder entzogen. Connex ist heute bereits das größte deutsche private Bahnunternehmen und Anteilseigner diverser regionaler Unternehmen, wie Alpina Rhein-Main GmbH, Bayerische Oberlandbahn, Deutsche Nahverkehrsgesellschaft, (Quelle: Veolia Verkehr [PDF – 882 KB]). In England hat nach den Erfahrungen der Privatisierung, die nicht mehr tragbar waren, Network Rail die Wartung des Schienennetzes im Jahr 2003 wieder übernommen, des weiteren werden alle privaten Aufträge seitdem wieder von Network Rail selbst betreut, 18.500 Arbeiter wurden in den staatlichen Betrieb übernommen. Der Ausflug in die Privatisierung war ein teurer Spaß, unabhängige Analysten haben festgestellt, dass die staatliche Eisenbahn unter British Rail effizienter war und private Zuganbieter aufgrund hoher Verwaltungskosten eine teure und unwirtschaftliche Verschwendung sind. Der britische Steuerzahler zahlte gleich mehrfach für die Privatisierung: beim Börsengang für den billigen Ausgabekurs, für die hohen Kosten, für den Rückkauf und für die Entschädigung der Aktionäre (Quelle: NachDenkSeiten / der Fahrgast [PDF – 519 KB]).

Die Deutsche Bahn AG hat was zu bieten

Da die Deutsche Bahn AG über ein stattliches Vermögen verfügt, steht zu befürchten, dass uns das gleiche Dilemma ereilt, wie die Briten. Mit Gutachten, Vorträgen und Pressemeldungen vertreten Befürworter und Investoren ihre Interessenskampagnen und wollen Bürgern und Politikern einen unabdingbaren Börsengang einreden. In Großbritannien wurde die Privatisierung der Bahn auch mit der Argumentation, sie sei ein Ausweg aus der Kostenmisere vorangetrieben und Wettbewerb als Lösung propagiert. Ein Blick auf das materielle Vermögen der Bahn zeigt, dass es sich für Investoren lohnen würde, aus der Bahn Kapital zu schlagen:

  • Aus Volkseinkünften hat der Staat im Laufe der Zeit enormes Sachvermögen angesammelt, dazu zählen die fünf Aktiengesellschaften, DB Station und Service, DB Netz, DB Fernverkehr, DB Regio und die Gesellschaft für Güterverkehr und internationale Transportlogistik, Railon,
  • zu berücksichtigen sind außerdem immaterielles Vermögen wie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen.
  • Des Weiteren kann die Bahn diverse Schiffe ihr eigen nennen und
  • es gehören ihr über 300 Tochterunternehmen, S-Bahn-Gesellschaften und Omnibusunternehmen an.
  • Zum Sachvermögen zählen darüberhinaus 5.500 Bahnhöfe, die zum Teil an Industriegebieten liegen, Immobilienbestände, ein Streckennetz, das 35.000 km umfasst, 11.000 Triebwagen, 10.000 Reisezugwagen, 2.000 Lokomotiven und 160.000 Waggons für den Güterverkehr.

Die Bahn – privat – verstaatlicht – privat

1847 wird der Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen gegründet. Damit beginnt innerhalb der Staaten des Deutschen Bundes die Verständigung von Staats- und Privatbahnen über gemeinsame Normen der Eisenbahntechnik sowie über Kooperationen im Betrieb. Die parlamentarische Kontrolle der Haushaltsmittel wird zu einer zentralen Forderung der Revolution von 1848. 1886 wird die bedeutende Rheinischen Eisenbahngesellschaft vom preußischen Staat übernommen. Damit waren fast alle Eisenbahnstrecken in den Ländern des 1871 gegründeten Deutschen Reiches verstaatlicht. Die Staatsbahnen erwirtschafteten Gewinne und trugen wesentlich zum wirtschaftlichen Wachstum bei. (Quelle: DB). 1994 wurden die beiden Institutionen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn der ehemaligen DDR in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft überführt. Die Aktien befinden sich augenblicklich noch zu 100% in Staatsbesitz. Mit der Änderung des Grundgesetzes Art. 87 e (Abs. III “Eisenbahnen werden als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt” und Abs. IV “Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung getragen wird” und Art. 106a und 143a wurde der Privatisierung der Bahn Verfassungsrang gegeben. Die angestrebten Ziele: finanzielle Sanierung der Bahn, Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und ein kundenfreundliches Unternehmen zu werden, sind trotzdem nicht erreicht worden.

Von der Reichsbahn und Bundesbahn zur Bahn AG

Seit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wurden mehrere Tausend kleine und mittlere Unternehmen von der direkten Anbindung an den Schienenverkehr seit 1994 abgetrennt. Im Jahr 1992 gab es in Deutschland noch 13.629 Industriegleise, mit welchem die Industrie direkt an die Schienen angeschlossen war, bis zum Jahr 2004 sind die so genannten Privatanschlüsse auf 4.004 reduziert worden. (Quelle: Winfried Wolf, “In den letzten Zügen”). Die BRD gibt für den regionalen Personalverkehr 8% des Bundeshaushalts aus, das entspricht jährlich rund 20 Mrd. Euro. Seit der Gründung der Bahn AG bis zum Jahr 2004 sind vom Bundeshaushalt an die Bahn AG rund 214 Mrd. Euro gezahlt worden. Mit der Fusion der beiden Bahnen und der darauf folgenden Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wurde die angestrebte Trennung staatlicher und unternehmerischer Verantwortung realisiert und das Schienennetz für Mitbewerber (z.B. Connex) geöffnet.

Der “unabdingbare” Börsengang

Da nun die Bahn in Teilbereichen wie ein Privatunternehmen auf dem Markt auftritt, bleibt die Frage offen, warum immer noch vehement für einen Börsengang gekämpft wird? Von Befürwortern wird das Argument ins Feld geführt, dass der Bundeshaushalt durch den Börsengang entlastet werden würde. Tatsache ist aber, dass alle Privatisierungsmodelle eine so genannte Leistungs- und Finanzierungs-Vereinbarung, LuFV, vorsehen. Das würde bedeuten, dass Staatsgelder künftig weiterhin für das Schienennetz aufgebracht werden müssen und auch der Regionalverkehr in Zukunft unterstützt wird. Würde der Bund Gelder zur Subvention der Bahn aufnehmen, besteht zudem die Gefahr, dass die Bahn von Investoren diesbezüglich gedrängt werden würde rentable Bereiche zu verkaufen. Auf diese Weise würden keine notwendigen Investitionen mehr getätigt werden, sondern im Gegenteil: Kapital würde von privaten Investoren der Bahn entzogen werden. Gewinner wären in erster Linie Investoren, Bahnkunden und der Staat würden draufzahlen. Mit der Veräußerung der Bahn würde wieder ein lukratives Objekt das Monopolyspiel der Kapitalanleger ergänzen.

Das Märchen: Vom Monopolmarkt zum Wettbewerbsmarkt

Die Tatsache, dass die Bahn AG 1994 schuldenfrei war, da die Schulden von Bundesbahn und Reichsbahn auf den Bundeshaushalt überschrieben wurden, dass die Bahn heute, trotz so genannter hochkarätiger Kompetenz aus der Wirtschaft, Massenentlassungen der Bahnmitarbeiter, Outsourcing, der Stillegung von 5.000 km des Streckennetzes, der Schließung von 600 Bahnhöfen und der beibehaltenen Bundeszuschüsse von 20 Mrd. Euro jährlich, wieder einen Schuldenberg von 25 Mrd. Euro angehäuft hat, wirft gewisse Fragen auf. Hätten die angeheuerten Kapazitäten in ihren Unternehmen Dürr AG, TUI oder Daimler-Benz Entscheidungen befürwortet, die ihre Betriebe ebenso in den Ruin geführt hätten, oder war es ein angestrebtes Ziel, die Bahn peu à peu in diese Lage zu bringen, um sie dann internationalen Investoren zur Verfügung zu stellen und um selbst an der Börse davon profitieren zu können? Die Argumentation der Börsenbahnverfechter, dass dies nur durch fehlende Konkurrenz und dem daraus mangelndem Wettbewerb verursacht ist, ist nicht haltbar, weil wie bereits erwähnt ein Wettbewerb existiert und ein Blick zum Energiemarkt zeigt, dass staatliche Monopole durch private Oligopole ersetzt werden, welche durchgehend von Global Playern übernommen werden. Wer nach diesen Erfahrungen heute noch glaubt, dass der Börsengang eines Monopolisten wahrhaftig Wettbewerb bewirkt, kleine und mittlere Unternehmen eine Chance auf dem Markt hätten und eine Kostensenkung erzielt würde, die Fahrpreise sänken und der Service verbessert würde, der glaubt, dass im Himmel Jahrmarkt ist.

Stinnes/Schenker, BAX und die Bahn als Global Player

Mit dem 2,5 Mrd. teuren Zukauf von Stinnes ist die Bahn AG zu einem in der Welt führenden Logistikunternehmen aufgestiegen. Bei der Gründung im Jahr 1808 war Stinnes eine Firma für Schifffahrt und Kohlenhandel, 1820 verfügte das Unternehmen bereits über 66 Schiffe und 1892 wird Stinnes mit mehr als 1.600 Firmen zu einem der größten Konzerne der Welt, 1924 ist Stinnes mit über 600.000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Welt. 1965 erfolgte die Übernahme von Stinnes durch die VEBA, 1992 kauft die VEBA die verbleibenden 5% der Aktien. 1979 wird Stinnes eine AG und geht 1999 an die Börse. Im Jahr 2001 wird der Geschäftsbereich Sortimente (Stinnes Intertec) in die Schenker AG eingegliedert, damit steht das Unternehmen Stinnes auf den drei Säulen Verkehrs-, Chemie- und Werkstofflogistik. 2003 wurden die Aktien der Mehrheitsaktionäre an den Hauptaktionär, DB Sechste Vermögensgesellschaft mbH, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Bahn AG, übertragen, womit die Bahn AG sämtliche Aktien der Stinnes AG erhält. Im Logistikbereich gehört der Bahn AG nun ebenfalls die zur Stinnes AG integrierten Railion Gruppe, das Schienengüterverkehrs-Unternehmen der Deutschen Bahn an, wodurch die Deutsche Bahn zu einem der größten Logistikunternehmen aufsteigt. Im Geschäftsjahr 2004 erwirtschaften die 65.000 Mitarbeiter weltweit einen Umsatz von rund 12,4 Mrd. Euro. (Quelle: DB Logistics). Innerhalb der Stinnes AG sind die beiden Geschäftsfelder Stinnes Freight Logistics, Stinnes Intermodal und im Geschäftsfeld Freight Logistics der bisherige Wagenladungsverkehr der DB Cargo angesiedelt. Diese Bereiche erbringen ihre Leistungen im Schwerpunkt im europäischen Massengüterverkehr. Lt. Aussage der Bahn sagen Prognosen voraus, dass der Güterverkehr bis zum Jahre 2015 um 60% anwachsen wird. Der größte Teil wird dabei voraussichtlich auf den Straßenverkehr entfallen. Als Gründe werden aufgeführt: sinkende Transportpreise, neue Informations- und Kommunikationstechnologien im Straßengüterverkehr. Es bleibt abzuwarten, wie sich die angekündigten Lösungen entwickeln, welche die Schiene als Alternative wettbewerbsfähig erscheinen lassen. Hartmut Mehdorn hat eine Steigerung der Marktanteile im Ressort Transportwesen angestrebt. Unterstützend kommt diesem Ziel aber die staatliche Förderung für den Ausbau des Straßennetzes im Jahre 2005 etwa in Höhe von 5,2 Mrd. Euro zu Gute. Eine konsequente Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene kann bislang nicht bestätigt werden. Es steht zu befürchten, dass der Bahnverkehr in der Fläche im Hinblick auf Rentabilität weiter abgebaut wird.

Ausverkauf der Bahn AG – DERG und Deutsche Touring GmbH

Mit der Argumentation, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, werden rentable Bereiche der Bahn trotz oder gerade wegen positiver Umsatzentwicklung veräußert. Der Konzernumsatz der Bahn AG stieg 2005 um 4,6 Prozent auf 25,1 Milliarden Euro. Auf vergleichbarer Basis, also bereinigt um die Verkäufe der Mitropa AG im April 2004 an Compass Group PLC, ein britisches Cateringunternehmen, und des Fernbusunternehmens Deutsche Touring GmbH an ein spanisch-portugiesisches Konsortium, ist dies sogar ein Plus von 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Quelle: Eisenbahn Webkatalog). Am 1. Dezember 2005 trennte sich die Bahn AG von der Deutschen Eisenbahnreklame GmbH (DERG), diesen Unternehmensbereich hat das Medienunternehmen Ströer für 140 Mio. Euro erworben. Der reine Kaufpreis soll 100 Mio. Euro betragen haben, hinzu kamen 40 Mio. Euro an Garantien wie künftige Pachtzahlungen, laut „Die Welt“ soll die Übernahme komplett von der amerikanischen Beteiligungsfirma Cerberus finanziert worden sein (Quelle: DIE WELT). Im Geschäftsbericht von 2005 der Bahn AG ist zu diesem Verkauf folgende Anmerkung zu lesen: Im Rahmen der weiteren Fokusierung unseres Konzernportfolios verkaufen wir unsere Konzerntochter, Die Deutsche Eisenbahnreklame GmbH (DERG), an den deutschen Marktführer Ströer. Die rund 270 Mitarbeiter erhalten eine Beschäftigungsgarantie bis zum Jahr 2010 (Quelle: DB [PDF – 10 MB]). Die DERG betreibt Außenwerbung an Zügen, auf Bahnhöfen und auf Brücken mit einem Jahrsumsatz von ca. 80 Millionen Euro. Ströer verfügt nach eigenen Angaben über 220.000 Werbeflächen. Im Jahr 1866 wurden durch einen Erlass der königlich württembergischen Staatseisenbahn Bahnwerbeflächen erlaubt. Die DERG als Unternehmen der Deutschen Bahn hat Werbeflächen auf fast allen Bahnhöfen, an 7.000 Brücken, 3.670 Fahrzeugen und 14.700 Nahverkehrszügen der Bahn Werbung vermarktet. Die Fahrplanbroschüre “Ihr Reiseplan” stammt ebenfalls aus dem Büro der DERG, die von 111,5 Millionen Lesern jährlich gelesen wird. Die DERG hat als Tochter der Bahn AG einen Jahresumsatz von 160 Millionen Euro erwirtschaftet. Mit dem Verkauf an ein privates Unternehmen verliert die Bahn den Einfluss auf die Werbeflächen. Abzuwarten bleibt, an welche Unternehmen künftig die Werbeflächen vermietet werden, denn Dietmar Birkner, Mitglied der Geschäftsleitung von Ströer Sales & Services GmbH, war bei TUI Leiter des Vertriebs Außendienst bei der Fluggesellschaft Hapagfly.

Wirtschaftliche Kompetenz aus der Automobil- und Flugzeugbranche

Heinz Dürr, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, übernahm 1969 von seinem Vater den Vorsitz der Firma Otto Dürr. Das Unternehmen steigt ab 1978 in die Automations- und Fördertechnik ein. Anfang der 1980er Jahre legt das Unternehmen den Schwerpunkt im Bereich Lackiertechnik auf Anlagenbau für die Automobilindustrie und deren Zulieferer. Seit 2000 ist die Carl Schenck AG ein Tochterunternehmen des global agierenden Technologiekonzerns Dürr AG . Heinz Dürr ist Aufsichtsratsvorsitzender der Carl Schenk AG. Mit diesem Zusammenschluss konnte sich die Dürr-Gruppe als Komplettanbieter für die Fahrzeugmontage etablieren und stand nun zusätzlich in der Auswucht- und Diagnosetechnik an der Spitze des Weltmarktes. (Quelle: WHO’S WHO).
Helmut Frenzel, Aufsichtsratsvorsitzender der Bahn AG, ist zugleich im Vorstand der Touristik Union International (TUI). Helmut Frenzel kommt vom ehemaligen Stahl- und Kohlekonzern Preussag. Im Jahr 1997 übernahm die Preussag HapagLloyd in Hamburg mit Reisebüros, Flugzeugen und Schiffen. 1998 kaufte die Preussag das Tourismusunternehmen TUI.

Die Interessen der Deutschen Bahn wurden seit Heinz Dürr vorwiegend von Personen aus der Flugzeug- und Automobilbranche vertreten. Die Entwicklung seit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zeigt mehr als deutlich, dass die personalpolitischen Entscheidungen der ehemaligen Kanzler eine Erweiterung der Bahn im Sinne einer kundenorientierten Bürgerbahn nicht erreicht wurde. Zudem ist eine Interessenverflechtung mit den Herkunftsfirmen der späteren Bahnmanager nicht von der Hand zu weisen. Eine Präferenz der Bahn als Verkehrsträger wäre jedenfalls nicht im Interesse von Aktionären und der Flugzeug- und Automobilindustrie.

Deutsche Bahn AG und Lufthansa

Mit der Einführung des Tarifsystems der Lufthansa hat sich bereits gezeigt, dass eine Ausrichtung an den Bedürfnissen des „normalen“ Bahnkunden nicht im Vordergrund stand, stattdessen wurde das Verhalten von Fluggästen auf Bahnkunden übertragen. Die Schiene ist bis heute gegenüber der Luft benachteiligt, so haben Fluggesellschaften erhebliche Steuervorteile (Flugbenzin) andererseits belasten die Bahn hohe Investitionen in das Streckennetz.
Die Bahn gilt privat Reisenden und Geschäftsleuten vorwiegend als Verbindung vom Wohn- zum Arbeitsplatz oder als Streckenmittel für kürzere Distanzen, im Gegensatz zu Flugverbindungen, die überwiegend weitere Strecken bedienen. Die Bahn bietet gegenüber dem Flugverkehr den Vorteil eines fast flächendeckenden Streckennetzes in Deutschland und über geringe Anfahrtswege, so dass eine Bahnverbindung über kürzere bis mittlere Distanzen durchaus von Vorteil ist gegenüber einer Flugverbindung. Hinzu kommen keine Wartezeiten für Einchecken und Kontrollen und die Möglichkeit auch spontan mit dem Zug reisen zu können. Mit der personalpolitischen Entscheidung Manager aus dem Lufthansa-Unternehmen zu engagieren, wurde das von der ehemaligen Lufthansa-Managerin Anna Brunotte ausgearbeitete Lufthansa-Tarifsystem, ebenfalls bei der Bahn eingeführt und scheiterte blamabel. Warum die rot-grüne Bundesregierung dieses unflexible, kundenunfreundliche und undurchsichtige Preissystem auch noch offiziell unterstützt hat, lässt sich nur damit erklären, dass Details anscheinend nicht hinterfragt wurden. Zum Management der Bahn AG gehörte ebenfalls Christoph Franz, der seit dem 1. Juli 2004 Präsident der Konzernleitung und CEO der Swiss International Air Lines AG. Bei Lufthansa arbeitete er zuerst in Projekten zur Strategie, des Verkaufs und des Controllings in Deutschland, Frankreich und der Türkei mit. Zwischen 1992 und 1994 wirkte er im Stab, direkt unter CEO Jürgen Weber. Danach wechselte Franz zur Deutschen Bahn AG, wo er während neun Jahren verschiedene Funktionen innehatte. Dazu zählte unter anderen der Turnaround der City Night Line. Zuletzt war Christoph Franz Mitglied der Geschäftsleitung und Verantwortlicher des Bereichs Personenverkehr mit 70.000 Mitarbeitern. Zum Management gehörte ebenfalls Hans G. Koch, der früher bei der Fluglinie für das Kundenbindungsprogramm Miles & More zuständig war. Aufgrund der katastrophalen Auswirkungen des Tarifsystems entschied der DB-Aufsichtsrat, das die beiden Vorstände Hans G. Koch und Christoph Franz das Unternehmen verlassen mussten. Synergieeffekte zwischen Bahn und Lufthansa durch Seilschaften kommen bei der Ausgliederung des DB-Kurierdienstes IC-Kurier, der an die Lufthansa ging, zum Vorschein. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Lufthansa Passage Airline, Karl-Friedrich Rausch, wechselte 2001 als zukünftiger Vorstand Technik zur Deutsche Bahn AG und ist seit 2003 für das Vorstandsressort Personenverkehr zuständig. In dem vom Bundestag an Booz Allen Hamilton in Auftrag gegebenen Gutachten PRIMON (Privatisierung der Bahn AG mit und ohne Netz) wird eine Expansion des Personennahverkehrs nicht in Betracht gezogen (Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ).

Das PRIMON-Gutachten – Privatisierung der Deutschen Bahn AG mit und ohne Netz

Der Verkehrsausschuss wollte sich mit dem PRIMON Gutachten eine zweite Meinung einholen, da bereits im Jahr 2002 ein Gutachten von der US-amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley, erstellt wurde. Beide Gutachten gehen davon aus, dass das Schienennetz weiterhin reduziert werden muss. So wird im PRIMON-Gutachten mit dieser Vorgehensweise auch eine Vereinbarung mit dem Grundgesetz gesehen, “Eine Verpflichtung des Bundes zur Aufrechterhaltung des Status quo oder gar zur Herstellung einer flächendeckenden optimalen Eisenbahnstruktur ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen”. Im PRIMON-Gutachten ist kein Modell aufgeführt, welches einen wachsenden Anteil am Schienenpersonennahverkehr vorsieht.

Morgan Stanley Investmentbank

Die Investmentbank Morgan Stanley steht in keinem guten Licht: Morgan Stanley hat den Gucci-Konzern bei einer Übernahmeschlacht systematisch zu negativ dargestellt und wurde in erster Instanz zu 30 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. In der zweiten Instanz wurde Morgan Stanley nun im Juni 2006 in Paris ebenfalls schuldig gesprochen. Das Morgan Stanley eine Bahnprivatisierung in seinem Gutachten befürwortet hat, ist durchaus von eigenem Interesse, da die Bank mit der Deutschen Bahn in einer langjährigen Geschäftsbeziehung steht: sie führte u.a die Beratung beim Verkauf der deutsch-dänischen Fährschiffgesellschaft Scandlines (Quelle: Handelsblatt). Morgan Stanley ist zudem Mitglied im Konsortium für die Anleihe der Deutschen Bahn zum Kauf des US-Transportunternehmens Bax gewesen. Der Kauf des kalifornischen Logistikuntenehmens Bax (ein weltweit agierendes Unternehmen mit Schiffen, Flugzeugen und Lkws) hat die Bahn AG knapp 1 Milliarde Euro gekostet. Bax hat in USA jahrelang rote Zahlen geschrieben, aber mit dem Zukauf des Unternehmens konnte die Bahn AG mit Schenker zum Global Player aufsteigen (Quelle: www.verkehr.co.at). 2 bis 3 Milliarden Euro, so schätzen Experten, könnte der Bund bei einem Verkauf in die Kasse bekommen. Morgan Stanley ist beim Monitoring der Bundesregierung bezüglich der Quartalsabschlüsse der Deutschen Bahn beteiligt. Dass die Morgan Stanley Investmentbank einem Börsengang nicht neutral gegenüber stehen kann, ergibt sich auch schon daraus, dass sie in ihrer Eigenschaft als Investmentbank in erster Linie die Interessen ihrer Kunden verfolgt. Ob das wohl auch den politischen Entscheidungsträgern bei ihrer Abstimmung klar ist?

Zahlenkosmetik des PRIMON-Gutachtens

Dr. Gerd Peters, Lehrbeauftragter der Universität Zürich, war fast 30 Jahre in leitenden Funktionen der BASF-Gruppe in Ludwigshafen, mit den Schwerpunkten Controlling, Marketing und Logistik und ist Mitverfasser des Buches Controlling – Einmaleins renditeorientierter Entscheidungen – (erschienen im Versus-Verlag, Zürich 2001). Gerd Peters hat sich die Mühe gemacht und das PRIMON-Gutachten unter die Lupe genommen: Die Zahlen, welche im PRIMON-Gutachten als zentrale Kenngrößen für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens angenommen werden, ignorieren alle mit zinslosen Darlehen getätigten Investitionen und die Bauzuschüsse, welche vom Bund finanziert wurden, obendrein werden diese Investitionen weder in der Bilanz aktiviert noch führen sie zu Abschreibungen, aber sie führen zum gewünschten Ergebnis. Ersichtlich wird diese Zahlenkosmetik im zweiseitigen Anhang, dem Kleingedruckten, des Gutachtens, das aufgrund des Umfangs wohl kaum ein Politiker gelesen haben durfte: S. 469: “In einem kurzen Exkurs sind wir auf die von politischer Seite aufgeworfene Frage der Berücksichtigung von Baukostenzuschüssen und zinslosen Darlehen bei ROCE-Berechnung eingegangen”… (Begriffserklärung). “Ziel dieser Ausführung – das sei hier klar hervorgehoben – ist es nicht die ROCE-Werte (Anmerkung der DB AG) in Zweifel zu ziehen, sondern eine Art ROTCE-Ziffer zu berechnen” (T- steht für Total).

BDI, DIHK und Bahnprivatisierung

BDI und DIHK haben gleichfalls ein Gutachten zur Bahn in Auftrag gegeben, welches zu dem Schluss kommt, dass eine umsichtige Wirtschafts- und Verkehrspolitik bei der Privatisierungsentscheidung das Wohl des gesamten Schienenverkehrsmarktes im Blick haben muss und es empfiehlt einen wettbewerbsorientierten Kurs, da dieser mehr Personen- und Güterverkehr auf der Schiene verspricht. Martin Wansleben, DIHK-Hauptgeschäftsführer: „Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, dass die Unternehmen überall leistungsfähige Alternativen haben, ihre Zulieferer und Kunden schnell, preisgünstig und zuverlässig zu erreichen“, „Jetzt ist die Politik an der Reihe, verkehrspolitische Entscheidungen zu treffen“. Wettbewerb als Allheilmittel fordert BDI-Hauptgeschäfsführer Ludolf von Wartenberg: „Wettbewerb ist der Schlüssel für innovative, kundenorientierte, kostengünstige und umweltverträgliche Leistungen“. Das von BDI und DIHK vorgelegte Gutachten und ein von der Bundesregierung vorgelegtes Gutachten kommen übereinstimmend zu dem Fazit, dass eine selbständige Netzgesellschaft eine wettbewerbsfördernde hat. (Quelle: Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.)

Die Deutsche Bahn auch in Deutschland in den Händen von Fluggesellschaften und Busunternehmen?

Wer vertritt wessen Interessen oder wer vertritt noch die Interessen der Bahnkunden, wenn die Aktien wie in Großbritannien mehrheitlich in den Händen der Flugzeugbranche, Busunternehmen befinden? Die privaten britischen Bahngesellschaften sind in Besitz der Fluggesellschaft Virgin (rail), der Busunternehmen First, Stagecoach und Arriva, was erkennbar keine Verbesserung der Situation der Bahnkunden zur Folge hatte. Nach einer Studie, welche vom BDI und der DIHK in Auftrag gegeben wurde, wird davon ausgegangen, dass diese Unternehmen ergänzt durch Connex, auch in den Deutschen Markt einsteigen werden. Wie u.a. die Studie von BDI und DIHK belegt, werden sich börsennotierte Unternehmen um eine Marktstellung bemühen und auch gute Chancen haben, diese zu bekommen. (Quelle: Studie [PDF – 7.2 MB]) …”Bei Transdev (tätig unter EuRailCo) ist das Ausmaß des Engagements noch nicht abschätzbar. Nicht aktiv sind bislang National Express, Stagecoach, Serco und First. Angesichts der Lukrativität und der Stellung des deutschen SPNV-Marktes als Nr. 1 in Europa wäre zu erwarten, dass alle Großen – bestenfalls mit einer Ausnahme in Deutschland präsent sind. Die nach verkehrlichen Gesichtspunkten gebildeten 25 Personenverkehrsnetze (i.d.R. deutlich größere Netze als in Deutschland) wurden über Ausschreibungsverfahren vergeben. Bieter waren vor allem die großen, börsennotierten Busgesellschaften (National Express, Stagecoach, First, Arriva, Go-Ahead), daneben gründeten ehemalige British-Rail-Mitarbeiter Firmen(z.B. GB Rail), zudem gewann das französische Betreiberunternehmen Connex zwei große Franchises”.

EU-Transeuropäische Netze (TEN)

Mit der Überführung der Bahn in eine Aktiengesellschaft wurde dem Liberalisierungs- und Derugulierungsdruck aus Brüssel nachgegeben Es steckt noch viel Privatisierungspotential in den europäischen Bahnnetzen. Nach einer Veröffentlichung des Europäischen Eisenbahnverbands (CER) befinden sich außer in Estland und Großbritannien noch alle Bahnen der 29 Mitgliedsländer in staatlicher Hand), wobei das deutsche Eisenbahnunternehmen das größte in Europa ist. Die Lobbyistenverbände in Brüssel sind sehr aktiv und treiben die Privatisierungsprojekte voran. Das TEN verfolgt Projekte in Europa, wie z.B. Hochgeschwindigkeitsbahnnetze zwischen Brüssel, Paris, Köln, Amsterdam und London (PBKAL Projekt). Die angeblichen wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus diesen Projekten ergeben, stützen sich auf eine Studie mit dem Titel “Lost and Found”: Community Component of the Economic Return on the Investment in PBKAL, diese Studie wurde erstellt von Dana Roy von ECIS. Bei genauer Betrachtung kann diese Studie nicht unabhängig sein, da der Runde Tisch (ERT) in Brüssel die meisten Aktivitäten auf dem Gebiet des Verkehrs dem Europäischen Institut für Infrastrukturstudien (ECIS) übertragen hat. (Quelle: Konzern Europa S. 123 ff. Rotpunktverlag). Um die Mittel für das TEN-Budget verdoppeln zu können, schlug der damalige Verkehrskommissar Neil Kinnock öffentlich-private Partnerschaften (PPP bzw. ÖPP-Modelle) vor, um zusätzliches Geld aus privaten Quellen zusammenzubringen. Die Auflagen der EU-Kommission in Brüssel fordern eine Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahnen vom Staat, eine Öffnung nationaler Schienennetze und fordern Wettbewerb und einen Zwang zur Veröffentlichung von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen nach Verkehrssparten. Die EU propagiert eine Öffnung der Eisenbahnverkehrsmärkte und eine Trennung von den Netzen für den Personennahverkehr und dem Güterverkehr. Das Ziel den Verkehr auf die Schiene zu verlegen konnte innerhalb der EU nicht erreicht werden. Im Gegenteil: das Verkehrsaufkommen hat massiv zugenommen, der Flugverkehr konnte ebenfalls Zuwächse verzeichnen, die Fahrgastzahlen bei Bahn, Bus und öffentlichem Nahverkehr sind rückläufig.

Brüssel und die Liberalisierung der Transportdienstleistungen

Lt. EU-Grünbuch zählen zu den so genannten Dienstleistungen von allgemeinem Interesse: Energieversorgung, Telekommunikationsdienste und Transportdienstleitungen. Die bestehenden Regelungen der EU-Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich und sollen langfristig harmonisiert werden. Anstelle bisheriger Monopolrechte sollen künftig im Zuge der Liberalisierung Maßnahmen zur Einführung von Wettbewerb treten, das sind z.B. propagierte Möglichkeiten der Kapitalbeteiligungen, Ausschreibungen oder die Vergabe von Konzessionen. Die EU-Kommission hat bezüglich des Wettbewerbs weitgehende Entscheidungsmacht, da sie zu Wettbewerbsfragen über den Europäischen Rat, d.h. ohne Beteiligung des Europäischen Parlaments und ohne Abstimmung in den EU-Ländern entscheiden kann. Im Übrigen stellen Lobbyistenverbände wie der BDI weitreichende Liberalisierungsforderungen für öffentliche Dienstleistungen, sie fühlen sich staatlichen Unternehmen gegenüber benachteiligt. Die EU-Kommission propagiert PPP-Modelle als unverzichtbare und innovative Finanzierungslösungen (EU-Kommission 2004a:12, dies. 2004b). (Quelle: attac eu-newsletter 2005). Wenn die EU-Kommission davon spricht, das Bahnnetz auszubauen, so betrifft dies bevorzugt die Unternehmen, welche in Brüssel vertreten sind, womit der transnationale Transport vorangetrieben werden soll, nicht aber den nationalen Güterverkehr oder gar die regionale Personenbeförderung.

Transrapid und Interessenverknüpfung von Wirtschaft und Politik

Statt den Personennahverkehr der Bahn AG zu fördern werden Hochgeschwindigkeitszüge wie der Transrapid propagiert. Für Unternehmen wie Siemens und Thyssen ist dies in Anbetracht der Finanzzusagen der Bundesregierung ein interessantes Projekt. Für Familien, Pendler oder privat Reisende ist der Transrapid finanziell vollkommen unattraktiv. Zudem steht zu befürchten, dass Gelder aus dem öffentlichen Nahverkehr abgezogen werden um das Projekt zu finanzieren (Quelle: www.gruene-fraktion-bayern.de [PDF – 71 KB]). Eine Interessenverflechtung von Wirtschaft und Politik ist nicht von der Hand zu weisen. Im Zusammenhang mit dem Transrapid und der Bahn AG gibt es zwei äußerst interessante Verknüpfungen. Dieter Vogel war bis 1988 Vorstandsvorsitzender der Thyssen AG. Zwischen 1999 und 2001 übernahm er auf Vorschlag von Gerhard Schröder den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, fortan war er ein Verfechter der Transrapid-Technik. Während dieser Zeit wurde die Bahn Miteigentümerin der Transrapid-Anwendungsstrecke im Emsland. Auch Otto Wiesheu, bayerischer Wirtschaftsminister, beeinflusste in seiner Funktion als Mitglied der CDU/CSU-Delegation, welche den Koalitionsvertrag mit der SPD aushandelte, die verkehrs- und bahnpolitischen Passagen des Abkommens. Wissenswert in diesem Zusammenhang ist, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits den Vorstandsposten für Marketing und politische Beziehungen bei der Deutschen Bahn AG zugesagt hatte. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Wiesheu in Kooperation mit Bund, Bahn und Freistaat Bayern den Transrapid als deutsche Technologiehochleistung verwirklichen will.

Die Finanzsituation des Bundes ist gewiss schwierig. Steuerpolitik, Steueroasen, Arbeitslosigkeit und Minilohnjobs tragen in erheblichem Umfang dazu bei, dass Ebbe in der Staatskasse herrscht. Das Vermögen des Staates beziffert sich nicht nur aus Bargeld, sondern in erheblichem Umfang auch aus Sachvermögen, das mit Hilfe der Bürger geschaffen wurde. Kein Privatmann würde Stück für Stück sein Sachvermögen verscherbeln nur um kurzzeitig liquide zu sein, außer ihm stünde das Wasser bis zum Hals.
Im Land breitet sich eine Politik- und Staatsverdrossenheit aus und das Volk verliert zunehmend Vertrauen in seine Volksvertreter. Hat die SPD vor noch nicht allzu langer Zeit vor einem “totalen Markt” gewarnt, in dem alle Unternehmen ausschließlich nach Wettbewerbsgrundsätzen agieren, ist heute eine 180 Grad-Wende eingetreten. Auswirkungen des neoliberalen Privatisierungswahns werden konsequent ignoriert und der Glaube an den freien Wettbewerb ist, trotz einer Spirale nach unten, ungebrochen. Der Ausverkauf öffentlicher Güter an internationale Investoren hat Bürgern bislang keine Vorteile gebracht.
Geht es bei der Privatisierung der Bahn überhaupt noch um die Interessen der Mehrheit der Bürger als deren Kunden? Oder geht es nur noch um die Interessen der Kapitalanleger, von Lobbyisten der Luftfahrt und des Straßenverkehrs, der einschlägigen Wirtschaftsunternehmen, von Investmentbankern und von Beratungsunternehmen?
Fragen Sie doch einfach einmal Ihren Abgeordneten oder Ihre Abgeordnete nach welchen Interessen er oder sie entscheidet. Ich habe es getan und ich war erschüttert über die Ignoranz gegenüber den Tatsachen und Interessen, die hinter der Privatisierungsentscheidung stehen und über das Unvermögen sich in die Rolle ihrer Wählerinnen und Wähler als normale Bahnkunden hinein zu versetzen.
Von all dem, was hier an Bedenken vorgetragen wurde, war weder etwas bekannt noch bestand das geringste Interesse daran, davon etwas zur Kenntnis zu nehmen.

Lektüreempfehlung: Winfried Wolf “In den letzten Zügen” – Bürgerbahn statt Börsenbahn – attac Basistext 22


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