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Titel: AM’s Wochen-Rückblick

Datum: 12. März 2007 um 9:25 Uhr
Rubrik: Klimawandel, Militäreinsätze/Kriege, Privatisierung, Rente
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Nachdem mein letzter Blick zurück auf eine Woche von vielen Lesern als hilfreich empfunden worden ist, könnte daraus – allerdings nicht zwanghaft und nur, wenn genügend Steine des Anstoßes herumliegen – eine Gewohnheit werden. Im Rückblick auf die vergangene Woche wundere ich mich über den Tornado-Einsatz-Beschluss, die Entscheidung zur Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67, dass Medien-Echo auf den Klimagipfel der EU und noch einmal über die Gemengelage zum Börsengang der Bahn.

  1. Bundestagsbeschluss zum Einsatz der Tornados in Afghanistan
    „Das Militär macht Afghanistan nicht sicherer“, sagte Thomas Gebauer, Geschäftsführer von Medico International in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 10. März. Es sei bisher nicht gelungen, eine faktische Staatlichkeit und Rechtssicherheit aufzubauen. Statt den Aufbau zu fördern, werde verstärkt auf Militär gesetzt.
    Im Rundfunk hörte ich kurz zuvor, wie sich der Grüne Tom Koenigs, heute Afghanistanbeauftragter der UNO, für den Einsatz der Tornados stark machte.
    Die Amtsträger sind offenbar in der Hamster-Mühle. Sie machen immer weiter, in Afghanistan wie auch im Irak. Ohne ernsthaft zu berücksichtigen, dass ihre bisherige Linie nichts gebracht hat.
    Auch Deutschland wird offenbar immer weiter in militärischer Einsätze hineingezogen. Das ist das bittere Fazit.
    Die SPD macht das alles mit, wenn auch immerhin mit 69 Nein-Stimmen.
  2. Gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre
    haben nur 11 SPD-Parlamentarier gestimmt. Das ist beachtenswert, denn diese Entscheidung ist unsinnig und nur zu begreifen, wenn man bedenkt, dass damit den vierzigjährigen und darunter signalisiert wird: Ihnen werden zweimal 3,6%, also 7,2% von der Rente abgezogen, wenn sie am Ende ihres Arbeitslebens schon mit 65 in Rente gehen wollen. Das ist eine massive Entscheidung zu Gunsten der Privatvorsorge und der Versicherungswirtschaft. Zur ausführlicheren Begründung siehe das Nachwort zu „Machtwahn“.
    Dass der Verbandspräsident der Deutschen Rentenversicherung dieser staatlich verordneten Vertriebsförderung der privaten Altersvorsorge – also zu Gunsten der Konkurrenz – auch noch applaudiert, ist zu viel des Guten. Wörtlich sagte Herbert Rische der FR: Gesellschaft und Politik hätten erkannt, „dass wir die Rente an die demographischen Herausforderungen anpassen müssen.“
    Dass solche und ähnliche schon hinter uns liegende politische Entscheidungen den Ruf der gesetzlichen Rente ruinieren, ist dem obersten Verantwortlichen für die gesetzliche Rente, offenbar noch nicht eingefallen.

    Die geringe Zahl von nur 11 Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion im Unterschied zu immerhin 69 beim Tornadoeinsatz bringt mich auf einen Gedanken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der Fraktion der SPD nur 11 Abgeordnete gegen diesen nicht zu begreifen den Beschluss sind. Es werden mehr gewesen sein, die sich dann der Fraktionsmehrheitsentscheidung gebeugt haben und der Mehrheit entsprechend im Bundestag abgestimmt haben.
    Nun wüssten wir allerdings bei zentralen Fragen wie Rente mit 67 und Tornado-Einsatz gerne, wie unsere Abgeordneten in ihrer Fraktion abgestimmt haben. (Das gilt natürlich nicht nur für die SPD, sondern auch für die anderen Fraktionen) Das erfahren wir normalerweise nicht.

    In der Geschäftsordnung der SPD-Bundestagsfraktion gibt es aber einen § 8 Absatz 1, der bei wichtigen Fragen auf Antrag eine namentliche Abstimmung in der Fraktion vorsieht. Das Ergebnis der Abstimmung soll dann in der Mitglieder-Zeitung vorwärts veröffentlicht werden.
    Die Existenz dieses Paragraphen geht auf einen Beschluss des SPD-Parteitags in Bremen (wenn ich mich recht erinnere) zurück, der über einen Antrag des SPD-Ortsvereins Pleisweiler (meines Ortsvereins) zu befinden hatte.
    Nach dem dieser Antrag damals – in vorübergehender Abwesenheit des damaligen Fraktionsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel – verabschiedet worden war, wurde dieser von einigen Kolleginnen und Kollegen heftigst kritisiert. Warum wohl? Weil ein Teil der Abgeordneten nicht will, dass die Menschen im Wahlkreis und sonst wo wissen, wie sie oder er sich bei der Willensbildung in der Fraktion entschieden hatte. Bei der Entscheidung im Bundestagsplenum selbst kann sich dann jede/r Abgeordnete auf den Vollzug der Fraktionsmehrheit berufen. Mit einer namentlichen Abstimmung und ihrer Veröffentlichung geht das nicht mehr.
    Wir haben den Paragraphen 8 in meiner Zeit als Abgeordneter einige wenige Male benutzt. Das war sehr hilfreich.

    So wäre es auch heute – zum Beispiel bei der Tornadoentscheidung, bei der Rentenaltersgrenze-Entscheidung und dem nächst kommend bei der Entscheidung über die weitere Privatisierung und den Börsengang der Bahn AG.

    Mein Vorschlag an unsere Leserinnen und Leser: Sprechen Sie die SPD-Abgeordneten auf diese Möglichkeit an. Die meisten werden von dieser Möglichkeit nichts wissen. Und fordern Sie Ihre Abgeordneten auf, diesen Paragraphen 8 Abs. 1 zu nutzen.

    Um der Gleichbehandlung willen, sollten Sie allerdings bei den Abgeordneten anderer Parteien ähnliche Möglichkeiten anfordern. Ein bisschen Transparenz des Verhaltens der Abgeordnete in Berlin wäre doch so schlecht nicht.

  3. Klimawandel und Klimagipfel
    Die Reaktion auf das Ergebnis des Klimagipfels war schon seltsam verschieden. Zum Beispiel. In der Frankfurter Rundschau wird das Ganze und vor allem Kanzlerin Merkel freundlich kommentiert; SpiegelOnline
    schreibt „Geschönt, gemogelt, gefeiert“.
    An Selbstverständliches wie ein Tempolimit und die Besteuerung des Flugbenzin Kerosin zum Beispiel wollen unsere Führungspersonen immer noch nicht ran
    Im erwähnten SpiegelOnline Artikel wird der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber mit Blick auf die Warnung des Bundesrats vor weiteren Kostensteigerungen für die Energiewirtschaft und die Energieverbraucher mit folgender Bemerkung zitiert: „Manchen Leuten kostet die Rettung der Welt eben zu viele Jobs.“
    Das ist sicher gut gemeint, aber es trifft den Punkt nicht und es ist viel zu defensiv. Klimaschutz muss doch nicht arbeitsplatzvernichtend sein. Umstrukturierungen wird es geben.. Es wird also Verluste bei manchen Sektoren unserer Wirtschaft und Gewinne bei anderen geben. Wenn ich mir nur vorstelle, welche Investitionen nötig wären, um messbare Teile des Lkw Verkehrs auf die Schiene zu bringen. Ähnliches gilt natürlich für die erneuerbaren Energien. Siehe dazu auch Umweltschutz als Wachstumsfaktor (Studie).
  4. Bei dieser Gelegenheit noch eine Ergänzung zur Deutschen Bahn AG
    Die Klimadebatte wäre der Aufhänger für eine Offensive der Bahn um neue Kunden. Klicken Sie mal auf die werblich gestaltete Eröffnungsseite der Deutschen Bahn AG. Kein Wort – jedenfalls am 11.3. 2007 nicht – zum Klimawandel.
    Wenn Sie dann auf die Seite des Konzerns gehen und dort bei Presse und Pressemitteilungen anklicken, dann werden Sie auf der Eröffnungsseite nichts vom Klimawandel lesen können.
    Wenn Sie dann noch über die Suchfunktion nach Klimawandel fragen, dann erhalten Sie einige Einträge. Der jüngste stammt vom 12.12.2006.!
    Schon dieser kleine Vorgang zeigt viel vom eigentlichen Charakter der Bahnspitze: unfähig, die verkehrspolitischen Aspekte des Geschäfts zu sehen, und noch unfähiger die Aspekte des Klimawandels, die der Konzern sehr gut nutzen könnte, um seine Leistungen auszudehnen.

    Bahnchef Mehdorn beschäftigt sich offenbar nur mit dem Börsengang.
    Dazu gab es in der vergangenen Woche Reaktionen auf den Beschluss des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen die Börsenpläne.
    Mehdorn hat das gewerkschaftliche Votum gegen die Börsenpläne enttäuschend und nicht nachvollziehbar genannt. Nur wenn die Bahn Zugang zum Kapitalmarkt erhalte, würden Arbeitsplätze langfristig gesichert und geschaffen.
    In diesem Satz steckt die Behauptung, die Bahn habe jetzt keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Das ist eine irreführende Behauptung. Die Bahn hat die Möglichkeit, sich ganz normal am Kapitalmarkt zu bedienen. Es gibt auch Anleihen und andere Formen des Kredits. Jedes normale Unternehmen arbeitet so. Und dennoch kann der Bahnchef einen solchen Unsinn äußern, ohne kritisiert zu werden.


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