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Titel: Grelle Zeichen des kulturellen Niedergangs und Schimmer der Hoffnung.

Datum: 23. November 2007 um 16:04 Uhr
Rubrik: Innen- und Gesellschaftspolitik, Privatisierung, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente, Strategien der Meinungsmache
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Wer wie ich vermeiden will, dem Kulturpessimismus zu verfallen, wird in diesen Tagen auf eine harte Probe gestellt. Die Zeichen des Verfalls sind unübersehbar: Gleichschaltung, Verschwinden kritischen Verstands bei den Medien, in Politik und Wissenschaft sowieso, antiaufklärerische Agitation, Propaganda überlagert nahezu jeglichen politischen Entscheidungsprozess, politische Korruption und noch einmal Korruption, der schamlose private Zugriff auf öffentliches Vermögen. Und Zynismus bei jenen, die sich zur Elite zählen. Näheres siehe unten.
Der Schimmer der Hoffnung in diesen Tagen: der vorläufige Erfolg eines Bürgerbegehrens gegen den Ausverkauf der Stadt in Leipzig. Albrecht Müller.

Ich nenne einige Zeichen des Niedergangs. Einige, bei weitem nicht umfassend, Ihnen wird ähnliches aufgefallen sein:

Beispiel 1 Altersversorgung:
Auch die Tagesschau schaltete sich am vergangenen Mittwoch gleich und machte brutal Werbung für die Finanzprodukte der Versicherungswirtschaft und gegen die Gesetzliche Rente. Brutal meint: mit der Verbreitung von nackten Unwahrheiten. In der 20:00 Uhr Sendung vom 21.11. wurde gleich zweimal verlautbart, „dass die gesetzliche Rente künftig allein als Alterssicherung nicht mehr ausreicht“. Und dann wörtlich ergänzt: „Nur private Vorsorge wird die Abschläge ausgleichen können.“ Dabei bezog man sich auf den Verwalter der solidarischen, der gesetzlichen Rente, auf die Deutsche Rentenversicherung. Auch diese Einrichtung, die eigentlich für die gesetzliche Rente eintreten sollte, wirbt auf vielfältige Weise für Privatvorsorge.
Mein Fazit: die Versicherungswirtschaft und die Banken haben inzwischen nahezu alle politischen Einrichtungen voll im Griff und lassen sie für sich arbeiten.

Mit der Sache hat diese Propaganda nichts gemein. Die drohende Altersarmut, die in der Studie der Deutschen Rentenversicherung, die Gegenstand der Tagesschaumeldungen war, vorhergesagt wird, wird am aller wenigstens mit Privatvorsorge beseitigt. Wie sollte ein anderes und noch dazu ein teures privates Finanzierungssystem etwas daran ändern? Wenn man etwas dagegen tun wollte, dann müsste man schleunigst an einer Grundsicherung für die Bezieher von Niedriglöhnen arbeiten und ansonsten alle Mittel auf die gesetzliche Rentenversicherung konzentrieren und jene Untaten korrigieren, mit denen man auch im Interesse der Finanzindustrie die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente in den letzten Jahren systematisch zerstört hat.

Beispiel 2: Verschleuderung öffentlichen Eigentums.
Der Bundesverkehrsminister wirbt für die Privatisierung öffentlichen Vermögens mit so genannten PPP-Produkten und Macht sich brutal zum Büttel privater Interessen. Siehe die Pressemitteilung des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung „Großmann: PPP ist auch für Kommunen hoch attraktiv“
Hier geht es um die Förderung der Privatisierung des Straßenbaus.

3. Klassenjustiz
Ich muss gestehen, dass ich dieses Etikett immer für etwas reißerisch hielt. Die neue Wirklichkeit lehrt uns eines Besseren. In vielen Bereichen haben wir es offenbar mit Verfilzungen der Justiz mit politischen und finanziellen Interessen zu tun. Uns erreichen E-Mails, Anrufe und Briefe von Betroffenen, die wir nicht missachten wollen und können. Die eklatanteste und offen liegende Verletzung folgt aus der politischen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft und aus einer fast schon modisch erscheinenden Tendenz, Prozesse gegen Mitglieder der Spitze unserer Gesellschaft nicht zu Ende zu führen sondern gegen Geldzahlungen einzustellen. Der neueste Fall: das Ende des Prozesses gegen den Chef von TUI, Frenzel. Ähnlich gelagert waren die Fälle um die Übernahme von Mannesmann. –
Wir haben selbst schon dokumentiert, wie sich nach Meinung eines Frankfurter Professors die Justiz auf dem Feld des Verkaufs von Krediten verhält. Siehe NachDenkSeiten: “Bundesfinanzminister förderte den unanständigen Kreditverkauf zulasten der Darlehnsnehmer.”
Wir wurden von Betroffenen darauf hingewiesen, dass es offenbar auch eine Verflechtung zwischen Versicherungswirtschaft, Gutachtern und der Justiz gibt, wenn über die Leistungen der Versicherungen nach Unfällen vor Gericht entschieden wird.

Das Vertrauen in die Justiz schwindet. Offenbar mit Recht.

4. Medienfilz beim Widerstand gegen Mindestlohn.
Die unerwartet harte Haltung der Bundeskanzlerin gegen die Einführung eines Mindestlohns im Bereich der Postdienstleistungen hat vermutlich einen ganz simplen Hintergrund. Die Interessen an einem möglichst geringen Lohn sind vor allem bei den neuen Postdienstleistern verortet. Diese gehören in beachtlichen Maße einflussreichen Medienkonzernen. Wer ihnen gefügig ist, der oder die erfährt die notwendige Unterstützung bei der nächsten Bundestagswahl. Das weiß Angela Merkel, das wissen zum Beispiel die Eigentümer von Postdienstleistern: der Springer-Konzern, der WAZ-Konzern, und so weiter.

5. Der Zynismus im Umgang mit den sozial Schwachen.
In der zu Ende gehenden Woche hat sich Oswald Metzger auf üble Weise über Sozialhilfeempfänger geäußert, ähnlich auch der Professor Raffelhüschen. Die beiden sind eigentlich nicht erwähnenswert. Sie sind der Erwähnung wert, weil hier sichtbar wird, dass es offenbar keine Hemmungen mehr gibt, keine Selbstkontrolle und keine Kontrolle durch die Medien. Die Äußerungen der beiden wurden weitergereicht, im Falle Raffelhüschens unwidersprochen. Im Falle Metzgers meldet sich wenigstens seine Partei zu Wort. Das ist auch höchste Zeit. Ob glaubhaft und nachhaltig, das kann man eher bezweifeln.


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