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Titel: Schulz auf dem Weg zu Steinmeier: 23%. „Diese SPD braucht kein Mensch“. Diese Feststellung von Wagenknecht sitzt.

Datum: 26. Juni 2017 um 13:16 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Demoskopie/Umfragen, SPD, Wahlen
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Der SPD-Parteitag bringt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Verbesserung der Chancen zum Wechsel. Er war geprägt von einer Reihe von gravierenden Fehlern von Schulz und der SPD-Parteiführung. Wenn man zum Beispiel als Konkurrent von Merkel um die Kanzlerschaft diese angreift, dann muss der Angriff sitzen. Von dem gestrigen Versuch des Martin Schulz kann man das nicht behaupten. Schulz warf Merkel einen „Anschlag auf die Demokratie“ vor, was man durchaus berechtigterweise tun kann. Aber die meisten Menschen werden die komplizierte Begründung von Schulz nicht verstehen. Die Reaktion in vielen Medien zeigt, dass der Angriff nach hinten losgeht und der SPD eher schaden wird. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Eine typische Reaktion hier im Kölner Stadtanzeiger:

„Schulz’ Angriff auf Merkel ist übertrieben und unangemessen“ – Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger.

Weitere gravierende Fehler:

Es gibt eine Reihe anderer Gründe, vor allem strategische Fehler der SPD-Führung, dafür, dass die Wahl am 24. September ein Desaster für diese Partei bringen wird. Dies wird dann wirklich ein Angriff auf die Demokratie sein, weil wir die Chance auf einen politischen Wechsel wieder mal verloren haben und die Perspektive dafür immer mehr schwindet. Das ist dann wirklich eine Beschädigung der Demokratie.

Gerhard Schröder hielt sonderbarerweise die Einführungsrede. Das so zu arrangieren, lässt darauf schließen, dass die SPD-Führung immer noch keine Ahnung hat, wie man Wahlen gewinnt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen bei Volksparteien ist, dass sie eine große Breite von Wählerschichten anzusprechen vermögen. Mit Schröder ist der Vater der Agenda 2010 mobilisiert worden. Die Rolle von Agenda-2010-Vertretern ist jedoch schon mehrfach besetzt: Schulz selbst, Gabriel, Oppermann, Scholz aus Hamburg, Nahles, usw.

Man hätte einen glaubwürdigen Kritiker der Schröderschen „Reform“politik mit in die Formation des Parteitages aufnehmen müssen. Fehlanzeige. Stattdessen hat Schulz gerade in den vergangenen Tagen einen seit Jahren bekannten Vertreter des „inhaltsdürftigen“ rechten Lagers zum Wahlkampfmanager und Aushängeschild des Wahlkampfes gemacht: Hubertus Heil noch ein Vertreter dieser unseligen Politik-Mafia aus Niedersachsen. Warum soll man SPD wählen, wenn ihr Profil aus Schulz, Schröder, Heil, Gabriel, Nahles und Scholz besteht?

Wenn man gewinnen will, dann muss man angesichts der Medienlage die Fähigkeit haben, viele Menschen als Multiplikatoren zu mobilisieren. Die oben genannte Truppe schafft das nie und nimmer.

Auch das Programm ist ausgesprochen dürftig:

  • Die Rentenpläne mit dem Vorschlag Durchschnittsrente 48 % und der Deckelung des Beitrags bei 22 % sind nichts weiter als die Fortsetzung des von der SPD mit der Einführung der staatlich geförderten Privatvorsorge begonnenen falschen Politik.
  • Die Vermögenssteuer ist als Möglichkeit aus dem Programm gestrichen worden. Stattdessen will Schulz die Erbschaftsteuerbelastung erhöhen. Viel Vergnügen. Und das schließt sich ja überhaupt nicht aus.
  • Die Ehe für alle als Bedingung für eine Koalition. Dürftiger geht’s nicht. Das wird die Leute unheimlich motivieren!!!!

Das sind nur einige Beispiele. Belege für die Dürftigkeit und auch dafür, dass der Verantwortliche für ein so mageres Programm nun wahrlich nicht dafür geeignet ist, den notwendigen massiven Angriff auf Angela Merkel zu fahren.

Die Erfolge dieser aus meiner Sicht einfältigen Strategie sind schon sichtbar: Martin Schulz ist auf dem Weg zu Steinmeier.

Bei Umfragen geht es tatkräftig in Richtung des Ergebnisses des Spitzenkandidaten von 2009: Steinmeier hatte damals 23 % der Zweitstimmen erreicht. Zum neuesten Stand der Umfragen siehe hier:

Bei Forsa und GMS ist der Wert von 2009 schon erreicht. Ein anderes wichtiges Institut, die Forschungsgruppe Wahlen, misst 25 %.

„Diese SPD braucht kein Mensch“

Das meint Sahra Wagenknecht in einem Interview und damit hat sie wohl leider recht.

Allerdings bleibt es eine spannende Frage, wie es mit der SPD nach der verlorenen Wahl vom 24. September 2017 weitergeht. 2009, daran sei erinnert, ist es dem Verlierer Steinmeier und der Gruppierung um ihn herum gelungen, so zu tun, als sei nichts geschehen. Der Verlierer wurde sogar prämiert: Er wurde Fraktionsvorsitzender, obwohl er seine Partei zu einem der tiefsten Punkte in ihrer Geschichte geführt hat. Später wurde er Außenminister und heute ist er Bundespräsident. D.h.: das System der Sanktionen funktioniert in der SPD nicht.

Wie kann man den Druck auf eine Reinigung an der SPD-Spitze in die richtige Richtung verstärken?

Wenn bisherige Wähler und Wählerinnen der SPD mehrheitlich in die Enthaltung fliehen oder gar FDP wählen oder CDU und CSU, dann werden die jetzigen Führungskader behaupten, die SPD müsse weiter in die Mitte (d.h. nach rechts) rücken.

Wenn die Linkspartei messbar Stimmen abbekommt, dann wird der weitere Ruck der SPD in die sogenannte Mitte nicht weiter begründbar sein. Das wäre gut und deshalb sind sachlich oder taktisch bedingte Wahlentscheidungen für die Linkspartei bei der nächsten Bundestagswahl dringend zu empfehlen. Ein enger Freund, der bisher immer SPD gewählt hat, berichtete in den letzten Tagen von seiner taktisch bedingten Entscheidung für die Linkspartei am 24. September. Er begründet sie allerdings auch mit der Spitzenkandidatur von Sahra Wagenknecht und ihren politischen Äußerungen.

Sahra Wagenknecht wird bei uns etwas Ähnliches wie die Rolle übernehmen müssen, die Corbyn bei der letzten Wahl in Großbritannien gespielt hat, oder auch jene von Jean-Luc Mélenchon in Frankreich.

Die Situation ist selbstverständlich in jedem Land anders. Aber sie ist auch ähnlich: auch unser Land braucht eine Person der Kristallisation für die Gegenbewegung. Hier wie in Frankreich, in Großbritannien und übrigens auch in anderen Ländern wie Österreich, Spanien, Italien haben die Führungskader der bisherigen Sozialdemokratie ihre Partei stark beschädigt und den Menschen die notwendige politische Alternative entzogen.

Der Vergleich der Spitzenkandidatinnen/en ist informativ – hier anhand ihrer Reden:

Hier finden Sie die Rede von Martin Schulz auf dem gestrigen Parteitag in Dortmund.

Und hier finden Sie die Rede von Sahra Wagenknecht auf dem Parteitag der Linkspartei vom 11.6.2017.

Wir werden im Laufe der nächsten Wochen, also im kommenden Bundestagswahlkampf, gelegentlich noch auf weitere Reden der Spitzenkandidaten aufmerksam machen, auch auf jene der anderen Parteien. Auch auf Termine draußen im Lande, wie es so schön heißt.

Aus aktuellem Anlass folgt hier noch der Hinweis auf eine Wahlkampfveranstaltung:

Sahra Wagenknecht auf dem Münchner Marienplatz morgen, 27. Juni 2017 um 18:30 Uhr.

Wer in der Region wohnt und Zeit hat, es lohnt sich sicher.


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