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Titel: Hallo, liebe Sozis, wacht endlich auf: Die Rüstungslobby besetzt den zentralen Posten des Generalsekretärs.

Datum: 2. November 2017 um 17:05 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Lobbyismus und politische Korruption, SPD
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Damit ist die Friedenspolitik als SPD-Domäne endgültig entsorgt. Im vergangenen Bundestagswahlkampf fiel schon auf, dass der Kampf für friedliche Lösungen von Konflikten und gegen Kriege in der Programmatik der SPD keine Rolle mehr spielt, obwohl die SPD mit ihrer Entspannungs- und Friedenspolitik ab 1966 die Welt in Europa zum Guten verändert hatte. Auch im Scholz-Papier hat dieses wichtige Thema keine Bedeutung. NachDenkSeiten-Leser haben recherchiert und herausgefunden, dass der neue Generalsekretär Klingbeil ein Lobbyist der Rüstungslobby ist und im Vorfeld der Bundestagswahl zusammen mit seinem Kollegen Hitschler in einem Positionspapier für eine Erhöhung des Rüstungsetats warb – weitere Erhöhungen seien „dringend nötig“. Albrecht Müller

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hier sind die Belege und Quellen:

Erstens: Lars Klingbeil ist Mitglied des Präsidiums „Förderkreis deutsches Heer e.V., Bonn“

Dazu die Mail eines NachDenkSeiten-Lesers:

“Lars Klingbeil soll neuer Generalsekretär der SPD werden. Mich wundert, dass die Leitmedien diesen Vorschlag von Herrn Schulz ohne große Kritik hinnehmen und dass auch die SPD-Basis nicht interveniert. 

Über wen sprechen wir?  Eine Offenlegung der Verbindung von Herrn Klingbeil zur Rüstungslobby wäre sehr wünschenswert, um diese Person besser bewerten zu können.

Herr Klingbeil ist Mitglied des Präsidiums „Förderkreis Deutsches Heer e.V., Bonn,“ (FDH), einem der größten Lobbyverbände der Rüstungsindustrie.

Der Abgeordnete Klingbeil war ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss und stellv. Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Da fragt man sich doch, welche Interessen er dort vertritt? Das Abstimmungsverhalten und die Redebeiträge zu Bundeswehrauslandseinsätzen sprechen dann für sich.

Der Besuch der Sicherheitskonferenz in München wird dann auf der eigenen Facebookseite wie folgt beschrieben: „Für die SPD-Bundestagsfraktion nehme ich an der Münchener Sicherheitskonferenz teil.“ Die Tätigkeit für den FDH wird natürlich verschwiegen.

Die Öffentlichkeit sollte über diese Tätigkeit informiert werden, gerade im Hinblick auf die anstehende Wahl auf dem Parteitag. Wie steht die SPD eigentlich dazu? Ist der SPD dieser Umstand überhaupt bewusst oder wird diese Lobbytätigkeit mittlerweile unisono akzeptiert?

Die Mehrheit in unserem Land möchte Frieden und Entspannungspolitik und keine Aufrüstung und Beteiligung an NATO-Einsätzen.

Ich würde mir wünschen, dass Sie mit ihrer Seite für Aufklärung in diesem Fall sorgen.”

Diese Anregung greifen wir hiermit auf.

Zweitens: Klingbeil macht Stimmung für mehr Rüstung – hier das Positionspapier vom 21. März 2017

Im Folgenden geben wir Auszüge dieses Papiers wieder, kommentiert mit „A.M.“ . Vorweg noch zur Information: Der zweite Autor des Positionspapiers, Thomas Hitschler, ist Mitglied des Verteidigungsausschusses. Er ist mein Nach-Nachfolger als SPD-Bundestagsabgeordneter der Südpfalz im Deutschen Bundestag, vertritt aber in Fragen der Friedenspolitik ziemlich gegenläufige Positionen.

POSITIONSPAPIER HERUNTERLADEN (.PDF)
von Thomas Hitschler und Lars Klingbeil

„Europa blickt auf die friedlichsten Jahrzehnte seiner Geschichte zurück. Insbesondere nach Ende des Kalten Krieges haben die europäischen Staaten die Friedensdividende ein- und die Verteidigungsetats heruntergefahren. Im Resultat sind nun jedoch Fähigkeitslücken und Mangelverwaltung entstanden. Neue Bedrohungslagen an unseren Bündnisgrenzen und weltweite Krisenherde stellen uns vor Herausforderungen und erfordern ein Umdenken. Klar ist: Sicherheit kostet Geld. Deutschland hat darauf bereits reagiert und den Verteidigungshaushalt erhöht. Um gute Arbeitsbedingungen und die bestmögliche Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten zu gewährleisten, sind hier weitere Erhöhungen dringend nötig. Die Gewährleitung von sozialer, innerer und äußerer Sicherheit sind für uns unabdingbare Faktoren eines funktionierenden Staates, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Der Anspruch auf eine
faire Lastenverteilung in einem Bündnis ist absolut nachzuvollziehen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein starres Prozentziel der richtige Ansatz ist und den sicherheitspolitischen Bedürfnissen entspricht.“ – Quelle

Anmerkung A. M.: Das ist clever eingetütet. Zunächst wird wahrheitswidrig behauptet, wir hätten eine Friedensdividende eingefahren. Davon kann keine Rede sein, nachdem die NATO bei Verletzung des Geistes der Friedenspolitik und der Verabredungen von 1989 bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt worden ist und sich Deutschland 1999 am Jugoslawien-Krieg und dann an weiteren militärischen Interventionen von Afghanistan bis Mali beteiligt. An die Behauptung von der eingefahrenen Friedensdividende wird die Forderung nach Umdenken und einer Erhöhung des Verteidigungshaushalts angehängt.

Wie schon bei der Forderung nach Nachrüstung Ausgangs der siebziger und Anfang der achtziger Jahre werden auch jetzt wieder „neue Bedrohungslagen“ ins Feld geführt. Weiter im Text des Positionspapiers:

Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO

Die Mitgliedsländer der NATO sollen 2% des Bruttoinlandproduktes (BIP) für Verteidigung ausgeben. …

Um das 2%-Ziel zu erreichen, müsste Deutschland seine Ausgaben auf deutlich über 60 Mrd. € steigern.“

Anmerkung A. M.: Das wird einfach nur berichtet. Es wird nicht widersprochen.

Gleichgewicht und Machtbalance wahren

Mit dem Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels würde Deutschland zur größten Militärmacht des Kontinents werden. Zwar befürworten viele europäische Staaten ein stärkeres Engagement Deutschlands. Die aufkeimenden und teils bewusst geschürten Ressentiments während der europäischen Finanzkrise lassen aber daran zweifeln, ob eine solche Dominanz gerade in diesem Politikfeld der europäischen Sicherheit wirklich zuträglich wäre.

Dieses Risiko gilt es zu minimieren, indem ein Anstieg der europäischen Militärausgaben harmonisiert verläuft. Statt stur die nationalen Wehretats zu erhöhen, sollte neues Geld in Strukturen und die sicherheitspolitische Zusammenarbeit Europas fließen. Es gilt, gemeinsame Führungsstrukturen aufzubauen und gemeinsame Ziele und Interessen zu formulieren.“

Anmerkung A. M.: Neues Geld soll in Militär und Rüstung fließen. Aber am besten ein bisschen versteckt in europäische „Strukturen“.

Europäischen Kontext beachten

In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP nur in wenigen Ländern signifikant geändert. Eine deutliche Steigerung ist nur in Estland, Litauen und Polen zu verzeichnen, bei denen zudem die unmittelbare Nähe zu Russland eine Rolle spielt. …“

Anmerkung A. M.: Verständnis für die Erhöhung der Militärausgaben bei den Ländern in der Nähe Russlands – auch hier kein Deut eines Hinweises auf die Notwendigkeit einer neuen Entspannungspolitik, die diese Länder und Russland selbstverständlich einbeziehen müsste.

Debatte öffentlich führen

Das Verständnis in der Bevölkerung für eine Erhöhung des Wehretats bleibt gering, wenn eine öffentliche Debatte über Sinn, Zweck und strategische Ausrichtung unserer Verteidigungspolitik ausbleibt und keine öffentliche Legitimation geschaffen wird. Um Mehrausgaben für diesen Bereich auch vermitteln zu können, muss die sicherheitspolitische Strategie auf nationaler und europäischer Ebene klar festgelegt sein und dazu grundlegend öffentlich debattiert werden. Aus dieser Strategie sollten dann die dafür notwendigen Fähigkeiten abgeleitet werden und daraus die nötigen Investitionen. Die amtierende Bundeskanzlerin hat sich einer solchen Grundsatzdebatte im Bundestag verweigert. Vom zukünftigen Bundeskanzler erwarten wir in der nächsten Legislaturperiode mehr Mut für einen offenen Umgang mit diesem
Thema.“

Anmerkung A. M.: Die Debatte um Verteidigungspolitik offen zu führen, ist eine gute Forderung. Im konkreten Fall soll diese Debatte jedoch gesucht werden, um besser und ungehinderter aufrüsten zu können. Sie müsste geführt werden, um einvernehmlich abzurüsten.

Umfassenden Begriff von Sicherheit und Frieden verankern

Sicherheitspolitik umfasst mehr als nur militärische Mittel und Aufrüstung. Für den Frieden in Europa und der Welt sind Mittel der Diplomatie, der Entwicklungshilfe und der Krisenprävention oft zielführender. Der Vorschlag von Wolfgang Ischinger, statt des bisherigen Zwei-Prozent-Ziels der NATO ein Drei-Prozent-Ziel für Frieden und Ordnung anzupeilen, führt daher in die richtige Richtung. Ein weiter Mittelanstieg wäre zwar damit für Deutschland auch weiterhin geboten, ein solch umfassender Ansatz könnte aber Fehlentwicklungen und Sparen am falschen Ende vermeiden.“

Anmerkung A. M.: Das ist eine clevere Verpackung der Forderung nach mehr Geld für Militär und Rüstung. – Soviel zum Positionspapier von Hitschler und Klingbeil.

Drittens: Zu Ihrer Information noch ein weiterer Hinweis auf programmatische Äußerungen des neuen SPD-Generalsekretärs:

Sieben zusammenfassende Thesen

Sozialdemokratische Sicherheitspolitik und die Konsequenzen für die Bundeswehr

Anmerkung A. M.: Hier wird sichtbar, dass der neue Generalsekretär schon 2011 für eine europäische Armee eintrat. Wörtlich :

2. Auf dem Weg zu einer europäischen Armee. Ziel sozialdemokratischer Sicherheitspolitik ist die Europäisierung der Sicherheitspolitik. …. “

So viel zum Geist, den der neue Generalsekretär der SPD ins Willy-Brandt-Haus mitbringen wird.

Wenn Lars Klingbeil auf dem SPD-Parteitag Anfang Dezember dieses Jahres zum Generalsekretär gewählt wird, dann sind drei wichtige Posten der SPD-Führungsspitze an die Seeheimer gegangen:

Carsten Schneider als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, Thomas Oppermann als Vizepräsident des Deutschen Bundestages und dann noch Lars Klingbeil. Alles Männer, alle rechts und wie Klingbeil alles andere als aktive Friedenspolitiker.

Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unter den NDS-Leserinnen und -Lesern: Wollen Sie, wollt Ihr diesen weiteren Rechtsruck ernsthaft zulassen? Ohne Protest?

Es folgen die E-Mail-Adressen des SPD-Parteivorsitzenden Martin Schulz:

Hier seine SPD-Parteivorstands-E-Mail-Adresse: [email protected]
Hier seine Bundestags-E-Mail-Adresse: [email protected]


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