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Titel: NachDenkSeiten-Leser sind einfach große Klasse. Hier vier weiterführende Mails zum Artikel über die Abwesenheit ökonomischen Sachverstands.

Datum: 29. Mai 2018 um 16:40 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Leserbriefe
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Auf den Artikel von heute Mittag kamen weiterführende Mails, die wir Ihnen unmittelbar zur Kenntnis geben wollen: Die erste ist eine Mail an Herrn Professor Leggewie zu dessem unseligen Auftritt in den Tagesthemen. Darin enthalten sind die 2017-er Daten über Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit in Italien. Im zweiten Leserbrief wird die propagandistische Bedeutung der Begriffe Globalisierung, Digitalisierung, Populismus beleuchtet. Im dritten Leserbrief wird Macron in Aussicht gestellt, dass Frankreich mit ihm wegen makroökonomischen Unverstands ähnlich scheitern wird wie Italien. Der Schreiber des vierten Leserbriefs schickt einen Link auf ein Zitat von Oettinger mit der zynischen, antidemokratischen Botschaft. “Die Märkte werden Italienern beibringen wie man richtig wählt”. Das ist der Geist der sogenannten Demokraten. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hier nun die vier Lesermails verbunden mit einem großen Dank an die NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser:

1. Lesermail. Kopie einer Mail an Herrn Professor Leggewie von heute

Sehr geehrter Herr Leggewie,

Sie verstehen offensichtlich überhaupt nichts von politisch-ökonomischen Zusammenhängen. Auf welchem Boden wuchsen denn in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts die völkischen und nationalistischen Bewegungen heran? Es waren ökonomisch harte Zeiten mit dem Höhepunkt Weltwirtschaftskrise, die eine Mehrheit der Menschen in Europa den Rattenfängern in die Arme trieben.

Schauen Sie sich dieses Schaubild an.

Fakt ist, die Industrieproduktion in Italien hat noch nicht einmal den Stand von vor dem großen Einbruch 2009 erreicht. Trotz aller erzwungenen und  “schmerzhaften Reformen”. Bei genauer Betrachtung befindet sich Italien seit 2011 in einer Rezession. Und dann wundern Sie sich über die Abwahl der dafür Verantwortlichen?

Sie sagen selbst, vermutlich wird die Lega gestärkt aus weiteren Wahlen hervorgehen. Wenn Sie dies verhindern wollen, helfen keine leeren Worthülsen vom “lebendigen Europa”. Dann hilft nur, dass endlich in Deutschland eine fundierte Diskussion über eigene ökonomische und politische Fehler begonnen wird. Dazu sollten Sie einen Beitrag leisten. Aber Ihnen fällt nichts anderes ein, als verzweifelte Menschen mit tröstenden Worten abzuspeisen und sie damit in die Arme von AfD, Lega und Front National zu treiben.

“It’s the economie, stupid”, damit gewann Bill Clinton. Und weil so gut wie niemand aus der politischen, ökonomischen und intellektuellen Elite in Deutschland zur Kenntnis nehmen will oder kann, welch verheerenden Folgen die bundesdeutsche ökonomische Übermacht – entstanden durch Lohndumping in einer Währungsunion!!!! – für den Rest Europas (und einen nicht unerheblichen Teil der eigenen Bevölkerung) hat, so lange muss ich zornig und ohnmächtig zuschauen, wie die angeblichen Europafreunde in Berlin und Brüssel, Sie Herr Leggewie eingeschlossen, die europäische Idee durch Gelaber und Nichtstun zerstören.

Setzen Sie sich doch mal mit Heiner Flassbeck einen Nachmittag lang zusammen und lassen sich von ihm die Zusammenhänge erklären. Das macht er wirklich gut. Auch für ökonomische Laien. Wenn denn der Wille zum Lernen vorhanden ist.

Mit ziemlicher Wut aber dennoch freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Zeller


2. Leserbrief

Sehr geehrtes Team von den Nachdenkseiten,

dank Ihrer Arbeit haben regelmäßige Besucher der NDS natürlich Kenntnis über die propagandistische Bedeutung der Begriffe „Globalisierung“ oder „Digitalisierung“, die ja nichts anderes bewirken, als die Urheber und Nutznießer der brutalen Auswirkungen neoliberaler Umverteilungspolitik zu verschleiern. Auch hat mir Herrn Müllers Text über das neue Modewort „Populismus“ sehr gut gefallen, da auch mir schon lange aufgefallen war, wie einfach sich damit nicht systemtreue Parteien, Politiker oder Strömungen diffamieren lassen.

In meiner Tageszeitung, der „Rheinischen Post“, die leider alles andere als parteilos und unabhängig ist, findet sich auf der Frontseite jeden Tag ein eingängiges, manchmal lustiges Zitat eines Zeitgenossen. Heute, am 29. Mai, musste ich allerdings ein Meisterstück eines Stiftungsprofessors des Ifo-Instituts lesen, das eine wirklich bemerkenswerte Verdichtung obiger Floskeln darstellt, und mich sofort an die Nachdenkseiten denken lies. Daher übersende ich Ihnen hiermit eine Fotographie des Abdrucks. Wahrscheinlich ist das Jonglieren mit Versatzstücken neoliberaler Verschleierung Einstellungsvoraussetzung  beim Ifo-Institut. Motto: Als „Wirtschaftsforscher” wird öffentlich wahrgenommen, wer Globaldigitalisierung populistisch verbrämen kann. ;-)

Mit besten Grüßen,
Christian Mielke


3. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

sehr wahrscheinlich, siehe den gegenwärtigen breiten Widerstand in Frankreich, wird auch M. Macron (der ebenso kein Ökonom ist und gestern Mattarellla zu seinem Staatsstreich als Staatspräsidents-Kollege extra gratuliert hat) mit seinem Versuch scheitern, die Wettbewerbsfähigkeit der frz. Wirtschaft über seine den Franzosen als „sachlich notwendig“ verkauften TINA-Reformen der inneren Abwertung scheitern, weil im Ergebnis einseitig die Massenkaufkraft der frz. Arbeitnehmer und Arbeitlosen belastet und damit bei gleichbleibendem Preisniveau die heimische Nachfrage einbrechen muss..

Wenn daher unsere GroKo-Regierung als Reaktion auf das Italien-Desaster nicht umgehend die für die vereinbarte Währungsunion notwendigen Maßnahmen (Lohn-Erhöhungen entsprechend dem Produktivitätsfortschritt +2%Inflationszulage) ergreift, bleibt zumindest für die südlichen Euro-Partnerländer als realistischer Ausweg nur die Rückkehr zur eigenen Währung – weil bei einer echten Währungs-Abwertung nicht nur bei Löhnen, sondern auch bei Preisen der gleiche Abwertungs-Schnitt gemacht wird und die somit die heimische Nachfrage nicht tangiert wird.  Das war auch schon 1998 Wilhelm Hankels Argumentation – in seinen Schriften und in seinem Prozess gegen die Euro-Einführung.

Herzliche Grüße und Ihnen weiterhin viel Kraft für Ihre immer vorzüglichen Kommentare,
Gerhard K.


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Albrecht Müller,

durch einen Foristen bin ich auf eine Aussage Öttingers aufmerksam geworden, die ich Ihnen einmal zukommen lassen wollte.

Mit der Aussage offenbart Öttinger das, was Sie seit Tagen vermuten und erörtern.

Zitat Öttinger:

“Die Märkte werden Italienern beibringen wie man richtig wählt”

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Schubert

Anmerkung der Redaktion (30. Mai, 11:45): Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass das Zitat offenbar falsch übersetzt wurde. Zumindest wörtlich hat Oettinger dies nicht so gesagt; er hat aber – was die Sache ziemlich skurril macht – genau dieses falsche Zitat selbst über seinen Twitter-Account weiterverbreitet. Das überrascht aber nur oberflächlich, da das volle Zitat im Kern genau das gleiche sagt wie die verkürzte, „falsch übersetzte“ Version. Anscheinend fand Günther Oettinger diese Zuspitzung auch sehr passend. Wörtlich sagte er übrigens: „Ich kann nur hoffen, dass dies im Wahlkampf eine Rolle spielt im Sinne eines Signals, Populisten von links und rechts nicht in die Regierungsverantwortung zu bringen.“ Sinngemäß ist dies in der Tat kein Unterschied zur „Falschaussage“.


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