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Titel: Leserbriefe zu den militärischen Themen der letzten Woche.

Datum: 21. November 2018 um 9:23 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Aufrüstung, Leserbriefe, Militäreinsätze/Kriege
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Die Artikel “Macht es heute noch Sinn, die Kriegsschuldfrage 1914-1918 zu behandeln?“, “Merkels Vision: Militär” und “19,3 Millionen für ein Panzermuseum als „Zeugnis von Kultur und Geschichte“” lösten einiges an zustimmender und ablehnender Resonanz aus. Diese geben wir nachfolgend wieder. Zusammengestellt von Moritz Müller.

  1. Leserbriefe zu: Macht es heute noch Sinn, die Kriegsschuldfrage 1914-1918 zu behandeln?

    Anmerkung MM: Ich persönlich würde diese Frage bejahen, aber vielleicht sind die NachDenkSeiten nicht die geeignete Plattform für so weit zurückliegende, so komplexe Fragen. Und es kommt auch darauf an, nicht die falschen Schlüsse aus solchen Überlegungen zu ziehen. Trotzdem, oder gerade deswegen, hier die Leserbriefe.

    Ergänzende Bemerkung von Albrecht Müller: Bei diesem Thema wird deutlich, wie weit die Urteile über die Texte auseinanderfallen. Und es wird an manchen Lesermails sichtbar, wie emotional und manchmal hart die Urteile ausfallen. Wir haben das stehen lassen, weil auch diese Härte etwas zeigt – über den Charakter unserer geistigen Auseinandersetzung und den Umgang miteinander. Eigentlich schade.

    1. Leserbrief

    Lieber Herr Müller,

    es war von Ihnen eine ausgezeichnete Idee, die beiden Artikel von Willy Wimmer und Wolfgang Bittner zusammenzustellen. All diese Informationen gehörten in eine Fernsehsendung, die zur besten Sendezeit gezeigt werden sollte. Ich kann den beiden Beiträgen aufgrund meiner bisherigen Erkenntnisse nur zustimmen und möchte noch einiges ergänzen.

    Christopher Clark, einer der bedeutendsten derzeitige Historiker, hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Beteiligten alle mehr oder weniger gemeinsam in den Konflikt hineingeraten sind. Eine besondere Rolle spielte dabei aber auch England. Natürlich fürchtete es vor 1914 das Aufstreben Deutschlands als Seemacht mit seiner Flotte, einer Lieblingseinrichtung des Kaisers und eine von der OHL geforderten Notwendigkeit. So waren die Briten an einer Schwächung  des deutschen Reiches und einem Machterhalt des eigenen Landes interessiert. Überhaupt waren es England und Frankreich, in geringerem Maße auch Portugal, Spanien, Holland, Belgien und Italien, die mit dem Anbruch der Neuzeit, die anderen Kontinente durchdrangen, sich deren Heimat zu eigen machten und die erworbenen Gebiete unter sich aufteilten. Da störte dann das Interesse Deutschlands, jetzt plötzlich unter Kaiser Wilhelm II  auch Kolonien erwerben zu wollen. An dieser Stelle sei auch einmal darauf hingewiesen, dass weder Russland noch China, Länder in weit weg liegenden Kontinenten eroberten und als ihr Eigentum betrachteten. Auseinandersetzungen mit anderen Ländern gab es in der Regel nur im Grenzbereich dieser beiden Großmächte, so wie z.B. zwischen Frankreich und Deutschland. Das wird gern übersehen, wenn immer über das Großmachtstreben von Russland und China gesprochen wird. Hinzu kommt noch, dass Russland sich in den gut 200 zurückliegenden Jahren drei Großangriffen an seiner Westfront erwehren musste. Um bei diesem Land zu bleiben: Was hat Deutschland wirklich erwogen, Anfang August 1914 in Russland einzumarschieren? Wurde die Angst vor einem möglichen russischen Angriff vielleicht sogar von England (vielleicht sogar über Geheimdienste) geschürt, in der Hoffnung, dass sich beide Staaten durch einen Krieg gegeneinander schwächen würden? Ein Gedankenexperiment, das natürlich nicht bewiesen werden kann. Im Konflikt mit Russland ging dann aber zunächst Deutschland als geschwächter Sieger (Brest-Litovsk 1917) hervor. Ein Sieg den die Deutschen mit dem Versailler Vetrag dann bitter bezahlen mussten. Die Gefahr, die sich aber dann mit diesem Vertrag für Deutschland verband, hatte man von Seiten der Kriegsgegner wohl nicht vorhergesehen.

    Interessanterweise wird ja in den Geschichtsbüchern immer wieder darauf hingewiesen, dass die Republik zweimal (Scheidemann/Reichstag und Liebknecht/Schloss) ausgerufen wurde. Aber warum konnte sich dann doch Scheidemanns und Eberts Weg durchsetzen?  Wer sind die wirklichen Strippenzieher hinter auch den militärischen Auseinandersetzungen beider Lager?  Warum setzte sich eine Regierungsform nach den Vorstellungen Scheidemanns und Eberts und nicht von Liebknecht und Luxemburg durch? Einer meiner lehrenden Heidelberger Geschichtsprofessoren hat uns Studenten immer erzählt, die Spitzen mit den Adelsgeschlechtern hätten sich nach der Kapitulation überall zurückgezogen, aber das zuvor vorhandene Beamtentum sei bestehen geblieben. Sowohl dieses, als auch einflussreiche Vereinigungen wie die Kirchen hatten wohl großes Interesse, den Weg Liebknechts nicht zu beschreiten. Sicher bestand ja auch gerade aus der Sicht der katholischen Kirche die Befürchtung, von einer zu stark links zusammengesetzten Regierung in irgendeiner Form enteignet zu werden. Bei eher rechts ausgerichteten Parteien bestand diese Gefahr ja nicht. Aus diesem Grunde erscheint mir die  Distanzierung der heutigen katholischen Kirche vom Nationalsozialismus nicht immer glaubwürdig. Wäre uns der “Vogelschiss der Geschichte” (Alexander Gauland) also erspart geblieben, wenn sich die Vorstellungen des Spartakusbundes hätten durchsetzen können? Die Partei der Linken scheint sich dessen vielleicht bewusst zu sein, wenn sie jährlich der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedenkt. Der Nationalsozialismus ist nicht aus dem Nichts entstanden. Die wirklichen Voraussetzungen des Ersten Weltkrieges und die Folgen des Versailler Vertrages mit den aus dem Hintergrund gesteuerten Vorgängen werden von der Elite immer noch zu stark ausgeblendet. Und schließlich hat auch ein heutiger wieder erstarkender Rechtsradikalismus seine Wurzeln.

    Mit freundlichem Gruß
    Harald Pfleger


    2. Leserbrief

    Betr.: „Macht es heute noch Sinn, die Kriegsschuldfrage 1914–1918 zu behandeln?“

    Nachdem Wimmer zunächst zu Recht kritisiert, dass anlässlich des Gedenkens an den Waffenstillstand 1918 weder Merkel noch Steinmeier irgendeinen Soldatenfriedhof, geschweige denn einen deutschen, aufgesucht haben, geht er zu exzentrischen geschichtspolitischen Positionen über. Dass die NachDenkSeiten diese Thesen unkritisch publizieren, verwundert.

    Eigentlich ist es seit Liebknecht und Luxemburg ein klassisch linkes Narrativ, auf Deutschlands Haupt- und Alleinschuld 14/18 zu bestehen, nicht erst seitdem sich Fritz Fischers Lehrmeinung in den 1960er Jahren größtenteils durchgesetzt hat. Dagegen führt Wimmer zu Recht Christopher Clark (“Die Schlafwandler”) ins Feld, der diese – mittlerweile in die Jahre gekommene – Lehre substantiell in Frage gestellt hat (und dafür etwa von Wolfram Wette, einem Exponenten dezidiert linker Zeitgeschichtsforschung, 2014 heftig angegangen wurde, weil Clark das deutsche Geschichts(schuld)bewusstsein ungerechtfertigterweise „entlaste“.).

    So weit – so gut. Doch Wimmer ‘vergesellschaftet’ Clark mit Wolfgang Effenberger – und unausgesprochen auch mit Jim Macgregor. Beide suchen eine Antwort auf Kriegsschuldfrage 1914 insbesondere bei den Eliten Großbritanniens: Ihr gemeinsames Buch “Sie wollten den Krieg” ist im Kopp-Verlag erschienen, dessen Sortiment nicht gerade zu den Leuchttürmen zitierfähiger Fachliteratur über den Ersten Weltkrieg zu zählen ist. Das hat der hochkompetente und international renommierte Australier nicht verdient, zumal weder Effenberger noch Macgregor ausgewiesene Fachhistoriker, sondern eher Autodidakten sind (Effenberger war Bundeswehrsoldat bzw. Lehrer für Politik und Mathematik; Macgregor ist Mediziner im Ruhestand). Überdies hält Wimmer Christopher Clark zu Unrecht für einen Gewährsmann seiner heftigen, geradezu deutschnational anmutenden Kritik am Versailler Vertrag; Clarks bekannte Studie hat sich aber mit dem Friedensvertrag von 1919 nicht beschäftigt. Und die – vermutlich völkerrechtswidrige – britische Wirtschafts- und Hungerblockade gegen Deutschland hat 1914–1918 nicht „Millionen deutsche Opfer“ (Wimmer) gefordert – das wären ja genozid-ähnliche Dimensionen; es waren ca. 600.000 Zivilisten, etwa die Hälfte davon erlag der Spanischen Grippe ab Anfang Oktober 1918.

    Wimmer geht es offenbar nicht um Fachdiskurse, sondern um das bei (Ex-) Politikern beliebte Vorgehen, prognostisch-alarmistische Gegenüberstellungen von “einst” und “jetzt” vorzunehmen und historische Sachverhalte als Steinbruch und Munition für politische Attacken in Gegenwartsthemen zu benutzen. Das kann man so machen; auf die enttäuschend schwachen fachlichen Grundlagen von Wimmers ‘Geschichtsdenken’ hinzuweisen, sollte ebenso erlaubt sein.

    Hätte sich Wimmer mit seriöser neuerer Forschung auseinandergesetzt, wären ihm u.a. die folgenden Titel begegnet, die z.T. deutlich noch über Clarks Erkenntnisse hinausgehen: Niall Ferguson (2000): A Pity of War, Explaining Wold War I; Stefan Schmidt (2009), Frankreichs Außenpolitik in der Juli-Krise. Ein Beitrag zur Geschichte des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs; Herfried Münkler (2013), Der Große Krieg. Die Welt 1914 – 1918; Sean MacKeekin (2011): The Russian Origins of the First World War; Douglas Newton (2015), The Truth behind Britain’s Rush to War; Rainer F. Schmidt (2016), Revanche pour Sedan, Frankreich und der Schlieffen-Plan. Militärische und bündnispolitische Vorbereitung des Ersten Weltkriegs. Letztgenanntem gelang es in einer klassischen diplomatiegeschichtlichen Studie nachzuweisen, dass Poincaré und der Zar in der zweiten Juli-Hälfte 1914 mit Erfolg alles daran setzten, das Deutsche Reich politisch und völkerrechtlich ins Unrecht zu setzten und mit Kalkül die seit Sarajewo sich immer schneller drehende Eskalationsspirale anzutreiben. Auffallend an den neuesten Publikationen ist jedenfalls, dass insbesondere die fatalen Folgen russisch-französischer Bündnispolitik und die britisch-russische Flottenkonvention deutlicher als früher in den Blick gerückt sind.

    Bevor Wimmer dazu übergeht, Merkel und Macron heftig für ihre aktuelle Außen- und Bündnispolitik zu kritisieren, irrlichtert er durch Fragen und Forschungszusammenhänge der Julikrise 1914. Seine Meinung dazu ist nicht eben „profiliert“, wie Albrecht Müller einleitend schreibt, sondern erkennbar diejenige eines Nicht-Fachmannes, der z.T. ungeeignete Bücher aus dem Regal geholt hat. Seinen politischen Ansichten erweist er damit jedenfalls keinen guten Dienst.

    Dr. Matthias Kordes
    Recklinghausen


    3. Leserbrief

    Eigenzitat Albrecht Müller:

    „In der jetzt öffentlich geführten Auseinandersetzung geht es in einem ersten Versuch darum, Russland ohne Krieg zu isolieren, wirtschaftlich zu schaden, zu destabilisieren, und die Ukraine und später auch weitere Nachbarstaaten in den Westen zu ziehen, zunächst nahe an die EU, dann in die EU und in die NATO.”

    Man lese Zbigniew Brzezińskis Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft (The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives, 1997). 

    Ausführliche Buchkritik hier.

    “Ziel dieses Buches ist es, „im Hinblick auf Eurasien eine umfassende und in sich geschlossene Geostrategie zu entwerfen“. Die Vereinigten Staaten als „erste, einzige wirkliche und letzte Weltmacht“ nach dem Zerfall der Sowjetunion müssen ihre Vorherrschaft auf dem „großen Schachbrett“ Eurasien kurz- und mittelfristig sichern, um so langfristig eine neue Weltordnung zu ermöglichen.” Deutsche Ausgabe: Zbigniew Brzeziński: Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Erstauflage 2001 bei S. Fischer, danach erst wieder 2015 durch den “rechtsradikalen” Kopp-Verlag, Neuauflage Oktober 2018.

    Nach der Lektüre dieses Buches erübrigt sich die weitere Diskussion. Brzezinski schrieb schon 1997 das Drehbuch zu der Komödie, die jetzt gegeben wird. Er forderte öffentlich und ganz ungeniert genau zu den Umtrieben auf, die wir aus der Ukraine kennen und die aktuell gegen Russland inszeniert werden. Man begreift dann auch die Rolle von Merkel und Konsorten. Und man erkennt, dass es sich bei dem Geraune um den ‘Council on Foreign Relations (COF)‘, um die ‘Atlantik-Brücke’, die ‘Trilaterale Kommission’, die ‘Bilderberg-Konferenz’ und die Machenschaften des Davoser Weltwirtschaftsforums NICHT um eine Verschwörungstheorie handelt, sondern dass in diesen Gremien diejenigen Fäden gesponnen werden an denen die Marionetten des US-Imperialismus hängen: die Redakteure der “Qualitätsmedien”, der Öffentlich Rechtlichen Anstalten, der leitenden Manager in den Großunternehmen und der uns belügenden und verschaukelnden Politiker. Nicht von Ungefähr taucht mit Merz ein Vorsitzender der ‘Atlantik-Brücke’ als Kandidat für ein politisch wichtiges Amt auf. Das Netz ist dicht gesponnen!

    Die Vorläufer-Organisationen des COF (eine Gründung amerikanischer Großbankiers, den Großfinanziers der Kriegskosten der Entente-Mächte, die im Falle eines von diesen verlorenen Krieges ihre Kredite hätten abschreiben müssen, und deshalb alle Hebel in Bewegung setzten um Amerika in den europäischen Krieg zu ziehen) sind übrigens auch diejenigen gewesen, die Woodrow Wilsons “Leimrute” (Williy Wimmer) der “Vierzehn Punkte” und dann die Konditionen des Versailler “Vertrags” diktiert haben. Und heute installieren sie amerikanische Präsidenten*) (Trump war, nach Reagan, der erste ohne ihr Plazet, daher der Hass) und waschen sie den “Eliten” der westlichen Welt die Gehirne und spannen sie für ihre Ziele ein, nämlich die uneingeschränkte Herrschaft des amerikanischen Großkapitals mittels Zersetzung aller gültigen Werte, Auslöschung jeder Solidarität der Arbeitnehmer, der Menschen und Völker zu etablieren. Und dazu gehört unausweichlich die Zerschlagung aller, zuvörderst derjenigen Nationen, die sich der Ausdehnung der Weltherrschaftspläne der USA am entschiedensten in den im Wege stellen. Früher waren dies die bösen Deutschen, heute verteufelt man Putins “Reich des Bösen”.  

    Ja! Es macht Sinn, die Kriegsschuldfrage 1914-1918 zu behandeln? Denn nur wer die Machenschaften im Vorfeld und am Ende des Ersten Weltkriegs kennt, begreift dessen Folgen. Erst wer durch dieses Brennglas und aus dem zeitlichen Abstand die Ereignisse betrachtet, gewinnt diejenige klare Sicht, die sich für uns Zeitgenossen hinter der Fülle des auf uns tagtäglich einstürmenden, und medial bewusst verzerrt dargestellten Geschehens verbirgt.

    *) Quelle

    Wer zu den Drahtziehern der ‘Umgestaltung der Welt’ mehr wissen möchte und nach Belegen fragt, findet auf dieser Website der “Swiss Propagande ResearchEinzelheiten: “Deutsche Medien und Journalisten sind aus historischen Gründen besonders eng in transatlantische Netzwerke eingebunden. Die folgende Infografik gibt einen Überblick über die wichtigsten Akteure und Verbindungen.”

    Diese Thematik hatte übrigens auch die Sendung “Die Anstalt” am 29. März 2014 zum Inhalt. Die Aufzeichnung verschwand ruck-zuck aus der Mediathek. Pikant: Redakteure der ZEIT klagten dagegen, erfolglos.

    Werner Ocker


    4. Leserbrief

    Hallo Herr Müller,

    das macht nicht nur Sinn, sondern ist sogar zwingend erforderlich, um den Gesamtzusammenhang herzustellen, wie es in der Summe der Beiträge der Herren Bittner und Wimmer geschehen ist.

    Der berühmt-berüchtigte Sicherheitsberater und US-Geo-Stratege Brezinski hat ja in den 1990er Jahren öffentlich erklärt, dass es ein vordergründiges Ziel US-Amerikanischer Außenpolitik sei, eine gedeihliche Annäherung der Beziehungen von Russland und Deutschland zu verhindern.

    Sehr informativ hat auch Andreas von Bülow diese Doktrin amerikanischer Aussenpolitik und die Anwendung seit der Wende zum 20. Jahrhundert in seinem Buch ” Die Deutschen Katastrophen ”  beschrieben.

    Vor diesem Hintergrund und gerade auch im Hinblick auf die nicht zu unterschätzende Gefahren für die Zukunft scheint es mir ganz wichtig vor Augen zu haben, dass das Versprechen aus 1990, am damaligen NATO-Ost-Status Quo festzuhalten, nur Mittel zum Zweck war, die geplante und versuchte Ausbeutung der Russischen Föderation mit ” Hilfe ” von Jelzin ab 1993 nicht zu gefährden.

    Anderseits durfte man- aus heutiger Sicht – nicht wirklich ernsthaft glauben, dass die USA mit der Vereinigung Deutschlands ihre Aussenpolitik bezogen auf Russland und Deutschland in Frage stellen würde und somit ist die NATO-Ost-Erweiterung unter Einbeziehung Deutschlands eigentlich – aus Sicht der USA – nur folgerichtig.

    Insofern wäre es gut und wichtig festzustellen, ob die Chance ab 1990, ein gemeinsames europäisches Dach mit Russland voranzutreiben, aus Freudetrunkender Unfähigkeit deutscher Politik vertan wurde oder diese hoffentlich vorhandenen Ansätze bereits durch den Druck der US-Amerikaner verhindert werden konnten.

    Eine ernsthafte Loslösung Europas aus dem Rockzipfel der USA wird es aus meiner Sicht nicht geben können.

    Eine Loslösung unter gleichzeitiger Wahrung des US-Truppen-Statut aus 1993 ?

    Man kommt nicht umhin, an dieser Stelle die aussenpolitische Ruhe und Gelassenheit Putins zu loben. Nicht auszudenken, wer da dem politischen Trend der letzten Jahre folgend, irgendwann einmal in den Kreml einzieht.

    Der Wahnsinn wird also weitergehen und ich stelle mir wirklich die Frage, was passierte, sollte Deutschland den Austritt aus der NATO und eine militärische Neutralitität mit

    Ziel eines militärisch neutralen Europas erklären.

    Willy Wimmer meinte einmal, dass sich sofort alle Atomwaffen auf Deutschland richten würden.

    Nun sind wir ohnehin erkärtes militärisches Schlachtfeld in einem Konflikt zwischen den USA und Russland.

    Ich sehe nur die – zugegeben – sehr theoretische Chance, dass Deutschland sich in Europa militärisch isolierte und militärisch neutral erklärte, um sich auf Dauer dieser konkreten Bedrohung durch Atomwaffen zumindest nominell entziehen zu können.

    Dieser Wahnsinn von zwei Weltkriegen in 100 Jahren und der wieder vorhandenen Kriegstreiberei darf einfach nicht unthematisiert bleiben.

    Vielen Dank daher auch an die Herren Wimmer und Bittner.

    Freundliche Grüße von
    Michael Krater


    5. Leserbrief

    Sehr geehrte NachDenkSeiten,

    Als politischer Mensch mit einem ausgeprägten historischen Interesse danke ich für diesen Beitrag.

    Den beiden Verfassern, Herrn Wimmer und Herrn Bittner liege ich wegen der Klarheit der Worte “ zu Füssen “

    Ich würde es begrüssen, wenn sogenannte “Volksvertreter” im Bundestag sässen, denen die Interessen der zu vertretenden wichtiger wären als ihre Parteibücher, Bezüge und zu erwartende Renten……………Mit anderen Worten: es wäre an der Zeit, wenn auch in diesem sogenannten hohen Hause viele Dinge in der Öffentlichkeit und mit aller Offenheit angesprochen und diskutiert werden können und ebenfalls Eingang finden würden in die sogenannten “ main stream “ Medien. Solange all das nicht passiert muss man davon ausgehen, zumindest wird der Eindruck erweckt, dass es zu viel, von alliierter Seite beinflusste Menschen gibt, bzw unsere Souveränitat durch Klauseln eingeschränkt ist.

    Was beide Herren anklingen lassen, manchmal durchaus auch

    “durch die Blume “ lässt mich aufhören und vermuten, dass zuviel

    “Aufklärung “ Gift fürs Volk ist….

    Mit besten Grüsse und in Anerkennung ihrer Leistungen
    Bernd Liché


    6. Leserbrief

    Sehr geschätzte Nachdenkseiten-Macher/innen,

    wie immer habe ich heute interessiert die Nachdenkseiten angeschaut und bin am Beitrag Macht es heute noch Sinn, die Kriegsschuldfrage 1914-1918 zu behandeln? “hängengeblieben”. Darin sind Ausführungen von Willy Wimmer und Wolfgang Bittner aufgeführt, denen ich, freilich nur auf der Grundlage eines “Hobby-Historikers”, doch teilweise entschieden widersprechen muss.

    Vorneweg: In der Analye der heutigen Lage stimme ich weitgehend überein, es geht in ziemlich konzertierter Aktion “gegen Russland”, und die Indizien dafür sind wohlbekannt (NATO-Osterweiterung, Ukraine-Krise, Sanktionsregime etc.). Aber schon den Terminus “Einkreisungsstrategie” halte ich für falsch, schon weil Russland eben an “seiner Ostflanke” nicht eingekreist ist, sondern mit China einen mittlerweile sehr selbstbewussten, aber nicht aggressiven Nachbarn hat.

    Es ist aber auch für die Situation des Deutschen Reiches von 1914 sehr unangemessen, den damals populären Kampfbegriff “Einkreisungsstrategie” zu verwenden. Schliesslich hatten sich die späteren Kriegsgegner ja nicht willkürlich im Kreis um das Reich angeordnet, sondern die Geografie hatte Russland halt zum östlichen und Frankreich zum westlichen Nachbarn bestimmt. Was durchaus nicht geografisch vorgegeben war, ob diese Staaten sich zu politischen und im Konfliktfall kriegerischen Gegnern entwickeln würden. Bismarck hatte ja runde 30 Jahre lang recht erfolgreich, u.a. mit dem Rückversicherungsvertrag, jede ernsthafte Konfrontation mit Russland vermieden. Oder, überspitzt formuliert: Unter Bismarck’scher Leitung hätte es vermutlich 1914 keinen Zweifrontenkrieg, sondern wenn überhaupt nur einen “Westkrieg”  gegeben.

    Weiter ist wichtig, dass beide Autoren etwas a-historisch argumentieren. Krieg zu führen war sowohl für die Führungen als auch die Bevölkerungen der Länder ein ziemlich selbstverständliches Recht, es galt nicht als per-se amoralisch, auf der Krim oder in Schleswig-Holstein oder sonstwo Krieg zu führen (daraus erklären sich auch ein bisschen die sattsam bekannten Bilder der blumengeschmückt, fröhlich singend ins Feld ziehenden Soldaten).

    Was es gab, und zwar in allen Ländern, waren teilweise sehr einflussreiche “Kriegsparteien”. Würde sich die Chance eröffnen, unter für das eigene Land vorteilhaften Bedingungen Krieg zu führen, dann waren diese Leute der Ansicht, so schnell und rücksichtslos wie möglich zuzuschlagen.

    Wieso war nach 1918 überhaupt der Wunsch nach Benennung eines kriegsschuldigen Landes so dringend? Für den Krimkrieg oder den Holsteinischen Krieg etc. suchten schon die Zeitgenossen nach ein paar Jahren keinen “Schuldigen” mehr, und heute sind uns solche Zuweisungen erst recht irrelevant geworden. Das Verlangen nach einem Schuldigen war m.E. deswegen so hoch, weil sich alle Kriegsteilnehmer und insbesondere die dort tätigen Kriegsparteien eben gründlich verrechnet hatten und es keine kurze, ein paar Wochen dauernde “Feldkampagne” geworden war, sondern ein mehrjähriges, industriell befeuertes Abschlachten auf bislang ungekannten Niveau.

    Und das Deutsche Reich wurde vor allem deswegen zum “Alleinschuldigen” auserkoren, weil der andere Hauptschuldige, die ehemalige Grossmacht Österreich-Ungarn, sich kurz vor Ende des Krieges aufgelöst hatte.

    Die in so vielen Schulbüchern und Fernseh-Dokus bei uns so gern propagierte These, dass eigentlich keiner “Schuld” war, sondern die delikate Vertragslage und die aufgehäuften Waffen irgendwie schicksalhaft den Krieg bedingten – gerne mit den Metaphern von den wie Mikado-Stäben aufgehäuften Schwertern oder der tickenden Uhr unterlegt – halte ich für für irreführend.

    M.E. war der erste Weltkrieg durchaus vermeidbar, akut durch eine andere Diplomatie nach dem Attentat von Sarajewo, strategisch durch eine andere Bündnis- und allgemeine Aussenpolitik in den Jahren zuvor. Und wenn er vermeidbar war, dann gibt es eben auch “Haupt-” und “Neben-“Schuldige, und die Hauptschuldigen waren m.E. eben Österreich-Ungarn und Deutschland.

    Es wird in den Texten von Wimmer und Bittner behauptet, dass “Versailles” zeige, dass eine lange geplante Politik der Siegermächte zur Niederhaltung der “prosperierenden Mächte” Deutschland und Österreich-Ungarn am Werke gewesen sei. Auch das halte ich für falsche Interpretation. Abgesehen davon, dass Österreich-Ungarn eher nicht zu den “prosperierenden” Mächten vor 1914 zu zählen ist: Die wichtigste Siegermacht, USA, ist sehr offensichtlich extrem unwillig in den europäischen Krieg gezogen – wo war da der Plan?

    Am wichtigsten aber: Wenn man Deutschland wirklich konzertiert “niederhalten” wollte, wieso hat man das dann so offensichtlich unvollständig getan? Man hätte doch in Versailles, wo man ja (auch und gerade Präsident Wilson für die USA) ziemlich skrupellos Lädergrenzen hin und herschob, ja auch Deutschland in kleinere Einheiten zerlegen können. Ein “Südstaat” aus dem heutigen Baden-Württemberg und Bayern hätte sich möglicherweise sogar gerne von den Preussen und Sachsen in einem neuen “Oststaat” und einem “Rhein-” oder “Nordsee-Staat” unabhängig gehalten. Stattdessen wurde im Westen Elsass-Lothringen an Frankreich restituiert und im Osten Polen mit der (erkennbar zum Konfliktpunkt werdenden) “Insel” Ostpreussen aus “Reichsmasse” bedient. Sebastian Haffner schrieb zurecht “man tat beides [also Beibehaltung der alten Grenzen oder Neuaufteilung] nicht”, sondern schob das im Kern unveränderte Reich geradezu zwanghaft auf einen revisionistischen Pfad (den dann alle Weimarer Regierungen, mehr oder minder energisch, verfolgten).

    M.E. ist Versailles deutlich nicht Teil eines konzertierten Plans, sondern Resultat der divergierenden Interessen Frankreichs und Gross-Britanniens (die USA waren da wohl recht neutral). Während erstere am liebsten die eigene Ostgrenze gänzlich an den Rhein geschoben hätten, wollte man in GB die kontinental-europäische Mächtebalance nicht durch ein zu klein werdendes Deutschland aus dem Lot bringen.
    Und die Reparationen? Waren mindestens für die französische Regierung ein innenpolitisches Muss, wenn man sich einer materiell ausgeplünderten und in Menschenleben ausgebluteten Bevölkerung zur Wahl stellen wollte.

    Kann man dann aus 1914-1918 nichts lernen? Doch, natürlich: Zuallererst den beständigen Kampf gegen Kriegsparteien aller Art und die dahinterstehenden militärisch-industriellen-(geheimdienstlichen-medialen) Komplexe. Und die Notwendigkeit einer geduldigen, klugen Friedenspolitik.

    Aber das verlangen die Nachdenkseiten ja seit langem, da trage ich Eulen nach Athen.

    Mit freundlichen Grüssen
    peter schulz


    7. Leserbrief

    Nicht nur aus der Sicht eines Historikers macht es selbstverständlich großen Sinn dieser Frage auch heute nachzugehen. Dies gilt für viele Themen in der Geschichtswissenschaft. In Zeiten allerdings, in denen die Rechte eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad fordert, ist bei dieser Frage, unabhängig, wie man die Details bewerten möchte, in jedem Fall das Versagen, der Größenwahn und der nationale Wahnsinn der Führung des kaiserlichen deutschen Reichs hervorzuheben. Der demokratische Aufbruch, die Ereignisse des November waren die Konsequenzen eines unsäglichen übertriebenen Nationalismus und Imperialismus, der die eigene Bevölkerung in die Katastrophe geführt hat. Vor diesem Hintergrund hat mich schon der Auftritt Willy Wimmers im Hambacher Schloss irritiert, denn dort waren auch etliche Teilnehmer, die sich zu Unrecht das Schwarz Rot Gold zu eigen machen, indem zum Beispiel das Kaiserreich in erster Linie positiv und nicht kritisch gewertet werden soll.

    An diesen Feststellungen ändert auch nichts, dass die Rolle der damaligen Kriegsgegner ebenfalls kritisch zu bewerten ist.

    Gruß Achim Maser

  2. Leserbriefe zu „Merkels Vision: Militär

    Anmerkung MM: Ob dies Frau Merkels Vision ist oder ihre Reflektion der Vision Anderer, ist sicher schwer zu sagen. Ob mehr Waffen die Welt wirklich sicherer machen, wird sich zeigen.

    8. Leserbrief

    Sehr geehrter Herr Müller

    Kriege und ein neuer Rüstungswettlauf sind Dinge die wohl jedem dessen Herz links schlägt die Nackenhaare kräuseln. Aber haben sie denn nicht selbst die aktuellen Entwicklungen gesehen?

    Aber wer glaubt sich in einer gewalttätigen Welt, in der sich die Starken einfach das nehmen was ihnen gefällt, ganz einfach weil sie es können, ist der nicht ziemlich naiv wenn er davon ausgeht das man sich in einer solchen Welt aus einer Position der Schwäche heraus behaupten kann.

    Ich kenne die Welt nicht in der sie ihre Jugend erlebt haben, ich jedenfalls kenne durchaus das Prinzip, mit dem Starken arrangiert man sich und macht ihn sich besser zum Freund, den Schwachen hingegen haut man entweder auf’s Maul oder macht sie sich zum Vasallen. Herr Müller, ich habe ehrlich gesagt kein Indiz dafür zu glauben das Geopolitik heute nach anderen Regeln funktioniert. Haben sie nicht selbst erlebt wie es läuft wenn man sich einfach auf eine starke Schutzmacht verlässt, die sich dann einfach mit dem Recht des Stärkeren die Freiheit nimmt ihre Kriege von deutschem Boden aus zu koordinieren und man nun fürchten muss das Europa der Austragungsort für einen 3. Weltkrieg um die Weltherrschaft werden könnte.

    Wer den Falken in Amerika und der Nato für derartige Ansinnen die rote Karte zeigen will, wird das mit Sicherheit nicht mit der Friedenstaube in der Hand und einen Kamm in der Tasche tun können sondern nur aus der Position eines starken und durchaus wehrhaften Partners heraus, denn das ist die einzige Sprache die diese Herren verstehen.

    Unter uns Herr Müller, glauben sie wirklich das es zum jetzigen Zeitpunkt klug wäre offen auszusprechen das eine eigenständige europäische Armee auch diese Möglichkeiten eröffnen würde? Es gibt hier glaube ich, wie so oft, keinen Königsweg, sondern nur wieder einen faulen Kompromiss, der uns neue Chancen bieten könnte, aber das natürlich keineswegs zwingend muss.

    Vielen Dank für die Arbeit der Nachdenkseiten
    Viele Grüße S.T.


    9. Leserbrief

    hatte gestern nach der rede der kanzlerin eine e-mail an sie geschrieben,

    in der ich den aufbau einer europäischen armee gut finde. aber nur, wenn gleichzeitig die nationalen armeen abgebaut werden, es zu einer verringerung der rüstungsausgaben führt und, das möchte ich jetzt noch hinzufügen, alle nuklearen waffen aus europa abgezogen bzw. vernichtet werden. und die kontrolle dieser armee darf nicht den militärs überlassen werden.

    mfg
    reinhard wiecha


    10. Leserbrief

    Lieber Albrecht Müller,

    Ihren Ausführungen ist nichts hinzuzufügen, außer der beschämenden Tatsache, dass sowohl Mr. Macron als auch Frau Merkel ihre Visionen einer “echten europäischen Armee” ausgerechnet (oder gar absichtlich?) im Umfeld der Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag der Beendigung des I. Weltkrieges kundtun! Kaum ist das eine Völker-Schlachten tränenreich und mit Kranzniederlegung zu Grabe getragen worden, erdenkt man wieder neue Konfrontationsgründe, fleissig sekundiert vom Sprachrohr der NATO, Herrn Jens Stoltenberg. Das ist wahrlich nicht das Europa, das ich mir (Jahrgang 1950) einmal erhofft hatte. Was bleibt? Vielleicht schlußendlich nur noch das Kriegslied von Matthias Claudius aus dem Jahre 1778:

    ’s ist Krieg! ’s ist Krieg!
    O Gottes Engel wehre,
    Und rede Du darein!
    ’s ist leider Krieg –
    und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!

    Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
    Und blutig, bleich und blaß,
    Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,
    Und vor mir weinten, was?

    Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
    Verstümmelt und halb tot
    Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
    In ihrer Todesnot?

    Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
    So glücklich vor dem Krieg,
    Nun alle elend, alle arme Leute,
    Wehklagten über mich?

    Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
    Freund, Freund und Feind ins Grab
    Versammelten und mir zu Ehren krähten
    Von einer Leich herab?

    Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
    Die könnten mich nicht freun!
    ’s ist leider Krieg – und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!

    Mit besten Grüßen
    Ulrike Müller


    11. Leserbrief

    Hallo Herr Müller,

    ich denke, dass Sie sich in Ihrer Bewertung des Projekts EU-Armee zu stark von Ihrem Bauchgefühl gegenüber Aufrüstung beeinflussen lassen und dabei die großen Chancen nicht sehen, die eine EU-Armee bietet. Diese Armee ist nämlich sehr wohl mit der Idee einer Abkehr von den USA bzw. der NATO verbunden. Macron hat sich diesbezüglich sehr eindeutig geäußert. Er sprach in einem Interview davon „eine eigene Armee aufzubauen, um Europa gegen die USA, China und Russland zu verteidigen“, was Trumps neueste Wut-Tweets auslöste.

    Auch die Äußerungen Stoltenbergs stehen im direkten Zusammenhang dazu. Sinngemäß warnt er vor dem russischen Boogeyman und fordert dazu auf, die EU-Armee doch bitteschön fest in die NATO Strukturen zu integrieren, andernfalls begrüße er diese Bemühungen nicht.

    Was Merkels Äußerungen angeht, sollten Sie sich etwas bewusst machen, das nach 13 Jahren „Mutti“ vermutlich noch ungewohnt klingt: Merkels Tage sind gezählt, ihre Vision für Europa ist seit kurzem irrelevant. Wenn dann wäre es interessant, wie ihre potentiellen Nachfolger zu dem Thema stehen.

    So seltsam das im ersten Moment klingen mag, bietet eine nicht-transatlantische EU Armee wie gesagt gewaltige Chancen für eine bessere Welt. Um das zu verstehen, müssen wir uns zwei Dinge bewusst machen, nämlich wie der amerikanische, „imperiale Deal“ bis vor Trump aussah und in welcher geopolitischen Phase wir uns derzeit befinden.

    Der imperiale Deal:

    Frühere Imperien knüpften ihren Vasallen entweder Tribute ab oder sie plünderten die besetzten Länder vor Ort mit eigenem Personal aus, um so ihre riesigen Armee zu bezahlen, eine Situation, in die sich kein Land je freiwillig begeben hat. Der NATO dagegen treten Länder freiwillig bei und das liegt daran, dass die USA deutlich bessere Konditionen anbieten. NATO Mitglieder werden nicht ausgeplündert und müssen auch keine Tribute zahlen, sondern können stattdessen fruchtbare Wirtschaftsbeziehungen zu den USA unterhalten. Die USA bezahlen ihre Riesenarmee stattdessen selbst und trotzdem steht man als NATO Mitglied unter ihrem Schutz. Der Preis, den man stattdessen zahlt, ist die Aufgabe einer eigenen Außenpolitik und die Unterordnung unter amerikanische Interessen. Letzteres ist ein verhältnismäßig geringer Preis, denn er hat zur Folge, dass der Westen unter amerikanischer Führung geeint auftreten kann und ist in der Summe der Grund, warum so viele Mitglieder der Eliten so stark am Bündnis mit den USA hingen.

    Seit Trump hat sich diese Dynamik allerdings verändert, weil Trump den imperialen Deal ändern möchte. Er verlangt nun doch Tribute in Form von bilateralen America-First-Abkommen und möchte des Weiteren die Riesenarmee nicht mehr alleine bezahlen. Erfreulicherweise ist Europa nicht bereit, diesen neuen, imperialen Deal zu akzeptieren.

    Der alte imperiale Deal ist nämlich ein entscheidender Faktor im Konflikt mit Russland und vor allem im Ukrainekonflikt. Russland ist ein verlässlicher Rohstofflieferant und ein guter Abnehmer für unsere Produkte, somit ein attraktiver Handelspartner. Russland ist außerdem eine hochgerüstete Nuklearmacht und somit ein unattraktiver Gegner für eine militärische Auseinandersetzung. Europa dürfte wenig Interesse daran haben, den Ukraine Konflikt mit Russland auszutragen, ganz im Gegensatz zu den USA. Diesen geht es in der Ukraine darum, eine slawische Zollunion zu verhindern, Russland über einen ukrainischen Blockstaat politisch aus Europa zu drängen, einen Keil zwischen Europäer und Russen zu treiben, der EU amerikanisches Flüssiggas aufzunötigen und im selben Atemzug Russlands Position im weltweiten Energiemarkt zu schwächen. Deshalb haben die USA mit ihrem Regime Change in Kiew den Krieg zurück nach Europa gebracht.

    Sinkender amerikanischer Einfluss in der EU bedeutet also automatisch steigende Chancen auf eine friedliche Lösung des Ukrainekonflikts und auf nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland. 

    Die geopolitische Situation:

    Wir befinden uns geopolitisch derzeit am Beginn einer Phase, die Putin 2015 vor der UN die „multipolare Weltordnung“ nannte. Er beschrieb es als eine Welt, in der sich mehrere große, annähernd gleich mächtige Blöcke auf verbindliche außenpolitische Regeln einigen müssten und selbst kleine Länder sicher seien „wie hinter einer Steinmauer“. Die Dynamik ist dabei die, dass diese Blöcke sich gegenseitig nicht angreifen können und kleine Länder die Wahl zwischen mehreren Schutzmächten haben. Dies würde sich natürlich positiv auswirken auf die Konditionen, zu denen kleine Länder diese Beziehung eingehen könnten und vor allem könnten dann mächtige Länder die Kleinen nicht mehr angreifen, weil dies bedeuten würde, sich mit der dahinterstehenden Schutzmacht anzulegen. Somit wären das Risiko und die Kosten immer größer als der Nutzen.

    Summa summarum ist dies natürlich ein Best Case Szenario, aber der Worst Case ist lediglich der Status Quo. Solange Trump Präsident ist und auf den neuen imperialen Deal beharrt, besteht eine gute Chance, dass eine souveräne EU-Armee die Entwicklung der multipolaren Welt befördern würde. Zu diesem Zweck wäre es extrem hilfreich, einen Kanzler Friedrich Merz in einer Koalition mit den Grünen zu verhindern. Wie ich kürzlich einem Ihrer Artikel entnehmen konnte, haben Sie auch schon festgestellt, wie praktisch es wäre, Kampagnen fahren zu können. Haben Sie sich mal überlegt, eine Koalition mit anderen alternativen Medien zu bilden, notfalls über linke Lagergrenzen hinaus, um entsprechende Kapazitäten zu schaffen? Falls Sie sich dazu nicht durchringen können, frage ich Jens Berger nach Ihrer Adresse, komme bei Ihnen zu Hause vorbei und hänge Ihnen Poster von Friedrich Merz und Cem Özdemir übers Bett ;)

    Mit freundlichen Grüßen
    Götz Six


    12. Leserbrief

    Sehr geehrter Herr Müller,

    ein strategischer Aspekt bei der jetzt massiv in den angepassten Medien beworbenen Forderung nach einer “europäischen Armee” sollte nicht vergessen werden. In der Merkel-vdLeyen-Begeisterung zu dieser “Vision” steckt zugleich der Wunsch nach gleichberechtigter Teilhabe an der Atombewaffnung der Atommacht Frankreich,  steckt die Sehnsucht nach einer raffinierten Umgehung bzw. Aushöhlung des  Verzichts auf Atomwaffen. Der alte Traum der deutschen Nachkriegsmilitaristen mit CSU-Strauß an der Spitze, endlich auch hier dabei zu sein, soll nunmehr über die “Vision” einer in Wirklichkeit  aufzubauenden “EU-Interventions-Armee”, bewusst irreführend als  “europäische Armee” bezeichnet, realisiert werden. Macron wird das zwar nicht schmecken, aber dieser deutsche “Atomwaffentraum” verbessert erheblich die französische Verhandlungs- Position, wenn es um die Verteilung  und Besetzung der Kommandopöstchen in dieser “EU-Interventions-Armee” geht und um weitere Zugeständnisse beim weiteren EU-Ausbau mit zugleich weiterer Ausschaltung der jeweiligen  parlamentarischen Volksvertretungen.

    Mit besten Grüßen
    Reinhold Lang
    Karlsruhe


    13. Leserbrief

    Liebe NDS-Redaktion,

    ob große Bevölkerungsteile verarmen und ganze Landstriche in Europa veröden – für’s Kriegsspiel haben die Großkopferten immer genug Geld in der Staatskasse. Der 1. Weltkrieg war ein Kampf um die Weltmachtstellung des deutschen Reiches, die Vision einer europäischen Armee ist seine Fortsetzung. Schon Adenauer und Strauß wollten “die Bombe”. Seit der Zeit von Helmut Kohl versucht Deutschland sich wieder als Supermacht zu etablieren. (“Wir brauchen Freunde mehr als andere. Alle Nachbarn müssen(!) begreifen – ich betone: alle Nachbarn – : Wirklich dauerhaften Frieden in Europa wird es nur geben, wenn die Deutschen die Chance bekommen…” selbst über ihren Weg in der Geschichte zu bestimmen”; Helmut Kohl, Rede im Bundestag 27.2.1985) – oder wie Werner Weidenfeld es ausdrückte: Es gehe darum, das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen zum Eigeninteresse der internationalen Umwelt zu machen… .

    Zur vollen Entfaltung der Macht fehlt Deutschland allerdings noch eine Komponente: die Verfügung über atomare Waffen. Hier sei nochmal an das Eureka-Konzept (Gegengewicht zu Reagans SDI-Projekt) erinnert, schon damals (ca. 1985)geplant mit enger Anbindung an die Atommacht Frankreich. Deutschlands ganze Außenpolitik ist auf dieses Ziel (Aufstieg zur Supermacht) gerichtet: die Wiedervereinigung, die enge Verbindung zu Israel, der Versuch der Einflussnahme in Syrien, der Vermittlungsversuch in der Ukraine, der Türkei-Deal, Auslandseinsatz in Mali (mit Frankreich), in Afghanistan, Führung der schnellen Eingreiftruppe, ein (ständiger) Sitz im Sicherheitsrat, usw.

    Mit seiner Forderung nach höheren Rüstungsausgaben, ist Trump bei Angela Merkel (und natürlich bei den Konservativen überhaupt) offene Türen eingerannt. Das war wie ein Ritterschlag.

    Ziel unserer Regierung ist ganz sicher eine europäische Armee unter deutscher Führung (!) mit Verfügbarkeit von Nuklearwaffen, wetten?

    Mit lieben Grüßen
    Michael Wrazidlo

  3. Leserbriefe zur Subvention des Panzer Museums in Munster 19,3 Millionen für ein Panzermuseum als „Zeugnis von Kultur und Geschichte“

    Anmerkung MM: Leider kann man in einem solchen Museum nur sehr schlecht die Wirkung der ausgestellten und vorgeführten Panzer richtig darstellen.

    14. Leserbrief

    Liebe Nachdenkseiten, sehr geehrter Herr Müller,

    ich bin nun schon ein langjähriger Leser Ihrer Seite und stimme mit Ihnen in den allermeisten Themen auch überein. Ihren Artikel vom 15.11.2018 mit dem Titel “19,3 Millionen für ein Panzermuseum als „Zeugnis von Kultur und Geschichte“” möchte ich aber zum Anlass für eine grundsätzliche Kritik nehmen, weil er meines Erachtens paradigmatisch ist für eine Grundhaltung Ihrerseits, aber auch der Friedensbewegung im Allgemeinen. Dies ist keinesfalls eine Kritik an der Haltung, dass militärische Gewalt kein Mittel der Politik sein darf. Sondern vielmehr an einer Grundhaltung, die mit der ersten oft einher zu gehen scheint. Diese Haltung scheint bei Ihrem Ablehnungsgrund, „Auch 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs mach[e] es keinen Sinn, Kampfpanzer in Museen auszustellen, dafür locker Steuergelder bereitzustellen und junge Menschen mit diesem technischen und tödlichen Kram zu faszinieren“.

    Eine Haltung, des demonstrativen Desinteresses gegenüber dem Militär in seiner praktischen Ausprägung. Waffen sind also technischer und tödlicher Kram. Tödlich sind sie zweifellos. Aber wer wissen will und fundiert kritisieren will, wozu das Militär Waffen einsetzt, sollte sich auch damit befassen, wie das Militär sie einsetzt, was sie können, welche taktischen Grundlagen das Militär aus ihrer Beschaffenheit und ihrem Potenzial ableitet. Nur so kann man informiert kritisieren. Die Haltung, sie seien tödlicher technischer Kram, den man am Besten nirgends zeigen und thematisieren darf, um ja niemanden dafür zu faszinieren, hat zur Folge, dass die Beschäftigung mit diesen Relikten der Kriegsgeschichte den rechten Waffennarren überlassen bleibt.

    Denn machen wir uns nichts vor, selbst wenn das Panzermuseum verschwände, würde die Faszination für Panzer bleiben. Sie sind eben nicht nur Instrument der Kriegsführung, sondern auch Ausdruck der jeweiligen Hochtechnologie und somit eben nicht nur für Militaristen faszinierend, sondern auch für technikaffine Menschen. Mit der Haltung, das sei technischer Kram, und tödlicher noch dazu, kann es leicht passieren, dass man rein technisch an diesen Fahrzeugen Interessierte in eine Ecke drängt, in die sie einerseit gar nicht gehören und schlimmer noch nicht hingehören wollen, womit man den Zielen einer einer friedensbewegten Aufklärung eine Bärendienst erweisen würde.

    Ich war selbst Zeitsoldat und auch im Auslandseinsatz. Ich weiß nur zu gut um die Faszination, die von Waffen ausgeht. Aber gerade meine Erfahrungen aus dem Auslandseinsatz haben mich zu einer Haltung der strikten Ablehnung der Interventionspolitik sowie der militärischen Gewalt als Mittel der Politik geführt. Im Übrigen waren Waffen auch nicht der entscheidende Faktor für meine Entscheidung, Soldat zu werden, sondern der in meinem Elternhaus vermittelte Berufsethos des Verteidigers derer, die sich nciht selbst verteidigen können. Eines Ethos, der sich mit dem Tun der heutigen Bundeswehr immer weniger in Einklang bringen lässt.

    Anstatt des Wegschließens und Verschwindenlassens von Waffen sollte man vielleicht eher darauf achten, in welchem Kontext sie gezeigt werden. Als gutes Beispiel kann hier die völlig überarbeitete Ausstellung im Dresdener Militärmuseum gelten. War sie zu DDR- Zeiten in der Tat lediglich Waffenschau zur Verherrlichung der militärischen Schlagkraft der NVA, ist sie nun eine Ausstellung, die alle Facetten des Krieges, insbesondere die hässlichen präsentiert.

    Wenn die zusätzlichen Millionen für die Konzeptionierung einer entsprechenden Ausstellung verwendet werden, was laut Artikel ja der Fall sein soll, so ist das in meinen Augen ein lobenswerter Ansatz.

    Das schließt keinesfalls aus, sich kritisch damit auseinander zu setzen, warum das Panzermuseum nun mehr Geld bekommt, obwohl Schulen, Straßen und vieles Anderes, bestimmt unmittelbar Wichtigeres chronisch unterfinanziert sind. Und unbedingt sollte sich ein SPD- Politiker vielleicht eher dafür stark machen, dass der Sozialstaat wieder funktionstüchtig gemacht wird, anstatt eine Lanze für das Panzermuseum zu brechen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Christian Ernst


    15. Leserbrief

    Guten Tag Herr Mueller,

    Sie schreiben “Eigentlich ist dieser Artikel als solcher nicht wert, einen eigenen Eintrag auf den NachDenkSeiten zu bekommen.”

    Erlauben Sie mir, Ihre Meinung an dieser Stelle nicht zu teilen . Fuer mich sind gerade solche Meldungen, die wunderbar belegen, mit was fuer Personen man es eigentlich zu tun hat, sehr hilfreich. Millionen von Kinder leben in Armut oder sind direkt von Armut bedroht. Wenn man dann eine solche Meldung im Verhaeltnis dazu setzt, dann kann man nur von Wut ergriffen werden. Und ich weiss jetzt definitiv wie Hr. Klingbeil tickt. Vorher konnte man es nur zwischen den Zeilen lesen.

    Ich wuerde es gerne sehen, so eine Rubrik bei Ihnen zu sehen. Aber um der Flut solcher Meldungen Herr zu werden, muessten Sie ganze Kohorten von Mitarbeitern haben, um die schiere Menge an Meldungen abzuarbeiten. Bleibt also leider nur ein Wunschtraum.

    Schoene Gruesse, Pedro Saraiva


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