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Titel: Wie IT-Giganten neben den Inhalten auch die Netz-Infrastruktur kontrollieren wollen

Datum: 10. April 2019 um 12:59 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Ökonomie, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Steuern und Abgaben
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Google, Facebook und Co investieren Milliarden Dollar in Untersee-Kabel und andere Aspekte der Infrastruktur des Internets. Am Ende der Entwicklung könnten sie neben den Inhalten auch die Technik kontrollieren. Eine US-Senatorin forderte jüngst, die Firmen zu zerschlagen. Ganz aktuell bittet Frankreich die US-Konzerne mit einer neuen Steuer zur Kasse – Deutschland verzichtet darauf. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der IT-Konzern Google verdient Milliarden Dollar mit den Services seiner Cloud-Plattform. Jetzt will die Firma diese Mittel nutzen, um das Internet selbst zu kaufen – oder zumindest die Unterwasserkabel, die das technische Rückgrat des Internet bilden. Vor dieser Entwicklung warnt aktuell unter anderem der IT-Experte Tyler Cooper. Gleichzeitig fordert etwa die US-Senatorin Elizabeth Warren, die Technik-Firmen zu „zerschlagen“. In Europa wiederum haben sich nun einige Länder entschlossen, eine überfällige Digitalsteuer einzuführen – Deutschland ist nicht darunter.

Im Februar hatte Google angekündigt, eine neue Unterwasserleitung von Kalifornien nach Chile voranzutreiben. Dieses „Curie-Kabel“ würde laut Cooper das erste private interkontinentale Kabel sein, das jemals von einem großen Nicht-Telekommunikationsunternehmen gebaut würde. Demnach hat Google neben interkontinentalen Verbindungen auch bereits eine Reihe intra-kontinentaler Kabel eigenständig finanziert, es sei eines der ersten Unternehmen gewesen, das eine vollständig private Unterwasser-Linie gebaut habe. In deutschen Medien werden diese „gigantischen Bauprojekte“ der IT-Firmen etwa hier thematisiert.

Inhalte sind nicht genug: Google und Co. greifen nach dem technischen Rückgrat

Google steht nicht allein mit diesen Ambitionen, neben weiten Teilen der Inhalte des Internets auch dessen technisches Fundament kontrollieren zu können. In der Vergangenheit waren die Kabel laut Cooper im Besitz von Gruppen privater Unternehmen – meist Telekommunikationsanbieter. Aber 2016 begann ein massiver Boom für Unterwasser-Kabel – und vor allem seitdem heißen die Käufer Facebook, Microsoft und Amazon.

Diese Firmen scheinen alle die Bestrebungen von Google nach einer Vorherrschaft auf dem Meeresgrund zu teilen. Kein Wunder: Faseroptische Unterwasserkabel durchziehen weltweit den Meeresboden und transportieren laut Experten 95 bis 99 Prozent der internationalen Daten über Bündel von Glasfaserkabeln. Insgesamt sind heute mehr als 700.000 Meilen von Unterwasserkabeln im Einsatz, so Cooper. Und Google sei dabei, eine alarmierende Anzahl von ihnen zu besitzen: Sollte das Curie-Kabel fertiggestellt werden, würde Google international 10.433 Meilen Unterwasserkabel besitzen. Die Gesamtzahl erhöhe sich auf über 63.000 Meilen, wenn jene Kabel mit einbezogen würden, die Google im Konsortium mit Facebook, Microsoft und Amazon besitzt. Einschließlich dieser Kabel verfüge das Unternehmen über genügend Unterwasserinfrastruktur, um den Äquator der Erde zweieinhalb Mal zu umschlingen.

EU-weite Digitalsteuer scheitert

Während also die IT-Konzerne die Welt buchstäblich einwickeln mit ihren Inhalten und nun auch mit Unterwasser-Kabeln, dreht sich die EU-Politik harmlos um sich selber: Kürzlich wurde sogar die monatelang beratene EU-weite Digitalsteuer auf Eis gelegt. Diese Digitalsteuer, die vor allem von Frankreich ausgeht, sei von Deutschland und speziell vom zuständigen Finanzminister Olaf Scholz höchstens halbherzig unterstützt worden, so Sascha Lobo im „Spiegel“:

„Das liegt weniger daran, dass sie als Innovationshemmnis gilt. (…) Aber die amerikanische Regierung hat erbitterten Widerstand gegen die Digitalsteuer angekündigt. (…) Deshalb haben die Amerikaner kaum verhohlen angedroht, dass sie im Falle einer Digitalsteuer den wirtschaftlichen Druck auf europäische Autokonzerne noch weiter erhöhen könnten. Wirkungstreffer.“

Lobo zitiert auch den früheren Google-Chef Eric Schmidt, der zu seiner Praxis der Steuervermeidung sagte:

“Ich bin sehr stolz auf die Struktur, die wir aufgesetzt haben. Wir haben das mit den Anreizen der Regierungen getan … das nennt man Kapitalismus. Wir sind stolze Kapitalisten.“

Deutschland zaudert – Frankreich geht voran

Im Gegensatz zu Deutschland möchten sich zum Beispiel Frankreich und Österreich nicht länger von Figuren wie Schmidt auf der Nase herumtanzen lassen. Beide Länder führen eine Digitalsteuer nun ein. Die konkreten Ausführungen kann man als unzureichend oder als „symbolisch“ kritisieren (in Frankreich drei Prozent, in Österreich fünf Prozent der Gewinne) – aber es ist ein erster Schritt, den man gegen erheblichen US-Widerstand durchgesetzt hat.

Die Äußerungen aus Deutschland, man sei eigentlich ein Anhänger der Steuer, wolle aber lieber eine „internationale Lösung“ anstreben, kommen einer Absage an das Vorhaben nahe – auch wenn man „prüfe“, sich dem Weg Frankreichs irgendwann anzuschließen.

US-Senatorin: „IT-Giganten zerschlagen“

Erheblich konsequenter als deutsche Politiker stellt sich etwa die US-Politikerin Elizabeth Warren den Konzernen entgegen: „Es ist Zeit, Amazon, Google und Facebook zu zerschlagen“, schrieb sie kürzlich in einem Artikel. Die Geschichte dieser Firmen sei großartig – sie zeige aber auch, warum die Regierung Monopole auflösen und wettbewerbsfähige Märkte fördern müsse.

Die heutigen großen Technologieunternehmen hätten zu viel Macht „über unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft und unsere Demokratie. Sie haben den Wettbewerb ausgehebelt, unsere privaten Informationen für den Profit genutzt und das Spielfeld gegen alle anderen gewendet“. Dabei hätten sie kleine Unternehmen verletzt und die Innovation erstickt. Deshalb würde sie, Warren, große strukturelle Veränderungen im Technologiesektor vornehmen: „Einschließlich der Auflösung von Amazon, Facebook und Google“, so die Senatorin von Massachusetts.

Inwieweit eine führende US-Demokratin aber überhaupt als Kronzeugin gegen die IT-Konzerne taugt und ob ihre Äußerungen reines Posieren ist oder ob den großen Sprüchen auch Taten folgen, das muss die Zukunft beweisen.

Ein Trio teilt sich das Internet

Im Artikel referiert Warren nochmals die bekannten und beunruhigenden Zahlen zu den Internet-Konzernen: Fast die Hälfte des gesamten E-Commerce laufe über Amazon. Mehr als 70 Prozent des gesamten Internetverkehrs laufe über Websites, die im Besitz von Google oder Facebook sind oder von Google oder Facebook betrieben werden.

Wer hier keine bedenklichen Monopole am Werk sieht, der sollte sich aus der Politik zurückziehen.

Titelbild: dipego / Shutterstock


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