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Titel: Dumm, dümmer, Deutschland – wir sanktionieren und die USA lachen sich ins Fäustchen

Datum: 22. Mai 2019 um 8:54 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Gestaltete PDF, Ressourcen, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Die USA wollen die Ostseepipeline Nord Stream 2 verhindern, so dass Europa weniger Erdgas aus Russland kauft. Gegen Russland musste die EU ja ohnehin auf Bestreben Washingtons Sanktionen verhängen. Gleichzeitig haben USA und EU ihre Sanktionen gegen Venezuela verschärft. Den größeren „Zusammenhang“ dieser Vorgänge versteht man wohl nur, wenn man sich folgende Meldung auf Bloomberg durchliest: „Russische Ölverkäufe an die USA durch Venezuela-Sanktionen auf Steroiden“. Während die EU auf russisches Gas verzichten soll, haben die Amerikaner in den ersten fünf Monaten dieses Jahres mehr Öl aus Russland importiert als 2016 und 2017 zusammen. US-Raffinerien bereiten sich derweil auf eine Verdreifachung der russischen Importe vor. Kommt man sich da als EU-Bürger nicht irgendwie vergackeiert vor? Von Jens Berger.

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Bild: Bloomberg

Dumm, dümmer, Deutschland – so lautet offenbar die gängige Komparation im Weißen Haus. Als Deutschland und die USA gemeinsam Sanktionen gegen Russland verhängten, war die Last dieser Sanktionen ziemlich ungleich verteilt. Während die europäischen Exporte nach Russland im ersten Jahr der Sanktionen um 10% und die deutschen Exporte sogar um 18% einbrachen, konnten die USA sogar eine Steigerung des Handelsvolumens um 6% vermelden. Mittlerweile gehören die USA zu den zehn größten Handelspartnern Russlands und die Sanktionen gegen Venezuela verleihen dem bilateralen Handel dieser beiden Staaten zur Zeit geradezu Flügel. Das aktuelle Handelsvolumen liegt gut ein Drittel über dem Vorjahreswert. Deutschlands Exporte nach Russland steigen zwar mittlerweile auch wieder leicht an, liegen jedoch immer noch mehr als 25% unter den Werten vor der Verhängung der Sanktionen. Summa summarum schulterten die USA laut einer Untersuchung des IfW 0,6% des Rückgangs des Handelsvolumens, während Deutschlands Wirtschaft stolze 40% zu verkraften hatte. Selbstverständlich wusste die deutsche Regierung, auf was sie sich da einlässt. Würde Deutschland den USA vorschlagen, gemeinsam Mexiko zu sanktionieren, wäre die Schieflage wohl vergleichbar, nur dass die USA sich freilich nie auf eine solche Dummheit einlassen würden.

Noch drastischer ist die Schieflage bei den Sanktionen gegen Iran. Nach dem Atomabkommen von 2015 und dem Ende der Sanktionen hatte sich das Handelsvolumen zwischen Iran und der EU wieder von 7,7 Mrd. Euro auf 21 Mrd. Euro fast verdreifacht. Das Handelsvolumen zwischen Iran und den USA beträgt 180 Millionen Euro – also weniger als ein Prozent(!) des iranisch-europäischen Wertes. Wer keinen Handel betreibt, kann auch vollmundig einen „vollständigen Rückzug“ ankündigen und dabei die eigenen Sanktionen auf Drittländer ausweiten. So müssen sich auch deutsche Unternehmen dem Druck der USA beugen und ihre Geschäfte mit Iran einstellen, obgleich Deutschland überhaupt keine Sanktionen gegen Iran verhängt hat. Folgerichtig musste Deutschland daher auch einen Rückgang des eigenen Handelsvolumens durch die US-Sanktionen vermelden. Dass die Ausweitung der Sanktionen durch die USA auf Drittstaaten wie Deutschland so ziemlich jedem völkerrechtlichen Grundsatz widerspricht, ist ein weiteres Thema, das hierzulande gerne ignoriert wird.

Nun also Venezuela. Anders als bei Russland und Iran sind die USA für Venezuela neben China in der Tat der wichtigste Handelspartner. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht – das Handelsvolumen zwischen den USA und Venezuela liegt trotz der Erdölimporte ungefähr auf einem Niveau mit dem Außenhandel zwischen der USA und den Philippen, Schweden oder Österreich. So richtig schmerzen werden die US-Wirtschaft die Sanktionen also ohnehin nicht und wenn die Minderlieferungen beim Öl von Russland ausgeglichen werden … um so besser.

Sollen doch die Deutschen auf ihre „Russen-Pipeline“ verzichten, während Uncle Sam russisches Öl importiert und den dummen Deutschen sein eigenes überteuertes Fracking-Gas andreht. Die planen sogar das Fracking-Gas aus den USA zu subventionieren – und zwar von den „Netznutzern“, also schlussendlich von den Endkunden, die sich nicht dagegen wehren können und fortan ihre „Fracking-Umlage“ über den Umweg ihres Gasversorgers an die USA bezahlen sollen. Und wenn am Sonntag gewählt wird und der bayerische „Russenfresser“ Manfred Weber vielleicht als kommender EU-Kommissionschef die Ostseepipeline Nord Stream 2 sogar noch verhindert, gucken die dummen Deutschen so richtig in die Röhre und können noch mehr teures Fracking-Gas aus den USA kaufen. Die können ja derweil auf Öl umstellen und sich die per LNG-Tanker gen Europa exportierte Energiemenge für günstiges Geld aus Russland liefern lassen.

Wäre die Unterwürfigkeit der Bundesregierung gegenüber den USA nicht derart offensichtlich, müsste man an dieser Stelle glatt fragen, ob die Politik ihre Bürger eigentlich überhaupt noch ernst nimmt.

Titelbild: Sunday Stock/shutterstock.com


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