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Titel: Die Hohenzollern, die Gier der „Eliten“ und die schwache Reaktion darauf

Datum: 18. Juli 2019 um 9:16 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Innen- und Gesellschaftspolitik, Strategien der Meinungsmache, Ungleichheit, Armut, Reichtum
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Die dreisten aktuellen Forderungen der Erben des Adels erlauben Einblicke in die moralische Verfassung weiter Teile der „Eliten“. Die Empörung in Medien und Politik erscheint nur auf den ersten Blick immens – auf den zweiten Blick erscheint sie defensiv: Den Hohenzollern werden wahrscheinlich Zugeständnisse gemacht werden. Von Tobias Riegel.

Die deutschen Adelsnachfahren melden „Ansprüche“ an: Dabei handelt es sich um tausende unbezahlbare Objekte, die größtenteils nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht wurden und nach der Wiedervereinigung in öffentlichen Besitz übergingen. Zudem handelt es sich um Immobilien wie das Schloss Cecilienhof oder die Villa Liegnitz im Park von Sanssouci, in denen die verhandelnden Erben „ein dauerhaftes, unentgeltliches und grundbuchlich zu sicherndes Mitbenutzungsrecht“ fordern, wie etwa die „FAZ“ berichtet.

Ein bizarrer Vorgang – Aber werden die Angriffe der Erbfolger scheitern?

Man würde meinen, dieser Vorgang sei so absurd, dass man sich nicht näher damit befassen müsste: Die Forderungen der Hohenzollern widersprechen allen historischen, politischen und moralischen Kriterien und sollten ohne Wenn und Aber zurückgewiesen werden.

Doch so einfach scheint es nicht zu sein: So erfahren die Bürger dieser Tage, dass sich der Staat seit 2014 in ernsthaften Verhandlungen mit den Hohenzollern befindet, über eben diesen bizarren Forderungskatalog. Die Tatsache, dass die Forderungen der Adelsnachfahren vor einigen Tagen mutmaßlich von staatlicher Seite an den „Tagesspiegel“ durchgesteckt wurden, ist einerseits zu begrüßen: Weil er Blicke auf ein dreistes Verhalten von mindestens Teilen der deutschen Oberschicht erlaubt. Diese Einblicke können aufrüttelnd wirken.

Andererseits lenkt der Schritt aber den Blick darauf, dass der Staat sich gegenüber den Angriffen der Hohenzollern anscheinend in einer juristisch so schwachen Position sieht, dass er zur Unterstützung öffentliche Empörung schüren muss. Das macht nicht den Eindruck einer souveränen Verhandlungsposition.

Die „Ansprüche“ der „Eliten“ – und die devote Reaktion des Staates

Ein wichtiger Teil des Vertrauensverlusts vieler Bürger gegenüber den öffentlichen Institutionen beruht auf einer verlorengegangenen staatlichen Autorität im Umgang mit sich stets steigernden Forderungen von „Eliten“: Durch eine devote Umsetzung wirtschaftsliberaler Forderungen wurde der Gestaltungsspielraum der Öffentlichen Hand massiv eingeschränkt. Die Episode um die Hohenzollern könnte eine gute Chance sein, sich als jemand produzieren, der die Gier der „Eliten“ an einem eindeutigen Beispiel in die Schranken weist – doch selbst diese Chance wird nicht ergriffen.

Einerseits wird zwar große Empörung geäußert. So bezeichnet der Tagesspiegel den Vorgang als »Zumutung für die aufgeklärte Gesellschaft«, die „Weltfragt nach den Toten des Ersten Weltkriegs und die Frankfurter Rundschau skandalisiert die „blanke Gier“ der Hohenzollern.

Im Schatten der „Empörung“: Zugeständnisse und „gütliche Verhandlungen“

Es mehren sich aber auch die Stimmen, die von „gütlichen Verhandlungen“ sprechen. So sagt etwa die „FAZ“ zu den „adeligen Ansprüchen“: „Über all das lässt sich verhandeln.“ Denn „auch wenn der Bund in Gestalt von Monika Grütters die Verhandlungen erst einmal abgesagt hat – irgendwann, wenn die Forderungen der Preußen-Erben weniger maximal und die Angebote der öffentlichen Hand weniger minimal sind, wird man wieder zusammenkommen.“ Dieses „Zusammenkommen“ wird dann auch Zugeständnisse an die Hohenzollern beinhalten.

Diese Befürchtungen einer schwachen Verhandlungsführung werden auch durch eine Verschiebung der Debatte befördert: Diese geht weg von der konsequenten Abwehr der materiellen Forderungen, hin zu einer „politisch-philosophischen“ Debatte.

Scheingefechte: „Politische“ Zurückweisung – aber materielle Vergütung der Adelsnachfahren?

Diese politische Einflussnahme wird zu recht skandalisiert, etwa in der „FAZ“: „Es hat seinen Grund, dass das Haus Hohenzollern bei der offiziellen Darstellung deutscher Geschichte nicht mitreden darf.“ Die Betonung des politischen Aspekts macht aber auch misstrauisch, wenn die materiellen Forderungen nicht ebenso zurückgewiesen werden. Die Stoßrichtung verfolgt unter vielen anderen Medien auch der „Deutschlandfunk“: Bei dem Konflikt mit den Hohenzollern „geht es nicht nur um Kunstschätze“, so der Sender, sondern „vor allem“ um die „Deutungshoheit der Geschichte“.

Diese Verschiebung der Debatte erscheint als Scheingefecht: Den Monarchen wird in der „politischen“ Debatte eine „Niederlage“ zugefügt. Gleichzeitig werden viele der dreisten materiellen Forderungen mutmaßlich befriedigt werden. Diese „zurück“geforderten Schätze wurden im Übrigen vom Steuerzahler instandgehalten.

„Kompromisse“ im Schatten von „Maximalforderungen“

Eine weitere Taktik ist zu erkennen: Der Historiker Stephan Malinowski bezeichnete das Vorgehen der Hohenzollern im „Deutschlandfunk“zum einen als großes PR-Desaster – damit können die eher im Hintergrund agierenden Blaublüter mutmaßlich gut leben. Malinowski vermutet aber auch, die Familie stelle nun dreiste Maximalansprüche, um schlussendlich einen Teil davon zugesprochen zu bekommen.

Wahrscheinlich ist diese Beobachtung richtig: Demnach werden nun nur die besonders unrealistischen Maximalforderungen abgeräumt, deren Scheitern ohnehin eingeplant war. Mutmaßlich werden wie bereits erwähnt zusätzlich die „politischen“ Forderungen und die nun besonders skandalisierten „Wohnrechte“ abgewehrt – weniger spektakuläre „Ansprüche“, die sich in Millionenhöhe bewegen, werden im Schatten dieser „Niederlage“ aber wahrscheinlich gewährt werden.

Politik findet Adelsnachfahren „konstruktiv“

So zeigte sich etwa Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (SPD) „zuversichtlich“, dass eine Einigung gefunden wird – schließlich seien die Aristokraten doch „sympathische und durchaus konstruktive Menschen“. Konsequente Abwehr klingt anders. Und auch die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ zeigt sich verhandlungsbereit, um kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden, wie Präsident Hermann Parzinger erklärte.

Wenn selbst bei einer so öffentlichen und so offensichtlich anmaßenden Debatte so wachsweich reagiert wird, wie es nun zu erleben ist, dann kann man sich die ungeheuren Kungeleien vorstellen, die ansonsten etwa zwischen Privatwirtschaft und Öffentlicher Hand im Verborgenen stattfinden.

Enteignung der „imperialistischen Kriegstreiber“ rückgängig machen?

Hintergründe und Status Quo der Debatte beschreibt auch die „Junge Welt“. So hätten die Hohenzollern bereits vor Jahren versucht, vom Land Brandenburg eine Entschädigung einzuklagen. Das Land hatte das aber mit Verweis auf die NS-Verstrickungen des Kronprinzen abgelehnt. Und so ergibt sich folgende Situation:

„Nach der Revolution von 1918 wurde der kaiserliche Besitz beschlagnahmt. Ein Vertrag zwischen dem Land Preußen und den Hohenzollern über die Vermögensregelung wurde 1926 – die KPD hatte damals erst ein Volksbegehren und dann einen Volksentscheid für eine entschädigungslose Enteignung auf den Weg gebracht – geschlossen, wies aber viele Lücken auf. Erst 1945 erfolgte in der sowjetischen Besatzungszone eine echte Enteignung der Hohenzollern, die auch nach 1990 nicht angetastet wurde.“

Eindeutig Stellung bezieht nur die LINKE, etwa die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Ulla Jelpke, bezeichnete es als »schon ziemlich dreist«, dass Vertreter jenes Herrscherhauses, das »durch sein militaristisches Großmachtstreben erhebliche Mitverantwortung für den Ersten Weltkrieg trägt und sich später den Nazis andiente, mietfrei auf Steuerzahlerkosten in Prunkschlössern wohnen und nach 1945 enteignete Kunstschätze zurückhaben« wollen. Die Enteignung der »imperialistischen Kriegstreiber« sei zu Recht erfolgt.

Titelbild: Maria Sbytova / Shutterstock


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