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Titel: Trump, Biden und die Ukraine – „Haltet den Dieb“

Datum: 26. September 2019 um 12:29 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Lobbyismus und politische Korruption, Medienkritik
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Die US-Demokraten haben erste Schritte zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump eingeleitet. Der US-Präsident soll seinen ukrainischen Amtskollegen Selenski erpresst haben. Die Ukraine solle demnach Ermittlungen gegen Trumps möglichen Gegner bei den Präsidentschaftswahlen – Joe Biden – einleiten, sonst würden die USA ihre Hilfszahlungen aussetzen. Dieser Vorwurf ist bei näherer Betrachtung zumindest fragwürdig. Noch fragwürdiger ist jedoch die zugrundeliegende Affäre – Biden hat offenbar als Vizepräsident seinerzeit die Ukraine mit einem Milliardenkredit der USA erpresst, um in die Strafverfolgung gegen seinen Sohn Hunter Biden, der in der Ukraine dubiose Geschäfte betreibt, einzugreifen. Paradoxerweise sprechen die Medien nun nur von einer Trump- und nicht von einer Biden-Affäre. Der imperiale Duktus der USA, der sich in beiden Vorgängen zeigt, wird schon gar nicht thematisiert – weder in den US-, noch in den deutschen Medien. Von Jens Berger

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Joe Biden und seine Erpressung

And I went over, I guess, the 12th, 13th time to Kiev. And I was supposed to announce that there was another billion-dollar loan guarantee. And I had gotten a commitment from Poroshenko and from Yatsenyuk that they would take action against the state prosecutor. And they didn’t.
So they said they had—they were walking out to a press conference. I said, nah, I’m not going to—or, we’re not going to give you the billion dollars. They said, you have no authority. You’re not the president. The president said—I said, call him. (Laughter.) I said, I’m telling you, you’re not getting the billion dollars. I said, you’re not getting the billion. I’m going to be leaving here in, I think it was about six hours. I looked at them and said: I’m leaving in six hours. If the prosecutor is not fired, you’re not getting the money. Well, son of a bitch. (Laughter.) He got fired. And they put in place someone who was solid at the time.

Und so ging ich, ich glaube es war das 12te oder 13te Mal, nach Kiew. Und es wurde erwartet, dass ich eine weitere Milliarden-Dollar-Kreditgarantie verkünde. Und ich hatte von Poroschenko und von Jazenjuk die Zusage bekommen, dass sie gegen den Generalstaatsanwalt aktiv werden. Das haben sie aber nicht getan.
Dennoch sagten sie, sie wären es – und sie spazierten schon heraus zur Pressekonferenz. Ich sagte: Nö, ich werde Euch – oder wir werden Euch keine Milliarde Dollar geben. Sie sagten, ich könnte das gar nicht entscheiden. Ich sei ja nicht der Präsident. Der Präsident sagte – Ich sagte, ruft ihn doch an (Gelächter im Saal). Ich sagte, ich sage Euch, dass ihr die Milliarde Dollar nicht bekommt. Ich sagte, ich reise ab, ich glaube es war in ungefähr sechs Stunden. Ich schaute sie an, sagte ihnen: Ich reise in sechs Stunden ab. Wenn der Generalstaatsanwalt bis dahin nicht gefeuert wurde, kriegt ihr das Geld nicht. Ok, ihr Hurensöhne. (Gelächter im Saal) Er wurde gefeuert. Und sie setzten jemanden ein, der damals als verlässlich galt.

Quelle: Transkript einer Debatte mit Joe Biden auf einer Veranstaltung des Council of Foreign Relations im Januar 2018

Was Joe Biden im Januar 2018 in seiner prahlerischen Art als „Kampf gegen die Korruption“ verklärt, wird – abseits der unerträglich arroganten Rhetorik – zu einem Skandal erster Güte, wenn man die Hintergründe zu seiner Erpressung kennt. Bereits 2014 berichteten die NachDenkSeiten über eine höchst fragwürdige Personalie beim dubiosen ukrainischen Energiekonzern Burisma. Dieser Konzern, gegen den damals von verschiedener Seite aus ermittelt wurde, berief Hunter Biden in den Aufsichtsrat. Hunter Biden ist nicht nur der Sohn des ehemaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden, sondern auch einer der größten Spender für die Wahlkämpfe seines Vaters. Joe Biden wiederum war beim Umsturz in der Ukraine besonders aktiv und hatte damals maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der ukrainischen Regierung ausgeübt. Bereits hier ist die „Affäre Biden“ zumindest ein handfester Interessenkonflikt.

Aus diesem Interessenkonflikt wurde wenig später jedoch ein handfester Skandal. Der Generalstaatsanwalt, der durch Bidens Erpressung gefeuert wurde, ermittelte nämlich damals gegen den Oligarchen Mykola Zlochevsky – es ging um Steuerbetrug, Geldwäsche und Korruption. Zlochevsky war pikanterweise jedoch auch der Besitzer von Burisma, dem Energiekonzern, der Hunter Biden den lukrativen Posten verschaffte und womöglich auch in anderweitige Geschäfte mit den Bidens verwickelt war. Biden hat also seine Position als Vizepräsident dafür missbraucht, Einfluss auf die Ermittlungen gegen ein Unternehmen zu nehmen, mit dem seine Familie in engem wirtschaftlichen Kontakt stand und das – über den Umweg Hunter Biden – indirekt auch seine eigene Wahlkampfkasse mitfinanzierte.

Obgleich all dies durchaus bekannt ist, berichten die US-Medien eher gelangweilt über die „Affäre Biden“, so dass Joe Biden auch heute noch in den Umfragen zur Präsidentschaftsvorwahl der Demokraten an erster Stelle liegt.

Donald Trump und sein befremdlicher Anruf

The other thing, There’s a lot of talk about Biden’s son, that Biden stopped the prosecution and a lot of people want to find out about that so whatever you can do with the would be great. Biden went around bragging that he stopped the prosecution so if you ·can look into it … It sounds horrible to me.

Eine andere Sache noch: Es wird ja viel über Bidens Sohn gesprochen. Das Biden die Strafverfolgung gestoppt hat und viele Leute wollen mehr darüber wissen. Es wäre also großartig, wenn Sie diesbezüglich irgendetwas mit Ihrem Generalstaatsanwalt machen könnten. Biden zog herum und prahlte damit, dass er die Strafverfolgung gestoppt habe. Wenn Sie sich das mal näher anschauen könnten … Das klingt für mich alles fürchterlich.

Quelle: Transkript des Telefonmitschnitts zwischen Trump und Selenski

Über den Umweg eines Whistleblowers gerieten Inhalte dieses Telefonats zwischen Donald Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski in das Wall Street Journal. Interessanterweise wurde der Inhalt des Telefonats jedoch durch den Whistleblower oder die Medien verfälscht. Wenn man sich das Transkript durchliest, ist beispielsweise an keiner Stelle etwas von einer Drohung seitens Trump zu lesen und auch der Zusammenhang mit amerikanischen Hilfsgeldern an die Ukraine ergibt sich durch das Transkript nicht. Was indes auffällt, ist der geradezu unterwürfige Ton, mit dem Selenski dem „großen Mann aus Washington“ Honig um den Bart schmiert („Yes you are absolutely right. not only 100%, but actually 1000%“ usw.). Weder der imperiale Duktus des US-Präsidenten, der eher an einen Kolonialherren als an einen Amtskollegen erinnert, noch die Servilität des Ukrainers wurden jedoch von den Medien dies- und jenseits des Atlantiks kommentiert oder gar kritisiert. Stattdessen konstruiert man lieber eine Erpressung, die jedoch durch das Transkript so nicht herzuleiten ist.

Das heißt aber noch lange nicht, dass Trump sich keines Vergehens schuldig gemacht hat. Dass er seine Position nutzt, um einem Präsidenten eines anderen Landes strafrechtliche Ermittlungen gegen seinen potentiellen Gegner bei den kommenden Wahlen nahezulegen, ist selbstverständlich anrüchig. Sofern Joe Biden bei seinen prahlerischen Anekdoten nicht maßlos übertreibt, steht Trumps Vergehen aber keinesfalls über Bidens Vergehen.

Haltet den Dieb!

Diese beiden Affären zeigen, dass sowohl Trump als auch Biden das Regierungsamt nicht so recht von ihren persönlichen Interessen trennen können und ihre Macht missbrauchen, um persönliche Vorteile zu erlangen. Erstaunlich ist jedoch, dass die Medien eben nicht in beide Richtungen schießen, sondern ihr Dauerfeuer einmal mehr auf Donald Trump alleine fokussiert haben. Der SPIEGEL bezeichnet Trumps Verteidigung beispielsweise reflexhaft als „Ablenkungsmanöver“ und nennt die Vorwürfe gegen Biden wörtlich „längst widerlegt“. Das ist eine glatte Lüge. Es ist zwar in der Tat strittig, ob Bidens Erpressung die Ermittlungen nun behindert oder gar forciert hat – fest steht, dass er in unangemessener Form Einfluss auf eine Ermittlung genommen hat, die direkten Einfluss auf die wirtschaftlichen Interessen seiner Familie hatte. Ganz nach dem Motto „Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken!“ blasen nun die Demokraten im Wahlkampf zur Hatz auf Trump und ignorieren die schwerwiegenderen Vorwürfe gegen ihren Kandidaten Biden komplett – und die Medien spielen dieses Spiel servil mit.

Dabei zeigt dieser Fall eine deutliche Parallele zu „Russiagate“ auf. Auch im Fall der veröffentlichten internen Dokumente aus dem Umfeld Hillary Clintons haben sich die Medien überhaupt nicht um den brisanten Inhalt der Dokumente gekümmert, die eine Verschwörung auf Funktionärsebene der Demokraten gegen Clintons Konkurrenten Bernie Sanders belegen. Stattdessen konstruierte man eine wilde Verschwörungstheorie, die belegen sollte, dass Donald Trump über den Umweg Russland den Medienliebling Clinton beschädigen wollte. Diese Debatte beherrschte bis zum Mueller-Report (und manchmal auch darüber hinaus) die Medien in einer Dauerschleife. Zu Clintons nachgewiesener Verschwörung gegen Sanders kam indes kaum ein Wort. Manchmal wiederholt sich Geschichte offenbar doch.

Als Sieger aus dieser neu aufgelegten Posse dürfte einmal mehr Donald Trump herausgehen und dann womöglich auch die kommenden Wahlen gewinnen. Denn einen Vorteil hat diese seltsam geführte Debatte für Trump: Sie eignet sich ganz hervorragend, um von den inhaltlichen Fragen seiner Politik abzulenken und den Wahlkampf vollends auf eine abstrakte Showbühne zu hieven. Nichts könnte ihm gelegener kommen.

Titelbild: Drop of Light/shutterstock.com


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