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Titel: Der MDR und die NachDenkSeiten beschreiben nahezu deckungsgleich, wie wir und vor allem die Menschen in der DDR 1989/1990 manipuliert worden sind.

Datum: 8. Oktober 2019 um 9:36 Uhr
Rubrik: Innen- und Gesellschaftspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medien und Medienanalyse, Strategien der Meinungsmache
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Am 1. Oktober erschien das Buch „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.“ Am 4. Oktober veröffentlichten wir auf den NachDenkSeiten das Kapitel IV. 1 mit der Überschrift „Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk.“ Siehe hier “Wie aus „Wir sind das Volk“ „Wir sind ein Volk“ gemacht wurde, kam bei den gestrigen Feiern zur deutschen Einheit nicht vor”. Am 6. Oktober widmete sich die „MDR Zeitreise“ genau dem gleichen Thema mit nahezu identischem Inhalt, nur länger und mit vielen guten Bildern. Praktisch zur gleichen Zeit gingen also die Redakteure des MDR und wir von den NachDenkSeiten der Frage nach, wie und wann das Wort „das“ durch das Wort „ein“ ersetzt worden ist. Mithilfe einer gut geplanten Kampagne. Albrecht Müller.

De facto gleichzeitig arbeiteten wir am gleichen Thema und mit der gleichen Tendenz. Das ist kein Grund für Konkurrenzneid, sondern ein Grund zur Genugtuung.

Es gibt einen kleinen Unterschied: In meinem Buch wird Bezug genommen auf eine Sendung von Deutschlandfunk Kultur vom 29. September 2005. Dort war der gleichen Frage nachgegangen worden und die wichtigsten Quellen waren damals schon genannt worden. Aber sich auf diese Quelle nicht bezogen zu haben, ist eine lässliche Sünde der MDR-Zeitreise-Redaktion. Einem breiten Publikum den Vorgang beschrieben zu haben, ist sehr verdienstvoll. Außerdem hat die MDR-Redaktion den Vorgang visualisiert und zusätzlich einige wichtige Elemente gebracht, zum Beispiel Teile eines jetzt geführten Interviews mit dem damaligen Bundesgeschäftsführer der CDU, Radunski. Er bestätigt mit einem gewissen Stolz den damaligen Manipulationsvorgang.

Ich erwähne die parallel geleistete Informationsarbeit von MDR und NachDenkSeiten zum einen, weil daran sichtbar wird, dass sich die sogenannten etablierten Medien und die vornehmlich im Internet auftretenden alternativen Medien durchaus befruchten und ergänzen könnten.

Aha-Effekte

Mein zitiertes Buch „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst. Wie man Manipulationen durchschaut“ war die Grundlage des NachDenkSeiten-Beitrags vom 4. Oktober. Es enthält darüber hinaus eine Fülle von Anregungen nicht nur für die Leserinnen und Leser, sondern auch für Journalistinnen und Journalisten. Es ist auch für Journalisten geschrieben. Die 17 im Buch beschriebenen Methoden der Manipulation, alle belegt und erläutert an praktischen Beispielen der Zeitgeschichte, sind eine Fundgrube für die redaktionelle Arbeit unserer Kollegen und Kolleginnen. Ähnliches gilt für die 16 beschriebenen und belegten Fälle von Meinungsmache und die dahintersteckenden Strategien. Bedienen Sie sich! Selbst Journalisten werden erleben, was vielen normalen Zeitgenossen widerfährt: eine Art Aha-Effekt, ein Staunen darüber, wie hintergründig viele Vorgänge sind, denen wir normalerweise schutzlos ausgeliefert sind.

Wie behandelt die Geschichtsschreibung die bewusst geplante Umfummelei von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“?

Seit langem schon beobachte ich, dass Kampagnen der Meinungsbeeinflussung wie übrigens auch viele wichtige Wahlkämpfe keinen oder jedenfalls keinen gebührenden Niederschlag in der Geschichtsschreibung finden. Historiker orientieren sich oft an dem, was Medien in aktuellen Situationen beschrieben und analysiert haben und sie hinterfragen dieses nicht kritisch. So habe ich anlässlich des 100. Geburtstags von Willy Brandt beobachten müssen, dass jene Vorurteile, die zu Lebzeiten von einem Teil der Medien verbreitet worden sind, sich dann in der Geschichtsschreibung niedergeschlagen haben. Er habe nichts von Wirtschaftspolitik verstanden, sei ein Außenkanzler gewesen, habe unter Depressionen gelitten – vieles von dem, was dem früheren Bundeskanzler zu Lebzeiten angedichtet worden ist, findet sich in der Geschichtsschreibung wieder. Davon habe ich in einem Buch mit dem Titel „Brandt aktuell“ 2013 aus Anlass des 100. Geburtstags berichtet.

Jetzt steht zu befürchten, dass die wichtigen Manipulationsvorgänge der Jahre 1989 und 1990 nicht in den Geschichtsbüchern nachzulesen sein werden. Auch dagegen soll die Lektüre von „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.“ wirken. Ein Versuch. Ein notwendiger Versuch, wenn man Demokratie ernst nehmen will, statt nur davon in Sonntagsreden oder bei der Vorbereitung und Begleitung von Regime Changes zu schwärmen.


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