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Titel: Der aktuelle Umgang mit Libyen, dem Irak und dem Iran zeigt, wie wichtig es ist, die Manipulationsmethode, eine Geschichte verkürzt zu erzählen, im Kopf zu behalten.

Datum: 20. Januar 2020 um 17:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache
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Bei der öffentlichen Debatte zur Libyen-Konferenz in Berlin wie auch in der Debatte um die Hinrichtung des iranischen Generals Soleimani in Bagdad und in den Überlegungen, ob der Westen der Bitte des irakischen Parlaments nachkommen will, die Streitkräfte aus dem Irak abzuziehen, immer können wir und müssen wir feststellen, dass die Vorgeschichten nicht zur Sprache kommen – obwohl sie zur Beurteilung wichtig sind. Auf diesen Mangel möchte ich Sie aufmerksam machen. Wir sollten unsere Urteile und Bewertungen nicht treffen, ohne wenigstens ein bisschen zurück zu denken. Im Folgenden beispielhaft für Irak und Libyen. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Irak

Ein paar Rückerinnerungen: Der Westen unterstützte den Irak beim sogenannten ersten Golfkrieg 1980-1988 gegen den Iran, einem Krieg, in dem chemische Waffen eingesetzt wurden und über 1 Million Menschen umkamen. Hier ist eine Information dazu, von der Bundeszentrale für politische Bildung.

Dann begann 1990 der zweite Golfkrieg. Die USA intervenierten jetzt zusammen mit einer Kriegs-Koalition. An diesem Krieg waren wir auch in Deutschland beteiligt. Ich kann mich noch gut an das Brummen der schweren Bomber erinnern, die von den US-Flughäfen um Kaiserslautern herum kommend über die Südpfalz in Richtung Naher Osten flogen.

Im Jahre 2003 erfand der US-Präsident George W. Bush und seine Berater die Massenvernichtungsmittel, mit denen Saddam Hussein die Region und die Welt angeblich bedrohten. Der dritte Golfkrieg begann. Siehe dazu hier. Angela Merkel war für diesen Krieg und warf dem damaligen Bundeskanzler Schröder vor, uns zu Unrecht nicht zu beteiligen. Das war schon toll, aber noch toller ist eigentlich, dass die USA nach wie vor auf ihre Militärbasen in Deutschland zurückgreifen konnten und wir deshalb an diesem Krieg auch beteiligt waren.

Dieser Krieg war ein wichtiger Katalysator und Grundlage dafür, dass der Islamische Staat und andere sogenannte Terrororganisationen entstanden. Siehe dazu hier.

Der Zusammenhang zwischen im Irak geführten Kriegen und dem Entstehen von Terrororganisationen wird auch von einem hohen Geheimdienstfunktionär der USA geteilt. Siehe den Dialog im Spiegel hier:

Ex-US-Geheimdienstchef über den IS

“Wir waren zu dumm”

SPIEGEL ONLINE: Den IS gäbe es nicht, wenn die Amerikaner nicht 2003 in Bagdad eingefallen wären. Bedauern Sie…

Flynn: …ja, absolut…

SPIEGEL ONLINE: …den Irakkrieg?

Flynn: Das war ein riesiger Fehler. So brutal Saddam Hussein war – ihn nur zu eliminieren, war falsch. Das Gleiche gilt für Gaddafi und Libyen, das heute ein failed state ist. Die große historische Lektion lautet, dass es eine strategisch unglaublich schlechte Entscheidung war, in den Irak einzumarschieren. Die Geschichte sollte und wird über diese Entscheidung kein mildes Urteil fällen.”

Die Kriege haben, maßgeblich unterstützt und initiiert vom Westen, Millionen Menschen das Leben gekostet und viele wertvollen Kulturgüter der Menschheit zerstört.

Die USA und andere westliche Staaten sind nach wie vor militärisch präsent. Sie weigern sich, das Land zu verlassen. Trotz der Bitten des irakischen Parlamentes. Auch Deutschland zögert, diesem Wunsch zu folgen. Das ist schon ein tolles Verständnis von Demokratie. Es zeugt von der Macht des Militärs und der Rüstungswirtschaft. Siehe dazu auch die Information über die Kursentwicklung der Rüstungswirtschaft: Krieg und Kriegsvorbereitung lohnen sich. Das zeigt ein interessanter Vergleich der Kursentwicklung von Rüstungsfirmen mit DAX, Dow Jones und Sparbuch

Libyen

Hier ist daran zu erinnern, dass Libyen bis 2011 ein einigermaßen intakter Staat war, sogar mit einigen fortschrittlichen Elementen wie Bildungsangeboten. Aber es war eben regiert von einem, den man Diktator nennen kann: Gaddafi. Dieser war kein Freund des Westens und er war in gewisser Weise unberechenbar. Jedenfalls gab es aus der Sicht einiger westlicher Regierungen, namentlich Frankreichs und Großbritanniens und im Hintergrund der USA, gute Gründe, einen Regime Change zu versuchen. Das ist dann 2011 gelungen. Gaddafi hat den Regime Change nicht überlebt, der Staat Libyen auch nicht. Er ist seitdem ein Musterbeispiel für einen gescheiterten Staat.

Hier wie auch im Irak hat der Westen das Ende seiner angeblich freiheitlich orientierten Politik nicht bedacht.

Interessant im Kontext mit der westlichen Intervention in Libyen ist ein Auftritt von Hillary Clinton. Diese Videos (hier und hier) zeigen den satanischen Charakter dieser westlichen Führungspersonen.[*]

Was am vergangenen Wochenende in Berlin veranstaltet worden ist, die dortigen durchaus verdienstvollen Versuche, die Konflikte in Libyen einzudämmen und zu befrieden, sollte man sinnvollerweise auch auf dem Hintergrund dieser kurz skizzierten Geschichte bewerten. Hier wird zu heilen versucht, was vorher von den gleichen Kräften zerschlagen worden war.

In den beiden skizzierten Fällen wie auch im Falle des Krieges in Afghanistan, in Syrien und beim Konflikt mit dem Iran ist es sinnvoll, den verkürzten Geschichtenerzählern nicht zu glauben und etwas tiefer zu forschen und weiter zurückzugreifen.

Die Manipulationsmethode, Geschichten verkürzt zu erzählen, habe ich in Kapitel III.3. meines Buches Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.“ beschrieben und mit noch weiteren Beispielen unterfüttert.


[«*] Versehentlich war auf ein falsches, übel kommentiertes Video verlinkt worden. Das ist mit den beiden jetzigen Links korrigiert.

Titelbild: Sodel Vladyslav / Shutterstock


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