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Titel: Auffälliges Ausfransen bei den Unterstützern des Merkel-Kurses

Datum: 28. April 2020 um 7:38 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Innen- und Gesellschaftspolitik, Medien und Medienanalyse
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Wir hatten gestern schon in den Hinweisen und in einem gesonderten Artikel darauf aufmerksam gemacht, dass sich Wolfgang Schäuble absetzt, hier im Berliner Tagesspiegel vom 26. April. Noch bemerkenswerter ist ein neuer Schachzug bei der Bild-Zeitung. Siehe hier den Kommentar von Julian Reichelt: „Schluss mit Starrsinn in der Corona-Politik!“. Der Tagesspiegel legt am 27.4. spätabends noch mit der Frage, welche gesundheitlichen Schäden der Lockdown verursache, nach. Es gibt auch schon Spekulationen darüber, dass dies Teil eines zentralen Angriffs auf die Macht der Bundeskanzlerin sei. Diese Einschätzung teile ich (noch) nicht. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hier zunächst ein Auszug aus dem Kommentar in der Bild-Zeitung:

Schluss mit Starrsinn in der Corona-Politik!

In der Corona-Krise sind nur zwei Dinge sicher:

Erstens, ob die Maßnahmen richtig oder falsch, maßvoll oder überzogen sind, werden wir erst aus den Geschichtsbüchern erfahren. Ob wir auf Corona als Gesundheitskatastrophe oder Zusammenbruch unserer Wirtschaft zurückblicken werden, ist vollkommen offen. Es ist möglich, aber keinesfalls gewiss, dass richtig ist, was gewaltige Mehrheiten für richtig halten. Es gibt keine Herdenimmunität dagegen, historisch katastrophal falsch zu liegen.

Zweitens, nahezu alle Experten, denen wir uns in dieser Krise anvertrauen (müssen), lagen mit nahezu jeder Einschätzung so falsch, dass unser Glauben an sie sich nur noch mit Verzweiflung erklären lässt.

Sie haben das Tragen von Masken nahezu verhöhnt. Nun ist es Pflicht. Sie haben davor gewarnt, Schulen und Kitas zu schließen. Nun sind Millionen Kinder seit Wochen zu Hause. Sie haben als nutzlos abgetan, die Grenzen abzuriegeln. Nun kommt niemand mehr ins Land. Sie haben trotz aller Maßnahmen immer wieder vor dem unmittelbar bevorstehenden Kollaps unseres Gesundheitssystems gewarnt. Nun herrschen auf Krankenhausfluren gespenstische Ruhe und Angst vor Arbeitslosigkeit.

Das Robert-Koch-Institut riet davon ab, Corona-Tote zu obduzieren. Nun geschieht es trotzdem und Rechtsmediziner sagen, dass bei Weitem nicht alle Toten tatsächlich an Corona gestorben seien. Sportanlagen mussten geschlossen werden. Nun ist Tennis in manchen Bundesländern verboten, in anderen erlaubt, obwohl es doch eigentlich lebensgefährlich ist.

Was mir am meisten Sorgen bereitet: Unsere Wirtschaft ist schon jetzt so massiv und teilweise irreparabel geschädigt, dass unsere Regierung sich kaum noch erlauben kann, zuzugeben, in ihrer Schärfe überzogen zu haben.

Die Experten müssen Recht behalten, weil sie nicht falsch liegen dürfen. Die deutsche Wirtschaft vorschnell ruiniert zu haben, wäre für keine Partei, vielleicht nicht einmal für die Demokratie überlebbar. Deswegen erleben wir zunehmend Sturheit, Starrsinn und Rechthaberei – „erinnert mich an Flüchtlingskrise“, sagt mir ein Mitglied aus Merkels Regierung. 

Die Kanzlerin bezichtigt jeden Zweifler der „Öffnungsdiskussionsorgie“, raunt davon, manche würden zu forsch handeln, ohne zu sagen, was sie genau meint. Der CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus macht sich in heiterer und hochrangiger Weinrunde über den Abweichler Armin Laschet lustig und alle lachen.

Ähnlich argumentiert der Berliner Tagesspiegel, der für die Meinungsbildung der in Berlin tätigen Journalistinnen und Journalisten eine große Bedeutung hat:

27.04.2020, 21:42 Uhr

Risiken und Nebenwirkungen der Coronakrise

Welche gesundheitlichen Schäden der Lockdown verursacht

Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens sollen die Ausbreitung des Virus verhindern. Was aber sind die Folgen? Ein Faktencheck. 

RICHARD FRIEBE SASCHA KARBERG MARIE RÖVEKAMP

tagesspiegel.de/wissen/risiken-und-nebenwirkungen-der-coronakrise-welche-gesundheitlichen-schaeden-der-lockdown-verursacht/25778410.html

Als Autor und Herausgeber eines Mediums, das auf diese Folgen schon seit längerem hinweist und für eine differenziertere Strategie plädiert, kann man sich nur wundern darüber, dass sich jetzt die etablierten Medien Bild-Zeitung, Berliner Tagesspiegel und eine Reihe anderer auch darüber Gedanken machen, welche „Risiken und Nebenwirkungen“ die Politik von Bund und Ländern und vor allem jene von Bundeskanzlerin Merkel zur Eindämmung der Corona-Krise haben könnten.

P.S.: Aus gegebenem Anlass ist noch eine Anmerkung zur Arbeit und Stoßrichtung der NachDenkSeiten bei diesem wichtigen Thema angebracht: Wie schon mehrmals kommuniziert, bemühen wir uns um die Darstellung und Bewertung verschiedener Ansichten und Einsichten. Wir versuchen unsererseits, Glaubenskriege zu vermeiden. Und wenn wir zum Beispiel für Lockerung der getroffenen Maßnahmen eintreten, dann zielt das darauf, differenzierter vorzugehen und bei allem auch die Nebenwirkungen zu beachten, auch die tödlichen Nebenwirkungen. Damit sind wir noch lange nicht Gegner einer Politik zur Eindämmung der Gefahren des Corona-Virus. Und Corona-Leugner sind wir sowieso nicht.


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