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Titel: Der Delta-Wahnsinn greift um sich

Datum: 1. Juli 2021 um 12:12 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Gesundheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
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Die Infektionszahlen in Deutschland sind auf einem so niedrigen Level angekommen, dass man eigentlich den Alarmismus mal für ein paar Monate pausieren könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Es lauert nämlich bereits die vermeintlich furchtbar gefährliche Delta-Variante. Nun müssen selbst doppelt Geimpfte, die sich in einem „Variantengebiet“ wie Großbritannien oder Portugal aufgehalten haben, in Zwangsquarantäne und die faktenwidrige Panikmache hat ein neues Niveau erreicht. In England würden die Krankenhäuser mit Kindern überschwemmt und die Delta-Variante sei viel tödlicher als ihre Vorgänger, so heißt es. Nichts davon ist durch Daten belegbar. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dass Geimpfte und Genesene sich nach der Rückkehr aus dem Ausland in eine 14-tägige Zwangsquarantäne begeben müssen, ist schon ein erstaunlicher Vorgang. Es gibt zwar eine sehr theoretische Möglichkeit, dass in sehr seltenen Fällen auch diese Personen jemanden infizieren können, aber staatliche Zwangsmaßnahmen wie eine Quarantäneanordnung müssen immer verhältnismäßig sein und hier ist noch nicht einmal im Ansatz eine solche Verhältnismäßigkeit gegeben.

Die Bundesregierung begründet diese Regelung in einer abenteuerlichen Weise. In einem Interview mit dem Morgenmagazin des ZDF erklärte Kanzleramtsminister Helge Braun mit stolzgeschwellter Brust, man habe „für die Virenvariantengebiete die schärfsten Regeln in ganz Europa“, während es ein „Schwachpunkt“ sei, dass andere europäische Staaten „diesen Kurs nicht auch haben, so dass auch Einträge über Pendler und anderes immer wieder möglich sind“. Das Innenministerium sei deshalb zu „Schleierfahndungen“ im Grenzgebiet bereit – gerade so als handele es sich bei unseren weniger alarmistischen Nachbarn um potentielle Terroristen.

Vollkommen abstrus ist auch Brauns Begründung für die Zwangsquarantäne für vollständig Geimpfte und Genesene. Die gelte nämlich für „normale Risikogebiete“ nicht, da die Impfung für den Wildtyp und die älteren Varianten des Virus eine „sterile Immunität“ gewährleisten würde. Das ist schlichtweg falsch. Selbstverständlich garantiert keiner der bekannten Corona-Impfstoffe für keine Variante des Sars-CoV2-Virus eine sterile Immunität, was heißen würde, dass die Viren bereits beim ersten Kontakt vom Immunsystem so erfolgreich bekämpft werden, dass weder eine Infektion noch eine Infektiosität gegeben ist. Infektiös sind geimpfte und genesene Personen zwar nur sehr selten; infizieren können sie sich aber sehr wohl, nur dass diese Infektion dann in fast allen beobachteten Fällen asymptomatisch oder milde verläuft, was kein Grund für besondere Maßnahmen ist, die schwer in die Grundrechte dieser Bürger eingreifen.

Der angesehene und keineswegs als Verharmloser bekannte Virologe und Epidemiologe Alexander Kekulé kommentiert Brauns Äußerungen dann auch folgerichtig mit vernichtenden Worten: „Bei allem Respekt vor dem Kanzleramtsminister, der ja auch Arzt ist. Das ist absolut nicht mehr nachvollziehbar. Das wimmelt von Falschinformationen“. Die Regierung betreibe hier „Schattenboxen“ um ein paar unbedeutende Einzelfälle. Diese Regelung sei „überflüssig“ und er sehne bereits eine „gerichtliche Klärung“ herbei, die seiner Überzeugung nach dieser Regelung ein Ende bereiten wird.

Kekulé hat damit zweifelsohne Recht. Und es ist ja nicht „nur“ so, dass die deutsche Einreiseverordnung die Grundrechte deutscher Bürger unverhältnismäßig beschneidet. Da die Einreiseverordnung auch EU-Bürger anderer Staaten betrifft, ist sie zudem ein unverhältnismäßiger Eingriff in die allgemeine Freizügigkeit, die immerhin als eine der vier Grundfreiheiten gilt, die die Basis der Europäischen Union bilden. Dass man als Kollateralschaden negative Auswirkungen auf die „Variantenländer“ billigend in Kauf nimmt – schließlich ist der Tourismus gerade in der Sommersaison für Portugal ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – reiht sich dabei schon fast „typisch“ in den deutschen Oberlehrerhabitus ein, unter dem vor allem die Staaten im Süden der EU schon lange leiden.

Wie gefährlich ist die Delta-Variante?

Begleitet wird dies durch eine kaum mehr rational fassbare Panikmache vor der sogenannten Delta-Variante, die vor Monaten in Indien entstanden ist, sich in Großbritannien noch einmal weiterentwickelt und über britische Touristen nun auch nach Portugal verbreitet hat. Fest steht, dass diese Delta-Variante wohl in der Tat ansteckender ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie deshalb auch zwingend gefährlicher sein muss. Genau dies wird jedoch tagein, tagaus von deutschen Politikern und Medien behauptet.

Doch für die unterstellte Gefährlichkeit gibt es keine ausreichende Datenbasis. Im Gegenteil. Schaut man sich die Daten aus dem mit Deutschland wohl am ehesten vergleichbaren Variantengebiet Großbritannien an, so besteht überhaupt kein Grund zur Besorgnis.

Quelle: WHO

Obgleich vor allem der Norden Englands und Schottland in der Tat mit Werten von bis zu 574 sehr hohe Inzidenzen aufweisen, bewegen sich sowohl die Krankenhauseinweisungen als auch die Sterbeziffern auf einem stetig niedrigen Niveau. Am 29. Juni meldete das britische Gesundheitssystem fünf Todesfälle, der aktuelle 7-Tages-Schnitt liegt bei 15,9 und damit bei einem Viertel des deutschen Wertes. Im Hochinzidenz- und Virenvariantengebiet Großbritannien sterben also trotz Delta-Variante nicht etwa relativ, sondern sogar in absoluten Zahlen deutlich weniger Menschen an oder mit Corona als im Niedriginzidenzgebiet Deutschland.

Todesfälle UK
Quelle: Britische Regierung

Krankenhauseinweisungen UK
Quelle: Britische Regierung

Eine Sonderauswertung des britischen Gesundheitssystems Public Health England kam sogar zu dem Ergebnis, dass die Delta-Variante eine deutlich niedrigere Fallsterblichkeit (0,1%) als die zuvor dominante Alpha-Variante (1,9%) aufweist.

Quelle: Public Health England

Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, die Delta-Variante sei wesentlich ungefährlicher als die anderen Varianten, ist nicht zulässig. Durch die Impfkampagne hat sich nämlich auch die Gruppe der Infizierten sehr deutlich geändert. In Großbritannien sind aktuell mehr als 90% der über 70-Jährigen und mehr als 80% der über 55-Jährigen vollständig geimpft. Diese Personengruppe infiziert sich dadurch seltener und wenn sie sich infiziert, verläuft die Erkrankung meist mild. Bei den unter 50-Jährigen beträgt die Impfquote jedoch weniger als 50%, bei den unter 40-Jährigen sogar weniger als 12%. Da überrascht es nicht, dass die jetzigen Infektionen sich fast ausschließlich in diesen Altersgruppen abspielen.

Infektionen KW 23 und KW 24 in UK nach Altersgruppen
Quelle: Public Health England

Dass Covid-19 bei nun exponierten Altersgruppen in den allermeisten Fällen milde verläuft und nur in seltenen Fällen zu schweren Verlaufsformen oder gar zum Tod führt, ist bekannt. Daran ändert auch die Delta-Variante nichts und dies belegen die Zahlen aus Großbritannien eindeutig.

Deutsche Journalisten und Politiker, die das Gegenteil behaupten, argumentieren faktenresistent und verbreiten Fake News. So ließ sich beispielsweise der berühmt-berüchtigte SPD-Politiker Karl Lauterbach mit den Worten zitieren, „in Großbritannien [seien] bereits viele Kinder mit Covid in der Klinik”, was er mit der Forderung verband, in Deutschland entgegen der klaren Empfehlung der STIKO, Kinder und Jugendliche ohne einschlägige Vorerkrankungen* nicht zu impfen, eine Impfkampagne für Kinder und Jugendliche zu starten. Alexander Kekulé hält sowohl diese Argumentation als auch die Begründung für „nicht nachvollziehbar“ und auch die Kinder- und Jugendmediziner beziehen hier ungewohnt klar Position gegen den SPD-Politiker. So sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, gegenüber der Rheinischen Post, dass „die Sterblichkeitsrate und Erkrankungsschwere von Kindern und Jugendlichen nach einer Corona-Infektion ähnlich niedrig wie bei der saisonalen Grippe“ sei. „Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass die Delta-Variante das ändere“, so Dötsch.

Die Daten aus Großbritannien bestätigen Dötsch. Bei den Jüngeren – und das sind in Großbritannien alle unter 50-Jährigen – gab es insgesamt mit der Delta-Variante nur 432 Fälle, die im Krankenhaus behandelt wurden, von denen sechs an oder mit Corona verstarben – darunter kein einziges Kind und kein einziger Jugendlicher.

Wer gehofft hat, dass Politik und Medien aus der Vergangenheit gelernt haben und das Land ruhig und rational auf den kommenden Herbst vorbereiten, sieht sich einmal mehr getäuscht. Im Herbst wird es sicherlich wieder steigende Infektionen und dies auch sehr sicher mit der Delta-Variante geben. Das ist aber keine Hiobsbotschaft, da bis dahin die sogenannten Risikogruppen geimpft sind und Covid-19 abseits dieser Gruppen keine dramatisch schwere Erkrankung ist, für die man allgemeine Maßnahmen mit derart massiven Kollateralschäden begründen könnte.

Lesen Sie dazu bitte auch einen kleinen Auszug aus meinem in dieser Woche erschienenen Buch „Schwarzbuch Corona. Zwischenbilanz der vermeidbaren Schäden und der tolerierten Opfer“, das sie überall im Handel oder bei den Buchkomplizen erwerben können: „Corona – gekommen, um zu bleiben“.

* 1. Juli 2021 12:50 Uhr: Ergänzung hinzugefügt

Titelbild: AntiD/shutterstock.com


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