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Titel: Wenn Friedrich Merz mal dran wäre: Klartext aus früheren Jahren

Datum: 14. September 2021 um 11:58 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Drehtür Politik und Wirtschaft, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Lobbyismus und politische Korruption
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Zum Wahlkampf-Team des CDU-Bundeskanzler-Kandidaten Armin Laschet gehört auch der Wunschkandidat der nationalen und internationalen Unternehmer- und Finanzlobby. Schon seit 2017 gehört er zu den engsten Beratern des NRW-Ministerpräsidenten.[1] Aber er muss sich dem inhaltslos-langweiligen Gutmenschen-Gewäsch des laschen Luschi Laschet anpassen. Doch Merz’ nachhaltige extreme neoliberale Positionen bis in die jüngste Vergangenheit zeigen, was hinter der populistischen Fassade schlummert. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Kapitel über Merz aus dem aktuellen Buch von Werner Rügemer: „BlackRock & Co enteignen! Auf den Spuren einer unbekannten Weltmacht“ (2021). Belege sind weggelassen.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Friedrich Merz und BlackRock: Das passt!

Merz war von Anfang 2016 bis Dezember 2020 der oberste bezahlte Lobbyist des aktuell größten Kapital-Verwalters im US-geführten Westen, BlackRock, in Deutschland. Als Merz 2018 CDU-Vorsitzender werden wollte, wurde diese Tatsache zum ersten Mal öffentlich erwähnt und ein bisschen kritisiert – deshalb trat Merz schließlich 2020 von dieser Funktion zurück, als der Kampf um den CDU-Vorsitz immer heftiger wurde.

2016 war Merz nach Vorgesprächen mit BlackRock-Chef Fink zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der BlackRock Deutschland AG ernannt worden: Die Aufgabe von Merz sei die eines „Active Chairman“. Das war also kein gut bezahlter Ruheposten für einen verdienten Manager, wie solche Aufsichtsratsposten in deutschen Unternehmen oft vergeben werden.

Die Aufgabe präzisierte der damalige unmittelbare Vorgesetzte von Merz, der Chef von BlackRock Europe in der City of London, David Blumer: „Friedrich Merz wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten, unser Geschäft in Deutschland voranzutreiben und dabei eng mit unseren Kunden, Partnern, Regierungsvertretern und Regulierern in Deutschland zusammenarbeiten.“

Tradition: Die Atlantikbrücke und korrupte CDU-Finanzierung

Merz sollte in Deutschland für seinen neuen Auftraggeber auch „sein breites Netzwerk des Thinktanks Atlantikbrücke einbringen“, berichtete das Handelsblatt. Die Atlantikbrücke war 1952 vom damaligen US-Hochkommissar für die Bundesrepublik Deutschland und Wall Street-Banker John McCloy zusammen mit dem Banker Eric Warburg gegründet worden. Merz war seit 2009 Vorsitzender und blieb dies bis 2019.

Die Atlantikbrücke versammelt – nichtöffentlich und im kleinen Kreis von ein paar hundert Bankern, Industriellen und Chefredakteuren etwa der ZEIT – die deutschen „Transatlantiker“: Unabhängig von Verbrechen der einen oder anderen Seite stehen „Deutsche“ und „Amerikaner“ unverbrüchlich zueinander. Korruption bei Rüstungsgeschäften, heimliche Finanzierung von CDU-Politikern gehörten zu den Tätigkeiten hochrangiger Mitglieder, etwa des Merz-Vorgängers als Vorsitzenden, Walter Leisler Kiep, der zugleich langjähriger CDU-Spendenbeschaffer und Geldkoffer-Träger zwischen Deutschland und der Schweiz war. Die Atlantikbrücke ist Vorbild für die später, vor allem nach dem Zusammenbruch des Sozialismus, im Dutzend neu gegründeten deutsch-amerikanischen Thinktanks.

So begleitete Merz das BlackRock-Management ab 2016 zu Kundenterminen, warb auf Investorenkonferenzen und in Finanzmedien für Finanzprodukte seines Auftraggebers und organisierte Gesprächskreise mit Bundestagsabgeordneten und z.B. den Finanzministern Schäuble und Scholz.

Schon vorher warb Merz für BlackRocks Finanzprodukte

Merz hatte sich für die Aufgabe als oberster BlackRock-Lobbyist in Deutschland schon lange qualifiziert. Noch als Bundestagsabgeordneter mit acht bezahlten Nebentätigkeiten in deutschen Unternehmen wurde er 2005 Partner, also Miteigentümer der US-Kanzlei Mayer Brown: Sie hatte in Düsseldorf ihre Deutschland-Filiale eingerichtet.

Die Kanzlei gehörte mit Deutscher Bank, US-Banken und anderen US-Kanzleien zu den Partnern der True Sale Initiative (TSI). Sie setzte sich in Deutschland für die Zulassung der u.a. von BlackRock in den USA entwickelten Finanzprodukte ein: verbriefte Immobilienkredite, Index-Aktien, Derivate, strukturierte Wertpapiere. Schon frühzeitig warb Merz auch für die von BlackRock forcierte Privatisierung der Rente mithilfe solcher Geldanlagen.

Mayer Brown bekam 2010 von der Bankenrettungs-Institution der Bundesregierung, Soffin, den Auftrag, die marode Westdeutsche Landesbank (WestLB) zu verkaufen. Tageshonorar für Merz: 5.000 Euro. Für den erfolglos abgewickelten Auftrag erhielt die Kanzlei 11 Millionen Euro aus Steuergeldern, Merz erhielt davon 1,9 Millionen.

Merz suchte von sich aus die geschäftliche Verbindung zum Londoner Hedgefonds TCI. Der ist als besonders aggressiv bekannt und ziert sich mit dem besonders harmlosen Namen The Childrens Investment Fund. TCI wurde Aktionär der Deutschen Börse und entsandte Merz in den Aufsichtsrat, um den bisherigen Vorstand zu stürzen.

Cum-Ex-Betrügereien in seiner Bank HSBC Trinkaus

Mit seiner Ernennung zum Vorsitzenden des BlackRock-Aufsichtsrats Deutschland im März 2016 hätte Merz sich sofort um die Aufklärung der Cum-Ex-Geschäfte von BlackRock in Deutschland kümmern müssen. Sie waren zu dieser Zeit ein großes öffentliches Thema, auch durch den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.

Bei Cum-Ex-Operationen konnten vermögende Kunden mithilfe von Leihaktien, die z.B. BlackRock gegen Gebühr verlieh, eine vom Finanzamt einbehaltene Kapitalertragssteuer sich zweimal erstatten lassen. Das betraf auch Kunden der Düsseldorfer Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt. Sie ist eine traditionelle Bank für Vermögende des Ruhrgebiets und des Rheinlands, war auch Partner in der TSI-Lobby. Die Bank ist zudem global vernetzt, seit sie von der größten britischen Bank, der Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC), aufgekauft wurde.

Merz ist seit 2010 Mitglied des Aufsichtsrats und zudem Vorsitzender des wichtigeren Verwaltungsrats: Hier ist die Crème vor allem des rheinischen Geldadels vertreten: Henkel, Haniel, E.ON, Evonik, Deichmann, Gothaer Versicherungen, Pfeifer & Langen, Bertelsmann, Innogy, aber auch Airbus, der baden-württembergische Multimilliardär Würth („Schrauben-Würth“), ebenso das CDU- und FAZ-nahe Institut für Demoskopie Allensbach und das Institut für Weltwirtschaft Kiel. Viele vermögende Kunden der HSBC waren an Cum-Ex-Betrügereien beteiligt.

Merz erklärte: Es gab immer die Anweisung des Vorstands: jeder Betrug ist verboten! Cum-Ex-Geschäfte sind unmoralisch! Der Bankvorstand erklärte: Die Bank hat „nicht bewusst“ betrogen, es könne sich lediglich um „Alleingänge“ einzelner Mitarbeiter handeln. So lauten übliche Verharmlosungen.

Merz hat während der seit 2006 laufenden Cum-Ex-Betrügereien nichts zur Aufklärung getan. Erst nach der staatsanwaltlichen Razzia im November 2018 am BlackRock-Sitz in München versprach Merz, zur Aufklärung beitragen zu wollen. Seine Aufgabe wäre es gewesen, dies schon vorher zu tun. Aber auch nachher kam – nichts. Dagegen: Merz’ Kanzlei Mayer Brown bietet seit der staatsanwaltlichen Verfolgung der Cum-Ex-Betrügereien vermögenden Kunden ihre Hilfe an, die wegen Cum-Ex-Geschäften vor einer möglichen Anklage stehen.

Abgeordneter Merz klagt gegen Transparenz-Gebot

Merz hasst Transparenz, sowohl wenn es um seine eigenen Millionen wie auch um die Milliarden seiner Arbeitgeber geht.

Bereits als Bundestagsabgeordneter und CDU-Fraktionsvorsitzender hatte er zahlreiche bezahlte Nebentätigkeiten in und für Privatunternehmen: AXA Versicherungen, Commerzbank, Deutsche Börse, BASF, Interseroh (Abfallentsorgung), Möller & Förster (Hamburger Baumärkte), Odewald & Compagnie (deutsche „Heuschrecke“), Rockwool (größter Hersteller von Dämmstoffen aus Steinwolle), Ernst & Young, Mayer Brown. Deshalb gehörte er zu der kleinen Gruppe von Abgeordneten – drei von der FDP, einer von der CSU, einer von der SPD –, die gegen die gesetzliche Erhöhung der Transparenz bei Nebentätigkeiten von Abgeordneten klagten. Dabei ging es gar nicht einmal um eine vollständige, sondern nur eine relative Transparenz.

Merz hat auch nie bekannt gegeben, wie er im Aufsichtsrat von BlackRock Deutschland bezahlt wurde. Bisher wurde nur bekannt, dass die drei Mitglieder des Aufsichtsrats zusammen 377.000 Euro jährlich erhalten. Selbst wenn es unwahrscheinlich ist, dass Merz nur genauso viel erhielt wie die beiden anderen Mitglieder, erhielt er somit mindestens 125.000 Euro. Zusätzlich hat(te) Merz noch einen Beratervertrag mit BlackRock – Honorar unbekannt.

Heuschrecken sind gut für Deutschland!“

Merz lobte schon frühzeitig die unregulierten Schattenbanken wie BlackRock, auch die Hedgefonds. Merz lobte auch das Wirken von Private Equity-Fonds („Heuschrecken“), die gutgehende Mittelstandsunternehmen kaufen, ausweiden und nach einigen Jahren an die nächste „Heuschrecke“ weiterverkaufen oder profitabel an die Börse bringen. Merz behauptete entgegen der Faktenlage, die „Heuschrecken“ hätten zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. „Gut, dass wir nun auch in Deutschland ‘Heuschrecken’ haben!“

Bekanntlich ist das Gegenteil der Fall – in den etwa 10.000 seit dem Jahre 2000 in Deutschland durch „Heuschrecken“-Investoren wie Blackstone, KKR, Fortress, Cerberus, Carlyle, EQT aufgekauften und verwerteten Unternehmen sind hunderttausende Arbeitsplätze abgebaut worden.

Steueroasen erhöhen die Rendite“

Merz lobte frühzeitig die Vorteile von Steueroasen: „Viele dieser Fonds haben ihren Sitz in Steueroasen und erhöhen so die Rendite ihrer Investoren.“

Da folgt kein Nachsatz, dass dadurch die Staaten der Steuerpflichtigen verarmen, dass die Infrastruktur an öffentlichem Verkehr, Gesundheitssystem, Schulen, Sozialwohnungen, Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung verfällt bzw. durch die gelobten Investoren privatisiert und verteuert wird.

Berater von NRW-Ministerpräsident Laschet

Nach der Berufung zum Aufsichtsrat und Berater von BlackRock Deutschland wurde Merz 2017 Chefberater der strategisch wichtigen Landesregierung von NRW, dem bevölkerungsreichsten und industriell dichtesten Bundesland. Hier ist auch der größte CDU-Landesverband heimisch. Die Regierung aus CDU und FDP unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) war für die Interessen des besonders vermögenden Klientels und für US-Investoren besonders aufgeschlossen.

Merz wurde unmittelbar bei der NRW-Staatskanzlei als Berater angesiedelt. Seine offizielle Zuständigkeit galt dem Brexit und den Folgen für NRW. 2017 wurde Merz überfallartig als Aufsichtsrats-Vorsitzender des Flughafens Köln-Bonn eingesetzt, verbunden mit dem Rauswurf des bisherigen Geschäftsführers. Durchgesetzt hatte dies die Landesregierung, Mitgesellschafter des Flughafens. Sie wollte ihre Anteile verkaufen, privatisieren. BlackRock ist Großaktionär von Fluglinien wie Ryan Air, Deutsche Post DHL und Lufthansa, die den Flughafen zu möglichst günstigen Konditionen nutzen wollen – BlackRock ist in den genannten drei Unternehmen Großaktionär wie auch in anderen wichtigen Fluggesellschaften.

Gleichzeitig löste die NRW-Landesregierung aus CDU/FDP unter Laschet die bei der vermögenden Klientel gefürchtete Wuppertaler Steuerfahndung auf: Sie hatte unter der vorherigen, SPD-geführten Landesregierung auch mithilfe von angekauften CDs aus der Schweiz tausende Steuerhinterzieher dingfest gemacht und dem Staat zu Milliarden-Einnahmen verholfen. Das ist nun vorbei.

Merz verschaffte BlackRock Zugang zur Pensionsverwaltung des Bundeslandes. Auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Horst Becker und Johannes Remmel gestand die Landesregierung ein: Für den Pensionsfonds des Landes NRW wurden bis 2019 ETF-Indexfonds von BlackRock zugekauft.

Lügen kann er: Der Multi-Millionär als „gehobene Mittelschicht“

Merz versuchte auf primitive Weise, die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verschleiern und zu verharmlosen. Er gehöre „zur gehobenen Mittelschicht, keinesfalls zu dieser kleinen, sehr vermögenden, sehr wohlhabenden Oberschicht“, erklärte er. Das trifft teilweise zu: Merz gehört nicht zu der von BlackRock vorrangig vertretenen Oberschicht der Multimilliardäre und dreistelligen Multimillionäre. Richtig ist vielmehr: Merz ist als kleiner zweistelliger Multi-Millionär ihr hochbezahlter Dienstbote.

Merz lügt: Die „gehobene Mittelschicht“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch bei etwa 8.000 bis 10.000 Euro pro Monat angesetzt. Doch Merz liegt weit darüber. Auf Drängen des Gossenblattes BILD-Zeitung aus dem reichen Springer-Konzern, das Merz’ angeschlagenes Image reparieren wollte, behauptete er: Ich verdiene „eine Million Euro pro Jahr“.

Allein im Aufsichtsrat von BlackRock Deutschland – selbst, wenn er nur das unterstmögliche Einkommen von 125.000 Euro pro Jahr hatte, verdiente er mehr als ein Mitglied der „gehobenen Mittelschicht“. Hinzu kamen oder kommen aber seine etwa zwei Dutzend weiteren Aufsichtsratsmandate, seien sie aktuell oder aus früheren Jahren, z.B.: Bei der Deutschen Börse bekam er 100.000 jährlich. Im Jahr 2020 waren dies 80.000 bei der WEPA Industrieholding S.E., 75.000 bei der HSBC Trinkaus & Burkhardt und 14.000 bei Flughafen Köln/Bonn GmbH. Seit 2006 ist Merz Mitglied des Verwaltungsrats des Schweizer Zugherstellers Stadler: Beim Börsengang 2019 verdiente Merz 5,7 Millionen Euro.

Hinzukommen Merz’ Einkünfte aus seiner Kanzlei in Arnsberg/Sauerland und aus der US-Kanzlei Mayer Brown in Düsseldorf. Als Miteigentümer der Kanzlei Mayer Brown verdiente er 2010 etwa bei der (erfolglosen) Beratung zum Verkauf der WestLB 5.000 Euro pro Tag, insgesamt 1,98 Millionen.

Für die von ihm gezeichneten etwa 100 Meinungsartikel in der Unternemher-Postille Handelsblatt während der letzten beiden Jahrzehnte dürften nebenbei etwa 200.000 Euro zusammengekommen sein – Peanuts am Rande. Ebenso Vorträge für 7.000 Euro beim Wirtschafts“prüfer“ KPMG, bei der Unternehmensberatung Zehnder International und bei der Markant AG.

Wesentlich ist aber in diesem Milieu nicht das jährliche berufliche Einkommen, sondern das Einkommen aus Vermögen, das bei Merz in zweistelliger Millionenhöhe liegen dürfte. Es kann vermutet werden, dass es bei solchen „Vermögensverwaltern“ wie BlackRock und Blackstone angelegt ist: Sie versprechen Renditen zwischen 5 und 15 Prozent pro Jahr, auch solchen Vorzugskunden, die zudem noch als Lobbyisten tätig sind.

Noch wesentlicher ist allerdings die Frage: Wie wurde und wird dieser Reichtum erwirtschaftet? Mithilfe von Niedriglöhnen, Steuerflucht, staatlichen Subventionen, Monopolpreisen, überhöhten Einkommen von Aufsichtsräten und Vorständen, Insider-Praktiken, Komplizenschaft von Regierungen und Aufsichtsbehörden? Also genau mit den Praktiken, die auch dem Auftraggeber BlackRock zu den Supergewinnen zugunsten seiner superreichen KundInnen verhelfen.

Dienstbote der Multi-Milliardäre: Zwei Privatjets, Ferienhaus, Zigarre

Multi-Millionär Merz gehört also zur Oberschicht, aber nur zu deren unterem Rand. Über seinem unmittelbaren Chef, der die BlackRock-Europa-Niederlassung in London leitete und der mehr verdiente, agiert noch BlackRock-Chef Fink in New York. Der bekommt allein mit seiner nominellen jährlichen Hauptvergütung von 30 Millionen US-Dollar in einem Jahr so viel wie Merz in seinen letzten beiden gierigen Lebensjahrzehnten zusammengerafft haben dürfte.

Gerade deshalb muss der kleine Multi-Millionär Merz mit vordergründigen Klischee-Attitüden in seinem groß-kleinen Milieu, etwa des Rotary-Clubs Arnsberg, sich großtun, mit zwei Privatjets, mit Ferienhaus am Tegernsee, – so primitiv ist es – mit dicken Zigarren und teurem Rotwein, wie das Handelsblatt berichtet – was er allerdings vor den für besonders dumm verkauften CDU-Mitgliedern und umworbenen CDU-Wählern schamhaft versteckt.

Keine Wirtschafts-Kompetenz

Merz selbst wirbt für sich: Ich verfüge über Wirtschafts-Kompetenz! Und seine Unterstützer aus dem CDU-Wirtschaftsrat (dessen Vizepräsident er ist), aus den Unternehmer-Lobbyverbänden BDI und BDA und DIHT und aus den Verbänden der Immobilien- und Finanz- und Auto- und Pharma- und Rüstungsindustrie und aus FAZ und BILD und WELT und dem Kölner Stadt-Anzeiger: alle loben die „Wirtschaftskompetenz“ ihres Lieblings.

Aber der ach so „wirtschaftskompetente“ Merz hat keine Ahnung von den Mechanismen der „Wirtschaft“. Beispiel Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007: Merz hat alle Vorzeichen nicht erkannt und ist blind überrascht worden. Es war sogar so: Er warb für „mehr Kapitalismus wagen“ (so der Titel seines Buches), und gehörte in seinen Aufsichtsräten und in seinen Lobbygruppen und in der Regierungspartei CDU auch ideologisch-politisch zu den Verursachern der Finanzkrise.

Zu dieser Krise erklärte Merz, zusammen mit dem gleichgesinnten Wolfgang Clement (Ex-SPD): „Insgesamt wurde in weniger als 20 Jahren ein so komplexes System an Abhängigkeiten, Produkten, Bewertungen und Märkten geschaffen, dass niemand mehr den Grad an wechselseitiger Abhängigkeit durchschaute. Als der amerikanische Immobilienmarkt zusammenbrach, hatte niemand erwartet oder auch nur vage geahnt, dass damit die gesamte westliche Wirtschaft an den Rand des Abgrunds geführt wurde.“ „Niemand“! Niemand in Merz’ Milieu durchschaute die Entwicklung, „niemand“ erwartete sie – Merz gesteht es selbst ein. „Alle“, d.h. Merz und sein kleine radikale Minderheit, waren blind beim Wagen von noch mehr Kapitalismus, und Merz war mitten und vorne unter den Blinden.

Im Beirat der Betrugsberater Ernst&Young

Merz ist im Beirat der Wirtschafts“prüfungs“gesellschaft Ernst & Young. Sie gehört zu den mitverdienenden Verursachern der Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie war Wirtschafts“prüfer“ der maroden Wall Street-Bank Lehman Brothers, hat bis zuletzt und gut bezahlt deren Bilanzen geschönt. Diese „Leistung“ hat Ernst&Young zugunsten der Großbetrüger von Wirecard in den letzten Jahren glanzvoll wiederholt.

Noch einige markante Positionen

Bei der Bewerbung um den CDU-Vorsitz und dann besonders bei der Aufnahme in das Wahlkampf-Team des CDU-Kanzlerkandidaten musste sich Merz dem Softspeak à la Merkel und Laschet anpassen. Was er aber drauf hat, wenn er mal könnte, wird an einigen extrem neoliberalen Postionen deutlich – hier eine Auswahl:

Kein Mindestlohn!

Merz gehörte zu denjenigen, die selbst vor dem viel zu niedrigen Mindestlohn bis zuletzt warnten: Der Mindestlohn „würde Beschäftigung kosten“ und den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen. Für Merz ist dagegen „Amerika“ – er meinte die USA – die „große Faszination“, auch wegen des „flexiblen Arbeitsmarkts“.

Kündigungsschutz abschaffen!

Der Kündigungsschutz soll abgeschafft werden, die 40-Stunden-Woche soll durch die 42-Stunden-Woche ersetzt werden.

132 Euro für Hartz-IV-Empfänger reicht!

Merz hielt immer den Arbeitsmarkt für „überreguliert“. Die Hartz-Gesetze begrüßte er, aber bezeichnete sie als nicht entschieden genug. In einer Rede vor der Klausurtagung der FDP-Bundestagsfraktion plädierte er 2008 für eine Beschränkung der Sozialleistungen. Merz verteidigte den Vorschlag aus der „Chemnitzer Studie“, wonach ein Hartz-IV-Satz von 132 Euro pro Monat ausreichend sei.

Staatliche Subventionen für die Rente: nein! Für Unternehmen: ja bitte!

Im Allgemeinen polemisiert Merz gegen staatliche Subventionen, insbesondere bei den Sozialversicherungen, etwa bei der Rente. Gegen Subventionen für marode Banken und staatliche Bankenrettung hat er aber nichts einzuwenden. So bekam die insolvente Commerzbank – Beiratsmitglied: Friedrich Merz – 18,2 Mrd. Euro Staatshilfe, die Bank-Topmanager bekamen 120 Millionen an Boni ausgezahlt.

Auch Unternehmen sollen Subventionen mitnehmen, wo sie sie kriegen können. Zur Verlegung des Nokia-Handy-Betriebs aus Deutschland nach Rumänien schrieb Merz: „In Osteuropa winken geringere Personalkosten und Subventionen. Dieser Handy-Hersteller hat vor wenigen Jahren genau solche Subventionen für sein Werk in Deutschland erhalten, wie er sie jetzt in Osteuropa wieder bekommt. Mit welcher Begründung soll ein Unternehmen diese Subventionen hier nehmen und dort ablehnen?“

Höhere Mehrwertsteuer!

Die große Koalition unter Angela Merkel – Merz war CDU-Fraktionsvorsitzender – brach ihr Wahlversprechen und erhöhte die Mehrwertsteuer auf einen Schlag um 3 Prozent, von 16 auf 19 Prozent. „Nach wie vor halte ich auch die Anhebung der Mehrwertsteuer zu Beginn des Jahres 2007 für grundsätzlich richtig.“

Zahnersatz privat versichern!

Die Staatshaushalte stehen „im Würgegriff der Sozialausgaben“, so der Lobbyist. Dabei beruft er sich auch auf den rechtsradikalen Banker Thilo Sarrazin, der vor der „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ warnt.

Deshalb sollen bei der Krankenversicherung die Beiträge gesenkt werden, sie soll nur eine Basisversicherung für das Allernötigste sein. Deshalb zum Beispiel: „Der Zahnersatz könnte aus dem Leistungskatalog wieder herausgenommen werden.“

Alle Sozialversicherungen privatisieren!

Merz will nicht nur die Renten-, sondern alle vier Sozialversicherungen privatisieren: Kranken-, Renten-, Arbeitslosigkeits- und Pflegeversicherung. Die gesetzlich bestehenden Rest-Versicherungen sollen für eine Übergangszeit lediglich eine „Basisversorgung“ bringen.

Private Rente mit BlackRock-Finanzprodukten!

Rentenversicherung: Die Beiträge sollen gesenkt werden, auch sie soll nur eine Basissicherung sein. Als Ersatz wird privatisiert: „Was fehlt, muss durch eine kapitalgedeckte private und betriebliche Altersvorsorge erreicht werden.“ Nach seiner Ernennung als Aufsichtsratschef von BlackRock Deutschland trat er für das roboterisierte BlackRock-Finanzprodukts ETF ein.

ArbeitsArmut ist unausweichlich – aber die Armen sollen Aktien kaufen!

Merz konstatiert die wachsende Arbeits-Armut als unausweichlich: „Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen (und im Stillen haben wir dies längst getan), dass wir auf Dauer eine bestimmte Zahl von prekären Einkommens- und Beschäftigungs-Verhältnissen behalten werden.“ Und ebenso unvermeidlich: „Der Anteil der Arbeitseinkommen am Sozialprodukt wird tendenziell abnehmen, der Anteil der Einkommen aus Kapital ebenso tendenziell zunehmen.“ Die Lösung: Die Arbeitenden sollen mehr Aktien kaufen und Aktionäre werden.

Gewerkschaften: „Den Sumpf trockenlegen!“

Merz forderte als CDU-Fraktionsvize die Schwächung der „Gewerkschaftsmacht“, weil sie den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährde. „Die Gewerkschaften müssen sich aus den Betrieben spürbar zurückziehen.“

Merz bezeichnete die bescheidenen Mitbestimmungsmöglichkeiten im Unternehmen als „Fremdbestimmung“ und als „Sumpf“. Die Mitbestimmung müsse deshalb eingeschränkt werden, und darüber dürfe eine Regierung auch nicht mit den Gewerkschaften verhandeln: „Wenn man einen Sumpf austrocknen will, darf man nicht die Frösche fragen.“

Fossile Energieträger sind klimagerecht!

Merz agitierte für die Beibehaltung der Kohle, Braunkohle und Atomkraft als Energiequellen. Er gehörte 2010 zu den 40 Unterzeichnern des „energiepolitischen Appells“, der sich gegen die ohnehin vorsichtige Klimapolitik des Umweltministers Norbert Röttgen wandte. Der hatte zu einem „klimagerechten Strukturwandel“ aufgerufen. Angestoßen war der Appell von den Energiekonzernen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW und unterstützt von den Vorstandschefs der Chemiekonzerne Bayer und BASF sowie der Deutschen Bank und vom BDI.

Private Hochschulen und Privatschulen!

Gegenüber den überlaufenen und in der Ausstattung maroden staatlichen Hochschulen zeigen für Merz die privaten Universitäten, „dass es auch anders geht“. Die hohen Studiengebühren würden, so Merz, zumindest teilweise durch Stipendien kompensiert. Leider würde in Deutschland bisher die „Neugründung von Privatschulen systematisch erschwert und die Erhebung von Schulgeld begrenzt.“ Für die Universitäten nimmt Merz die US-Eliteuniversität Harvard – sie hat nur 20.000 Studenten, die streng ausgewählt sind und mehrere zehntausend Dollar pro Jahr zahlen – zum Vorbild, die aus einem Stiftungskapital von 35 Mrd. Dollar mitfinanziert wird. Merz befürwortet in Deutschland Studiengebühren von 1.000 Euro im Jahr, Schulgeld und das Bauen und Betreiben der Gebäude nach dem Muster von Public Private Partnership (PPP).

Merz betrachtet die „Internationale Schule Ruhr“ als Vorbild: Hier beträgt das jährliche Schulgeld je nach Schüleralter zwischen 10.800 und 14.800Euro.

Das Schulgeld soll vom Staat steuerlich begünstigt werden.

Ein Nazi ist kein Nazi, wenn er gleichzeitig katholisch ist!

2004 erklärte Merz öffentlich, ihn „packe das Grausen“, als in seiner sauerländischen Geburtsstadt Brilon ein SPD-Politiker zum Bürgermeister gewählt wurde. Der „rote Bürgermeister“ müsse abgewählt werden. Denn dort im schönen Rathaus habe sein Großvater Josef Paul Sauvigny bis 1937 als Bürgermeister residiert. Merz rief zum „Sturm auf das rote Rathaus“ auf.

Danach wurde aufgedeckt, dass Sauvigny, bis 1933 Mitglied der katholischen Zentrumspartei, 1933 in die SA und 1938 nach seiner altersbedingten Pensionierung in die NSDAP eingetreten war. 1933 hatte er Hitler begrüßt: Hitler ist heute „eine Kraft, die uns leitet, ein Führer, der uns ruft.“ 1937 war er von den Nazis mit Lob in die Pension verabschiedet worden: „Sein Amt verwaltete er stets im nationalsozialistischen Geiste.“ Auch für die Umsetzung der Juden-Gesetze hatte er sich stark gemacht. Doch Merz beschönigte und log nach Einblick in die Dokumente: „Mein Großvater ist kein Nationalsozialist gewesen“ – er sei ja Katholik geblieben.

Gegen Russland und China aufrüsten!

Merz verteidigt die von den US-Präsidenten Obama, Trump und Biden geforderte Aufstockung der Militärhaushalte der europäischen NATO-Mitglieder, weil die USA für die Aufrüstung gegen Russland und vor allem China noch mehr Geld brauchen.

Schon 2018 bezeichnete Merz vor Wirtschaftsanwälten in der Schweiz die „zunehmend aggressiven Staaten China und Russland“ als größte Gefahren. Der Kampf gegen Terrorismus und für Demokratie sei auf der Grundlage gemeinsamer Werte mit den USA zu führen, schrieb er in der Zeitschrift des Rotary-Clubs. „Nur die USA können dank ihrer militärischen Stärke die Freiheit verteidigen und für die Weltordnung sorgen.“

Titelbild: Screenshot ZDF

Gekürzter Auszug aus Werner Rügemer: BlackRock & Co enteignen! Auf den Spuren einer unbekannten Weltmacht. Nomen Verlag Frankfurt/Main 2021, 176 Seiten, 12 Euro.



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