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Titel: Hannes Hofbauer zur Situation in Österreich: „Sie sagen offen, dass damit die Menschen zum Impfen getrieben werden sollen“

Datum: 17. November 2021 um 9:09 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Gesundheitspolitik, Interviews, Länderberichte
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„Im Widerstand nicht spalten lassen“ – der Verleger Hannes Hofbauer findet im Interview mit den NachDenkSeiten zur aktuellen Entwicklung in Österreich im Hinblick auf die Coronamaßnahmen klare Worte. Der Österreicher, der einen passiven Widerstand in seiner Gesellschaft beobachtet, schildert, wie die Situation derzeit in seinem Land ist. Er berichtet von Polizisten, die Anweisungen von oben haben, bei jeder noch so kleinen Kontrolle nach dem Impfstatus zu fragen, von manchen Geimpften, die sich wie Blockwarte aufführen, und einer Justiz, die schweigt. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Herr Hofbauer, wir haben in den vergangenen Monaten immer wieder über die Situation in Österreich gesprochen. Nun gibt es weitere Entwicklungen. Einen Lockdown für Ungeimpfte.
Haben Sie das für möglich gehalten?

Vernunftbegabte Menschen können so etwas eigentlich nicht für möglich halten. Aber die politische Realität in Österreich ist schon längere Zeit nicht mehr von der Vernunft getragen, in Deutschland scheint es ähnlich. Jetzt sehen wir die Einführung einer offiziellen Trennungspolitik von Geimpften und Ungeimpften. Die Ungeimpften , und das ist immerhin ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung, dürfen ihr Zuhause seit 15. November 2021 nur mehr verlassen, wenn sie zum Arzt müssen, Lebensnotwendiges einkaufen und frische Luft schnappen gehen. Der Weg zur Arbeit ist nur erlaubt, wenn man dort, am Arbeitsplatz, einen sogenannten PCR-Test vorweisen kann. Dazu kommt erschwerend, dass PCR-Tests, die nur eine Gültigkeit von 48 Stunden haben, wegen der Überlastung des Systems oft erst zwei, drei Tage nach dem Abstrich zugestellt werden … und dann freilich nicht mehr gültig sind. Ich kenne persönlich mittlerweile einige Menschen, die deswegen nicht arbeiten gehen können. In vielen kleineren Städten beklagen sich Gewerbetreibende, dass ihre Mitarbeiter nicht am Arbeitsplatz erscheinen.

Dass der Trennungswahnsinn keinen epidemiologischen Sinn hat, bestätigen indirekt vom Bundeskanzler abwärts die meisten Unverantwortlichen – anders kann man sie nicht mehr nennen. Denn sie sagen offen, dass damit die Menschen zur Impfung getrieben werden sollen, wohl wissend, dass mittlerweile fast 50 Prozent der Corona-Hospitalisierten geimpft sind, diese Impfung also die Krankheit nicht besiegen wird.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? Wie gehen die Bürger mit dieser Maßnahme um?

Die Stimmung ist äußerst gereizt. Im öffentlichen Verkehr mehren sich die Zwischenfälle, viele Geimpfte sehen sich als Blockwarte einer Gesundheitsdiktatur. Und die Polizei ist mit eigenen Streifen unterwegs, um Fußgänger mit Fragen zu traktieren, warum sie auf der Straße sind; ganz zu schweigen von Planquadraten in der Gastronomie oder in Einkaufszentren. Überall dort dürfen sich ja nur Geimpfte (und Genesene) aufhalten. Zudem hat der oberste Polizeichef angeordnet, jede einzelne Amtshandlung, sei es wegen falschem Abbiegen mit dem Auto oder Lärmbelästigung oder was immer, mit der Kontrolle des Impfstatus zu versehen. Das heißt, es gibt hunderte Anzeigen und Strafen … alle nur für Ungeimpfte. Sie werden systematisch zu Parias der Gesellschaft erklärt.

Wehren sich die Ungeimpften denn nicht?

Doch. Und es sind auch viele Geimpfte mit ihnen solidarisch. So gab es z.B. in den „Vorarlberger Nachrichten“, der führenden Zeitung des westlichsten Bundeslandes, ein Inserat von über 50 Unternehmen, dessen Kernsätze lauteten: „Bei uns sind geimpfte und ungeimpfte Mitarbeiter gleichermaßen willkommen“ und „Für die sofortige Aufhebung der Diskriminierung gesunder Menschen“.

Auch wird fleißig gegen die Maßnahmen demonstriert. Zum Beispiel in Innsbruck am Sonntag, dem 14. November. 5.000 Menschen zogen unter der Parole „Tirol steht auf“ auf den Landhausplatz und machten ihrem Ärger Luft. Die Zeitungen schweigen die Proteste weitgehend tot. Auch in Wien waren tags davor hunderte Menschen unter dem Banner „Demokratie und Grundrechte“ am Heldenplatz unterwegs, wobei bei dieser Kundgebung aufgefallen ist, dass sich langsam und hoffentlich nicht zu spät auch explizit Linke gegen die betriebene Gesellschaftsspaltung zu Wort melden.

Und dann gibt es noch die breiteste Bewegung gegen die Regierung, das ist die des passiven Widerstands. Es ist keine Bewegung im eigentlichen Sinn, aber die Form des Widerstands ist weit verbreitet. Zum Beispiel wenn man in das Gasthaus seines Vertrauens geht, eine Freundesrunde besucht oder Sport im Innenbereich betreibt. Sehr oft wird dort, wo man als Ungeimpfter nicht hingehen darf, nicht nach dem Status gefragt. Ihre Dimension ist schwer abschätzbar, aber die passive Resistenz ist weit verbreitet.

Gibt es Stimmen vonseiten der Justiz?

Die Richter, die am Anfang der behördlichen Zwangsverfügungen noch die Grundgesetze hochgehalten haben, scheinen auf Urlaub zu sein und sind eingeschüchtert. Hunderte Verfahren sind anhängig, aber es geht absolut nichts weiter, wie mir ein prominenter Anwalt, der solche Verfahren wegen Verfassungswidrigkeit betreibt, gesagt hat.


Wie ordnen Sie das Vorgehen der Regierung ein?

Die sind völlig von der Rolle. „Chaos pur“, solche Aussagen kann man sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hören. Zuletzt hat der Gesundheitsminister – seinen Namen muss man sich nicht merken – am Montag, dem 15. November, eine Verordnung in schriftlicher Form erlassen, in der er für das kommende Wochenende einen Lockdown in der Nacht auch für Geimpfte angekündigt hat. Im Klartext wollte er eine frühe Sperrstunde für Lokale für alle. Zwei Stunden später stand der erst wenige Tage im Amt befindliche neue Bundeskanzler – auch sein Name tut nichts zur Sache – auf der Matte des öffentlich-rechtlichen TV und meinte, das werde nicht kommen. Auf die Frage, ob darüber in der vom Gesundheitsminister angekündigten Regierungssitzung zwei Tage später konferiert würde, antwortete der Bundeskanzler, von so einer Sitzung wisse er nichts und sie wird es nicht geben. So arbeitet man in den wichtigsten zuständigen Ämtern. Es ist eine Schande. Das sieht auch der siegreichste österreichische Sportler Felix Gottwald – dreifacher Goldmedaillengewinner als Nordischer Kombinierer bei Olympia – so. Er warf seinen Posten als Chef der Breitensportkommission hin mit den Worten, dass er „jegliches Vertrauen in die Politik verloren“ habe und „gegen Ausgrenzung vom sozialen und sportlich bewegten Leben“ sei. „Spaltung, Hetze, Diskriminierung“ nennt Gottwald das, was gerade abläuft.

Sie haben im September 2020 das Buch „Lockdown 2020 – Wie ein Virus dazu benutzt wird, die Gesellschaft zu verändern“ rausgebracht.
Sehen Sie sich bestätigt?

Da waren wir noch viel zu leichtgläubig und haben unterschätzt, wie sich die anfängliche Instrumentalisierung des Virus zu einem Selbstläufer entwickelt, der sich in der Blase der Unverantwortlichen immer und immer neu aufbläht. Wir stehen heute vor einer Faschisierung der Gesellschaft … und viele, viel zu viele begreifen das nicht, glauben immer noch an gesundheitspolitisch notwendige Maßnahmen. Allein die Tatsache, dass es in den vergangenen zwei Jahren keinerlei Investitionen in die öffentliche Gesundheit gegeben hat und Österreich mit Personalmangel in den Spitälern kämpft, zeigt, dass die Gesundheit nicht im Zentrum der Politik steht; außer man versteht unter Gesundheitspolitik die Milliarden von Euros, die man für derzeit täglich 320.000 Tests (bei 8,9 Millionen EinwohnerInnen) und Millionen von Impfdosen den Pharma-Konzernen in den Rachen wirft.

Sie haben auch an Demonstrationen gegen die Maßnahmen teilgenommen. Bei Ihnen in Österreich scheint die Lage wie in Deutschland: Ein Teil der Bürger begehrt auf, ein anderer, großer Teil fügt sich oder steht hinter den Maßnahmen.
Wie erklären Sie sich das?

Die Gesellschaft ist gespalten; in jene, die gläubig wie Lemminge den Vorgaben folgen, auch wenn sie noch so unsinnig und – wie gesagt – auch widersinnig sind, indem sie sich auf offener politischer Bühne widersprechen. Andere wiederum sehen sehr wohl, wie ahnungslos – oder noch schlimmer – gezielt einer Big-Pharma-Agenda folgend die Staatsführung agiert. Gleich aus welchem Grund man gegen die Maßnahmen ist, ihre Härte einigt die Gegner.

In Deutschland ist gerade die Schlagzeile zu lesen: „Können Impfunwillige von der Polizei vorgeführt werden?”
Wenn Sie nach vorne blicken, was glauben Sie, wie es weitergehen wird?

Ich bin kein Prophet. Als Historiker aus der Geschichte weiß ich allerdings, dass anfangs noch eher moderate Einschränkungen nach und nach in massive Repressionen ausarten können. Damit das nicht passiert, müssen wir gemeinsam dagegen aufstehen, jeder und jede auf seinem oder ihrem Platz – und uns im Widerstand nicht spalten lassen.

Titelbild: Spitzi-Foto/shutterstock.com

Lesetipp: LOCKDOWN 2020. Wie ein Virus dazu benutzt wird, die Gesellschaft zu verändern, Hg. Hannes Hofbauer & Stefan Kraft, Promedia Verlag Wien, 2020


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