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Titel: Deutsche Medien: Höchste Zeit für eine Entschuldigung

Datum: 14. Januar 2022 um 11:11 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, PR
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Das Beispiel der neuen ARD-Chefin Patricia Schlesinger zeigt: Während sich etwa in Dänemark eine große Tageszeitung für ihr „Versagen“ bei der Corona-Berichterstattung entschuldigt (wir haben berichtet), zeigen viele große deutsche Medien eine gegenteilige Haltung: Flucht nach vorne, Selbstbespiegelung und Eigenlob. Dabei kann es keinen Zweifel geben: Die aktuell dominierenden Redakteure haben das Vertrauen in ihren Berufsstand so schwer erschüttert, dass es mit einer (folgenlosen) Entschuldigung nicht getan sein wird: Es wäre aber ein Anfang. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die neue ARD-Chefin Patricia Schlesinger hat in einem kürzlichen Interview mit DPA deutlich gemacht, wie sie zu Selbstkritik steht und wie sie ihre Aufgabe als eine mächtige Journalistin in Deutschland interpretiert:

Frage: Welche Fehler hat die ARD in der Corona-Berichterstattung gemacht?

Antwort: ARD, ZDF und Deutschlandradio haben unter erschwerten Bedingungen wirklich viel geleistet. Der RBB hatte selbst Corona-Fälle und musste von heute auf morgen mobil arbeiten. Aber wir haben das Informationsbedürfnis gut abgedeckt und auf allen Ausspielwegen auch große zusätzliche Kulturangebote gemacht, was mir ganz besonders wichtig war. Was Fehler angeht: Vielleicht sind wir zu spät auf jene Menschen eingegangen, die Impf-Vorbehalte haben. Wir hätten ihnen früher erklären können, warum Impfen richtig und wichtig ist.

Diese Aussagen sind in mehrfacher Beziehung fragwürdig: Schlesinger entfaltet hier zum einen Selbstlob, das noch für den naivsten Medienbeobachter an der Realität der letzten Monate zerschellen muss. Und sie offenbart zum anderen mit dem letzten Satz ein „pädagogisches“ Verständnis von Journalismus: Die Redakteure sollen demnach nicht neutral und distanziert über das Für und Wider etwa der Corona-Impfung berichten, sondern sie sollen die Bürger im Sinne der Regierung erziehen – schließlich ist Impfen ja (anscheinend zweifellos) „richtig und wichtig“.

Mutige Ausnahmen

Hier wird selbstverständlich von Medien keine prinzipielle Anti-Impf-Position verlangt – aber doch ein Abrücken von der intensiven Parteilichkeit, das man vor allem von den durch Bürger bezahlten öffentlich-rechtlichen Mitarbeitern einfordern kann. Die durch die Dramatisierung des existenten Virus erzeugte „Alternativlosigkeit“ bei der Corona-Politik ist lange als Manipulation enttarnt.

Es gibt aber auch während Corona positive Ausnahmen in großen deutschen Medien, die man allerdings mit der Lupe suchen muss. Umso mehr gebührt Kollegen Respekt, die sich durch eine feindliche Atmosphäre nicht von ihrer Meinung abhalten lassen: Denn dass es selbst für mutige und gewissenhafte Mitarbeiter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) schwer ist, gegen den internen Druck zur Anpassung zu widerstehen, zeigen die Aussagen zweier ÖRR-Mitarbeiter aus der jüngeren Vergangenheit (hier und hier).

Dass es in vielen großen deutschen Privatmedien nicht besser bestellt ist mit der Distanz zur Regierung und ihrer destruktiven Corona-Politik, haben die NachDenkSeiten in vielen Artikeln beschrieben, einige finden sich unter diesem Text. Beim konkreten Fall zeigt schon die Überschrift des oben im Text verlinkten Artikels des „Tagesspiegel“ eine Haltung, die selbst noch die fragwürdigen Sätze von Schlesinger als „Selbstkritik“ adelt.

Auf dem Sockel des Selbstlobs

Manchen Lesern mag die selbstkritische Analyse des auflagenstärksten Boulevardblatts Dänemarks, „Ekstra Bladet“, nicht weit genug gehen. Aber immerhin begibt sich die Redaktion vom Sockel des Selbstlobs herunter, auf dem viele deutsche Journalisten noch verharren, indem sie, wie Jens Berger schreibt, „die Korrektheit ihrer Corona-Berichterstattung selbstbeweihräuchernd in stets den gleichen Mantren verteidigen“. Mutmaßlich auch, um nicht künftig als Mitverantwortliche für die zerstörerische Corona-Phase identifiziert zu werden, wird von vielen deutschen Redakteuren versucht, eine inhaltlich nicht mehr haltbare Panikkampagne mit allen Mitteln am Leben zu erhalten – denn dadurch wird eine rationale Analyse der Situation und der Verantwortlichen sehr erschwert.

Wenn es in großen deutschen Medien Kritik an der Corona-Politik gab, dann hatte die oft den Tenor, dass die Maßnahmen nicht hart genug seien – das ist für mich keine Kritik, sondern eine Strategie, um eine radikale Politik auch noch moderat erscheinen zu lassen. Wie gesagt: Es gab auch positive Ausnahmen, zum Beispiel hier.

Umfallende Elefanten

Es ist zu befürchten, dass die (unvermeidlichen) Entschuldigungen für die anti-journalistische Unterstützung der Corona-Politik durch viele deutsche Medien erst dann kommen, wenn es endgültig zu spät ist. Wenn also an den momentan etablierten Tendenzen zu Protestverboten, Diffamierung Andersdenkender, Social-Media-Zensur, Überwachung (digitale ID), Isolation, Impf-Abo, Hygiene-Gängelung und vielem mehr nur noch sehr schwer etwas geändert werden kann.

Es gab selbstverständlich bereits lange vor Corona bedenkliche Kampagnen in deutschen Medien, unter vielem anderen zur Stützung von Sozialkürzungen, Privatisierungen und Angriffskriegen oder um das Feindbild Russland aufzubauen. Seit 2020 wurden aber diese bereits abzulehnenden Praktiken nochmals verschärft. Eine Entschuldigung – wenn sie denn kommt – wird auch nicht ausreichen, um den zerstörten Ruf weiter Teile der deutschen Medienlandschaft zu reparieren: Erst eine durch Distanz zu Regierung und großen Firmen geprägte Praxis könnte Glaubwürdigkeit zurückerobern.

Aber nichts ist für die Ewigkeit: Laut diesem Artikel auf Corodok gibt es momentan trotz der noch immer überwältigenden Medienkampagnen zu Corona und trotz der giftigen Ausgrenzung Andersdenkender Beispiele für „umfallende Elefanten“ – darunter auch Journalisten. Und der Regisseur Dietrich Brüggemann brachte kürzlich einen aktuell unter vielen deutschen Journalisten verbreiteten Zeitgeist auf den Punkt, indem er twitterte:

„Im chinesischen Horoskop ist 2022 das Jahr des umfallenden Elefanten. (Habe ich mir gerade ausgedacht, aber das macht man ja heutzutage so.)“

Titelbild: Maxx-Studio / Shutterstock


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